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Titel: Ist die Todessehnsucht der SPD-Spitze unbegrenzt? Sie sollte Steinbrück trotz der Peinlichkeit eines Rückzugs wieder aus dem Verkehr ziehen.

Datum: 1. Januar 2013 um 16:10 Uhr
Rubrik: Lobbyismus und politische Korruption, SPD, Wahlen
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Auf ein gutes Neues! So wie es aussieht, wird das zumindest, was die Politik betrifft, ein frommer Wunsch bleiben. Wir haben im Wahljahr 2013 eine Alternative verdient. Aber den Wechsel wird es nicht geben, weil sich die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Steinbrück abgrundtief vertan hat. Für NachDenkSeiten-Leserinnen und -Leser sind diese Erkenntnisse nicht neu. Aber angesichts der neuesten und aktuellen Fehltritte des Dauerbrenners Steinbrück reift jetzt auch in anderen Medien die Erkenntnis vom Fehlgriff. „Er kann es nicht“, schrieb die FAZ am 30. Dezember. Das Medienecho auf Steinbrücks Klage über das niedrige Gehalt der Bundeskanzlerin/des Bundeskanzlers und über den Frauenbonus Angela Merkels ist verheerend. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass es kein Wechselklima gibt und dass Angela Merkel ihre Position ausbauen konnte. Die Lage ist so ernst, dass man von der SPD-Führung verlangen muss, zwischen zwei schlechten Alternativen nach der weniger schlechten zu greifen. So ist das manchmal im Leben. Von Albrecht Müller

I. Kein Wechselklima – Im Gegenteil: Merkel und Union bauen ihre Position aus

In der folgenden Tabelle sind für Sie auf der Basis der von Spiegel online veröffentlichten Umfragen von sechs Instituten die Ergebnisse zum Jahresende 2012 und verschiedene Koalitionsmöglichkeiten notiert:

Tabelle: Umfrageergebnisse Ende 2012 plus Koalitionsmöglichkeiten auf dieser Basis

Veröffentlicht am: Forschungs-
Gruppe Wahlen
14.12.12
Infratest
Dimap
21.12.12
Allensbach
19.12.12
TNS
Emnid
23.12.12
Forsa
26.12.12
GMS
17.12.12
(1) CDU/CSU
(in Klammern Werte von Anfang 2012)
40
(36)
40
(35)
37,5
(35)
40
(35)
41
(35)
40
(36)
(2) SPD 30
(30)
30
(30)
30
(27)
28
(29)
27
(26)
29
(29)
(3) Die Grünen 13 13 14 13 13 14
(4) Die Linkspartei 7 7 6,5 8 8 7
(5) FDP 4 4 4,5 4 4 4
(6) Die Piraten 3 3 3,5 4 3 3
(7) Schwarz-Gelb 44 44 42 44 45 44
(8) Rot-Grün 43 43 44 41 40 43
(9) Rot-Grün-Rot 50 50 50,5 49 48 50
(10) Schwarz-Grün 53 53 51,5 53 54 54
(11) Ampel 47 47 48,5 45 45 48

Quelle: Spiegel Online

Kurze Erläuterung:

Wenn Sie diesen Link anklicken und auf die einzelnen Institute gehen, dann können Sie die Umfrageergebnisse auch im Zeitablauf einsehen.

Zeile (1) zeigt, dass die Union bei allen Instituten mit Ausnahme von Allensbach neun Monate vor der Wahl 40 % erreicht. In der gleichen Zeile haben wir in Klammern die Umfragewerte vom Jahresanfang 2012 eingefügt. Das waren 35 bzw. 36 %. Die Union hat also durchgehend in den Umfragen aufgeholt.

In Zeile (2) sehen Sie, dass die SPD heute in den Umfragen rund zehn Punkte hinter der Union liegt. Die Werte in Klammern zeigen, dass sich für die SPD im Jahresablauf 2012 keine positive Bewegung abgezeichnet hat.

Zeile (4) zeigt, dass die Linkspartei nach den Umfragen stabil über der 5 %-Klausel liegt.

Zeile (5) zeigt, dass die FDP bei allen Instituten einen Wert von 4 % erreicht. Das Wahlergebnis der FDP wird wie auch in der Vergangenheit stark vom Wahlkampf abhängen. Die 14,6 % von 2009 waren vorher nicht absehbar, sondern ein Ergebnis des Wahlkampfes. Wenn die amtierende Bundeskanzlerin auch nur ein paar gute Worte für ihren Koalitionspartner findet, wird die FDP sicher einziehen. So war es auch in der Vergangenheit, zum Beispiel 1980: bei der NRW-Wahl im Mai 1980 blieb die FDP mit 4,999 vor der Tür; dann warb der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt im Vorfeld der Bundestagswahl am 5. Oktober 1980 für die FDP; sie kam mit satten 10,6 % in den Bundestag. Ich rechne auf der Basis dieser Erfahrungen mit einem Wiedereinzug der FDP in den Deutschen Bundestag.

