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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 19. November 2012 um 9:03 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (KR/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Jens Berger – Staat ist keine schwäbische Hausfrau
  2. Wolfgang Michal – Warum gerade linke Zeitungen so große Probleme haben
  3. Fall Gustl Mollath – Strafrechtler wirft Justiz gravierende Fehler vor
  4. Paul Krugman – The Twinkie Manifesto
  5. Frankreich: Kooperation mit Deutschland auf Augenhöhe
  6. No further austerity for Spain, says Rehn
  7. Automarkt-Krise – Berlin würde richtige Hilfe verhindern
  8. Neue Macht der Schattenbanken
  9. Ursula Engelen-Kefer: SPD verspielt Chance für überzeugendes Rentenkonzept
  10. Mehr als 10 000 Menschen wurde 2011 der Hartz-IV-Satz komplett gestrichen
  11. Die Armut wächst und konzentriert sich in Deutschlands Metropolen
  12. Gegen den Altenpfleger-Mangel: Arbeitsagentur will kürzere Pfleger-Ausbildung
  13. Rüstungsexporte: Vertrauenswürdige Partner
  14. Das Problem heißt Rassismus
  15. Amazon: Geld verdienen mit Naziware
  16. Die Quadratur des Nahostkreises
  17. Rassismus Polizei Frankfurt: Ihr seid hier nicht in Afrika
  18. Springers Welt wirbt für Schwarz-Grün – Progressive Wechselwähler/Innen aufgepasst
  19. Genossen gegen Steinbrück
  20. Eine bessere Welt ist immer noch möglich

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Jens Berger – Staat ist keine schwäbische Hausfrau
    Generalstreik! Millionen Südeuropäer gingen in dieser Woche gegen den Sparkurs ihrer Regierungen auf die Straße. In Deutschland wurden die Proteste häufig mit Kopfschütteln quittiert. Wer nicht spart, so die simple Logik, bleibt verschuldet. Für eine Volkswirtschaft muss das jedoch nicht gelten. Im Gegenteil. Wenn der Staat mitten in einer Wirtschaftskrise die Ausgaben kürzt, kann dies verheerende Folgen haben – und den Staatshaushalt auf lange Sicht sogar vollends ruinieren.
    „Sparen“ ist in der deutschen Sprache positiv besetzt. Wer Geld spart, verbessert seine finanzielle Lage. Was für den einzelnen Haushalt gilt, lässt sich jedoch nicht auf die Gesamtwirtschaft übertragen. Wenn ein Haushalt spart, legt er in der Regel Geld bei einer Bank an, die ihm nur deshalb Zinsen gutschreiben kann, weil andere Haushalte, Firmen oder eben der Staat sich verschulden. Wenn niemand Schulden macht, kann also auch niemand sparen.
    In einer Wirtschaftskrise geben die privaten Haushalte in der Regel als Folge steigender Arbeitslosigkeit und sinkender Löhne weniger Geld aus. Wenn die Nachfrage wegbricht, bröckelt auch der Investitionshunger der Konzerne.
    Quelle: taz
  2. Wolfgang Michal – Arm und nicht mal sexy: Warum gerade linke Zeitungen so große Probleme haben
    Weder die Turbulenzen der schwarz-gelben Regierung noch die Finanzkrise haben den klassischen linken (und linksliberalen) Zeitungen neue Leser zugetrieben. Woran liegt’s? […]

    • Die Berliner Zeitung, einst dem Zentralkomitee der SED unterstellt und nach der Wende von Gruner & Jahr zur „deutschen Washington Post“-Hoffnung aufgeblasen, kann sich zwar immer noch als größte Zeitung Ostberlins bezeichnen, aber irgendeine Bedeutung über den Berliner Kiez hinaus hat sie nicht. […]
    • Die taz, das Leib- und Magenblatt von über 12.000 taz-Genossen, lag vor fünf Jahren bei 55.000 verkauften Exemplaren. Dort liegt sie – trotz zahlreicher Bettelaktionen – noch immer. […]
    • Dem neuen deutschland, das sich im Untertitel „sozialistische Tageszeitung“ nennt, sterben sowieso seit 20 Jahren die Alt-Abonnenten weg. Inzwischen ist man bei 34.000 verkauften Exemplaren angekommen. […]
    • Die junge welt, 1989 mit einer Auflage von 1,6 Millionen die größte Tageszeitung der DDR (und das Zentralorgan der FDJ), ist in Existenznot geraten. Nur 17.000 Exemplare werden von der „marxistisch orientierten“ Zeitung täglich verkauft, trotz Genossenschaftsmodell und Crowdfunding. […]
    • Die Wochenzeitung der Freitag, seit der Übernahme durch den Journalisten und Spiegel-Erben Jakob Augstein auf bestem Wege, ein linksliberales Meinungsmedium für das nicht-konservative Bildungsbürgertum zu werden, kommt auflagenmäßig nicht vom Fleck. Nachdem das Blatt eine Zeitlang aus den IVW-Statistiken verschwunden war, ist seit Herbst 2011 wieder zu sehen, wie die Auflage – stagniert. Knapp 14.000 Exemplare verkaufte der Freitag im dritten Quartal 2011. […]

