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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 3. August 2012 um 8:56 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. EZB
  2. Luxemburgs Außenminister appelliert an Solidarität Deutschlands
  3. Von den Weisheiten der liberalen Wirtschaftswissenschaftler
  4. Die Spekulanten zocken munter weiter
  5. Obama verhängt Sanktionen gegen Banken aus China und Irak
  6. Nouriel Roubini: Dem amerikanischen Traum geht die Luft aus
  7. Warum Investmentbanken so viel Geld verdienen
  8. Kein Hartz IV mehr für Selbstständige?
  9. Lohndumping, Betrug und Skandale
  10. DGB fordert verbindlichen Ausbauplan für Krippenplätze
  11. Nur Berater verdienen an geplatzter Klinikfusion
  12. Klamme Kommunen – Zahl der Sozialwohnungen sinkt dramatisch
  13. Armutsforschung – Geldsorgen
  14. Kapitaldeckung in der Krise
  15. Asyl – Fakten gegen Stimmungsmache
  16. Wissenschaftliche Evaluation ja – CHE-Ranking nein

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. EZB
    1. Draghi-Plan enttäuscht die Börse
      EZB-Chef Draghi deutet an, dass die Zentralbank und der Euro-Rettungsfonds bald Anleihen von Krisenländern kaufen könnten. Die Börsen hatten mehr Entschiedenheit erwartet, sie geben nach. Was sind die Risiken der Strategie, was genau ist geplant? Antworten auf die wichtigsten Fragen. […]
      Woher kommt das Geld?
      Die EZB ist die letzte Instanz der europäischen Geldpolitik. Sie kann die Euro-Menge beliebig ausweiten. Umgangssprachlich ausgedrückt: Sie kann theoretisch unbegrenzt Geld drucken, um Anleihen zu kaufen.
      Praktisch sind aber auch der EZB Grenzen gesetzt. Denn wenn die Geldmenge im Vergleich zur Menge der Güter steigt, droht Inflation. Grob vereinfacht gesagt: Wenn 100 Äpfel und 100 Euro im Umlauf sind, kostet ein Apfel einen Euro. Sind es 100 Äpfel und 200 Euro, kostet ein Apfel zwei Euro.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung unseres Lesers J.H.: Falsch, falsch und nochmals falsch. Erst wenn alle handelnden Wirtschaftssubjekte 200 anstatt 100 Euro in der Tasche haben, das neu geschaffene Geld also breit gestreut wäre, steigt der Preis für Äpfel und auch dann nur, wenn sich die Mehrheit entscheidet, mit dem mehr an Geld Äpfel zu kaufen. Da kein einziger dieser neu geschöpften Euro bei den Bürgern ankommen würde, ist die Gefahr von Inflation gleich Null.

      Anmerkung JB: Das kommt raus, wenn man fachfremde Journalisten „Antworten auf die wichtigsten Fragen“ geben lässt.

      Ergänzende Anmerkung AM: Das ist ja Wahnsinn, auf welchem Niveau der Spiegel agiert.

