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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 31. Juli 2012 um 8:14 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (MB/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Memorandum 2012 – Ein Gespräch mit Heinz-Josef Bontrup
  2. Dierk Hirschel: Geld ist genug da!
  3. Michael Spreng – Die Überlebensfrage der Demokratie
  4. Eurokrise
  5. Kritik an Deutschland – Warum Juncker recht hat
  6. Stabilität für den Euro
  7. Lohndumping, Betrug und Skandale
  8. Weniger offene Stellen in Deutschland
  9. Dauerbereitschaft: Arbeit auf Abruf
  10. Sind die Rentenansprüche ungerecht verteilt?
  11. Altersvorsorge in Gefahr. Was tun?
  12. Leiharbeit bleibt abgehängt
  13. Bloß weg vom Hindukusch
  14. Syrien
  15. Hans-Peter Friedrich und die Bundespolizei Fahrlässige Gleichgültigkeit der Politik
  16. Der ifo-Presseberichtsklimaindex
  17. Zu guter Letzt: Spaßvogel

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Memorandum 2012 – Ein Gespräch mit Heinz-Josef Bontrup
    Jedes Jahr im Mai bringt die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik ihr Memorandum heraus, das als Gegengutachten zu dem des so genannten Sachverständigenrates gelten kann. Das Mememorandum 2012 trägt den Titel “Europa am Scheideweg – Solidarische Integration oder deutsches Spardiktat”. Gute Tradition ist mittlerweile das Interview, das der Trotzfunk mit dem Sprecher der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik Heinz-Josef Bontrup anlässlich des Erscheinens der Memoranden führt. Heinz-Josef Bontrup ist Hochschullehrer für Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Gelsenkirchen, Bocholt, Recklinghausen.
    Quelle 1: Trotzfunk (Einleitungstext)
    Quelle 2: Trotzfunk (Audio-Podcast, mp3)
  2. Dierk Hirschel: Geld ist genug da!
    Europa ist so reich wie noch nie. Zwischen Monaco und Mailand leben heute 3,2 Millionen Millionäre. Der private Reichtum Westeuropas umfasst 27 Billionen Euro. Die deutschen Reichen sitzen auf einem 7,2 Billionen Euro hohen Vermögensberg – Sach- und Geldvermögen abzüglich Verbindlichkeiten. Dieses Vermögen ist dreimal so groß wie das teutonische Sozialprodukt. In Frankreich, Italien und Spanien umfasst der private Reichtum sogar das Fünf- bis Siebenfache der jährlich produzierten Waren und Dienstleistungen. Von Madrid bis Athen konzentriert sich immer mehr Vermögen in immer weniger Händen. Hierzulande besitzt das reichste Prozent mehr als ein Drittel des gesamten Nettovermögens Die reichsten zehn Prozent halten zwei Drittel.
    Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen steigenden Privatvermögen und wachsenden Staatsschulden. In der großen Finanzmarktkrise 2008 rettete der Staat die Banken vor dem Untergang. Durch milliardenschwere Finanzhilfen und staatliche Garantien wurden die Vermögensbesitzer vor großen Verlusten geschützt. Der staatliche Rettungseinsatz ließ die Staatsverschuldung explodieren. Die Schuldenquote des Eurolands kletterte krisenbedingt von rund 66 Prozent auf über 85 Prozent. Allein die deutschen Staatsschulden stiegen um 400 Milliarden Euro. Drei Viertel davon sind Kosten der Bankenrettung. Europaweit beläuft sich die Zeche der Bankenrettung auf rund 1,6 Billionen Euro. Kurzum: Der Anstieg der Staatsverschuldung ist nicht das Ergebnis laxer Haushaltspolitik, sondern Folge einer schamlosen politischen Reichtumspflege und der großen Finanzmarktkrise. Das Gemeinwohl schrumpfte zugunsten steigender Vermögen. Und jetzt sollen die Schuldenberge dadurch abgetragen werden, dass abhängig Beschäftigte, Rentner und Arbeitslose den Gürtel enger schnallen. Damit muss endlich Schluss sein. Die Schuldenfrage ist eine Verteilungsfrage. Der private Reichtum muss jetzt zum Abbau der Staatsschulden herangezogen werden.
