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Titel: Merkels „Staatsminister“ als Cheflobbyist von Daimler

Datum: 31. Mai 2013 um 9:06 Uhr
Rubrik: Bundesregierung, Drehtür Politik und Wirtschaft, Erosion der Demokratie
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Die Drehtür zwischen Politik und Wirtschaftslobbyismus dreht sich immer schneller. Vorzeitiger wurde ein Übergang vom Regierungsamt zum hochbezahlten Vertreter von wirtschaftlichen Einzelinteressen wohl noch nie verabredet und schon gar nicht öffentlich bekannt. Schon vor seinem Ausscheiden aus dem Amt schließt Kanzleramts-Staatsminister Eckart von Klaeden einen Vertrag mit der Daimler AG und lässt sich als „Leiter Politik und Außenbeziehungen“ des Autobauers, also als Cheflobbyist einkaufen. Das ist ein Skandal, der zeigt, wie weit sich der Klientilismus auch in Deutschland schon in unsere Demokratie hineingefressen hat. Ein gesetzliches Gebot einer dreijährigen Karenzzeit für Regierungsmitglieder vor einem Wechsel in eine Lobbytätigkeit wird immer dringender. Vor allem wäre aber auch ein Austausch der politischen Eliten durch einen Regierungswechsel nötig, um die sich ausbreitende politische Korruption einzudämmen. Von Wolfgang Lieb.

Ursprünglich wollte von Klaeden erst „nach der laufenden Legislaturperiode“ als Staatsminister im Kanzleramt in seine Lobbytätigkeit für den Automobilkonzern wechseln. Nachdem die Opposition die zeitliche Überlappung seines Vertragsabschlusses als Lobbyist bei fortdauernder Amtsausübung als „Interessenkollision“ kritisierte, will von Klaeden nun schon kurz vor der auslaufenden Legislaturperiode, am 20. September – also zwei Tage vor der Bundestagswahl – aus seinem Regierungsamt ausscheiden. Angeblich um nicht in den Geruch zu geraten, neben einem sicher erheblich höheren Einkommen bei Daimler nun auch noch seine kompletten Versorgungsansprüche als ehemaliges Mitglied der Bundesregierung einzusacken zu wollen.

Doch ist das nicht nur eine Verschleierungstaktik? Verliert von Klaeden dadurch, dass er kurz vor Ende der vollen Legislaturperiode aus seinem Amt ausscheidet tatsächlich seinen Versorgungsanspruch?

In §15 Absatz 1 des Bundesministergesetzes [PDF – 54.2 KB] heißt es zwar, dass ein ehemaliges Mitglied der Bundesregierung nur dann Anspruch auf Ruhegehalt hat, wenn es der Bundesregierung mindestens vier Jahre angehört hat. Diese zeitliche Anforderung hätte von Klaeden nicht erfüllt, wenn er vor diesen vier Jahren ausscheidet.
Aber in § 15 Absatz 4 heißt es weiter: „Bei der Berechnung der Amtszeit nach Absatz 1 und Absatz 3 Satz 2 gilt ein Rest von mehr als zweihundertdreiundsiebzig Tagen als volles Amtsjahr“. Gilt diese Berechnung auch für von Klaeden, dann ändert sich an seinem regulären Versorgungsanspruch nichts, wenn er wenige Tage vor Ende der Legislaturperiode ausscheidet. Vielleicht sollte die Opposition einmal juristisch klären lassen, ob die abwiegelnde Erklärung von Klaedens überhaupt zutrifft oder ob er einfach nur von dem zugrundeliegenden politischen Skandal ablenken und auf einem Nebenschauplatz den Saubermann spielen möchte.

Von Klaeden erklärte, er wolle “auf jeden Fall auf meinen Versorgungsanspruch nach Paragraph 15 Absatz 1 Bundesministergesetz in Verbindung mit Paragraph 6 über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre verzichten”.

Die Frage ist allerdings, kann er überhaupt verzichten? Meines Wissens ist der Versorgungsanspruch kein gegenseitiges arbeitsrechtliches Vertragsverhältnis, das einseitig aufgekündigt werden könnte, sondern er beruht auf der verfassungsrechtlich vorgeschriebenen (einseitigen) Alimentationsverpflichtung des Dienstherrn.
Auch dieser Frage, ob ein solcher Verzicht möglich ist, könnten die Kritiker nachgehen.

(Es soll Fälle geben, in denen Politiker ihre Versorgungsansprüche freiwillig rückerstattet haben, aber natürlich nur abzüglich der Einkommensteuer.)

Sein Verbleiben im Amt, obwohl er schon während seiner Amtszeit einen Anschlussvertrag mit Daimler abgeschlossen hat, begründet von Klaeden wie folgt: “Mir geht es darum, meine Arbeit ordentlich zu beenden”. Kann ein Staatsminister (oder Beamter) seine Arbeit aber ordentlich beenden, wenn er noch während seines Regierungsamtes von einem Konzern schon vertraglich als Cheflobbyist gegenüber der Regierung verpflichtet worden ist. Gibt es da keine vorvertraglichen Pflichten oder wenigstens Sorgfaltspflichten?

Wie verhalten sich also z.B. das Kanzleramt und dessen Staatsminister gegenüber den aktuellen Plänen der EU-Kommission, wonach die Abgasemissionen für Kraftfahrzeuge ab 2020 nur noch bei 95 Gramm CO2/Kilometer liegen sollen? Es ist doch bekannt, dass gerade die deutschen Hersteller von „Premium“-Fahrzeugen energisch gegen solche Vorgaben antreten. Meint von Klaeden also etwa den Widerstand der Bundesregierung gegen diese Pläne, wenn er seine Arbeit „ordentlich beenden“ möchte?