    Oft bereichern die Inhalte linker Zeitungen ihre Leser zu wenig. Es gibt für das Publikum wenig neue Erkenntnisse, kaum überraschende Einsichten oder Aha-Erlebnisse, kein Dazulernen, keinen Mehrwert – zur großen Enttäuschung der unterschätzten Leserschaft. Ein linkes Netzangebot wie die NachDenkSeiten stellt heute mehr profundes Wirtschaftswissen bereit als manches (besser ausgestattete) Printmedium.
    Quelle: Carta

  3. Fall Gustl Mollath – Strafrechtler wirft Justiz gravierende Fehler vor
    Falsche Daten, einseitige Beweise und fehlende Objektivität: Der Strafrechtsprofessor Henning Ernst Müller nimmt das Verfahren in der Causa Mollath vor dem Nürnberger Landgericht förmlich auseinander. Der Justizministerin empfiehlt er, den Fall nochmal überprüfen zu lassen – von einer unabhängigen Seite. […]
    Das Verfahren vor dem Nürnberger Landgericht nimmt der Strafrechtler förmlich auseinander. Wie die Kammer gearbeitet habe, zeige sich schon auf der dritten Seite des Urteils. Dort werde ein falsches Datum für die angebliche Tat Mollaths angegeben. Tatsächlich datiert das Gericht diese auf das Jahr 2004 – passiert sein soll sie aber 2001. Auch stütze das Gericht den Vorwurf der Körperverletzung allein auf die Angaben der Frau – deren Strafanzeige erst mehr als ein Jahr nach der angeblichen Tat erfolgte. In der Beweiswürdigung werde auf diesen ungewöhnlichen Umstand aber nicht einmal eingegangen.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  4. Paul Krugman – The Twinkie Manifesto
    The Twinkie, it turns out, was introduced way back in 1930. In our memories, however, the iconic snack will forever be identified with the 1950s, when Hostess popularized the brand by sponsoring “The Howdy Doody Show.” And the demise of Hostess has unleashed a wave of baby boomer nostalgia for a seemingly more innocent time.
    Consider the question of tax rates on the wealthy. The modern American right, and much of the alleged center, is obsessed with the notion that low tax rates at the top are essential to growth. Remember that Erskine Bowles and Alan Simpson, charged with producing a plan to curb deficits, nonetheless somehow ended up listing “lower tax rates” as a “guiding principle.”
    Quelle: New York Times
  5. Frankreich: Kooperation mit Deutschland auf Augenhöhe
    Interview mit dem französischen Minister für Industrierestrukturierung Arnaud Montebourg auf Europe 1
    F: Bei Ihrem gestrigen Treffen mit Jean-Marc Ayrault in Berlin hat Frau Merkel erklärt, sie wünsche sich ein starkes Frankreich. Warum glaubt Frau Merkel, dass Frankreich schwach ist?
    A: Nun ja, Deutschland und Frankreich sind die beiden Beine Europas mit jeweils unterschiedlicher Geschichte, Geographie und Tradition, Unterschieden aber eben auch in der demographischen Entwicklung. Das ist ein Problem, denn Frankreich braucht Wachstum, weil der Anteil junger Menschen in Frankreich größer ist als in Deutschland und Deutschland muss seinen finanziellen Überschuss verteidigen, weil es mehr Rentner in Deutschland als in Frankreich gibt. Diesen Konflikt gilt es zu überwinden.

    F: Erscheint es Ihnen normal, dass Frankreich seinen Premierminister nach Berlin schickt, um Deutschland die Verlässlichkeit seiner Politik und der getroffenen Weichenstellungen zu versichern? Ist Frankreich denn wirklich schon so weit, dass wir Frau Merkel Rechenschaft schulden? Schockiert Sie das gar nicht?
    A: Nun auch wir selbst haben doch Forderungen an Deutschland, dass dort die Löhne erhöht werden und das System der sozialen Sicherung in bestimmten Sektoren auf einen Stand gebracht wird, der die Bezeichnung soziale Sicherung auch verdient.