    Quelle: taz
  3. Michael Spreng – Die Überlebensfrage der Demokratie
    Mein Urerlebnis mit Top-Managern der Finanzindustrie hatte ich 2002. Damals war ich Wahlkampfmanager von Edmund Stoiber. Roland Berger hatte für Stoiber im Hotel “Vier Jahreszeiten” in München ein intimes Treffen mit den Vorstandschefs der größten deutschen Unternehmen arrangiert. Ich begleitete Stoiber. […]
    Vor diesem Hintergrund ist es erschütternd, wie schnell die Vorschläge von Sigmar Gabriel zur Bankenregulierung als “Populismus” (Wolfgang Schäuble) abgebürstet wurden. Denn der SPD-Chef hat recht, wenn er die Frage der Kontrolle der Finanzindustrie zur Überlebensfrage der Demokratie erklärt. Deshalb ist das Thema Finanzmarktregulierung auch das richtige Wahlkampfthema.
    Warum sollen die Bürger noch wählen gehen, wenn anschließend Hedgefonds und Banken die Politik diktieren? Ohne Finanztransaktionssteuer, die den irrwitzigen Hochfrequenzhandel eindämmt und wenigstens ein bisschen Geld für den Staat abschöpft, ohne die Trennung von Privatkundengeschäft und Investmentbanking, ohne strenge Aufsicht über Hedgefonds, ohne Genehmigung und Verbot von Spekulationsprodukten, ohne Begrenzung der Gehälter und Boni, wird das “Monster” (Ex-Präsident Horst Köhler) nicht besiegt werden können.
    Von der regierenden schwarz-gelben Koalition ist in dieser Hinsicht nichts mehr zu erwarten. Deshalb müssen darüber die Wähler 2013 entscheiden. Denn die Breuers und Schulte-Noelles von heute lernen freiwillig nichts dazu, reagieren taub und frech auf Appelle an die gesellschaftliche und politische Verantwortung. Das geht nur mit Zwang.
    Quelle: Sprengsatz
  4. Eurokrise
    1. Spanien stürzt ab
      Seit 1986 ist das Land Mitglied des Staatenverbundes. Pünktlich zum Jahrestag teilte das Nationale Statistikinstitut in Madrid mit: Die Arbeitslosenquote kletterte im zweiten Quartal auf 24,6 Prozent, das entspricht 5,7 Millionen Menschen – bei 47,2 Millionen Einwohnern. Ein höheres Niveau hat es seit Einführung der Statistik 1976 nicht gegeben. Die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen unter 25 Jahren hat die 53-Prozent-Marke erreicht. Zwar verloren im ersten Quartal 2012 noch 365000 Menschen ihren Job, während es zwischen April und Juni »nur noch« 53500 waren. Diese Verlangsamung ist zum einen darauf zurückzuführen, daß im spanischen Tourismussektor zur Hochsaison viele Menschen eingestellt werden. Zum anderen darauf, daß die Regierung unter dem rechten Ministerpräsidenten Mariano Rajoy im Februar eine sogenannte Arbeitsmarktreform verabschiedet hat. Tatsächlich wurde der Kündigungsschutz durchlöchert, d.h. die Unternehmen haben neue Möglichkeiten, Beschäftigte zu einfacheren und billigeren Bedingungen zu entlassen. Beides – die erwartete Belebung des Arbeitsmarktes wie auch die Einführung von »Hire-and-fire« – haben an dem Ansteigen der Arbeitslosenquote nichts ändern können. Hinzu kommt: Es kommen zwar ähnlich viele Ausländer wie in den Vorjahren als Touristen, der innerspanische Urlaubsverkehr ist aber nach einigen Angaben bislang um 30 Prozent im Vergleich mit 2011 zurückgegangen. – Besserung ist nicht in Sicht. Die Regierung Rajoy verfolgt weiter ihren volkswirtschaftlich irrwitzigen Sparkurs, der Ausgabenkürzunge in Höhe von 65 Milliarden Euro sowie vor allem eine Erhöhung der Mehrwertsteuer vorsieht.
      Quelle: junge Welt
    2. Spanien verlängert Ladenöffnungszeiten
      Spanien will es vor allem den Touristen beim Einkaufen leichter machen und schlachtet dabei auch eine heilige Kuh: Die Siesta.
      Die Regierung in Madrid hat beschlossen, die Ladenöffnungszeiten zu verlängern und die Zahl der Sonntage, an denen die Geschäfte öffnen dürfen, zu erhöhen. Auch geöffnete Geschäfte zwischen 14.00 und 16.00 Uhr sind nun kein Tabu mehr.
      Quelle: Focus