Zeile (6) lässt ahnen, dass die Chancen für Die Piraten, über die 5 % Hürde zu kommen, eher gering sind.

Zeile (7) lässt erkennen, dass es für Schwarz-gelb noch nicht reicht.
Noch weniger reicht es für Rot-grün – siehe Zeile (8).

Die Zeilen (9) und (10) zeigen, dass nach den zu Grunde liegenden Umfragen Rot-Grün-Rot und Schwarz-Grün eine Mehrheit erreichen würden. (Die entsprechenden aussichtsreichen Werte sind fett gesetzt).

Die Ampel, Zeile (11), der heimliche Favorit von Peer Steinbrück, wäre nach den Erhebungen der meisten Institute zur Zeit nicht mehrheitsfähig.

Kanzler-Parteien bauen ihre Position in Wahlkämpfen oft aus

Das galt zum Beispiel 2002 für Gerhard Schröder und die SPD; Schröder hatte mit einem Nein zum Eintritt in den Irak Krieg und mit verbalen Zugeständnissen an die Arbeitnehmerschaft und die Gewerkschaften die Stimmung zu Gunsten der SPD im Wahlkampf gewendet.
Es galt auch für Helmut Kohl und die Union im Wahljahr 1994 gegen Scharping und dann1998. Damals gab es ein Wechsel-Klima. Die politische Stimmung war ausgesprochen SPD-freundlich. Im Wahlkampf aber holte – anders als es häufig dargestellt wird – Kohl und die Union wieder kräftig auf. Aber es reichte nicht.
Noch ein weiter zurück liegendes Beispiel: Mitte September 1972 lag die oppositionelle Union bei Umfragen über 51 %. Am Wahltag zwei Monate später wurde die Union mit 44,9 % wieder in die Opposition geschickt. Der amtierende Bundeskanzler, damals Willy Brandt, gewann die Wahl.
Ähnlich waren die Stimmungsabläufe in vielen anderen Wahlen: die regierenden Parteien können in der Regel im Wahlkampf ihre Position ausbauen. Interessante Ausnahmen gab es übrigens mit den Ministerpräsidenten Hans Eichel in Hessen 1999 und Peer Steinbrück in Nordrhein-Westfalen 2005.

Fazit aus diesen Erfahrungen:

Auch ohne die Hypothek Steinbrück hätte es die SPD und hätten es Rot-Grün schwer, sehr schwer, 2013 einen Wechsel zu schaffen. Das kann man für ein rechnerisch mögliches rot-grün-rotes Bündnis nicht sagen. Es hätte zumindest nach den jetzigen Umfragen eine Mehrheit – umso schlimmer der strategische Fehler der SPD und Steinbrücks, diese Option nicht einmal zu erwägen.

II. Die Wahlkatastrophe der SPD mit dem Kandidaten Steinbrück ist absehbar. Steinbrücks neue Äußerungen bestätigen diese Prognose.

In dem erwähnten FAZ-Artikel „Er kann es nicht“ vom 30. Dezember heißt es:

„Nach Peer Steinbrücks Thesen über die Höhe der Kanzlerbezüge herrscht in der SPD Entgeisterung. Die Genossen müssen sich fragen, wohin man mit einem Spitzenkandidaten kommt, der einen perfekten Wahlkampf für den Gegner macht.“

Ähnlich vernichtend war der Durchschnitt des Medienechos auf Steinbrücks neueste Einlassungen und die bekannt gewordenen Details über den Beratungsauftrag des ehemaligen Bundesfinanzministers Steinbrück an eine Rechtsanwaltskanzlei, bei der er dann später gegen Honorar als 15.000-Euro-Redner auftrat.
Es ist ein bisschen schade, dass die Mehrheit der Medien die Hypotheken des Kanzlerkandidaten erst jetzt erkennen und beschreiben. NachDenkSeiten-Leserinnen und -Leser wussten vor drei Monaten schon Bescheid.
Als sich die Kandidatur Peer Steinbrücks abzeichnete, haben wir ausführlich beschrieben, warum die Bundestagswahl 2013 mit ihm nicht zu gewinnen ist und wir damit erneut um die Möglichkeit einer Alternative zu Angela Merkel gebracht werden. Eine kleine Auswahl unserer Analysen finden Sie hier in den NachDenkSeiten oder hier direkt beim „Freitag“ und hier und hier.

