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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 28. Juli 2006 um 10:01 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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(KR/WL)

  1. Wolken am Konjunkturhimmel
    „Immer mehr Verbrauchern mangelt es an Vertrauen in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung“, schrieben die Marktforscher der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK).
    „Entscheidend für den privaten Verbrauch ist nicht die Entwicklung der Stimmung, sondern des Einkommens.“, sagte dazu Ralph Solveen von der Commerzbank.
    Quelle: FAZ

    GfK-Chef der Horst Wübbenhorst: “Deshalb müssen Politik und Wirtschaft unbedingt dafür sorgen, dass die Einkommenserwartungen wieder zunehmen. Der Bürger darf nicht den Eindruck haben, dass er die Zeche zahlen muss”, sagte GfK.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung: Sollte das unter deutschen Ökonomen weit verbreitete Dogma, wonach es eine gesamtwirtschaftliche Nachfrageschwäche als Ergebnis zu niedriger Löhne grundsätzlich nicht geben könne, endlich wanken? Weit gefehlt, denn nur einen Satz später fordert Wübbenhorst: „Dazu müsse die Bundesregierung ihren eingeschlagenen Reformkurs konsequent weiter verfolgen.“
    Weiß Horst Wübbenhorst tatsächlich nicht, dass „der Bürger“ längst verstanden hat, dass er mit sinkenden Realeinkommen die Zeche für diese Reformen bezahlen muss?

    Siehe auch Joachim Jahnke: Hamsterstimmung vor der MWSt-Erhöhung bei sinkendem Glauben an Konjunkturerholung

  2. Zweieinhalb Millionen Kinder leben in Armut
    Der Kinderschutzbund ist alarmiert von der hohen Zahl. Die Zahl der armen Kinder habe sich seit 2004 mehr als verdoppelt. Von 15 Millionen Kindern hätten 2,5 Millionen kaum Bildungschancen und lebten mit einem hohen Gesundheitsrisiko.
    Quelle: FR

    Anmerkung: Auf diese erschreckenden Zahlen seien alle hingewiesen, die bei uns über Chancengerechtigkeit, Eigenverantwortung und Freiheit schwadronieren.

  3. Lobpreisung des Lobbyismus in der WELT
    “Ein feingesponnenes Netz aus Verbandsrepräsentanten und Parteifunktionären, Fraktionsreferenten und Ministerialbeamten sorgt für den reibungslosen Ablauf im Politbetrieb. Bei den Anhörungen im Parlament zu Gesetzvorhaben sind die Verbandsvertreter fest gebucht. Manchmal finden sich Passagen aus den Stellungnahmen wörtlich in den Gesetzestexten wieder.”
    Quelle: WELT

    Kommentar: Dass manche Gesetze zum Teil nicht mehr von den gewählten Volksvertretern, sondern von Lobbyisten formuliert werden, scheint die WELT-Autoren Stefan von Borstel und Cornelia Wolber nicht im Geringsten zu stören, im Gegenteil: “Nach “unten” – bei ihren Mitgliedern, bauen sie übertriebenen Hoffnungen vor, “nach oben” verhelfen sie den Ministerien zu einem Fachwissen, das sich die Beamten allein nie beschaffen könnten.”
    Auch hier keine kritische Anmerkung darüber, dass Ministerialbeamte offenbar nicht mehr in der Lage sind, sich selbständig und ohne interessengesteuerte Führung fachkundig zu machen.
    Für ihre unfassbar naive Lobpreisung des Lobbyismus haben die Autoren eine passende Überschrift gewählt:
    “Man kennt sich, man schätzt sich. Wie Interessenvertreter in Berlin arbeiten und welche Vorteile der Politikbetrieb daraus zieht.”

