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Titel: Die (In)Kompetenz der AfD

Datum: 29. Mai 2013 um 15:00 Uhr
Rubrik: AfD, Wahlen
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Das Wahlprogramm der Alternative für Deutschland passt fast auf einen Bierdeckel und lässt mehr Fragen offen, als es beantwortet. Vor allem wenn es um Themen abseits des Euros geht, gibt sich die AfD bemerkenswert wortkarg. Für eine Partei, deren „Nomenklatura“ vor allem aus – ansonsten sehr meinungsstarken – marktliberalen Ökonomen besteht, wirkt die zur Schau getragene Zurückhaltung eher ungewöhnlich. Doch dies hat seinen Grund. Sobald man ein wenig unter der Oberfläche gräbt und die AfD mit konkreten Fragen konfrontiert, zerfällt das Bild der vermeintlichen Wirtschaftskompetenz schnell zu Staub. Von Jens Berger.

Der Kollege Fabian Herzog wollte es wissen und fragte die AfD per Mail vier eigentlich einfache Fragen:

  1. Wie stehen Sie zur Rentenprivatisierung – Stichwort: Ersparnisse im Ausland?
  2. Haben die Lohnstückkosten für Sie etwas mit der Eurokrise zu tun?
  3. Hängen Geldmenge und Inflation für Sie direkt zusammen?
  4. Welches Steuermodell stellen Sie sich vor?

Hier die Antwort einer Sprecherin der AfD[*]:

  1. Die AfD ist nicht für eine Abkehr von der privaten Rente. Private Renten profitieren von einer starken Wirtschaft, für die Exportüberschüsse zwar wichtig sind, diese sind aber nicht abhängig von festen Wechselkursen. In den letzten JAhren erzeilte die deutsche Wirtschaft auch deshalb hohe Exportüberschüsse, weil zuvor über Target-2-Salden Kredite an europäische Länder vergeben wurden, damit diese dann wiederum unsere Produkte kaufen können. Das halten wir nicht für ein nachhaltiges Konzept. Wichtig für die Rente ist vor allem, dass das Zinsniveau wieder steigt.
    Und das kann geschehen, wenn Deutschland eine unabhängige Zentralbank wiederbekommt.
  2. die Lohnstückkosten in Deutschland sind wesentlich von den Lohnkosten und damit den unabhängigen Tarifverhandlungen bestimmt. Hierauf hat die Politik keinen Einfluss. Ausserdem sehen wir die Ursache der Schuldenkrise nicht als Folge eines Auseinanderlaufens der Lohnstückkosten. Im Gegenteil, die Lohnstückkosten haben sich seit Einführung des Euros angenähert, die Produktivität abert nicht. In Folge dessen sind die griechischen Lohnstückkosten ca 30% zu hoch, deswegen sie international nicht konkurrenzfähig sind und die Wirtschaft eingebrochen ist. Die Deutschen trifft nur in soweit eine Schuld, als dass sie die Verletzung der Maastricht-Kriterien (mehr als 3% Neuverschuldung) zugelassen haben.
  3. Nein, Inflation und Geldmenge hängen eng zusammen und auch eine reale Abwertung führt nicht zu Deflation. Deflation entstünde, wenn es eine nominale Abwertung gäbe. Die gibt es aber nur wenn das Geld mehr wert wird (Geldmenge sinkt), nicht wenn die Lohnstückkosten sich verändern.
  4. Die AfD will eine Steuerkonzept nach Vorbild Kirchhoffs einführen. Dadurch würde der Spitzensteuersatz sinken, gleichzeitig aber die Absetzmöglichkeiten (“Steuerschlupflöcher”) gestrichen werden. Die Steuersumme bliebe zunächst gleich. Die Schulden sollen über Kostenkürzungen abgebaut werden.