Ich hatte im Vorfeld der offiziellen Nominierung von Peer Steinbrück ernsthaft geglaubt, die SPD-Führung, insbesondere der SPD Vorstand, könnte noch erkennen, welch eine falsche Idee ihr mit dem Kandidaten Steinbrück von einigen Medien und Steinbrück-Förderern im Hintergrund untergejubelt worden war. Ich hatte gedacht, die SPD Führung wolle vermeiden, das 150-jährige Bestehen ihrer Partei und die Jubiläumsfeiern im Jahre 2013 mit einer Wahlkatastrophe zu krönen. Ich hatte vor allem erwartet, dass man nach Bekanntwerden der vielen Redner-Honorare im Oktober 2012 die speziell daraus folgenden Risiken erkennen würde. In einem Beitrag vom 30.10.2012 schrieb ich: „Die SPD täte gut daran, den Kandidaten Steinbrück zurückzuziehen“ .
Das war vermutlich meine größte Fehleinschätzung im Jahr 2012. Ich hatte die Todessehnsucht und die Ignoranz der SPD Führung unterschätzt. Resigniert stellten wir am 9. November 2012 fest: „Wen wundert der Niedergang mit Steinbrück? Nur noch die SPD-Führung. Sie hält standhaft an ihrem Missgriff fest“.
Sie hat Steinbrück vom Parteivorstand nominieren lassen und auf dem a.o. Parteitag am 9.12.2012 durchgesetzt. Seitdem hat sich in den Umfragen nichts nach oben bewegt. Im Gegenteil. Die SPD stagniert, Angela Merkel und die Union gewinnen. Das zeigt sich übrigens auch in den Bewegungen der Wählerpräferenzen seit Oktober 2012, die man über den erwähnten Link beobachten kann.

Die Hypotheken des Kandidaten Steinbrück

Eine kurze Zusammenfassung:

  • Die mangelnde Kompetenz in der Wirtschaftspolitik, insbesondere …
  • Steinbrücks Polemik gegen eine aktive Beschäftigungspolitik
  • Steinbrücks aktives Eintreten für die Deregulierung der Finanzmärkte
  • Sein Werben für den Finanzplatz Deutschland mit allen spekulativen Elementen.
  • Die enge Zusammenarbeit mit Angela Merkel bei der Bankenrettung, d.h. keine Chance zur konfliktträchtigen Thematisierung der unglaublichen finanziellen Belastung der Bürger und der Begünstigung der Banken.
  • Steinbrück erscheint nicht als Alternative zu Merkel.
  • Das Zusammenspiel und die Abhängigkeit von der Finanzwirtschaft.
  • Steinbrück der Privatisierer. Nicht nur von ehedem öffentlichem Eigentum sondern auch von öffentlichen Aufgaben wie der Formulierung von Gesetzestexten.
  • Steinbrück erscheint heute, wenn er andere Thesen vertritt, als Wendehals.
  • Seine mangelnde Glaubwürdigkeit.
  • Die hohen Honorare riechen nach Drehtüreffekt. Er wird hoch bezahlt, weil er als Bundesfinanzminister geleistet hat oder weil man darauf setzt, ihn als Bundeskanzler zum Freund zu haben. Das nennt man politische Korruption.
  • Die Dimension der Redenhonorare und seine mangelnde Sensibilität für die Anstößigkeit.
  • Damit signalisierte Steinbrück Ferne zum Empfinden von sozialdemokratisch gesonnenen Menschen.
  • Mit Steinbrück wird die Mobilisierung von Menschen zum Aufbau einer Gegenöffentlichkeit nicht möglich werden. Das ist angesichts der Medienlage eine fast schon tödliche Hypothek.
  • Im Wahlkampf können seine vielen Reden und die gezahlten Honorare regionalisiert werden. Man muss sich vorstellen, welche Aktionsmöglichkeiten der Kandidat damit seinen Gegnern, zum Beispiel der Jungen Union, geliefert hat. Über all können ihm Plakate mit seinen Honoraren entgegengestreckt werden, wenn er im Lande auftritt.
  • Keine Ahnung von der sozialen Lage der Mehrheit der Menschen.
  • Ein Fremder.
  • Kein Wahlkämpfer und kein Wahlgewinner. Er hat als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident 2005 eine Landtagswahl verloren, wurde also abgewählt. Und das in einem Wahlkampf gegen Rüttgers, der alles andere als ein großer Herausforderer darstellte. Das ist alleine schon ein Warnsignal.