    2. Gustav Horn – Allein die EZB ist noch glaubwürdig
      Eine Ankündigung reichte schon, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Die Europäische Zentralbank ist zum entscheidenden Retter in der Euro-Krise geworden. […]
      Nur die EZB ist angesichts des tiefen Misstrauens, das der Währungsunion derzeit von allen Seiten entgegen schlägt, noch in der Lage, den Euro zu retten. Die Vertrauenskrise, in die die Finanzmärkte im Allgemeinen und der Euro-Raum im Besonderen geraten sind, kann nur durch Institutionen eingedämmt werden, die glaubwürdig über die hierzu notwendigen Mittel verfügen. Und dies ist im Euro-Raum allein die EZB. […]
      Während dies in den angelsächsischen Ländern selbstverständlich ist, ist man in Europa – vor allem in Deutschland – skeptisch. Die Einwände sind ein Gemisch aus ernsthaften Sorgen, parteipolitischem Kalkül und latentem Nationalismus.
      Die ernsthaften Sorgen wurzeln in der Angst, die Anleihe-Käufe der EZB würden die Geldmenge sehr stark aufblähen, was letztlich nur in Inflation münden könne. Zunächst bleibt abzuwarten, wie stark die EZB nach einer glaubwürdigen Ankündigung tatsächlich am Markt tätig werden muss. Aber selbst wenn es in einem erheblichen Umfang geschähe, wäre die Inflationsgefahr nicht groß und leicht beherrschbar.
      Wegen des weit verbreiteten Misstrauens in Finanzanlagen insbesondere aus dem Euro-Raum, wird ein Großteil des von der EZB in Umlauf gebrachten Geldes sofort wieder bei der Zentralbank angelegt. Das Geld kommt also überhaupt nicht in den Umlauf und kann folglich auch keine Inflation auslösen. Erst, wenn das Vertrauen wieder hergestellt ist und das Geld wegen der niedrigen Verzinsung von der EZB abgezogen und in andere Finanzanlagen wie Staatsanleihen investiert wird, kann von einer Inflationsgefahr die Rede sein.
      Quelle: ZEIT
    3. Draghis weiser Plan
      EZB-Chef Mario Draghi kündigt umfassende Schritte zur Stützung der Finanzmärkte an. Die Märkte reagieren gereizt – aber sein Plan ist klug und dringend notwendig. […]
      Dass die Märkte erst einmal mit Kursverlusten auf Draghis Rede reagierten und die südeuropäischen Krisenstaaten sich vielleicht mehr erwartet haben, überrascht nicht. Denn Draghi knüpft Bedingungen an ein Aufkaufprogramm von Staatsanleihen: Bevor die Zentralbank zugreift, müssten die Staaten unter den europäischen Rettungsfonds schlüpfen – und die damit verbundenen Auflagen in Kauf nehmen. Dagegen wehren sich allerdings Spanien und Italien, die vermeiden wollen, dass sie ihre politischen Freiheiten durch Auflagen und Kontrollen aus Brüssel verlieren.
      Ein lupenreiner Kompromiss: Hilfe zum Preis von Freiheitsverlust.
      Quelle: FTD

      Anmerkung JB: Wenn es doch nur der „Freiheitsverlust“ wäre. Es geht doch vielmehr um den Zwang, eine komplett kontraproduktive Austeritätspolitik und ein großes Instrumentarium aus dem neoliberalen Schreckenskabinett umzusetzen. Italien und Spanien müssen also ökonomischen Selbstmord begehen, um Hilfe von der EZB zu bekommen. Das ist nicht „weise“, sondern verrückt. Fairerweise muss man jedoch sagen, dass der Plan eher so klingt, als sei er auf Schäubles und nicht Draghis Mist gewachsen.

    4. Unionspolitiker wettern gegen EZB-Plan
      Der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach warnte vehement davor, dass die Zentralbank Staatsanleihen aus Euro-Krisenländern kauft. […]
      Bosbach warnte nun davor, den Reformdruck auf Länder wie Spanien zu verringern. “Das Problem ist die stets steigende Staatsverschuldung”, sagte der CDU-Politiker. “Wenn wir jetzt den Zinsdruck nehmen, dann lässt auch die Reformbereitschaft nach.” Es sei zwar der “unbequemere Weg”, aber an strikter Haushaltskonsolidierung und innerstaatlichen Reformen führe kein Weg vorbei. […]
      Eine grundlegende Reform der EZB forderte der Obmann der Unionsfraktion im Bundestagsfinanzausschuss, Hans Michelbach (CSU). “Der EZB-Rat weist einen grundlegenden Konstruktionsfehler auf, der dringend beseitigt werden muss. Das Stimmgewicht der einzelnen nationalen Notenbanken im EZB-Rat muss dem jeweiligen nationalen Haftungsanteil entsprechen”, forderte Michelbach im “Handelsblatt”. Er will solche Anleihenkäufe ausdrücklich verbieten lassen. […]
      Auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt wandte sich gegen die EZB-Pläne und warnte die Währungshüter davor, erneut Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt zu kaufen. “Wenn die EZB Staatsanleihen kauft, wäre das Staatsfinanzierung durch die Hintertüre. Damit verlässt die EZB den Pfad der Geldwertstabilität”, sagte er der “Bild”-Zeitung.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung JK: Man muß die Leute nur reden lassen. Deutlicher kann man nicht darlegen, dass es um die europaweite Durchsetzung des neoliberalen Models geht. Es stellt sich aber die Frage wer soll von der europaweiten Durchsetzung des neoliberalen Dogmas profitieren? Eigentlich können dies nur die herrschenden Eliten, das oberste 1% sein. Inzwischen sollte man klar erkennen, dass die neoliberlae Ideologie nur ein Vehikel zur Rechtfertigung der schamlosen Bereicherung der Geldelite ist. Ist aber die Aufgabe der Politik in einem demokratischen Land nur die Interessen des obersten 1% zu bedienen?