      Anmerkung unseres Lesers T.F.: Man kann hier eigentlich nur noch stöhnen. Die Nachfrage durch den spanischen Binnenmarkt wird dadurch nicht größer, aus dem Geldbeutel quillen nicht mehr Euros, wenn man dort auch mittags einkaufen gehen kann. Aber auch das Argument mit dem Tourismus ist schon sehr merkwürdig. Hier kann sich der Leser an die eigene Nase fassen. Ist die Option für Spanien als Urlaubsort jemals von den dortigen Ladenöffnungszeiten abhängig gewesen? Fahren wir jetzt öfter nach Spanien, weil man dort inzwischen auch mittags essen und einkaufen kann? Was für eine doofe Idee! Die kurzfristige Zunahme des Tourismus, wenn sie denn kommt, mag alle möglichen Ursachen haben, mit der Abschaffung der Siesta dürfte sie aber absolut nichts zu tun haben. Was mir als Spanien-Urlauber allerdings zunehmend unangenehm auffällt, ist das Abschmelzen von spanischer Landschaft und Kultur durch aneinandergereihte Appartment-Silos, die zum großen Teil leer stehen und durch neue Tourismus-Städte, die nichts Altes mehr zu bieten haben. Ein absoluter Horror! Auch die vergleichsweise ästhetisch anmutenden neuen Hotelkomplexe hinterlassen bei mir ein schales Gefühl und können den Gesamteindruck nicht verbessern. Jetzt kommt zu der eh schon vorhandenen Entgrenzung auch noch die Abschaffung spanischer Lebensart hinzu, die auf Kosten kleiner Ladeninhaber geht. Der Immobilienboom zeigte eigentlich für das Auge sofort erkennbar, dass die spanischen Regierungen nie einen vernünftigen Gesamtplan für Spanien hatten, was Bebauung und Tourismus anbelangt und dass sie immer nur kurzfristige Spekulationswünsche bedient hatten. Wenn überhaupt eine Idee hinter diesen neuen Gesetzen zu den Öffnungszeiten steckt, dann die der Disziplinierung nach innen und die der Verbeugung Richtung Norden nach dem Motto: Liebe Spanier, wir müssen jetzt alle die Zähne zusammenbeißen, koste es, was es wolle, jeder muss seinen Beitrag leisten. Und liebe Frau Merkel, nicht wahr, wir Spanier arbeiten doch hart genug, man kann uns in dieser Hinsicht doch nichts mehr vorwerfen, nicht wahr? Wir liegen jetzt nicht mehr faul in der Sonne herum! Was auch immer der Grund für diesen Kotau gewesen sein mag, Tatsache ist, dass die spanische Regierung kalte Füße bekommen muss. Während der Bundestag über die Hilfe für spanische Banken abgestimmt hatte, war die Kapitalflucht aus Spanien bereits in vollem Gange und hat das Hilfsprojekt möglicherweise sogar schon konterkariert. Mit anderen Worten, das zur Verfügung gestellte Geld wird nicht reichen. Symbolpolitik ist so gesehen doch nicht so dumm, wie sie aussieht. Das Fatale ist nur: Einmaliges Berühren des Bodens mit der Stirn wird nicht ausreichen, wenn man über einen solchen Reichtum an ökonomischen Ideen verfügt wie Europas Eliten.

