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Titel: Ifo-Institut zerpflückt Standortrankings

Datum: 28. August 2006 um 18:12 Uhr
Rubrik: Strategien der Meinungsmache, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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Die gängigen internationalen Standortranglisten sagen nach einer Studie des Ifo-Instituts [PDF – 326 KB] kaum etwas darüber aus, wie gut oder schlecht es tatsächlich um die Wachstumsaussichten in den bewerteten Staaten steht.
Wir fühlen uns durch diese Studie in unserer häufig geübten Kritik an solchen Rankings bestätigt.

Auf den NachDenkSeiten haben wir schon viele Rankings analysiert und sind meist zum Ergebnis gekommen, dass bei solchen Vergleichen die jeweiligen „Institute“ gerade solche Kriterien herangezogen haben, die sie nach ihrer jeweiligen politischen Ausrichtung oder entsprechend ihren jeweiligen vorgefassten „Reform“-Vorstellungen (Senkung der Staatsquote, Steuerentlastungen für Unternehmen, Deregulierung des Arbeitsmarktes etc.) für richtig gehalten haben. Bei solchen Vergleichen gilt eben: „Garbage in, garbage out“ (Mist rein, Mist raus), will sagen: das Ergebnis eines Vergleichs hängt davon ab, welche Daten man eingibt und miteinander vergleicht.

Zur Kritik verschiedener Rankings, siehe. z.B.:

Wie aufgescheuchte Hornissen – die neoliberalen Think-Tanks werden nervös

Hinweis: Interview mit dem Chef des Europäischen Gewerkschaftsbundes und mit einem Bertelsmann Projektmanager zum Standortranking

Zum Ranking der EU-Standorte: Für wie blöd hält das manager-magazin die Manager eigentlich?

Neoliberale Mobilmachung in der Bildung: Schon wieder ein Bildungstest – diesmal von der PR-Maschine „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“

Gesundheitspropaganda: Deutschland ist Spitze! Aber vor allem bei den Kosten. Mit der Gesundheit der Deutschen sieht es anders aus.

Wozu braucht Bertelsmann ein Länder-Hochschulranking?

Medien und Hochschulen gehen McKinseys „Hochschulranking“ auf den Leim

Der Vergleich des Pro-Kopf-Einkommens verschiedener Länder sagt nicht alles über den Wohlstand der heimischen Bevölkerung.

Benchmarks, Rankings oder statistische Vergleiche sind – zumal in den Sozialwissenschaften und dazu zählen die Wirtschaftswissenschaften – schon methodisch bedenklich. Sie mögen zwar auf Plausibilitäten hinweisen oder Fragen aufwerfen, sie können aber keine ursächlichen (kausalen) Erklärungen liefern, und bei komplexen Zusammenhängen – wie etwa dem Zustandekommen von wirtschaftlichem Wachstum – lassen sich aus einzelnen oder auch einer Summe von Parametern in einem mehrdimensionalen verwobenen Prozess keine eindimensionalen Rückschlüsse auf ihre jeweiligen Rückwirkungen auf andere Parameter oder gar auf das Gesamtergebnis ziehen.
Vielfach haben solche Korrelationen keine größere Aussagekraft als die Mär, dass wenn es viele Störche gibt, auch viele Kinder geboren werden. Wie etwa die statistische Evidenz, dass regelmäßiger Rotweingenuss angeblich das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen senkt, liefern solche Zahlenvergleiche keinerlei Ursache-Wirkungs-Erklärung. (Hinzu kommt, dass bei der Korrelation Rotwein und Herzinfarktrisiko andere schädliche Wirkungen des Alkoholkonsums auf die Gesundheit ausklammert werden.)

So geht bei vielen deutschen Rankings die relativ hohe Staatsquote Deutschlands z.B. gegenüber Irland negativ in die Bewertung etwa für das Wirtschaftswachstum ein; dabei wird meist unterschlagen, dass die wirtschaftlich weitaus erfolgreicheren skandinavischen Länder eine wesentlich höhere Staatsquote haben.

Auffällig ist eigentlich nur, dass vor allem bei von deutschen Think-Tanks erstellten Rankings (im Gegensatz zu ausländschen) unser Land meist entweder die „Rote Laterne“ hatte oder weit hinten in der Tabelle landete und dass daraus regelmäßig der Schluss gezogen wurde, dass wir schnellere und tiefgreifendere „strukturelle Reformen“ brauchten. Interessant war es auch zu beobachten, dass unmittelbar nach Bildung der Großen Koalition Deutschland plötzlich besser platziert wurde. D.h. solche Rankings haben in der Regel nur politischen Propaganda-Charakter zur Durchsetzung einer bestimmten Art von wirtschaftlichen „Reformen“.


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