    F: Das heißt, auch Sie können Ihrerseits Urteile über Deutschland abgeben ?
    A: Darf ich z.B. daran erinnern, dass auf dem Weltwirtschaftsgipfel der
    G20 in Los Cabos, an dem auch Frau Merkel und alle großen Staaten teilgenommen haben, ausdrücklich festgestellt wurde, dass die Überschussstaaten wie Deutschland, China und zahlreiche andere ihren Beitrag zum Wirtschaftswachstum der Defizitstaaten leisten sollten ?
    Deutschland ist also verantwortlich, es hat Überschüsse und muss seine Löhne und Sozialleistungen erhöhen, um den Staffelstab für Wirtschaftswachstum in Europa zu übernehmen, nachdem das bisher nicht geklappt hat …

    F: … auch für die deutsche Wirtschaft selbst nicht. Wir sollten uns also von Deutschland nichts vorschreiben lassen?
    A: Eine Kooperation …

    F: oder uns vielleicht ein Beispiel nehmen?
    A: eine Kooperation auf Augenhöhe, das ist es, was wir uns vorstellen.
    Im weiteren Verlauf des Interviews erklärt der Minister, dass beabsichtigt ist, die Produktionskosten in Frankreich im Rahmen einer “konzertierten Aktion” (u.a. Entsendung von Arbeitnehmervertretern in Aufsichtsräte) um 6 % (20 Milliarden €) zu senken.
    Quelle: Europe 1 (Siehe die Passage ab 1.40 min)

    Übertragung durch unsere Leserin M.J.

  6. No further austerity for Spain, says Rehn
    (Auszug aus anmeldepflichtigem Artikel der Financial Times)
    November 15 (FT) — Spain will need no further austerity measures until the end of next year even though it will easily miss its deficit targets, EU economic commissioner Olli Rehn, said. We are not so much focused on the nominal targets, even though they often make easier headlines because they are exact percentages, Mr Rehn said. To my mind, [it is] both the right way of doing it from an economic point of view but also the correct way of applying [EU rules]. He added that Spain must still do more in 2014, when Madrid is required to get its budget deficit, which was 11 per cent of gross domestic product at the end of last year, down below the EU threshold of 3 per cent. Spain was supposed to reduce its deficit to 6.3 per cent of GDP this year and 4.5 per cent next year.
    Quelle: Financial Times

    Dazu: Statement by Vice President Rehn on Spain’s compliance with the Council EDP Recommendation
    Quelle: Euroa Press releases Rapid