  2. Luxemburgs Außenminister appelliert an Solidarität Deutschlands
    Wir sind nicht mit Inflation konfrontiert, sondern mit Spekulation…Ich will kein Deutschland haben als europäischer Bürger vor dem man Angst hat…Deutschland war immer stark, wenn es europäisch war… Bleibt europäisch deutsch, das passt…Deutschland hat durch den Euro sehr viel bekommen, Deutschland würde einen Zusammenbruch des Euros am allermeisten spüren. Man muss in Deutschland aufpassen, dass man alles nur auf sich bezieht…
    Wir müssen ein Instrument entwickeln, dass die Spekulation unterbindet.
    Quelle: ARD Morgenmagazin

    Anmerkung WL: Man beachte den herablassenden Unterton von Anne Gesthuysen. Journalismus als Sprachrohr der deutschen Regierungspolitik.

  3. Von den Weisheiten der liberalen Wirtschaftswissenschaftler
    Die Krise hat die Wirtschaftswissenschaft in ihren Grundfesten erschüttert: Der neoliberale Mainstream hat an Halt verloren, Ökonomen schwanken zwischen Selbstzweifel und Überheblichkeit. Die Linken hoffen jetzt auf das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. […]
    „Wir haben keinen Stiglitz und keinen Krugman“, klagt Dierk Hirschel mit Blick auf die USA. Der frühere Chefökonom des DGB, der sich jetzt bei Verdi über die Volkswirtschaftslehre Gedanken macht, vermisst Querdenker und Ökonomen in keynesianischer Tradition. „Die ökonomische Zunft ist bei uns so monolithisch ausgerichtet wie nirgendwo sonst, auf mindestens 98 Prozent der Lehrstühle sitzen wirtschaftsliberale Professoren.“ Für den linken Hirschel ist es „absurd“, wenn sich das halbe Dutzend Wirtschaftsforschungsinstitute hierzulande „nur in Nuancen unterscheidet“. In der Folge gebe es keinen Wettbewerb der Ideen, die deutsche Wissenschaft sei eine „verwahrloste und autistische Zunft“, mosert der Verdi-Mann.
    Auch wenn da die Verbitterung eines Ökonomen durchklingt, der aufgrund des neoliberalen Mainstreams sich seit Jahren als „Dissident“ fühlt – auch andere teilen Hirschels Kritik.
    Quelle: Tagesspiegel
  4. Die Spekulanten zocken munter weiter
    Der Libor-Skandal hat das britische Bankwesen in Verruf gebracht. Es soll umgebaut werden. Die Finanzindustrie hat schon Wege gefunden, sich der Neuordnung zu entziehen.
    Quelle: ZEIT

    passend dazu: Wie ich versuchte, den Libor-Skandal aufzudecken
    Zinsmanipulationen gab es womöglich schon 1991. Die Behörden wollten davon aber nichts wissen. Erfahrungsbericht eines Ex-Morgan-Stanley-Händlers. Das Falschausweisen des Libor läuft seit Jahrzehnten. Warum wird erst seit Kurzem ermittelt? Dass alle Ermittlungsbehörden jahrzehntelang nichts davon gewusst hatten, erscheint höchst unwahrscheinlich. Ich vermute, dass sie nach der Finanzkrise von 2008 zu dem Schluss kamen, dass sie ihre Pflichten besser erfüllen sollten. Das würde erklären, warum die Ermittlungen offenbar Falschausweisungen aus der Zeit vor 2005 außen vor lassen: Sie wollten die Versäumnisse ihrer früheren Arbeit vertuschen. Eine der Ermittlungen wird vom Finanzausschuss des britischen Unterhauses geführt. Diesen Ausschuss rief ich am 3. Juli an und sprach mit einem Experten. Ich schilderte ihm den Sachverhalt und sagte, ich sei bereit, diese Aussage unter Eid zu wiederholen. Der Experte schien äußerst interessiert. Mir wurde gesagt, der Libor-Skandal sei Gegenstand einer Besprechung, und dann werde man mich zurückrufen. Da ich nichts mehr hörte, rief ich erneut an und fragte, was Sache ist. Der Experte sagte mir, meine Aussage sei nicht erwünscht, denn sie widerspreche der offiziellen Version.
    Quelle: FTD