    3. Frankreich zwischen Reform und Krise
      „Ein schlechter Sommer: Es regnet Arbeitslose!“ Diese Worte legt die Pariser Abendzeitung Le Monde am 15. Juli dieses Jahres dem neuen Präsidenten, François Hollande, in den Mund. Tatsächlich drohen größere Wellen von Entlassungen und „Sozialplänen“ über das Land hereinzubrechen: Von bis zu 60.000 akut bedrohten Arbeitsplätzen im laufenden Jahr ist in verschiedenen Berichten die Rede.
      Auch die französischen Konzerne profitieren von der Wirtschaftskrise, um ihre Strukturen dies- und jenseits der nationalstaatlichen Grenzen zu reorganisieren und dabei überall möglichst viele Kosten einzusparen. Im ersten Halbjahr 2012 hatten sie noch ihre Ankündigungen und Hiobsbotschaften zurückgehalten, aus Rücksicht auf die Präsidentschaftswahlen und die Parlamentswahlen. Denn der frühere Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatte die Wirtschaftsverbände ausdrücklich darum gebeten, damit seine Wiederwahlchancen – die aufgrund seiner Regierungsbilanz gerade in Sachen Sozialpolitik ohnehin eher schwach aussahen – nicht vollends gefährdet sind. Verschiedene Akteure, unter ihnen die Gewerkschaftsdachverbände CGT und CFDT, warnten aber das gesamte Frühjahr vor ökonomischen Problemen: Vorsicht, das dicke Ende kommt noch!
      Quelle: DGB Gegenblende
  5. Kritik an Deutschland – Warum Juncker recht hat
    Der Chef der Eurogruppe hat allen Grund, die deutsche Doppelbödigkeit anzuprangern. Während Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble die nächste Rettungsaktion vorbereiten, machen FDP und CSU konsequent Stimmung dagegen.
    Jean-Claude Juncker kann es nicht lassen. Bevor er in den Urlaub fährt, teilt er noch einmal kräftig aus gegen die Euro -Skeptiker im Allgemeinen und die in Deutschland im Besonderen. Natürlich nicht, ohne zu Beginn des Interviews in der “Süddeutschen Zeitung” den “sofortigen Sofortismus” zu beklagen, der Politiker ständig zu Stellungnahmen und Gegenstellungnahmen dränge. Wobei Juncker selber gerne mitmacht. Zum Beispiel mit der Aussage, die Euro-Zone stehe an einem “entscheidenden Punkt”. Da steht sie nun schon seit über zwei Jahren. […]
    Namentlich nennen muss er sie nicht, es ist ja sofort klar, wen er mit diesem Satz meint: “Wieso eigentlich erlaubt sich Deutschland den Luxus, andauernd Innenpolitik in Sachen Euro-Fragen zu machen? Warum behandelt Deutschland die Euro-Zone wie eine Filiale?”
    Juncker hat Recht. Entweder, man schließt sich der Bundesregierung an und sagt zu Griechenland, dass der nächste Troika-Bericht im September abgewartet werden muss. Oder man weiß es besser wie Söder und sagt, Griechenland muss ohnehin aus der Euro-Zone fliegen. Die Koalition aus CDU, CSU und FDP aber führt munter beide Positionen an. Wenn dann die Regierungssprecher nach der Regierungsmeinung gefragt werden, sagen sie, Rösler äußere sich zum Thema Griechenland wohl eher als Parteichef.
    Quelle: FTD

    Anmerkung WL: Auch wenn Juncker ein Vertreter der Bankeninteressen ist, mit seiner Kritik am Populismus deutscher Politiker und an deutschen Hegemonialansprüchen hat er Recht.
    Getroffene Hunde bellen: Es sei an Unverfrorenheit nicht mehr zu überbieten, wenn Juncker Deutschland nun als Teil des Problems darstelle, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt am Montag in München. Luxemburgs Regierungschef müsse sich überlegen, ob er selbst Teil des Problems oder der Lösung sei, betonte Dobrindt.

  6. Stabilität für den Euro
    In der Debatte über die derzeitige Euro-Finanzkrise geistern auffällig viele volkswirtschaftliche Mythen durch die öffentliche Debatte. Die Folge ist, dass oft ungeeignete Gegenmaßnahmen vorgeschlagen und – auch unter dem Druck der öffentlichen Meinung – umgesetzt werden. Um der Politik des Sparens, die de facto eine Lohn-Deflations-Politik ist, etwas entgegenzusetzen, ist aus Sicht der Gewerkschaften die Aufklärung über volkswirtschaftliche Zusammenhänge eine der wichtigsten Aufgaben. Im Kern geht es dabei um die Ziele, die bereits 1967 von Karl Schiller für das damalige Wirtschafts- und Stabilitätsgesetzt, formuliert wurden:

    • Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
    • Geldwertstabilität
    • Vollbeschäftigung
    • Wachstum

    Diese Ziele – richtig verstanden und ernsthaft umgesetzt – wären ein wichtiger Beitrag zur Stabilität in Europa und zu sozialem Ausgleich. Auch um die Frage der gerechten Steuerpolitik wird man dabei nicht herum kommen.
    Quelle: DGB Gegenblende