Wie schwer diese Hypotheken auf dem Wahlkampf der SPD lasten werden, erleben wir jetzt gerafft an drei Äußerungen bzw. bekannt gewordenen Tatbeständen:

  1. Es riecht nach politischer Korruption

    „Unter Peer Steinbrück (SPD) hat das Bundesfinanzministerium 1,8 Millionen Euro Berater-Honorar an die Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer gezahlt“, meldete die Frankfurter Rundschau am 28. Dezember 2012. Und weiter heißt es dort:

    „Nach seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt hielt Steinbrück im September 2011 einen Vortrag bei Freshfields und bekam dafür 15.000 Euro Honorar. Nachdem dies im Oktober bekannt geworden war, hatten dies einige Politiker kritisiert. Vertreter von FDP und Linkspartei bezeichneten eine mögliche Verquickung von Steinbrücks früherer Tätigkeit als Minister und seinem Vortrag bei der Anwaltskanzlei als problematisch.“

    Steinbrück hat in der Vergangenheit so getan, als hätten seine Honorare nichts mit früheren Leistungen und Entscheidungen in Steinbrücks Amtszeit zu tun. Das jetzt bekannt gewordene Beispiel zeigt, dass Steinbrück und die SPD im Wahlkampf damit rechnen müssen, ständig mit dem Verdacht der politischen Korruption konfrontiert zu werden. Nicht zu Unrecht.
    Im konkreten Fall wird auch die Neigung Steinbrücks zur Privatisierung sichtbar, noch dazu die Neigung zur Privatisierung von genuin staatlichen Aufgaben. Auch dazu ein treffender Kommentar aus der Frankfurter Rundschau:

    „Staatsaufgaben müssen Staatsaufgaben bleiben“

    Kapiert denn niemand in der SPD-Führung das Signal alleine dieser Geschichte? Ähnliches wird sich im Wahlkampf gestützt auf Fakten, die der Kandidat selbst geliefert hat, ständig wiederholen.

  2. Steinbrück ist kein guter Wahlkämpfer und schon gar kein Wahlgewinner. Ein Grund: Er kann schneller reden, als er denken kann.

    Es ist bekannt, dass Steinbrück bei weiblichen Wählern nicht besonders zieht. Deshalb ist es verständlich, dass er und sein Wahlkampfteam sich darüber den Kopf zerbrechen, wie man Wählerinnen besser erreichen könnte. Auf keinen Fall schafft man es aber, wenn Steinbrück die Beliebtheit von Angela Merkel so erklärt:

    „Angela Merkel ist beliebt, weil sie einen Frauenbonus hat.“

    Wer so etwas sagt, redet schneller als er denkt. Denn Steinbrück müsste wissen, dass eine solche Äußerung jene Frauen, die bisher in ihrer Sympathie für Angela Merkel schwanken, weil sie wegen ihrer politischen Ausrichtung eigentlich keine Nähe zu ihr spüren, diese jetzt mithilfe von Steinbrück finden werden.
    Außerdem müsste jeder einigermaßen kundige Wahlkämpfer wissen, dass es auch Männer geben kann, die einen Frauenbonus haben. Die Kennedys wurden von Frauen gewählt, Helmut Schmidt wahrscheinlich auch, Willy Brandt auch, Kurt Georg Kiesinger vermutlich auch, auch Franz Josef Strauß hatte einen Frauenbonus, so komisch das klingeln mag. – Und dieser Wahlkämpfer und Spitzenkandidat der SPD ist so ignorant, dass er dies alles nicht weiß und dass er unterstellt, eine Frau habe per se einen Frauenbonus.

  3. „Bundeskanzler verdient zu wenig“

    … meldete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung am 29. Dezember und weiter: „Peer Steinbrück hält die Bezüge des Bundeskanzlers für zu niedrig. Der SPD-Kanzlerkandidat sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin.“ Das vollständige Interview.

    Die Absurdität der Behauptung des Kanzlerkandidaten, der Bundeskanzler verdiene zu wenig, wird an der Antwort auf eine Frage der Interviewpartner von der FAS sichtbar:

    Ist es nicht so, dass in der Wirtschaft zu viel und nicht in der Politik zu wenig verdient wird?

    In der Wirtschaft werden Managergehälter in der Regel privatrechtlich ausgehandelt. Da hat die Politik nichts zu suchen. Die Politik kann höchstens Sorge dafür tragen, dass durch Steuern einiges abgeschöpft wird von den exorbitanten Gehältern, die teilweise gezahlt werden, oder diese nicht als Betriebsausgaben voll absetzbar sind.