    Anmerkung unseres Lesers E.J.: Immerhin kappt die EU mit dieser Wende den selbstverstärkenden Teufelskreis zwischen Haushaltskürzungen, daraus folgender Erhöhung des Defizits und erneuter Kürzungen. Zukünftig, so kann man diese Position wohl zusammenfassen, werden die negativen Effekte der beschlossenen Kürzungen als solche hingenommen, auch wenn die nominellen Defizitziele damit nicht erreicht werden.
    Ökonomisch bedeutet dies, dass die spanische Wirtschaft künftig mehr Zeit hat, sich auf dem Niveau der erreichten hohen staatlichen Defizite zu stabilisieren, ohne dass erneute kurzfristige Hinzukürzungen erneut verschärfend wirken. Genau genommen nähert man sich damit dem Konzept des Deficit-Spending, wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen. Statt die relative Hinzuverschuldung des staatlichen Sektors (Staatliche Defizite = Überschüsse des Privatsektors) durch gezielte Erhöhung der Ausgaben zu erreichen, stürzt man die Wirtschaft durch Ausgabenkürzungen solange in die Krise, bis sich – auf entsprechend niedrigerem Wirtschaftsniveau – die notwendige relative Erhöhung der staatlichen Ausgaben einstellt. Kommt es auf dem dann schließlich erreichten Wirtschaftsniveau wieder zu Wirtschaftswachstum und Defizitrückgang wird dies als Ergebnis erfolgreicher “Sparanstrengungen” gefeiert. Dass es gerade der Effekt dieser “Sparanstrengungen” war, den Anteil staatlicher Ausgaben in die Höhe zu treiben, was man weitaus unschädlicher durch anfänglich bewusste Ausgabenerhöhung hätte haben können, passt dann leider nicht mehr auf das offizielle Foto. Zunächst bleibt abzuwarten, ob die nunmehr eingeräumten Zeiträume, bevor jeweils wieder neue Kürzungen hinzukommen, zur Stabilisierung überhaupt ausreichen. Möglich auch, dass man plötzlich entdeckt, dass sich die Defizite durch Wirtschaftswachstum automatisch verringern.
    Einmal mehr belegt diese Kehrtwende die Absurdität der gesetzlichen Verankerung von Defizitzielen und daran geknüpfter automatischer Maßnahmen. Denn was sind nominelle Defizite als rechtsverbindlicher Indikator für die Notwendigkeit staatlicher “Sparanstrengungen” überhaupt wert, wenn sie unterwegs kurzerhand für bedeutungslos erklärt werden können? Da hilft auch nicht der Hinweis auf die Verbesserung des “strukturellen Defizits” infolge der “Sparanstrengungen”. Wie immer nämlich diese Verbesserung innerhalb des tatsächlichen Defizits und der tatsächlichen Wirtschaftsentwicklung auch berechnet wird: Der Sache nach handelt es sich lediglich um einen anderen Ausdruck für die erfolgte Ausgabenkürzung, also um eine Tautologie. Mit der kausalen Entkoppelung zwischen “Sparanstrengungen” und Verringerung der nominellen Defizite entfällt endgültig jede vermeintlich rationale Begründung für “Sparanstrengungen”. Defizite lassen sich so nicht verringern (bzw. erst, wenn man mit dem Sparen ausreichend lange Pausen macht, was dann unvermeidlich die Frage aufwirft, warum man diese „Pause“ nicht sofort am Anfang macht, also gar nicht erst mit dem verhängnisvollen Kürzungen anfängt, sondern statt dessen von vorneherein die Ausgaben erhöht) und was bleibt sind “Sparanstrengungen” als reiner Selbstzweck.
    Dass Defizite einer politischen Bewertung – wie sie sich jetzt die EU vorbehält – bedürfen, ist im Übrigen ein richtiger Gedanke. Warum sie im Falle Spaniens, dessen Defizitausmaß eine Folge der Finanzkrise war, unterblieb, wird ewig ein Rätsel bleiben.

  7. Automarkt-Krise – Berlin würde richtige Hilfe verhindern
    Die Autobauer brauchen Hilfe von der Politik. Sie könnte helfen, und zwar indem Brüssel die CO2-Grenzwerte verschärfen würde. Doch das würde Berlin verhindern – aus falscher Rücksichtnahme.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung JB: Dieser Kommentar ist ein Musterbeispiel für den fehlenden volkswirtschaftlichen Verstand der Medien. Die Automobilbauer haben Absatzprobleme, da die Wirtschaft schrumpft, die Arbeitslosigkeit steigt, die Löhne sinken und die Menschen zusätzlich unter der Austeritätspolitik leiden. Der größte Faktor für die Kaufzurückhaltung dürfte jedoch sein, dass die Menschen keine Hoffnung haben, dass die Krise ein baldiges Ende findet. In einer solchen Situation verzichten die Haushalte auf große Investitionen und vermeiden es, sich langfristig zu verschulden. Die wirkungsvollste Hilfe für die Autobauer wäre daher ein Ende der Austeritätspolitik. Tricksereien, wie die Anhebung der CO2-Grenzwerte, sind nur Augenwischerei.