  7. Lohndumping, Betrug und Skandale
    Kritiker Claus Fussek über schlechte Pflege als Milliardengeschäft und die Verantwortung dafür, die wir alle tragen
    Am 29. Juni beschloss der Bundestag ein Pflegegesetz und lobte es über den grünen Klee: Zum ersten Mal erhielten Menschen mit Demenz Leistungen, heißt es. Es gebe mehr Wahlfreiheiten, neue individuelle Wohnformen und fünf Euro im Monat für eine private Pflegevorsorge. Doch nicht alle in der Pflege Beschäftigten sehen das so positiv. Mit dem Pflegegesetz-Kritiker Claus Fussek sprach Silvia Ottow.
    Quelle: Neues Deutschland
  8. Weniger offene Stellen in Deutschland
    Wegen der mauen Konjunkturerwartungen sind deutsche Unternehmen bei Neueinstellungen zurückhaltender: Derzeit gibt es so wenige offene Stellen wie zuletzt vor einem Jahr. Fachkräfte werden dagegen weiterhin dringend gesucht.
    Die Zahl der offenen Stellen in Deutschland ist im Juli weiter zurückgegangen und auf den niedrigsten Stand seit gut einem Jahr gesunken. “Angesichts moderater Konjunkturerwartungen zeigen sich die Unternehmen vorsichtiger, was weitere Neueinstellungen angeht”, teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Montag in Nürnberg mit. “Insgesamt liegt die Kräftenachfrage aber nach wie vor auf hohem Niveau.”
    Der von der BA veröffentlichte Stellenindex BA-X war im Juli um zwei Zähler auf 162 Punkte zurückgegangen – zum Jahreswechsel hatte er noch bei 179 gelegen. Doch im Vergleich zum Juli 2011 ergebe der erneute Rückgang nur ein Minus von vier Punkten, betonte die Bundesbehörde.
    “Zum hohen Kräftebedarf trägt weiterhin das Beschäftigungsplus der letzten Jahre bei, das mit mehr offenen Stellen einhergeht”, erläuterte die BA. Außerdem gelänge es den Betrieben nicht immer, freie Stellen schnell wieder zu besetzen – das schlage sich ebenso in der Statistik nieder wie der Fakt, dass immer mehr Unternehmen bei ihrer Suche die Arbeitsagenturen einschalteten. Wie viele Erwerbslose es in Deutschland aktuell gibt, wird die BA am Dienstag (31.7.) bekanntgeben.
    Großen Bedarf an Arbeitskräften hat derzeit die Zeitarbeit, auf die gut jede dritte gemeldete Arbeitsstelle zurückgeht. “Auch im Groß- und Einzelhandel, in der Bauinstallation, in der Gastronomie oder im Gesundheits- und Sozialwesen werden zahlreiche neue Mitarbeiter gesucht”, schilderte die BA. Allerdings gehe die Nachfrage nach neuen Kollegen in vielen Branchen zurück oder unterschreite sogar schon das Vorjahresniveau.
    Quelle: FTD
  9. Dauerbereitschaft: Arbeit auf Abruf
    Also, es ist ja schon fast ein bisschen unheimlich. Um uns herum versinkt ein Land nach dem anderen im Wirtschafts-Chaos, nur wir stehen da wie ´ne Eins. Ein Grund dafür ist sicher der flexible Arbeitsmarkt. Flexibel – klingt ja immer gut. Jahrzehnte lang galten wir als starrer Gewerkschaftsladen. Aber ausgerechnet seit Rot-Grün gibt es für Arbeitgeber ein Füllhorn von Möglichkeiten, mit denen man Menschen leichter einstellen und auch wieder loswerden kann. Je nach Bedarf. Für die Wirtschaft ist das gut, aber – klar – einer zahlt die Zeche. Das sind die Arbeitnehmer, die eben keine festen Jobs und keine Sicherheit mehr haben. Der neueste Trick ist derzeit: Arbeit auf Abruf.
