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Titel: Regierungsprogramm von CDU und CSU: „1. Merkel; 2. Weiter so; 3.Weiter so mit Merkel“

Datum: 25. Juni 2013 um 9:49 Uhr
Rubrik: CDU/CSU, Wahlen
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Das einzig Positive, was wir unseren Leserinnen und Lesern über das gestern (natürlich) einstimmig auf einem gemeinsamen „Kongress“ von 600 geladenen Gästen beschlossenen „Regierungsprogramm 2013 – 21017“ von CDU und CSU versichern können, ist, dass Sie sich nicht der Mühe unterziehen müssen, sich durch die 127 Seiten hindurch zu quälen. Denn Sie haben nahezu jeden Satz aus den Sprechblasen von Kanzlerin Merkel in der Vergangenheit sicherlich schon mehrfach gehört. Ausnahmsweise muss man dem in Journalistenkreisen als „Kanzlerinnen-Zäpfchen“ bespöttelten Bild-Kolumnisten Hugo Müller-Vogg einmal zustimmen: „Genau genommen könnte die CDU/CSU ihr Programm auf drei Punkte eindampfen: 1. Merkel; 2. Weiter so; 3.Weiter so mit Merkel“. Von Wolfgang Lieb

Auch dem Kommentar von Hans Peter Schütz im „stern“ kann ich mich anschließen: Merkels “Regierungsprogramm” ist das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt wurde. In dem von selbstherrlichem Selbstlob strotzenden Text setzt sich der eklatante Widerspruch zwischen der Selbstdarstellung und der tatsächlichen Politik der Kanzlerin (Stephan Hebel) nahtlos fort. Die Verfasser dieses Papiers haben offenbar mit Copy and Paste die beschönigenden Worthülsen der „Teflon“-Kanzlerin zusammengefügt, mit denen sie es bisher verstanden hat, sich gegenüber SPD und Grünen und gegenüber den Mainstream-Medien unangreifbar zu machen.

Regelmäßige Leserinnen und Leser der NachDenkSeiten könnten nahezu jeden Absatz dieses „Programms“ gegen den Strich bürsten und damit die Beschönigungen, die Realitätsverdrängungen, ja die Lügen offen legen. Ich will Ihnen das an dieser Stelle ersparen, denn sonst brauchte ich gleichfalls über hundert Seiten. CDU und CSU bauen offenbar auf den Orwellschen Satz, der sinngemäß lautet, wenn man die Lügen nur oft genug wiederholt, dann werden sie zur Wahrheit. Wie weit die ideologische Verbrämung der Wirklichkeit schon zur Wahrheit geworden ist, zeigt sich an der Kritik von SPD und Grünen, die sich gar nicht mehr inhaltlich mit dem den Programmaussagen auseinandersetzen, sondern vor allem die fehlenden „Finanzierungsvorschlägen zu diesen wahnwitzigen Versprechen“ kritisieren.

Offenbar wird die Kluft zwischen Wirklichkeit und Regierungspropaganda schon gar nicht mehr gesehen. Da heißt es in dem Programm pathetisch: „Wir dürfen unseren Kindern und Enkeln keinen immer größer werdenden Schuldenberg hinterlassen.“ Dabei sind in der Kanzlerzeit Merkels die Schulden mehr angestiegen als unter jeder anderen Regierung.

Entwicklung der Staatsschulden

Quelle: Statista

Der Spiegel rechnet vor, dass allein von Ende 2009 bis Ende 2012 die Staatsverschuldung von 1768,9 Milliarden auf 2166,3 Milliarden Euro zunahm und dieser schwarz-gelben Regierungszeit nahezu ein Fünftel der öffentlichen Schulden zu „verdanken“ sind.

Die Beschönigungen beginnen schon im dritten Satz: „Es geht darum, ob Deutschland ein starkes und erfolgreiches Land bleibt. Ein Land mit einem stabilen Euro, in dem die Menschen sichere Arbeitsplätze haben und für sich und ihre Familien sorgen können. Ein Land, in dem jeder Mensch die Chance hat, aus seinem Leben etwas zu machen und zugleich bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Pflege oder im Alter gut abgesichert ist.“

Haben wir tatsächlich sichere Arbeitsplätze? Ist es nicht vielmehr so, dass inzwischen fast die Hälfte der Neueinstellungen (44 %) befristet erfolgt. Können die über 22 % im Niedriglohn Beschäftigten tatsächlich für sich und ihre Familien sorgen. Hat nicht gerade dieser Tage sogar die gewiss regierungsfreundliche Bertelsmann Stiftung festgestellt, dass von Chancengleichheit keine Rede sein kann. Und haben CDU, CSU und FDP das Risiko der Altersarmut für Millionen Menschen nicht sogar noch erhöht? Liegt etwa nicht jede zweite Rente unter dem Sozialhilfesatz?

