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Titel: Ist die Deutsche Rentenversicherung willens, offensiv für ihr Produkt, die gesetzliche Rente, einzutreten? Zweifel sind angebracht.

Datum: 26. Juli 2006 um 15:11 Uhr
Rubrik: Aufbau Gegenöffentlichkeit, Rente, Strategien der Meinungsmache
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Am 11. Juli war ich zu Gast im Stuttgarter Haus der Deutschen Rentenversicherung. Ich begann meinen Vortrag mit der Bemerkung, dass mich die Einladung in dieses Haus besonders gefreut hat. Denn so könne ich konkret wahrnehmen, dass es die Verwalter der gesetzlichen Rente, die Deutsche Rentenversicherung wirklich gibt. Ich hätte nämlich schon Zweifel bekommen, weil ich von der Deutschen Rentenversicherung wenig höre und sehe, wenn es darum geht, den täglichen Versuch der neoliberalen Ideologen und ihrer professoralen Speerspitzen abzuwehren, die gesetzliche Rente schlecht zu reden.

Die deutsche Rentenversicherung tue viel zu wenig, um den Angriff der privaten Versicherungswirtschaft und ihrer Helfer abzuwehren und das Vertrauen in die gesetzliche Rente zu stärken. Täglich hämmern uns wichtige Medien wie die Bild-Zeitung, meinungsführenden Politiker und Professoren wie Raffelhüschen und Miegel die Botschaft ein, die gesetzliche Rente reiche nicht mehr und sie sei unsicher. Die Aufklärung über diese massive Kampagne für die Privatvorsorge kann die Einrichtung, die die Beiträge der eigentlich Betroffenen einnimmt und verwaltet, doch nicht einfach anderen – wie zum Beispiel Monitor, den NachDenkSeiten oder Norbert Blüm – überlassen.

Die anwesenden Repräsentanten der deutschen Rentenversicherung fanden meine Kritik unberechtigt. Ich wollte nicht unhöflich sein und beharrte nicht darauf. Aber anschließend habe ich recherchiert und fand meinen Eindruck leider bestätigt. Die Verwalter des Umlageverfahrens, die Deutsche Rentenversicherung verteidigt nicht offensiv die gesetzliche Rente, sie wehrt sich nicht gegen die Kampagne der anderen Seite, ja in ihren Publikationen werden Zweifel am eigenen Produkt gemehrt und direkt und indirekt sogar Reklame für die private Konkurrenz gemacht:

  1. Schauen Sie zum Beispiel in die Website www.ihre-vorsorge.de. Das ist eine eine Initiative der Regionalträger der Deutschen Rentenversicherung und der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See „Ihr unabhängiger Altersvorsorge-Berater“, wie es heißt.
    Dort finden Sie keine Auseinandersetzungen mit der Agitation gegen die gesetzliche Rente. Stattdessen zum Beispiel am 24.7. folgendes, in Auszügen:
    „24.7. Planungshilfe und Kompass für die persönliche Vorsorge Mit der jährlichen Renteninformation bekommen alle Versicherten ein sicheres und seriöses Instrument zur Planung ihrer Altersvorsorge. … Herbert Rische, Präsident der Deutschen Rentenversicherung Bund, bewertet die Renteninformation als ein “Instrument, mit dem wir dazu beitragen können, dass die Fähigkeit der Menschen zur Zusatzversorgung verbessert wird”.
    Mit der Autorität des Präsidenten der Deutschen Rentenversicherung wird führt Zusatzversorgung geworben. Mehr können die Privatversicherer wirklich nicht verlangen.
    Es heißt dort noch: „Dass in der Renteninformation fünf verschiedene Rentenhöhen genannt werden, mag auf den ersten Blick verwirren. Diese Angaben sind laut Deutscher Rentenversicherung aber nötig, um nicht nur die bereits erworbenen Ansprüche darzustellen, sondern auch Anhaltspunkte für die Höhe der späteren Altersrente zu geben. Und die ist entscheidend für die zusätzliche private oder betriebliche Altersvorsorge.“
  2. Auch die Riester-Rente wird auf dieser Homepage beworben, und zwar massiv. So als handle es sich um ein eigenes Produkt der Deutschen Rentenversicherung. Unglaublich.
  3. Am Ende eines eigentlich für die gesetzliche Rente freundlichen Beitrags heißt es dann auf dieser Homepage über das Umlageverfahren: „Dieses System hat Vor- und Nachteile: Ein Vorteil ist, dass es flexibel auf unvorhergesehene Situationen reagieren kann. Die deutsche Einheit ist ein Beispiel dafür. Auch Krisenzeiten wie Währungsreformen, Weltwirtschaftskrise oder Inflation konnten im Sinne der Versicherten und Rentner gemeistert werden. Da die Renten nicht aus Kapitalvermögen sondern aus den laufend eingehenden Beiträgen gezahlt werden, konnte die Auszahlung der Renten jeweils sofort wieder beginnen. Nachteilig ist, dass die steigende Lebenserwartung und die sinkende Bevölkerungszahl sowohl Beitragszahler als auch Rentner belasten.“
    Hier wird die gängige in demographische Agitation nachgebetet, wonach Alterung und Rückgang der Bevölkerungszahl das Umlageverfahren in Schwierigkeiten bringen. Wenn die Deutschen Rentenversicherung offensiv für die gesetzliche Rente einträte und das mutwillig zerstörte Vertrauen wiederherstellen wollte, müsste hier ungefähr folgender Text stehen: „Auch die demographischen Veränderungen sind vom Umlageverfahren zu bewältigen. Dafür sorgt die gleichzeitig eintretende Entlastung bei der Jugendlast genauso wie die steigende Produktivität. Das Umlageverfahren ist schon mit ganz anderen Problemen fertig geworden. Und eines ist ganz klar: wenn es ein demographisches Problem gibt, dann werden die Privatvorsorgesysteme damit keinesfalls besser fertig.“
  4. Mein Mitherausgeber, Wolfgang Lieb, hat schon am 10.6. in unseren kritischen Tagebuch davon berichtet, dass er die Website www.ihre-vorsorge.de angeklickt hat und dort folgenden Satz gefunden habe:

    Kapital bildende Versicherungen zur Altersvorsorge gelten als absolut sichere und noch dazu relativ lukrative Anlageform. Nicht umsonst erfreuen sich Kapitallebensversicherungen und private Rentenversicherungen bei den Deutschen allergrößter Beliebtheit.

    Das sei die üblich gewordene Propaganda für die Kapitalvorsorge, schrieb Wolfgang Lieb im Tagebucheintrag vom 10.6. Inzwischen ist der zitierte Text auf der Website der Rentenversicherer nicht mehr zu finden.

  5. Ich habe übrigens bei der Redaktion der Website angefragt und dabei unter anderem erfahren, dass demnächst in den Publikationen der Deutschen Rentenversicherung ein Interview mit Bert Rürup erscheinen wird. Da kann ich mir richtig ausmalen, was der Grundtenor sein wird: Wir brauchen die gesetzliche Rente, aber wir brauchen eine Umschichtung hin zur Privatvorsorge. Wetten dass?


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