    Quelle: NDR Panorama [PDF – 95 KB]
  10. Sind die Rentenansprüche ungerecht verteilt?
    Rentenreformen dienen seit 1977 im wesentlichen dazu, die Ansprüche der Versicherten weiter zu kürzen und nicht dazu, wie immer behauptet wird, die Beitragszahler zu entlasten. Im Rentenrecht sind Arbeitnehmer und Rentner Opfer einer skrupellosen Politik. Deutschland ist das einzige Land in Europa, das unterschiedliche Systeme für die Altersversorgung hat, die gesetzliche Rentenversicherung (gRV), die Beamtenversorgung und die berufsständischen Versorgungssysteme für Selbstständige. In allen anderen Ländern sind alle Bürger in der gRV pflichtversichert. Diejenigen, die über unsere Renten entscheiden, haben für sich selbst wesentlich bessere Regelungen für die Altersversorgung geschaffen. Aber nicht nur das, sie haben außerdem in der gRV elementare Grundrechte außer Kraft gesetzt, den Gleichheitssatz, den Eigentumsschutz und das Rechtsstaatsprinzip, das hieße keine rückwirkenden Eingriffe in bereits erworbene Ansprüche. Wir haben in Deutschland bei der Altersversorgung nicht nur ein Zwei-Klassensystem, sondern auch ein Zwei-Klassenrecht. Das hat dazu geführt, dass heute zwar Selbstständige, Beamte und Richter eine angemessene Altersversorgung bekommen, Arbeitnehmern aber wird das verweigert, obwohl sie erhebliche Beiträge dafür zahlen, beziehungsweise gezahlt haben.
    Quelle: Tagesspiegel
  11. Altersvorsorge in Gefahr. Was tun?
    Die Euro-Krise lässt die private Vorsorge schrumpfen. Es gibt nur einen Ausweg: Mehr sparen und mehr wagen. Es lohnt sich, mehr in Aktien zu investieren.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die pure Verzweiflung bei den Propagandisten der privaten Altersvorsorge. Ganz überraschend stellt sich kaum 10 Jahre nach der Teilprivatisierung der Rente heraus (von der doch in 30, 40, 50 Jahren Rentner leben sollen), daß die angeblich private Rente a) zu hohe Provisionszahlungen kostet, b) von den allgemeinen Unbilden der Finanzmärkte abhängt und nicht sicher ist und, am allerschlimmsten, c) keine vernünftige Rendite erwirtschaftet und noch nicht einmal den Wertverlust durch eine (lächerlich niedrige) Inflation abdeckt. Alle (falschen) Behauptungen über die gesetzliche Rente (“kann nicht funktionieren, nicht sicher, niedrige Rendite”) kehren sich mehrfach gegen diejenigen, die die Umlagerente diffamiert haben.
    Die Empfehlung in typisch neoliberaler Manier – “more of the same”, also “höhere Beträge sparen” und “höheres Risiko eingehen” (viel Spaß auch beim Facebook-IPO) -, zeugen von völliger Hilflosigkeit. Würde die FAZ die Umkehr – zurück zur Umlagerente – propagieren, müßte sie natürlich vorher zugeben, daß sie sich geirrt hat (optimistische Interpretation) oder als Handlanger von Unternehmensverbänden und der Versicherungswirtschaft agiert hat (pessimistische Interpretation). Also lieber weiter ins völlige Desaster …