    Die Interviewpartner der FAS haben ihm also eine Brücke gebaut. Er hätte auf ihre Frage nur antworten müssen: „Jawohl, die Sparkassendirektoren und andere in der Wirtschaft verdienen zu viel. Da ist Maß und Mitte verloren gegangen. Es ist wichtig dass wir dieses wieder finden. Wir müssen die Spreizung der Einkommen und Vermögen verringern. Und im übrigen: Schlecht bezahlt ist das Amt des Bundeskanzlers bzw. der Bundeskanzlerin bei uns nicht.“

    Er betritt diese Brücke nicht und tritt stattdessen eine neue Welle vernichtender Kommentare los. Steinbrück ist falsch gepolt. Bei uns in der Kurpfalz und Pfalz nennt man so jemanden einen „Dummbabbler“. Solche Personen sind in den Augen der meisten Menschen nicht besonders geeignet für hohe Ämter.

    Steinbrück zeigt hier übrigens auch noch wie schon bei seiner Bewertung der Honorarhöhe von im Schnitt 15.000 € pro abendlichem Auftritt, dass er die Lebenslage der Mehrheit der Menschen in Deutschland und vor allem auch der potentiellen SPD Wähler nicht kennt: Für sie ist ein Honorar von 15.000 € pro Abend unanständig hoch und auch das Gehalt der Bundeskanzlerin/des Bundeskanzlers erscheint in ihren Augen nicht als niedrig.

    Das hat Steinbrück nie verstanden. Möglicherweise hängt das mit seiner Herkunft und seiner Sozialisation zusammen. Es gab in der Rede Steinbrücks beim a.o. Parteitag der SPD am 9. Dezember 2012 eine Passage, die einen Hinweis darauf gab, dass dieser SPD Kandidat mit Menschen aus der wichtigsten Gruppe seiner potentiellen Wähler bis zum 20. Lebensjahr nicht richtig zusammengekommen ist. Steinbrück hat dort seine Präferenz für die Wehrpflicht damit begründet, dass er bei der Bundeswehr das Leben in „seiner ganzen sozialen Breite“ kennen gelernt habe. (Hier ein Hinweis auf diese Passage) Wenn der SPD Kandidat vorher keine Gelegenheit hatte, Kinder aus Arbeiter-Familien kennen zu lernen, dann erklärt dies einiges. Auch seine mangelnde Tauglichkeit zum Kanzlerkandidaten der SPD.

III. Bei der Wahl zwischen zwei miesen Alternativen wählen normal tickende Entscheider die weniger miese. Sie versuchen, den Schaden so gering wie möglich zu halten.

Die SPD feiert 2013 ihr 150-Jähriges. Zugleich stolpert sie mit Steinbrück in Richtung einer ihrer größten Wahlniederlagen. Das müsste inzwischen auch der SPD Führung dämmern. Die letzten Tage des Jahres 2012 brachten in geraffter Zeit noch einmal den Beleg für den Missgriff. In einer solchen Situation kann eine Parteiführung, die noch ein Minimum an Verantwortung spürt, nicht einfach so weiter stolpern. Und wenn der Kandidat selbst Verantwortung spürte, dann täte er seinen eigenen Teil dazu und würde zu erkennen geben, dass er mit einem geordneten Rückzug einverstanden ist.

Die Alternative ist nicht einfach, aber neue Wege könnten in der ohnehin riskanten Situation das Risiko mindern:

  1. Die SPD könnte es mit ihrem Vorsitzenden Sigmar Gabriel versuchen. Das brächte keine gravierende aber vermutlich eine messbare Verbesserung.
  2. Die SPD-Führung klopft noch einmal bei Hannelore Kraft in NRW an, wohl wissend, dass diese ihren Wählern in Nordrhein-Westfalen versprochen hat zu bleiben. Dennoch, die Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens verstehen solche Notlagen.

Neue Wege:

  1. Die SPD-Führung bzw. der SPD-Vorsitzende suchen unabhängig von der Parteizugehörigkeit eine nahestehende Person mit Ansehen für das Amt des Spitzenkandidaten und gruppieren darum herum das eigene Personal.
  2. Die SPD entscheidet sich mit der Suche nach Spitzenpersonen für die Öffnung zum nahe liegenden politischen Bündnis zwischen SPD, den Grünen und der Linkspartei und öffnet sich zugleich für Experten aus Wirtschaft, Sozialorganisationen und Wissenschaft. – Gegen die sofort auftauchenden Bedenkenträger sei hier angemerkt: Ohne die Öffnung zu einer politischen Zusammenarbeit mit der Linkspartei wird auch der jetzige Spitzenkandidat , selbst wenn es besser liefe, als von mir prognostiziert, keine Kanzlermehrheit finden.


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