  5. Obama verhängt Sanktionen gegen Banken aus China und Irak
    Die USA haben im Atomstreit mit Iran ihre Sanktionen weiter verschärft. Präsident Barack Obama unterzeichnete am Dienstag ein Dekret, das der iranischen Ölindustrie Geschäfte mit dem Ausland erschweren soll. Die Regierung in Washington verhängte zudem Sanktionen gegen die irakische Elaf-Islam-Bank und die chinesische Kunlun-Bank, weil diese Millionengeschäfte mit iranischen Banken getätigt haben sollen. Für die beiden Banken gilt fortan ein umfassendes Handelsverbot auf dem US-Markt.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Orlando Pascheit: Im Grunde demonstriert Obama, wie einfach es für großen Wirtschaftsblöcke wie auch die Eurogruppe wäre, z.B. den Handel der Banken mit Steueroasen und vieles mehr zu unterbinden. Warum sollte die Eurogruppe nicht, nachdem sie im eigenen Markt eine effektive Regulierung durchgesetzt hat, diese nicht auf den Nicht-Euroraum ausdehnen können. Die Verweigerung von Geschäften im Euromarkt, wenn nicht bestimmte Bedingungen erfüllt wären, macht doch jede Rede von Kapitalflucht obsolet, denn dieser Markt ist genauso wie der us-amerikanische für das Kapital unverzichtbar.

  6. Nouriel Roubini: Dem amerikanischen Traum geht die Luft aus
    Während in der Eurozone das Risiko einer außerordentlichen Krise allgemein erkannt wird, herrscht in den USA weiterhin eine optimistischere Sichtweise vor. In den letzten drei Jahren war es Konsens, dass die US-Wirtschaft vor einer robusten und selbsttragenden Erholung sowie überdurchschnittlichem Wachstum steht. Dies erwies sich als falsch, da die Erholung aufgrund eines schmerzhaften Prozesses der Schrumpfung von Bilanzen – durch Privatschulden, die auf den öffentlichen Sektor abgewälzt wurden – viele Jahre lang höchstens unterdurchschnittlich ausfallen wird. 2013 könnte eine signifikante Korrektur der Wertpapierkurse die US-Wirtschaft in eine echte Depression stürzen. Und wenn die USA (immer noch die größte Volkswirtschaft der Welt) erneut anfängt zu niesen, holt sich der Rest der Welt – dessen Immunität durch die Krise Europas und den Rückgang in den Entwicklungsländern bereits geschwächt ist – eine Lungenentzündung.
    Quelle: Project Syndicate

    Anmerkung JB: Die schlechten amerikanischen Zahlen sind auch (zumindest zu einem signifikanten Teil) eine Folge der nicht enden wollenden Eurokrise. In einer globalen Wirtschaft hat eine schwere Krise in einem der größten Wirtschaftsräume negative Folgen für alle Volkswirtschaften. Dies ist auch der Hauptgrund, warum die US-Regierung so langsam die Geduld mit Merkel und Co. verliert.