  4. Atomkraft-Aufseher als Atomkraft-Kleinaktionär
    Dietmar Keil hat über viele Jahre die Atomaufsicht in Baden-Württemberg geleitet. Nun stellt sich heraus, dass Keil damals bereits Kleinaktionär von EnBW war. Kritiker hatten Keil schon früher bei Pannen in den EnBW- Reaktoren mangelnde Distanz vorgeworfen. –
    Auch der Pensionär Dietmar Keil bleibt der EnBW verbunden: Er ist Kurator im Forum Kernenergie – einer von der EnBW-Stiftung Energieforschung eingerichteten Plattform zur “offenen Diskussion” von Fragen rund um die Kernenergie.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  5. Bummelstudenten sind doch nicht reich
    Die Bundesregierung will Gebührengegner besänftigen und präsentiert eine eigenwillige Interpretation einer Statistik. Demnach kommen die meisten Langzeitstudenten aus wohlhabendem Hause. Doch darin steckt ein Interpretationsfehler. Damit wolle die Regierung die Einführung von Studiengebühren legitimieren, sagte der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, Achim Meyer auf der Heyde.
    Quelle: TAZ
  6. Demoskopen meiden Linkspartei
    Das Institut, das im Auftrag der Linkspartei eine Umfrage zur Oppositionsarbeit durchgeführt hatte, will nicht öffentlich genannt werden – offenbar, weil es lukrative Aufträge aus der Wirtschaft nicht verlieren will.
    Quelle: TAZ
  7. “Siemens verpennt Trends”
    Im Com-Management habe es zuletzt zu viele Kaufleute und zu wenige Techniker gegeben, die zwar ihre Zahlen beherrscht, nicht aber die Produkte verstanden hätten. Wenn 100 deutsche Entwickler für ein Produkt ein Jahr brauchen, schaffen es 300 Beschäftigte aus Billiglohnländern in vier Monaten, das sei so eine in die Irre führende Rechnung. Wer so denke, kenne die Entwicklungsprozesse in der Branche nicht. Die Entwicklung bei Com sei heute über mehrere Kontinente verteilt. Bei Problemen dauere es oft Tage, um sie zu lösen. Früher sei man über den Flur gegangen. Die Folge seien auch wegen fehlender Testzeiten teils mangelhafte Produkte.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  8. Abschied von der Börse
    REITs werden vom US-Aktienmarkt genommen, weil sich Investmenttrusts vor fallenden Kursen schützen wollen. Tatsächlich sitzen die von Pensionskassen, Versicherungen und Universitätsstiftungen finanzierten Investmenttrusts in der Klemme. In den vergangenen Jahren hatten sie die niedrigen Zinsen genutzt, um eifrig Aktien von REITs auf Kredit zu erwerben. Weil REITs ihre Gewinne nicht versteuern, sondern zu 90 Prozent an die Anleger ausschütten müssen, fielen die Dividenden weit höher aus als die Kosten für Zins und Tilgung des Fremdkapitals. Dadurch konnten die Investmentgesellschaften für ihre Geldgeber die versprochenen Eigenkapitalrenditen von 20 und mehr Prozent erwirtschaften. Doch durch die große Nachfrage sind die Börsenkurse der REITs so weit in die Höhe geschossen, dass die Strategie nun nicht mehr aufgeht.
    Quelle: FTD

    Anmerkung: CDU/CSU und SPD haben im Koalitionsvertrag (dort Ziffer II. 3.) vereinbart, dass sie „Rahmenbedingungen für neue Anlageklassen in Deutschland schaffen“ wollen, hierzu gehöre auch „die Einführung von Real Estate Investment Trusts (Reits) unter der Bedingung, dass die verlässliche Besteuerung beim Anleger sichergestellt wird und positive Wirkungen auf Immobilienmarkt und Standortbedingungen zu erwarten sind“. (siehe de.wikipedia.org/wiki/REIT).
    Offenbar besteht Anlass, bei REITs mehr als nur die verlässliche Besteuerung beim Anleger in Frage zu stellen.

  9. Krankenstand auf Rekordtief
    Quelle: Nicht mehr erreichbar (25.08.2006)
  10. Otto Köhler: Wie Reinhard Mohns Stiftung bestimmt, wie viel Soldaten gegen jeweils 1.000 Neger in Afrika ausrücken müssen
    Quelle: Freitag
  11. Steuerfinanzierung der Sozialsysteme. Eine Kontroverse zwischen Christoph Butterwegge und Gert G. Wagner
    Quelle 1: Freitag
    Quelle 2: Freitag

    Anmerkung: Wobei man Gert G. Wagner fragen müsste, woher denn die benötigten Steuermehreinnahmen im „Lohnsteuerstaat“ kommen sollen und was der Unterschied zwischen einer höheren Steuerbelastung der Lohnsteuerzahler und der bisherigen Beitragsbelastung sein soll. Der Verweis auf Skandinavien hilft da nicht viel, weil dort eine völlig andere kulturelle und rechtliche Tradition besteht.

  12. WSI: Der Mythos vom Missbrauch von Hartz IV
    Quelle: FR
  13. Arbeitsagentur plant radikale Ausdünnung des Förderkatalogs
    Quelle 1: Nicht mehr erreichbar (25.08.2006)
    Quelle 2: Nicht mehr erreichbar (25.08.2006)


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