  8. Neue Macht der Schattenbanken
    Mit der Weltfinanzkrise sind die massiven Gefahren durch unkontrollierte Banken deutlich geworden. Doch ihr Geldvolumen ist inzwischen sogar noch größer als vor der Krise. Die Regulierer holen nun zum Gegenschlag aus.
    Die Schattenbanken sind nach Erkenntnissen der Banken-Regulierer größer als vor der Finanzkrise. Der Finanzstabilitätsrat (FSB) der G20-Staaten bezifferte das Volumen der Nicht-Banken, die den weltweiten Geldkreislauf mit Kredit und Liquidität anheizen, zum Ende des vergangenen Jahres auf 67 Billionen Dollar. Zum Start der Krise 2007, für die die Schattenbanken mit verantwortlich gemacht wurden, waren es erst 62 Billionen Dollar, vor zehn Jahren 26 Billionen. Damit sorgen die zum großen Teil unregulierten Institutionen für fast ein Viertel der Vermögenswerte im gesamten Finanzsystem. Die Banken selbst stellen knapp die Hälfte, der Rest kommt von Versicherern und Pensionsfonds, Staatsbanken und Zentralbanken.
    Quelle: Handelsblatt
  9. Ursula Engelen-Kefer: SPD verspielt Chance für überzeugendes Rentenkonzept
    Der angebliche Kompromiss zum zukünftigen Rentenniveau im Parteivorstand der SPD als Vorbereitung für den Parteikonvent am 24. November erfüllt diese Bedingungen in keinem Fall. Vielmehr folgt er dem Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass‘“ und ist eine Verdummung der Arbeitnehmer und Rentner. Bezeichnend ist, dass hiermit weitgehend dem Parteitagsbeschluss der SPD NRW gefolgt wird, dem Heimatbezirk des Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück.
    Wenn Rentengesetz und Rentenformel bis 2020 nicht verändert werden sollen, kann und wird das Rentenniveau von heute etwa 50 auf dann 46 Prozent vom Nettoeinkommen vor Steuern absinken. Das ändert wenig an der bekannten Dramatik, dass dann millionenfache Altersarmut die Folge sein wird. Bereits heute steigt die Zahl der Rentner, die zu ihrer Lebensexistenz Grundsicherung beantragen müssen erheblich an – abgesehen von der hohen Zahl der Rentner in so genannter „verschämter“ Altersarmut, die aus Scheu vor dem Gang zum Sozialamt und der Belastung weiterer Familienangehöriger ihre Ansprüche an die Grundsicherung gar nicht wahrnehmen. Damit verliert die gesetzliche Rentenversicherung mit ihren Pflichtbeiträgen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern weiterhin an Legitimation…
    Die Solidarrente von bis zu 850 Euro nach 40 Beschäftigungs- und 30 Beitragsjahren wird den von Altersarmut besonders betroffenen und bedrohten Menschen wenig Hilfe bieten: Vor allem die Geringverdiener mit prekären Arbeitsverhältnissen, unterbrochenen Erwerbsbiographien sowie die Frauen mit langen Jahren der Familientätigkeit und geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen mit Niedrig- bis Armutslöhnen und dabei insbesondere die Alleinerziehenden werden die Voraussetzungen zum Bezug der Solidarrente nicht erfüllen.
    Zwiespältig zu beurteilen ist die Fortführung der sog. „45“er Regelung, wonach Arbeitnehmer mit 45 Jahren durchgängiger beitragspflichtiger Vollzeiterwerbstätigkeit mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können, sowie der vorgesehenen Stärkung der Betriebsrenten. In beiden Fällen profitieren wiederum vor allem die Männer in gewerkschaftlich hoch organisierten Großbetrieben mit guten Tarifverträgen und Betriebsrenten. Die dadurch verursachten Ausfälle an Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung bzw. den vorzeitigen Bezug von abschlagsfreien Altersrenten müssen aber auch die Beschäftigten in Niedriglohnsektoren und prekärer Beschäftigung aufbringen – ohne jemals in den Genuss dieser Regelungen zu kommen.
    Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
  10. Arbeitslose auf Nulldiät – Mehr als 10 000 Menschen wurde 2011 der Hartz-IV-Satz komplett gestrichen
    Damit hat sich die Prozentzahl der so Sanktionierten innerhalb eines Jahres verdoppelt.
    »Ein unhaltbarer Zustand«, findet der Justiziar der Linksfraktion, Wolfgang Neskovic. Der ehemalige Bundesrichter kritisiert im Gespräch mit »nd«, dass die Regierung nicht einmal weiß, »ob die Betroffenen wenigstens Sachleistungen erhielten«. Zwar gibt es für den Fall einer 100-Prozent-Sanktion auch Lebensmittelgutscheine, jedoch müssen diese erst beantragt werden. Ob und wie die derart Bestraften bis zur Bewilligung über die Runden kommen, weiß die Regierung nicht…
    »Erschreckend« findet Neskovic »das Beharren der Bundesregierung auf ihrer fehlerhaften Rechtsansicht trotz gegenteiliger Urteile des Bundesverfassungsgerichtes«. So hatte Karlsruhe im Juli die Leistungen für Asylbewerber für »menschenunwürdig« erklärt. Richter monierten, dass die Flüchtlinge ein Drittel weniger als Hartz-IV-Empfänger bekämen. Dies sei eine »evidente Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums«.
    Quelle: ND auf Axel Troost
  11. Daten aus den 15 größten Städten – Die Armut wächst und konzentriert sich in Deutschlands Metropolen
    Armut ist in den größten deutschen Städten meist deutlich weiter verbreitet als im Bundesdurchschnitt. In Leipzig, Dortmund, Duisburg, Hannover, Bremen und Berlin lebt zwischen einem Fünftel und einem Viertel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Deutlich besser stehen die meisten süddeutschen Metropolen und Hamburg da, allerdings ist auch dort die Armutsquote zuletzt gestiegen. Das ergibt eine neue Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Die Wissenschaftler haben Daten für die 15 größten deutschen Städte ausgewertet, in denen knapp 14 Millionen Menschen leben.*
    Trotz der soliden wirtschaftlichen Entwicklung ist die Armutsquote in Deutschland wieder angewachsen. 2011 hatten nach den neuesten Daten des Statistischen Bundesamtes aus dem Mikrozensus 15,1 Prozent der Menschen in der Bundesrepublik weniger als 60 Prozent des bedarfsgewichteten mittleren Einkommens zur Verfügung. Dieser Wert entspricht einem Monatseinkommen von 848 Euro bei einem Alleinstehenden und markiert nach gängiger wissenschaftlicher Definition die Armutsschwelle. Im Jahr 2010 lag die Armutsquote bei 14,5 Prozent.
    Noch weitaus größer ist die Armutsgefährdung in Deutschlands Metropolen, zeigt die WSI-Studie. Eric Seils, Sozialexperte im WSI, und sein Co-Autor Daniel Meyer haben für die 15 größten deutschen Städte die Armuts-Daten auf Basis des Mikrozensus ausgewertet und mit den Bezugsquoten von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) abgeglichen. Auf diese Weise lassen sich einerseits auch Menschen in verdeckter Armut erfassen, die aus Scham oder Unwissenheit auf Sozialtransfers verzichten. Zum anderen lässt sich zumindest grob abschätzen, wie tief die Armut der Betroffenen ist. Zwar ist das Einkommen von Menschen, die Hartz IV oder andere Formen der Grundsicherung nach dem SGB II beziehen, statistisch nicht ganz klar abzugrenzen. Es dürfte aber bei Alleinstehenden zumeist unter der Armutsschwelle liegen. Daher werten Seils und Meyer den Bezug von Sozialunterstützung als ein mögliches Indiz für „tiefere“ Armut.
    Quelle: Hans-Böckler-Stiftung via idw
  12. Gegen den Altenpfleger-Mangel: Arbeitsagentur will kürzere Pfleger-Ausbildung
    Drei Jahre dauert es, sich zum Altenpfleger ausbilden zu lassen. Doch es gibt nicht genügend Altenpfleger. Deshalb schlägt die Bundesagentur für Arbeit vor, die Ausbildung zu verkürzen.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Es ist wohl davon auszugehen, dass die so ausgebildeten wiederum schlechter bezahlt werden, weil ja die Ausbildung kürzer war. Statt das Übel an der Wurzel zu packen – bei der viel zu niedrigen Bezahlung -, wieder nur ein Schnellschuss auf Kosten von Pflegepersonal und betroffenen alten Menschen.

