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Titel: Als junger Mensch mit ein bisschen kritischem Verstand muss man sich angesichts der Wahlen vom Sonntag große Sorgen machen

Datum: 23. September 2013 um 16:58 Uhr
Rubrik: Aktuelles, Erosion der Demokratie, Medien und Medienanalyse, Wahlen
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So habe ich ihre Reaktion auch erlebt. Die Perspektive ist grausam: Die Demokratie funktioniert nicht mehr. Sanktionen bleiben aus. Kritische Medien muss man mit der Lupe suchen. Die Wahlstrategien der Herausforderer waren jämmerlich. Sie sind mehr geprägt von Meinungsmache als von sachlichen Erwägungen. Die einzige wenn auch schwache Alternative wird nicht einmal geprüft. Albrecht Müller.

Es folgen einige ergänzende Gedanken zur umfassenden Wahlanalyse von heute Früh:

  1. Der Erfolg von Angela Merkel und der CDU/CSU ist wesentlich dem Umstand zu verdanken, dass die wirkliche Lage der Mehrheit unseres Volkes nur noch geschönt wahrgenommen wird. Merkel und der CDU/CSU ist es gelungen, die Botschaft, es gehe uns gut, umfassend unters Volk zu bringen. Wer dazu nicht gehört, blieb vermutlich bei der Wahl zuhause oder wählte links. Die unfaire Einkommensverteilung und immer schlimmer werdende Vermögensverteilung ist kein Thema – Die Folgen der deutschen Austeritätspolitik für andere Völker und damit auf mittlere Sicht auch für uns werden nicht bedacht, obwohl dies in Europa selbstverständlich sein sollte. Egoismus ist am vergangenen Sonntag als hoffähig und siegreich bestätigt worden. Auch dass die Bundesregierung Überwachung und Ausspähung durch unsere amerikanischen und britischen Freunde zulässt, hat nicht zu Sanktionen geführt.
  2. Der Ausfall der Sanktionsmechanismen, die wesentlich zu einer Demokratie gehören, gründet vor allem in einer atemberaubenden Ausrichtung der Mehrheit der Medien auf die in Berlin herrschenden konservativen Parteien. Die Medien machen alles mit, was ihnen als Strategien von Seiten ihrer politischen Partner angeboten und anempfohlen wird: Dass es uns gut geht, dass die Agenda 2010 einen großen Anteile daran hat und deshalb von der Einheitspartei der neoliberalen Ideologie aus CDU, CSU, SPD und Grünen bitteschön fortgeführt werden musse, dass Angela Merkel sich sozialdemokratisiert habe, dass die Linkspartei des Teufels ist – alle diese Botschaften sind gelernt und werden von ziemlich gefügigen Medien transportiert. Man musste sich am Sonntag nur die Runde mit den Parteivorsitzenden anschauen und man wusste alles: Die öffentlich-rechtlichen Sender sind mit Peter Frey vom ZDF und Baumann von der ARD stramm auf Kurs. Die Linkspartei hat die Medien aggressiv gegen sich, die FDP wurde im Wahlkampf wenn auch erfolglos hofiert, SPD und Grüne erhalten sichtbar das Gnadenbrot.
    Wenn die Parteien jenseits der Union das Thema Medienbarriere nicht mehr thematisieren, dann werden sie auf Dauer erfolglos bleiben.
  3. Das schlechte Abschneiden von SPD und Grünen hat – wie schon oft in den NachDenkSeiten vor der Wahl beschrieben – sehr viel damit zu tun, dass diese Parteien nicht erklären konnten, wie sie an die Macht kommen wollen. Indem sie ein illusionäres Ziel, Rot-Grün, propagierten, haben die Parteien SPD und Grüne massiv an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Im Inneren werden viele Wähler, die auch nur ein bisschen durchblicken, registriert haben, dass Steinbrück, Steinmeier, Trittin, Göring-Eckardt usw. den Verstand verloren haben müssen. Man kann ein so unrealistisches Ziel wie die Erreichung von Rot-Grün nur propagieren, wenn man hinnimmt, als nicht ganz bei Trost betrachtet zu werden.
  4. Alle jetzt im Bundestag vertretenen Parteien außer der Union haben eine wichtige Bedingung für einen erfolgreichen Wahlkampf nicht beachtet:
    Man muss interessant sein und man muss mit der möglichen Breite antreten. Das hat die SPD nicht getan. Von Steinbrück über Steinmeier bis zu Gabriel und Nahles war die SPD durch eine einzige Richtung vertreten: die neoliberal geprägte. Die andere trat nicht in Erscheinung. Die SPD hat aber ihre guten Ergebnisse immer nur dann erreicht, wenn sie ihre volle Breite ausgespielt hat. Das gleiche gilt für die Grünen. Die sozial engagierte grüne Bewegung war nicht durch Trittin und schon gar nicht durch Göring-Eckardt vertreten. – Die Linkspartei hat den gleichen Fehler gemacht. Die Konzentration auf Gregor Gysi hat ihm seelisch sicher gut getan. Von wahlstrategischer Relevanz darf eine solche therapeutische Erwägung allerdings nicht sein.
    Einzig die Union hat fantastisch Pluralität vorgespielt. Schon bei der bayerischen Landtagswahl weckte der Vorschlag für eine Pkw Maut Interesse – kritisches oder zustimmendes Interesse. Genauso wieder jetzt. Die Union trat in voller Breite an und hat sich als interessant präsentiert.
    Wenn man dagegen die einfältige Wahlstrategie der andern sieht, bei denen Geschlossenheit offenbar die einzige wahlstrategische Tugend ist, dann versteht man die Ergebnisse.
  5. Von wahlstrategischer Bedeutung ist das Spitzenpersonal: mit einer Person wie Steinbrück kommt die SPD nicht aus dem Loch. Das war bekannt seit der NRW Wahl von 2005, als Steinbrück als Ministerpräsident abgewählt wurde. Ihm fehlt nahezu alles, was ein Spitzenkandidat braucht: Ausstrahlung, Sexappeal, Sachverstand, eine nicht belastete politische Vergangenheit, interessante Gedanken – überall Fehlanzeige.
  6. In den Analysen für die Verluste der Grünen wird, ganz im Sinne der Grundlinie der Mehrheitsmedien, der Sympathiebruch „geschlabbert“, der mit dem Weiterlaufenlassen von Stuttgart 21 durch den baden-württembergischen grünen Ministerpräsidenten Kretschmann eingetreten ist. Freunde von Ökologie und Vernunft haben sich seit dem nicht nur in Stuttgart, sondern weit darüber hinaus von den Grünen abgewandt. Das ist meine Vermutung. Ich stütze sie auf eine Reihe von Gesprächen und Beobachtungen unter Freunden der Grünen.
    Wenn jetzt Göring-Eckardt – „Wähler in der Mitte“ suchen – und Kretschmann die weitere Strategie bestimmen, dann werden sich die Grünen mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter dezimieren.

Soviel zum Wahltag 22.9.2013.


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