  12. Leiharbeit bleibt abgehängt
    Nun will Arbeitsministerin von der Leyen auf ein Gesetz zum Equal Pay erst einmal verzichten. Begründung: IG Metall, Gesamtmetall und Leiharbeitsunternehmen haben sich auf Branchenzuschläge geeinigt.
    Je nach Verleihdauer steigen sie von 15 Prozent nach sechs Wochen auf 50 Prozent nach neun Monaten. Klar, Zuschläge führen zu höheren Löhnen. Das ist gut so! Doch vergleichbare Regelungen müssten für andere Branchen jeweils verhandelt werden. In vielen Branchen sind Stammbeschäftigte schlecht bezahlt. Leiharbeiter/innen würden dort nach dem Metall-Modell nach einem halben Jahr mehr verdienen als Stammbeschäftigte. Auch das wäre gut so. Nur: Mehr als die Hälfte der Leiharbeiter/innen ist unter drei Monaten eingesetzt. Damit kommen viele gar nicht in den Genuss hoher Zuschläge. Branchenzuschläge bringen nur für einige Beschäftigte Verbesserungen. Viele gehen leer aus.

    Leiharbeit

    Quelle: ver.di Wirtschaftspolitik aktuell [PDF – 65 KB]

  13. Bloß weg vom Hindukusch
    Jetzt werden Abzugsrouten und Transitgebühren debattiert. 4.800 Soldaten, 1.700 Fahrzeuge, 6.000 Materialcontainer – das kostet. “Die Rückverlegung ist ein komplizierter Prozess”, sagt der Verteidigungsminister. Zum Glück hat sich Deutschland ganz am Anfang strategisch günstig gleich hinter der Grenze in Kundus und Masar-i-Scharif positioniert. Über die Einheimischen redet man nicht so gern. Gerade hat man ihnen auf der gefühlt hundertsten internationalen Afghanistankonferenz in Tokio eine Beruhigungspille im Wert von 16 weiteren Milliarden US-Dollar an Entwicklungshilfe gedreht. Das Mantra von Tokio, in Berlin mitgesungen, lautet deshalb: Nach dem Abzug der Kampftruppen 2014 werden wir Afghanistan nicht alleinlassen. Völker, seht die Milliarden! Dann verweist man auf ein Dokument mit dem schönen Namen “Rahmenabkommen über gegenseitige Rechenschaft”. Das soll verhindern, dass auch diese Gelder in Afghanistans Korruptionssystem versickern. Nur: Ähnliche Zusicherungen gab Präsident Karsai schon in London 2006, in Paris 2008, in Den Haag 2009 und in Kabul 2010. Nicht dass die internationalen Aufseher der afghanischen Legebatterie eine bessere Performance vorweisen können. 60 Milliarden Dollar wurden seit Ende 2001 für den Wiederaufbau zugesagt, nur drei Viertel davon, 44 Milliarden, wirklich ausgezahlt. Davon wiederum verblieben, laut Weltbank, nur ein Drittel im Land. Und wie viel davon wirklich effektiv verwendet wurde, zur Verbesserung der Lebenssituation der Afghanen – großes Fragezeichen.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: In der Tat dienen die versprochenen Milliarden vor allem der Gesichtswahrung. Die Frage ist nur, wem will man hier etwas vormachen: der afghanischen Bevölkerung, den Wählern zuhause oder sich selbst? Sollten die 13 Milliarden Euro tatsächlich fließen, dürften sie denselben Weg nehmen wie oben beschrieben. Vor allem aber wird mit dem Abzug der Hauptkontingente der ISAF n Afghanistan ein Kampf um die Macht losbrechen, was in dem Artikel mit der Bemerkung umschrieben wird: “Und dann ist da ja noch der Krieg, der so manchen Plan stören wird.” Die Hoffnung auf partnerschaftliche Entwicklungszusammenarbeit mit der afghanischen Zivilgesellschaft ist doch unter diesen Umständen sehr naiv. Die Zivilgesellschaft wird vollauf mit dem Überlebenskampf im schlichtesten Sinne des Wortes beschäftigt sein. – Sollte Deutschland tatsächlich die afghanischen Sicherheitskräfte mit 150 Millionen Euro und Wiederaufbau und Entwicklung mit 430 Millionen Euro im Jahr unterstützen, so ist dies verlorenes Geld – auch im Eurozeitalter der Milliarden, ja Billionen immer noch viel Geld.

    passend dazu:

    Bundeswehr kann auf Kampfdrohnen hoffen
    Wenn die USA immer öfter bewaffnete Drohnen gegen mutmaßliche Terroristen einsetzen, entsetzt das die deutsche Öffentlichkeit. Trotzdem will auch die Bundeswehr solche Waffen haben. Ein Wunsch, für den es im Bundestag erstaunlich viel Wohlwollen gibt.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung unseres Lesers T.K.: Ein weiterer Beweis, dass die Abschaffung der Wehrpflicht (die in Wirklichkeit nur eine Aussetzung ist) ein Ablenkungsmanöver ist und eine Art “Abrüstung” symbolisieren soll. Tatsächlich rüstet dieser Staat massiv auf und um auf eine weniger personal- dafür technikintensivere Armee (auch zur Freude der Rüstungsindustrie).