  13. Rüstungsexporte: Vertrauenswürdige Partner
    Der neue Rüstungsexportbericht der Bundesregierung legt wie bereits seine Vorgänger zentrale weltpolitische Frontstellungen der Berliner Außenpolitik offen. Wer nicht “überall auf der Welt” in der “Friedenssicherung” intervenieren könne, müsse “vertrauenswürdigen Partnern (…) helfen”, dies zu tun, hat erst kürzlich die deutsche Kanzlerin über die Indienstnahme fremder Staaten für Zwecke der deutschen Weltpolitik erklärt. Dies beziehe sich ganz ausdrücklich auch auf die “Ausrüstung” von Verbündeten. Zu den größten Empfängern deutscher Rüstungsgüter gehören seit Jahren die arabischen Golfdiktaturen, die gegen Iran in Stellung gebracht werden, und mehrere Staaten in Südostasien, die gegen China hochgerüstet werden. Unter den Empfängern der speziellen Art von Rüstungsgütern, die in der offiziellen Statistik ganz formal als “Kriegswaffen” eingestuft werden, liegt das Sultanat Brunei Darussalam dieses Jahr auf Platz eins. Brunei befindet sich im Streit mit China um Inseln im Südchinesischen Meer. Der Rüstungsexportbericht für 2011 zeigt erneut, dass Verbündete auch dann mit Waffen beliefert werden, wenn sie Proteste im Inland blutig unterdrücken – wie etwa Bahrain oder Berlins Partnerstaat Saudi-Arabien.
    Quelle: German-Foreign-Policy
  14. Das Problem heißt Rassismus
    Unter diesem Motto haben rund 30 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte am Samstag, dem 17. November 2012 im Buchladen Hugendubel am Hermannplatz eine Erklärung verlesen und das Buch des Neuköllner Bezirksbürgermeisters Heinz Buschkowsky (SPD) mit Aufklebern verschönert. Buschkowsky trägt mit seinem Buch zu einem Klima bei, in dem Rassismus gedeiht und die gesellschaftliche Spaltung vorangetrieben wird…
    Buschkowsky schreibt die unerträgliche Integrationsdebatte fort. Buschkowsky verwendet den Begriff der „Integration“ als Kampfbegriff. Das Schlagwort der „Integration“ unterteilt die Gesellschaft in ein „Wir“ und ein „Ihr“…
    Die Integrationsdebatte ist demokratiefeindlich. „Integration“ bei Buschkowsky meint Anpassung statt Dialog. Diese Art von Integrationsdebatte spricht den Menschen das Recht ab, in einer Gesellschaft gemeinsam darüber zu entscheiden, wie sie miteinander leben wollen. Die Debatte um „Integration“ ist die falsche Debatte.
    Quelle: Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
  15. Amazon: Geld verdienen mit Naziware
    Quelle: NDR KulturJournal