„Für unsere Jugend gibt es ausreichend Ausbildungsplätze“, heißt es da. Stehen aber nicht etwa rund 300.000 Jugendliche in der Warteschleife des Übergangssystems?

„Das neue Deutschlandstipendium ist gut angelaufen“ wird in dem Programm behauptet. Aber gerade einmal 14.000 dieser Stipendien (0,6 % der Studierenden) wurden abgerufen.

„Die Beschäftigungssituation von Nachwuchs-Wissenschaftlern hat sich positiv entwickelt“, wird vollmündig verkündet. Sind aber nicht über 80 Prozent der Berufseinsteiger an Hochschulen befristet beschäftigt?

Oder: „Die Anstrengungen der internationalen Verbündeten, die Sicherheitslage in Afghanistan zu verbessern und stabile Strukturen aufzubauen, tragen Früchte.“ Zeigte sich aber nicht etwa selbst Verteidigungsminister de Maizière vor wenigen Tagen „beunruhigt über die Sicherheitslage“ in Afghanistan?

Wie gesagt, man könnte das gesamte Wortgeklingel, von der „erfolgreichen Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik“, über die „Rekordbeschäftigung“, die „strengen Regeln für die Finanzmärkte, die „Bildungsrepublik Deutschland“, „Willkommenskultur schaffen“ bis zu „Deutschlands Zukunft in Europa“ durchgehen, an jeder Stelle könnte man Fakten gegen die in dem Programm verbreitete Ideologie stellen.

Weder gehört die Ablehnung des kommunalen Wahlrechts und der doppelten Staatsbürgerschaft zur „Willkommenskultur“, noch bietet der in dem Programm weiter vertretene Austeritätskurs eine „Zukunft“ für Europa.

Hinter der in dem Programm gezeichneten Idylle steht eine ernüchternde Wirklichkeit.
Es geht auch künftig um die Umverteilung von unten nach oben: „Nein zur Vermögensteuer – Keine Erhöhung der Erbschaftsteuer“. Die versprochene Erhöhung des Kinderfreibetrags führt gleichfalls nur dazu, dass je höher das Einkommen desto größer die finanziellen Vorteile sind.

Es geht weiter mit der Losung: Sozial ist was Arbeit schafft. Egal zu welchem Lohn und zu welchen Bedingungen: „Zeitarbeit, Minijobs und Teilzeitbeschäftigung gehören seit langem zum Arbeitsmarkt. Sie ermöglichen vielen Menschen den Einstieg in die Arbeitswelt“ – alle empirischen Daten sprechen dagegen.

„Europa und der Euro kommen voran“, ein Spruch, der für die Griechen, die Spanier oder die Portugiesen wie ein Schlag ins Gesicht ist.

CDU und CSU tun so, als hätten sie mit der Finanzkrise nichts zu tun, als wäre sich wie ein Unwetter aus heiterem Himmel über uns gekommen: „Deutschland und Europa erlebten (!) die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg.“

Nicht ohne chauvinistischen Populismus steht die „Wettbewerbsideologie“ über allem: „Für viele in Europa und in der Welt ist Deutschland heute ein Vorbild, wenn es um gute Politik für
eine stabile und nachhaltige Entwicklung geht. Diese Erfolge bringen uns weltweit Anerkennung ein.“ Deutschland sei zum „Stabilitätsanker und Wachstumsmotor
Europas geworden“. Wohl dadurch, dass wir viel mehr exportieren als importieren und unsere südlichen Nachbarn niederkonkurrieren?

Die Politik der militärischen Interventionen zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen wird festgeschrieben: „Die Europäische Union braucht eine strategische Diskussion, was sie mit zivilen Mitteln und militärischen Einsätzen erreichen kann und will.“

„Gemeinsam erfolgreich für Deutschland“ ist das „Regierungsprogramm“ überschrieben. „Mitmachen! Einmischen! – Mehr Bürgerbeteiligung“ wird vorgegaukelt. Wie ernst solche Parolen zu nehmen sind, zeigt die Verabschiedung dieses Programms. Da wurden 600 Gäste zu diesem Kongress eingeladen. Zu sagen hatten sie allerdings nichts, sie durften allenfalls noch applaudieren, denn verabschiedet wurde das Programm schon am Vortag.


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