  7. Warum Investmentbanken so viel Geld verdienen
    In der Londoner Wochenzeitschrift Financial News, die von der Dow Jones-Gruppe herausgegeben wird, gab es in der Ausgabe vom 16. – 22. Juli einen bemerkenswerten Artikel (Is it time to ring-fence investment banks from themselves?) von William Wright über die nach wie vor weitverbreiteten Interessenkonflikte bei Investmentbanken. Deren gewaltige Gewinne haben nicht zuletzt damit zu tun, dass sie Geschäfte betreiben, die bei genauerem Hinsehen auf Kosten ihrer Kunden und der Allgemeinheit gehen und sich vielfach an der Grenze der Legalität befinden.
    Ein immer größerer und erstaunlich stabiler Teil dieser Gewinne wird durch Eigenhandel und market making (die Bereitstellung von Liquidität in den verschiedenen Marktsegmenten) erzielt. Bei JP Morgan, dem Wertpapierbereich von Morgan Stanley sowie bei Goldman Sachs, um nur drei repräsentative Beispiele zu nennen, resultierten 2011 zwischen 68 und 78 Prozent der gesamten Erträge aus diesen Aktivitäten. Das reine Kommissionsgeschäft im Auftrag von Kunden spielt eine zunehmend geringe Rolle.
    Quelle: ZEIT Herdentrieb
  8. Kein Hartz IV mehr für Selbstständige?
    Das Bundesarbeitsministerin plant offenbar, rund 125.000 betroffenen Existenzgründern und Selbstständigen das ergänzende Arbeitslosengeld II (Hartz IV) zu streichen. Ende Mai 2012 erklärte Ursula von der Leyen: “Selbständigkeit und der Rest ist Hartz IV – das wird auf Dauer nicht gehen”.
    Quelle: akademie.de
  9. Lohndumping, Betrug und Skandale
    Kritiker Claus Fussek über schlechte Pflege als Milliardengeschäft und die Verantwortung dafür, die wir alle tragen.
    Am 29. Juni beschloss der Bundestag ein Pflegegesetz und lobte es über den grünen Klee: Zum ersten Mal erhielten Menschen mit Demenz Leistungen, heißt es. Es gebe mehr Wahlfreiheiten, neue individuelle Wohnformen und fünf Euro im Monat für eine private Pflegevorsorge. Doch nicht alle in der Pflege Beschäftigten sehen das so positiv.
    Seit Einführung der Pflegeversicherung 1995 doktern wir an diesem System herum. Dabei haben wir längst kein Erkenntnisproblem mehr. Es ist nun wirklich alles geschrieben worden über fehlendes Personal oder mangelnde Qualität in den Heimen. Das Problem ist offensichtlich, aber es fehlt ein gesamtgesellschaftlicher Druck, um hier Verbesserungen zu erreichen…
    Fragen Sie in einem Heim in Ihrer Nähe, wie viele Menschen da zu versorgen sind und wie viele Pflegekräfte tatsächlich anwesend sind. Zwei Pflegerinnen können nicht 30 Pflegebedürftige versorgen…Schlechte Pflege ist ein Milliardengeschäft und das gesamte Pflegesystem ist auf Betrug aufgebaut.
    Quelle: Neues Deutschland
  10. DGB fordert verbindlichen Ausbauplan für Krippenplätze
    In einem Jahr soll für jedes Kind ein Krippenplatz zur Verfügung stehen. Doch noch immer fehlen 230.000 Plätze. Der DGB fordert daher einen verbindlichen Ausbauplan.
    Bund, Länder und Kommunen sind weit davon entfernt, ab dem 1. August 2013 allen unter Dreijährigen einen Betreuungsplatz zur Verfügung stellen zu können. Es gilt, möglichst schnell die notwendigen Schritte einzuleiten, um die noch fehlenden 230.000 Plätze zu schaffen. Auch die benötigten Fachkräfte stehen noch nicht zur Verfügung, allein für das kommende Jahr fehlen etwa 20.000 Erzieherinnen und Erzieher.
    Um diesem Fachkräftemangel etwas entgegen zu setzen, sollten mehr Teilzeitbeschäftigte für Vollzeitbeschäftigung gewonnen werden. Motivierte und geeignete Frauen und Männern aus anderen Berufsfeldern müsste endlich die Möglichkeit gegeben werden, in den Erzieherberuf zu wechseln. Dazu bedarf es jedoch klarer bundesweiter Standards für Umschulungsangebote, einer echten Durchlässigkeit unseres Bildungs- und Berufsbildungssystems sowie genügend Ausbildungskapazitäten an den staatlichen Fachschulen. Parallel müssten die Qualität der Arbeitsbedingungen und die Vergütung verbessert werden.
    Quelle: DGB
  11. Nur Berater verdienen an geplatzter Klinikfusion
    Die gescheiterte Großübernahme im deutschen Klinikmarkt kommt die Beteiligten teuer zu stehen. Der Medizinkonzern Fresenius verbuchte im Zusammenhang mit der Offerte für den Wettbewerber Rhön-Klinikum 26 Mio. Euro Einmalkosten. Rhön hatte vor wenigen Tagen seinerseits von einem einstelligen Millionenbetrag für Berater gesprochen. Das demonstriert, in welchem Ausmaß externe Dienstleister von solchen Fusionsvorhaben profitieren – selbst wenn der Plan nicht zustande kommt.
    Bei der Vorlage von Quartalszahlen legte Fresenius am Mittwoch die Kosten dafür offen: insgesamt 36 Mio. Euro. Dabei entfielen 7 Mio. Euro auf Berater sowie die Werbekampagne, die die Rhön-Aktionäre zum Andienen ihrer Anteile bewegen sollte. 29 Mio. Euro gingen an die Banken dafür, dass sie die Finanzierung des Deals zugesagt hatten. Weil der Aufwand steuerlich geltend zu machen ist, fließen 10 Mio. Euro vom Fiskus zurück, sodass das Nettoergebnis im zweiten Quartal mit 26 Mio. Euro belastet wurde.
    Quelle: FTD