    Anmerkung WL: Solange über Amazon nazistische und neonazistische Artikel angeboten werden, werde ich dort nichts mehr bestellen.

  16. Die Quadratur des Nahostkreises
    Die Eskalation im Gaza-Konflikt und die geschwächte Opposition in Israel. Die gezielte Tötung des Chefplaners des militärischen Arms der Hamas wird als wahltaktisches Manöver seitens der Netanyahu-Regierung verstanden, das strategischen Weitsinn mangeln lässt. Was laut der meisten Analysten Netanyahu auf kurze Sicht die Wiederwahl garantieren wird, könnte zu einer Radikalisierung im Gaza-Streifen führen und diplomatische Initiativen zur Konfliktlösung marginalisieren. …
    Nicht nur die israelische Bevölkerungsmehrheit steht hinter einer diplomatischen Lösung mit den Palästinensern. Auch weite Teile des Sicherheits-Establishments teilen die Meinung, dass eine 2-Staaten-Lösung die einzige Garantie für Israels Fortbestand als jüdischer und demokratischer Staat sei. In einem Report aus dem Außenministerium wurde der Stillstand der Friedensverhandlungen als schädlich für Israels Image in der Welt dargestellt.
    Der Autor des Reports, D. Schneeweiss, erklärte, “es gibt keinen Zweifel daran, dass glaubwürdige Friedensverhandlungen mit den Palästinensern die Effekte von negativen Image-Kampagnen gegen Israel abschwächen würden”. Der Stillstand der Friedensverhandlungen würde das Bild des Landes nachhaltig beschädigen und Israel auch in weiten Teilen der westlichen Welt die essentielle Unterstützung entziehen.
    Quelle: Telepolis
  17. Rassismus Polizei Frankfurt: Ihr seid hier nicht in Afrika
    Nach Aufdeckung des NSU-Terrors war viel die Rede von mehr Sensibilität der Behörden gegenüber Zuwanderern. Ein Jahr später steigt Derege Wevelsiep in eine Frankfurter U-Bahn und wird von Polizisten verprügelt. Eine Geschichte darüber, dass sich nichts geändert hat.
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: Dieser Bericht lässt einen verzweifeln und er bildet ein Korrektiv zur gegenwärtigen Berichterstattung im Fall Beate Zschäpe. Die Generalbundesanwaltschaft ordnet Zschäpe nicht nur als Mitglied des NSU, sondern als für die Morde verantwortliche Mittäterin ein, obwohl sie nicht selbst an den Tatorten war.
    Das Gericht wird darüber entscheiden, ob diese Anklage gerechtfertigt ist oder ob es nur um Beihilfe zum Mord geht. In Zeiten der RAF-Zeiten reichten solche “Beihilfen” vollkommen aus, um RAF-Mitglieder als Täter zu verurteilen. Was irritiert ist, welchen Raum dieser Anklage in den Medien gegeben wird. Natürlich war die Bundesanwaltschaft fleißig und Zschäpe wird gewiss verurteilt. Aber ein Jahr nach Entdeckung der Mordtaten warten wir noch immer darauf, dass die vor einem Jahr versprochene radikale Untersuchung des Versagens der Ermittlungsbehörden realisiert und eine angemessene Reform der Sicherheitsbehörden angepackt wird. Das gehört auf die Tagesordnung der Medienberichterstattung und nicht Innenminister Hans-Peter Friedrich, der sich in der aktuellen Stunde die Arbeit der Sicherheitsbehörden im Fall Zschäpe an die Brust heftet: „Die Anklage ist erhoben und ich glaube, man kann daran sehen: Die Aufklärung geht voran.“ Welche Aufklärung? Entschuldigung, das Heranschaffen von Belastungsmaterial im Fall Zschäpe ist eine reine Fleißarbeit. Aufgeklärt werden muss vor allem die von Friedrich selbst so genannte „kollektive Fehleinschätzung der Sicherheitsbehörden“. Eine Aufklärung, die letztlich in die Frage nach der Xenophobie, der Fremdenfeindlichkeit unserer Sicherheitsbehörden mündet. Und hier schließt sich der Kreis zum aktuellen Fall in Frankfurt. Natürlich rasten Polizisten in der Regel nicht in diesem Ausmaß aus, aber diese Polizisten leben offensichtlich in einem polizeilichen Umfeld, das zumindest Fremdenfeindlichkeit in den eigenen Reihen duldet.