Anmerkungen dazu:

Zu 1.: Die AfD drückt sich, Stellung dazu zu beziehen, wie sich die von der AfD geforderte Rückkehr zu nationalen Währungen auf die privaten Rentenversicherungen und Kapitallebensversicherungen auswirkt. Dieser Punkt ist keineswegs banal, da deutsche Versicherungsunternehmen im großen Stil die Anlagen ihrer Kunden im Euroausland investiert haben. Bricht der Euro zusammen und wertet die neue deutsche Währung auf, ist es sehr wahrscheinlich, dass ein gehöriger Teil dieser Forderungen abgeschrieben werden muss. Die Zeche zahlen dann die privat Versicherten, der Preis wird für viele Menschen die Altersarmut sein.

Stattdessen präsentiert die AfD eine abenteuerliche Erklärung, warum Deutschland so hohe Exportüberschüsse aufbauen konnte. Dies läge an den Target-2-Salden, die als „Kredit“ an andere Länder vergeben wurden. Diese Argumentation fußt auf den steilen Thesen von Hans-Werner Sinn, die von Anfang an Gegenstand heftiger Kritik waren. Von der Fehlinterpretation der Target-2-Salden als „Kredit“ hat jedoch mittlerweile sogar Hans-Werner Sinn selbst Abstand genommen. Die mehr als steile These, nach der die Target-2-Salden für die deutschen Exportüberschüsse verantwortlich seien, ist jedoch vollkommen neu – so weit hat sich noch nicht einmal Hans-Werner Sinn selbst aus dem Fenster gehangen.

Zu 2.: Die AfD sieht also die „Ursache der Schuldenkrise (sic!) nicht als Folge eines Auseinanderlaufens der Lohnstückkosten“. Das ist klar, macht sie doch (siehe 1.) die Target-Salden dafür verantwortlich. Laut AfD haben sich die Lohnstückkosten ja auch „seit Einführung des Euros angenähert“. Ist das so?

Zum Thema siehe: Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker – Kopflose Politik und führungslose Märkte

Wie kommt die AfD dazu, die Entwicklung der Lohnstückkosten derart grotesk falsch darzustellen? Mein persönlicher Verdacht ist, dass die Sprecherin der AfD wohl nicht weiß, was Lohnstückkosten eigentlich sind. Unklar ist auch, was die AfD mit der „Produktivität“ meint, die sich angeblich nicht angenähert hat. Wahrscheinlich ist hiermit die Arbeitsproduktivität gemeint, mit der angegeben wird, wie sich die Bruttowertschöpfung je Beschäftigten bzw. je geleisteter Arbeitsstunde verteilt. Dieser Wert ist in Deutschland seit 1991 um 22,7% (pro Beschäftigten) bzw. um 34,8% (pro Arbeitsstunde) gestiegen – im gleichen Zeitraum sind jedoch die Reallöhne in Deutschland nur um 1,7% gestiegen. Oder um es zuzuspitzen: In Deutschland wächst die Wirtschaft schneller als die Löhne, was ein sehr wichtiger Faktor für Eurokrise ist. Erstaunlich ist, dass dies für die AfD offenbar kein Problem darstellt. Der einzige Fehler Deutschlands ist laut AfD die Verletzung der Maastricht-Kriterien. Diesbezüglich können sich AfD und FDP die Hand geben.

Zu 3.: Wen wundert es. Die AfD definiert Inflation streng nach monetaristischer Sichtweise.

Zum Thema: Vergesst die Inflation!

Zu 4.: Endlich mal eine klare Position. Zum Kirchhoff-Modell haben wir auf den NachDenkSeiten schon mehrfach klar Stellung bezogen. Was als „gerecht“ verkauft wird, ist nichts anderes als eine gigantische Steuersenkung für Besser- und Gutverdienende. Da passt es ins Bild, dass die AfD die „Schulden“ über „Kostenkürzungen“ abbauen will. Da würde einiges anfallen, da die Mindereinnahmen durch die Kirchhoffschen Geschenke an die Gutsituierten einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag ausmachen. Wo die AfD sparen will, sagt sie freilich nicht. Bedenkt man die neoliberale Ausrichtung, kann mich sie die Antwort jedoch schon denken.


[«*] Nicht korrigiert


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