  14. Syrien
    1. Krieg auf dem Rücken des Volkes
      weltnetz.tv sprach mit der Journalistin Karin Leukefeld, die sich seit Anfang Juli in Damaskus aufhält
      Weltnetz.tv: Frau Leukefeld, man hört immer wieder Medien-Berichte darüber, dass die Rebellen inzwischen ganze Viertel der syrischen Hauptstadt eingenommen, also „befreit“ hätten. Wie wirkt sich diese Befreiung auf die syrische Bevölkerung aus? Wie steht die syrische Bevölkerung zu den bewaffneten Aufständischen?
      Karin Leukefeld: Vorab muß ich sagen, dass diese Darstellung nicht ganz richtig ist. Damaskus ist ja eine Millionenstadt, im Zentrum leben ungefähr zwei Millionen, im Umland nochmal ungefähr vier Millionen Menschen. Die Aufständischen haben sich vor allen Dingen in den Ortschaften um Damaskus herum niedergelassen. Dort haben sie sich Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften und dem Militär geliefert. In der vergangenen Woche gab es mit diesem sogenannten „Damaskus Vulkan“ eine Art Sturm auf Damaskus. Da sind die Rebellen durchaus in den inneren Kreis von Damaskus vorgedrungen, haben Polizeistationen und Sicherheitskräfte angegriffen.
      Quelle: weltnetz.tv
    2. “Krone” manipuliert Bürgerkriegs-Bilder
      Aus zwei Bildern wird eines, um die Lage in Syrien zu dramatisieren: Die Foto-Manipulation der “Kronen Zeitung” bei einem Bild, das den Bürgerkrieg in Syrien wiederspiegeln sollte, wurde vom Tech-Blog “Gizmodo” international verbreitet.
      Quelle: Kurier
  15. Hans-Peter Friedrich und die Bundespolizei Fahrlässige Gleichgültigkeit der Politik
    Der Eklat um die Ablösung der Führungsspitze der Bundespolizei lenkt den Blick auf eine Institution, die dringend der Aufmerksamkeit bedarf. Die Stimmung in der Behörde und ihr Ansehen sind miserabel. Wer aber trägt Schuld daran?
    Quelle: Süddeutsche

    dazu: Ex-Bundespolizei-Chef nennt Entlassung „einmalig würdelos“
    Die Betroffenen erfuhren von ihrer Ablösung aus den Medien – jetzt hat das Innenministerium die Neubesetzung an der Spitze der Bundespolizei bestätigt. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sieht sich deswegen immer schärferer Kritik ausgesetzt.
    Quelle: Stuttgarter Zeitung

    Anmerkung unseres Lesers D.B.: Muttis Führungsstil macht eben Schule.

  16. Der ifo-Presseberichtsklimaindex
    Es ist schon ein Trauerspiel, wie die Medien sich monatlich auf den Geschäftsklimaindex aus dem Hause Sinn stürzen und dessen Erhebungsdaten auf dem Leim gehen. Denn sie berichten von einer Kennzahl, die durch tautologische Prophetie entsteht, weniger durch in der Wirklichkeit dokumentierte Daten. Der Indikator basiert auf Hörensagen und Bauchgefühl, bildet also das allgemeine Klima ab, so wie es von den Medien publizistisch interpretiert wurde. Der ifo-Geschäftsklimaindex funktioniert ungefähr so: Das ifo-Institut schreibt monatlich Unternehmensführungen an, die über allerlei Auskunft geben sollen. Besonders markant ist hierbei die persönliche Einschätzung der Geschäfts- und Nachfrageerwartung. Diese Schätzung ist keinen nachweisbaren Zahlen geschuldet, sondern der persönlichen Meinung. Nun lesen auch Manager Zeitung und können darin lesen, dass die Stimmung schlecht ist, dass der Einbruch der Euro-Zone und des Abendlandes quasi täglich im schweren Einsatz vereitelt wird; dass der Sozialstaat Geld kostet und die Demokratie Hindernisse aufstellt, die man nicht erst umgehen und beseitigen müsste, gäbe es diese Demokratie nicht. Kurzum, der Manager lebt im selben Pressemilieu, in dem alle hierzulande leben, so sie denn Zeitung lesen. Ob man da einen objektiven Eindruck der Lage erhält, darf bezweifelt werden. Ob man vielleicht persönlich zur Panik neigt oder einfach nur unkritisch glaubt, der Journalismus ist über jede wirtschaftliche Interessensverflechtung erhaben: das ist es, was in den Index einfließt. Der ifo-Geschäftsklimaindex ist daher nicht mehr als die Abbildung der charakterlichen Leseeignung und der Lesekompetenz von Unternehmensleitungen.
    Quelle: Ad Sinistram
  17. Zu guter Letzt: Spaßvogel

    Paolo Calleri - Spaßvogel

    Quelle: Paolo Calleri


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