  18. Springers Welt wirbt für Schwarz-Grün – Progressive Wechselwähler/Innen aufgepasst
    Springers Welt am Sonntag (WAMS) lotet in der Ausgabe vom 18.11.2012 ein mögliches Schwarz-Grünes Bündnis nach der Bundestagswahl 2013 aus. Die Art und Weise wie das Blatt das ganze angeht lässt durchaus eine Meinungskampagne vermuten. Das konservative Meinungslager überlegt sich wohl schon mal Plan B. Die Angst, dass der Union der gelbe Bündnispartner weg zu brechen droht, scheint doch sehr groß zu sein. Für progressive Wechselwähler/-innen, die die liberal-konservativen Parteien FDP und CDU/CSU nicht an der Macht sehen wollen, heißt es: Aufpassen!
    Quelle: Die Netzschau

    Dazu passt: Kretschmann fordert klare Koalitionsaussage für Rot-Grün
    In der Tat, also ich bin für eine klare Ansage, die heißt: Rot-Grün soll Schwarz-Gelb ablösen. Aber ich bin auch gegen eine Ausschließeritis. Denn wenn der Wähler anders entscheiden sollte – wir haben genug Erfahrung aus der Vergangenheit, dass er das zuweilen macht, darf man ja nicht handlungsunfähig sein. Da muss man vielleicht etwas machen, das nicht erste, sondern zweite oder dritte Wahl war. Und die muss man dann verhandeln. Also, ich bin ein ganz entschiedener Gegner von Ausschließeritis unter demokratischen Parteien… das ist kein Hintertürchen, es ist eine zweite Tür… das ist die Gemeinsamkeit von demokratischen Parteien auch im Grundgesetz, dass sie auch in schwierigen Konstellationen trotzdem was zustande bekommen, denn regiert werden müssen wir ja auf jedem Fall.
    Quelle: DLF Interview der Woche

    Anmerkung WL: Die „zweite Tür“ ist jetzt schon sichtbar: Hat Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr und bekommt Rot-Grün (was derzeit jedenfalls höchst wahrscheinlich ist) keine Mehrheit, dann wird man von Seiten der Grünen – falls Merkel nicht doch lieber in eine Große Koalition geht – diese zweite Tür betreten.

  19. Genossen gegen Steinbrück
    SPD-Mitglieder aus Köln und dem Rheinland wollen mit einer Unterschriftenliste die Wahl von Peer Steinbrück zum Kanzler verhindern. Steinbrück werde „wie Schröder die SPD gegen die Arbeitnehmer richten“.
    Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger
  20. Eine bessere Welt ist immer noch möglich
    Politik der Empathie: Was die Opposition heute vom Wahlkampf aus dem Jahr 1972 lernen kann.
    Ein Beitrag von Albrecht Müller in der Printausgabe der Frankfurter Allgemeinen, Seite 27
    Zum Hintergrund: Heute vor 40 Jahren war die Bundestagswahl – mit der bisher höchsten Wahlbeteiligungvon 91,1%.


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