    Anmerkung JB: Ergänzend sei angemerkt, dass auch Asklepios, das die Übernahme durch den Kauf von Rhön-Aktien verhindert hat, ganz immense Kosten bei dieser unsäglichen Posse hatte. Und wer erwirtschaftet die Kosten? Das ohnehin schon bis an die Grenze überlastete Personal.

  12. Klamme Kommunen – Zahl der Sozialwohnungen sinkt dramatisch
    In Deutschland gibt es immer weniger Wohnraum für Geringverdiener. Laut einem Zeitungsbericht ist die Zahl der Sozialwohnungen in nur acht Jahren um ein Drittel zurückgegangen – auf weniger als 1,7 Millionen. Besonders betroffen ist Nordrhein-Westfalen.
    Quelle: SPIEGEL Online
  13. Armutsforschung – Geldsorgen
    Sind Mütter, die in Armut leben, wirklich von Angststörungen betroffen – oder handelt es sich um eine Reaktion auf die Lebensbedingungen? Eine amerikanische Studie sorgt für Debatten. […]
    Es stellte sich heraus, dass die ärmsten Mütter auch mit der größten Wahrscheinlichkeit von Symptomen einer Angststörung betroffen waren, etwa ausgeprägtem Sich-Sorgen, Schlafstörungen, Ruhelosigkeit.
    Die Studie hat auch Aufsehen erregt, weil ihre Ergebnisse eine zweite Debatte berühren: die über die Benachteiligung von Kindern, die in Armut aufwachsen. Im Juni erst haben etwa Wissenschaftler der University of Sheffield eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass dauerhafte Armut die kognitive Entwicklung von Kindern beeinträchtigt.
    Achttausend Kinder absolvierten dafür Tests, bei denen es um Erkennung von Mustern und Bildern, Sprach- und Lesefähigkeiten ging. Kinder, die seit dem Säuglingsalter in Armut lebten, zeigten deutlich schlechtere Ergebnisse. Armut hatte dabei einen stärkeren Effekt als die Frage, ob Eltern ihre Kinder regelmäßig förderten. Die Ressourcen hätten eben einen maßgeblichen Einfluss, folgerten die Studienleiter: „Wenn meine Kinder mit dem Notebook spielen können, hat das nur mit meinem Einkommen, nichts mit mir als Vater zu tun; ich bin nicht im Raum“, sagte einer der Autoren der Zeitung „Guardian“.
    Die amerikanische Studienautorin Baer hat sich bisher zurückgehalten, Hinweise zu geben, wie die Politik ihren Ergebnissen begegnen sollte. Sie beschränkt sich darauf zu erklären, es sei nicht angemessen, Frauen, die auf ein Leben in Armut mit Stress reagieren, mit dem Stigma einer psychiatrischen Diagnose zu belegen. Doch einige amerikanische Medien haben es schon formuliert: Nicht Therapieangebote, sondern finanzielle Mittel würden den betroffenen Frauen und Kindern wohl am meisten helfen.
    Quelle: FAZ
  14. Kapitaldeckung in der Krise
    Die Risiken privater Renten- und Pflegeversicherungen
    Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung [PDF – 445 KB]
  15. Asyl – Fakten gegen Stimmungsmache
    Die Idee des Asylrechts ist zutiefst menschlich – und hochumstritten. Ein Blick auf die Zahlen der vergangenen 20 Jahre entzaubert die Überfremdungsphantasien deutscher Populisten und Stammtischrhetoriker: Es gibt weder eine Flut von Bewerbern noch Massen an Sozialschmarotzern.
    Quelle: SPIEGEL Online
  16. Wissenschaftliche Evaluation ja – CHE-Ranking nein
    Das CHE-Ranking weist zum einen gravierende methodische Schwächen und empirische Lücken auf. Zum anderen laden die summarische Bewertungspraxis und die spezifischen Publikationsformate des Rankings systematisch zu Fehldeutungen ein.
