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Titel: Fall Hoeneß: Die Einschläge im Milieu der Regierungsparteien werden heftiger

Datum: 21. April 2013 um 19:51 Uhr
Rubrik: Steuerhinterziehung/Steueroasen/Steuerflucht, Ungleichheit, Armut, Reichtum
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Hoeneß soll mehrere 100 Millionen auf Konten in der Schweiz deponiert haben. SpiegelOnline nennt das „unvorstellbar“. Das ist ganz und gar nicht unvorstellbar. – Den Kommentar zum Fall Hoeneß habe ich – ohne den konkreten Fall kennen zu können – am 20. August 2012 schon geschrieben. Alles noch aktuell. Bitte nachlesen: „Das Thema Steuerflucht/Steueroasen könnte ein ganz großes Wahlkampfthema werden, weil es in der Sache so wichtig und voller Konfliktmöglichkeiten ist“. Die Nutzung des Themas für den Wahlkampf ist nicht so wichtig wie umgekehrt die Nutzung des Wahlkampfes für das Bewusstmachen dieser unglaublich skandalösen Vorgänge. Von Albrecht Müller

Ein paar Anmerkungen zur Relevanz und zu weiteren Fragen:

  1. Die Vermutung, die konservativen Parteien würden das Thema Steuerhinterziehung nicht angehen wollen, weil diese in weiten Kreisen ihrer Freunde, Nachbarn, Mitglieder und Spezies üblich ist, wird durch den Fall Hoeneß bestätigt. Im Beitrag vom 20. August 2012 hatte ich darauf besonders abgehoben. Volker Pispers hatte im Zusammenhang mit der ablehnenden Haltung von CDU, CSU und FDP zum Ankauf von CDs dem Sinne nach angemerkt, die FDP brauche dafür ja kein Geld auszugeben, um so dann ihre eigenen Mitgliederlisten zu erwerben.
  2. Das Erstaunen (Spiegel online: „unvorstellbar“) über die Höhe der in Steueroasen angelegten Vermögen ist erstaunlich. Offenbar gehen diese Beobachter davon aus, solche Konten würden vor allem von Einkommen und Vermögen gespeist, die in Deutschland anfallen und dann über die Schweizer o.a. Grenze gebracht werden. Dies gibt es und vermutlich auch umfänglich. Aber es kommen ganz andere Quellen hinzu. Zum Beispiel:
    • Korruptionsgelder, auch Gelder aus politischer Korruption;
    • Provisionen, Boni und andere Vergütungen, die man im Ausland anfallen lässt;
    • Gewinne, die bei ausländischen Tochterfirmen von deutschen Unternehmen anfallen, weil durch zu niedrige Exportpreise und entsprechende Fakturierung oder durch Zahlung von Lizenzgebühren an die ausländischen Töchter die Gewinne in die Länder mit niedrigen Unternehmenssteuern/Einkommensteuern transferiert werden;
    • Gewinne aus dem Verkauf von Unternehmen und Unternehmensteilen in Deutschland, die von den Käufern direkt auf Schweizer oder andere Konten der Verkäufer geschoben werden;
    • Provisionen bei Privatisierungen, bei Börsengängen und großen Einkaufsdispositionen.

    Für alle diese Fälle gibt es praktische Beispiele: mächtige Personen wie der Bayern-Präsident entscheiden über wichtige Einkäufe und Investitionen. Ob bei ihm, ob bei Einkäufern großer Unternehmen oder deren Spitzenmanager – es wäre lohnend, die anfallenden Provisionen nicht im Inland zu verbuchen, sondern stattdessen auf Konten in der Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, in Österreich, in Irland, auf den Caymaninseln oder anderen Steueroasen.

    Schon beim Fall Zumwinkel hatten wir in den NachDenkSeiten darauf aufmerksam gemacht, dass der Skandal nicht alleine in der Hinterziehung der Steuern auf die Zinsen von knapp einer 1 Million liegen könnte. Die interessante Frage ist, wie das Vermögen von schätzungsweise 40 oder 50 Millionen im Ausland aufgebaut und gespeist wurde, das dann so hohe Zinsen erbracht hat, dass fast 1 Million Steuern hinterzogen werden konnten.

    Im Zuge der Privatisierung von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen in Deutschland und der Privatisierung von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen in anderen Ländern, vornehmlich in Osteuropa und Südosteuropa, haben vermutlich viele die Hand aufgehalten. In Deutschland. In anderen Ländern. Bei der Privatisierung in anderen Ländern waren oft auch Deutsche, US Amerikaner, Briten und andere Nationalitäten beteiligt. Sie haben vermittelt, beraten, jedenfalls finanziell profitiert. Alle diese illegalen Beträge mussten irgendwo hin. Da bieten sich dann solche Konten wie jenes von Hoeneß in der Schweiz an und – siehe da – die jetzt erkennbaren Höhen der versteckten Vermögen sind ganz und gar nicht unvorstellbar.

  3. Die Konsequenz daraus: die Strafverfolgung sollte sich nicht nur auf die Hinterziehung der Steuern auf die angefallenen Zinsen eines Kontos beziehen sondern auch auf den unrechtmäßigen Erwerb der Vermögen.
  4. Der Kreis der Hinterziehenden ist vermutlich weit und vermutlich auch nicht nur auf Sympathisanten der so genannten bürgerlichen Parteien beschränkt. Auch Medienschaffende dürften dazu gehören, außerdem wie schon erwähnt, Politiker, Beamte, Manager.
  5. Die Verdunkelungsgefahr ist groß. Wir haben erlebt, wie die Regierungskoalition versucht hat, über das Abkommen mit der Schweiz einen großen Kreis von Steuerhinterziehern glimpflich davonkommen zu lassen und vor allem ihre Anonymität zu wahren. Auch jetzt werden im konkreten Fall die herrschenden Kreise Bayerns versuchen, auf die Strafverfolgungsbehörden Einfluss zu nehmen. – Netzaktivisten sollten am Ball bleiben. Die Opposition sowieso.
  6. Die Strafandrohung ist offensichtlich nicht sehr wirksam. Deshalb muss sie verschärft werden.
    • Bei hohen versteckten Vermögen wie im Fall Hoeneß müsste ein größerer Anteil eingezogen werden.
    • Die Drohung der Ausbürgerung müsste überlegt werden. Es macht ja keinen Sinn, Menschen hier weiter die relativ gute öffentliche Versorgung genießen zu lassen, wenn sie sich in dem vermutlichen Umfang wie im Fall Hoeneß der Beteiligung der Finanzierung öffentlicher Leistungen entziehen.
  7. Der Ankauf von CDs mit Steuerflüchtlingen sollte forciert werden und das Thema zum Dauerthema im Wahlkampf werden. Union und FDP sollten in dieser Fragen ständig getrieben werden.


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