Wenn die Kanzlerin „ihren“ Staatsminister nicht sofort entlässt, kann sie sich des Verdachts nicht mehr erwehren, dass sie diese Kumpanei zwischen Regierung und der deutschen Automobillobby persönlich fördert. (Siehe „Von Klaeden ist nicht mehr tragbar“)
Der bisherige nonchalante Umgang mit diesem Skandal „offenbart ein Ausmaß an Dreistigkeit und an Ignoranz von Regeln guter Regierungsführung – die Angela Merkel in anderen Ländern gern lehrmeisternd einfordert –, dass man nur Staunen kann. Andererseits folgt sie konsequent der Linie von CDU/CSU und FDP, die noch jedes Bemühen um mehr Transparenz und Lobbykontrolle im Bundestag blockiert hat.

Die Kritik der Opposition greift viel zu kurz. Besteht eine „Interessenkollision“ zwischen Amt und Lobbyisten-Tätigkeit etwa erst mit Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem Arbeitgeber, der politische und wirtschaftliche Interessen gegenüber der Regierung vertritt?

Ist wirklich jemand so naiv, zu glauben, dass Daimler mit von Klaeden „die Katze im Sack“ gekauft hätte? Ist es nicht nach aller Lebenserfahrung vielmehr so, dass – in diesem Falle eben Daimler – von der Wirtschaft jemand aus der Politik „eingekauft“ wird, von dem der betreffende Konzern (und meist können sich nur große Konzerne Chef-Lobbyisten leisten) schon vielfach erfahren hat, dass er schon im Amt ein guter Interessenvertreter war und deshalb Vertrauen erworben hat. Oder, noch schlimmer, dass aufgrund von vorausgegangenem politischem Handeln eine (moralische) Verpflichtung zu einem nachträglichen Dankeschön in Form eines hoch dotierten Posten erwachsen ist?

Aber wie Matthias Wissmann – von 1993 bis 1998 Bundesminister für Verkehr und im Jahre 2007 im fliegenden Wechsel von der Politik in das Amt des Präsidenten des Verbandes der Automobilindustrie umgestiegen – versteht auch von Klaeden seinen eiligen Schritt durch die Drehtür wohl gar nicht als Wechsel von einem Regierungsamt in einen Lobbyisten-Job.
Er wird für sich vermutlich in Anspruch nehmen, dass er schon immer der Überzeugung war, dass es politisch richtig ist, die Interessen der deutschen Automobilwirtschaft zu vertreten.

(Wie sagte doch Wolfgang Clement als er im Deutschlandfunk gefragt wurde, ob er seinen Aufsichtsratsposten bei RWE Power nicht seinem Eintreten für die Kohlesubventionen verdanke: Er habe sein Leben lang diese Energiepolitik vertreten.)

Das auch von Klaeden als Staatsminister im Kanzleramt die Klientel der Automobilwirtschaft gut vertreten hat, war schließlich auch an der Wirtschafts- und Verkehrspolitik der Bundesregierung deutlich abzulesen:

Kein europäischer Staat subventioniere z.B. derart „konsequent und milliardenschwer den Kauf von klima- und umweltschädlichen Personenkraftwagen wie Deutschland“ hält die Deutsche Umwelthilfe der Bundesregierung vor.
Die Kanzlerin feiert Elektroautos, unterstützt aber in den aktuellen Verhandlungen über CO2-Grenzwerte für Neuwagen die deutschen Hersteller von „Spritschluckern“ und „Emissionsschleudern“. Die Lkw-Maut fließt ausschließlich in den Bau und Unterhalt von Autobahnen und Bundesstraßen und nicht mehr anteilig in den Schienen- und Schiffsverkehr. Nicht zuletzt die sog. Abwrackprämie war ein milliardenschweres Subventionsprogramm für eine bestimmte Wirtschaftssparte.
Man könnte die Beispiele einer an den Interessen der Automobilindustrie orientierten Verkehrspolitik beliebig fortsetzen.

Vielleicht steht hinter dem ungewöhnlichen Zeitpunkt des Wechsels von Klaedens in die Wirtschaft mitten im Wahlkampf aber auch ein ganz anderes Motiv. Von Klaeden galt nicht nur als treuer Gefolgsmann Merkels sondern er gehörte auch zu den Nachwuchstalenten der CDU. Möglicherweise ist sein ungeduldiger und den Wahlkampf störender Seitenwechsel ja auch dem merkelschen „Management by Champignons“ geschuldet. Will sagen, eines Personalführungsprinzips das heißt: Die Mitarbeiter im Dunkeln lassen, gelegentlich mit Mist bestreuen und sobald sich ein heller Kopf zeigt: abschneiden! Dass die menschlich ach so sympathische Angela Merkel dieses Prinzip perfekt beherrscht, belegen die gefallenen Kronprinzen Merz, Koch, Wulff, Röttgen etc.

Wie es auch sei, dass sich die Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft, wie der Wechsel von Klaedens zeigt, inzwischen schneller als ein Ventilator dreht (siehe die Tabelle der Seitenwechsler bei LobbyControl, müsste endlich die Forderung auf die politische Tagesordnung bringen, dass zumindest für Mitglieder der Regierung – egal ob sie auf ihre Versorgungsansprüche verzichten wollen – eine dreijährige Karenzzeit bei einem Ausscheiden aus dem Amt bis zur Aufnahme einer Lobbytätigkeit gesetzlich vorgeschrieben werden muss.

Um diese Bildung von Filz zu verhindern, wäre darüber hinaus ein Austausch der Regierung und ihrer Spitzenbeamten durch einen Regierungswechsel per Abwahl nötig. Auf Dauer lässt sich nur durch einen einigermaßen regelmäßigen Austausch der Regierungseliten verhindern, dass die parlamentarische Demokratie zum Klientilismus verkommt.


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