    …Zudem kann eine schriftliche Befragung ohne systematisches Mahnwesen und Nonresponse-Studie faktisch keinerlei Aussagekraft für sich beanspruchen und würde spätestens nach der Grundausbildung in der Methodenlehre für jede/n Soziologiestudierende/n schlicht als absurd erkennbar…
    Hingegen werden für die Einschätzung der Studiensituation wichtige, wenn nicht gar entscheidende, und von den Lehrenden nicht beeinflussbare Rahmenbedingungen überhaupt nicht in die Analyse (und Bewertung) einbezogen – so etwa (a) die jeweiligen Betreuungsrelationen (Lehrdeputat der auf Haushaltsstellen beschäftigten Dozent/-innen bezogen auf Kopf- bzw. Fallzahlen an Studierenden), (b) die damit verbundenen rechnerischen (und realen) Lehrveranstaltungsgrößen oder (c) die Leistungsfähigkeit von Prüfungsämtern…
    Bei einer derart ungenügenden und äußerst selektiven, faktisch irreführenden Datenlage ist die Bildung einer Rangreihenfolge von Instituten mit Blick auf ihre Lehrleistung schlechterdings nicht zu rechtfertigen…
    Dass das Centrum für Hochschulentwicklung aber eben dies bezweckt und in der Tat auch „leistet“, nämlich auf Grundlage einer äußerst zweifelhaften Datenbasis die universitären Standorte der Soziologie in „gute“ und „schlechte“ – oder „bessere“ und „schlechtere“ – Institute zu unterteilen und in entsprechender Scheineindeutigkeit hierarchisch zu listen, ist das eigentliche Problem des Hochschulrankings.
    Wirklich problematisch hingegen – und gänzlich unabhängig von seinem mangelnden Informationswert – wirkt sich das CHE-Ranking wissenschaftspolitisch aus. Somit erfüllt es, will man den erklärten Absichten seiner Urheber Glauben schenken, de facto einen Zweck, für den es „eigentlich“ überhaupt nicht gedacht war. In der hochschulpolitischen Realität aber lädt das CHE-Ranking Fakultäts- und Hochschulleitungen sowie Ministerialbürokratien zu extrem simplifizierenden Lesarten ein, ja fordert diese geradezu heraus. Auf deren Basis können dann gegebenenfalls folgenschwere, jedoch sachlich im Zweifel unbegründete Strukturentscheidungen zur Soziologie als wissenschaftlicher Disziplin und zu ihren Studiengängen an einzelnen Standorten getroffen werden…Für die DGS ist damit hinlänglich deutlich geworden, dass das CHE die Politisierung seines Hochschulrankings zumindest billigend in Kauf nimmt…
    Als empirisch arbeitendes sozialwissenschaftliches Fach beansprucht die Soziologie eine besondere Kompetenz bei der Beurteilung aller Arten von empirischer Sozialforschung, wozu auch Evaluationen wie das CHE-Ranking gehören. Diese Kompetenz impliziert im vorliegenden Fall die Verantwortung, auch anderen, diesbezüglich womöglich weniger sensiblen Fächern zu empfehlen, sich nicht länger am CHE-Ranking zu beteiligen. Denn die für die Soziologie festgestellten gravierenden Mängel und missbräuchlichen Nutzungen dieses Rankings kennzeichnen dessen Anwendung auf andere Fächer in gleicher Weise.
    Quelle: Deutsche Gesellschaft für Soziologie

    Anmerkung WL: Siehe dazu schon „Das CHE-Hochschulranking 2009/10 ist alles andere als ein Studienführer“.


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