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Titel: Warum soll ein Uni-Präsident nicht 150.000 Euro Jahreseinkommen haben?

Datum: 21. Februar 2014 um 16:19 Uhr
Rubrik: Aktuelles, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Hochschulen und Wissenschaft, Ungleichheit, Armut, Reichtum
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Diese Frage wurde mir seit der Veröffentlichung der Jahreseinkommen der NRW-Rektoren auf den NachDenkSeiten von vielen Journalisten gestellt. Warum soll ein/e Hochschulpräsident/in nicht so viel bekommen, wie der durchschnittliche Manager eines mittleren Unternehmens (also etwa zwischen 350.000 bis 600.000 Euro) oder wie ein nordrhein-westfälischer Sparkassendirektor (zwischen 190.000 – 750.000 Euro im Jahr) oder der WDR-Intendant (340.000 Euro p.a.)? Von Wolfgang Lieb

Die Spanne der Präsidentenjahresgehälter an Unis [PDF – 2.3 MB] reicht in NRW von 129.100 Euro (Uni Bielefeld) bis 152.528 Euro (RWTH Aachen); bei den Fachhochschulen von 74.239 Euro (Ostwestfalen) bis 127.320 Euro (Köln).
Vermutlich stellen sich die meisten Präsidenten oder Präsidentinnen dieselbe Frage, wie die bei mir anrufenden Journalisten.

Das ist normal, denn wer vergleicht sein Einkommen nicht gern mit dem von anderen? Und wer fühlt sich nicht benachteiligt? Die Sozialwissenschaften nennen dieses Phänomen „soziale Deprivation“. Welcher Minister, welcher Spitzenbeamter, welcher Abgeordnete sieht sich in seinem Einkommen nicht gegenüber den oben genannten Positionen benachteiligt. Als ich noch am Düsseldorfer Kabinettstisch saß, gab es regelmäßig langandauernde und selbstbemitleidende Debatten, wenn – womöglich sogar ein „Hinterbänkler“ als Abgeordneter – irgendwo zum Sparkassenchef ernannt wurde. Anders als Peer Steinbrück kann man mir keinen politischen Strick daraus drehen, wenn ich sage, dass Kanzlerin Merkel (etwas über 250.000 Euro) gegenüber VW-Boss Winterkorn (14,5 Mio. Euro im Jahr 2012) gnadenlos unterbezahlt ist.

Warum käme aber niemand auf die Idee, die Ministergehälter etwa an die Durchschnittsgehälter der DAX-Vorstände zu koppeln, sondern an die Besoldungsordnungen für den Öffentlichen Dienst?

An dieser Stelle soll nun nicht eine Debatte über die irrational, oft sogar schon unsittlich hohen Managergehälter und über die völlig aus den Fugen geratene sonstigen Einkommensstrukturen in unserer Gesellschaft eröffnet werden.

Schon die Frage, warum ein/e Hochschulpräsidenten/in nicht ein ähnlich hohes Einkommen wie das eines Managers oder eines Zahnarztes haben soll, zeigt, dass die Hochschulen inzwischen nach einer weitverbreiteten Meinung in höheren Kreisen nicht mehr als „öffentliche“, steuerfinanzierte Einrichtung wahrgenommen werden. Das Leitbild der „unternehmerischen Hochschule“ hat auch auf die Gehaltsvorstellungen der Hochschulleitungen und auf das mediale Umfeld durchgeschlagen. Vor lauter „Entfesselung“ vom Staat und vor lauter Wettbewerbssteuerung wird in manchen Kreisen gar nicht mehr wahrgenommen, dass die Hochschulen je nach Ausrichtung zwischen 60 und 90 Prozent aus Steuergeldern finanziert werden. Selbst wenn der Drittmittelanteil am Gesamtbudget der Hochschulen inzwischen auf über ein Viertel (teilweise sogar schon auf über 40 Prozent) angewachsen ist, so ist nach wie vor zu berücksichtigen, dass auch der überwiegende Teil der Drittmittel aus öffentlichen Geldern (DFG 34 %, andere nationale oder europäische Forschungsförderprogramme) stammen. Die privaten Zuflüsse (Spenden, geschäftliche Betätigungen) an die Hochschulen liegen im einstelligen Prozentbereich und die Forschungsdrittmittel der gewerblichen Wirtschaft gerade bei einem Fünftel der Forschungsdrittmittel (20,7%).

Und in steuerfinanzierten Institutionen gibt es eben keine geheim und frei ausgehandelten Bezüge von leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Auch wenn sich mancher Hochschulpräsident seit der Einführung der „unternehmerischen Hochschule“ durch das Hochschul-„Freiheits“-Gesetz des FDP-Innovationsministers Pinkwart noch so sehr als „genialischer Unternehmensführer“ verstehen mag, so ändert das nichts an der Tatsache, dass sein „Unternehmen“ Hochschule aus öffentlichen Mitteln grundfinanziert wird und eingeworbene Drittmittel allenfalls – und in bedenklicher Weise – den Betrieb steuern, aber kaum eine müde Mark an „Gewinn“ abwerfen, aus dem das Management sich bedienen könnte.

Der Verweis auf den Sparkassendirektor trifft eben nicht zu; die Sparkasse hat zwar eine öffentlich-rechtliche Struktur, aber sie wird nicht über Steuergelder finanziert. (Jedenfalls war das bis zur Finanzkrise so.) Auch der Vergleich mit dem Zahnarzt hinkt, der Arzt kann sich zwar bei seinem Einkommen auf die Verträge mit öffentlichen und privaten Krankenkassen stützen, aber immerhin trägt er ein unternehmerisches Risiko und sein Einkommen ist jedenfalls zu einem guten Teil von seiner „Tüchtigkeit“ abhängig.

Am ehesten wäre vielleicht noch der Rundfunkintendant mit der Stellung eines Rektors zu vergleichen, schließlich wird er aus einer Zwangsgebühr, die jeden Haushalt trifft, finanziert.
Aber das Intendantengehalt lässt sich zumindest an den Gehältern von Chefredakteuren großer privater Printmedien orientieren.

Einspruch, könnten die Rektoren nun sagen, wir müssen uns gleichfalls an den Präsidenten privater Hochschulen messen lassen. Welche Gelder da fließen, lässt sich daran messen, dass der ehemalige Präsident der privaten Jacobs University in Bremen nach nicht einmal einem Jahr Amtszeit 800.000 Euro Abfindung bekommen soll. Diese Summe lässt schließlich Rückschlüsse auf dessen Jahresgehalt zu. Doch auch dieses Argument zieht (noch) nicht. Zwar hat diese Privatuni auch staatliche Zuschüsse in Millionenhöhe bekommen und erhält auch weiter eine jährliche Subvention von 3 Mio. Euro, doch die Abfindung und das Gehalt des Präsidenten muss die private Stiftung schon selbst bezahlen.

Aber da gibt es doch noch den Vergleich mit den Präsidenten der großen Unis in den USA. Da bekommt doch der Präsident der New York University (NYU) 1,5 Mio. Dollar im Jahr nebst eines zusätzlichen Bonus von 2 Mio. Dollar. Wer solche Vergleiche heranziehen möchte, sollte bedenken, dass die NYU eine Privathochschule mit Einnahmen von 2,7 Milliarden Dollar ist. Man sollte nicht verkennen, dass einige der Efeu-Liga-Universitäten in den USA Budgets haben, die höher liegen als der gesamte Wissenschaftshaushalt einzelner Länder. Im Übrigen hat man noch nicht oft davon gehört, dass ein deutscher Universitätspräsident in die USA abgeworben worden wäre.

Wer eine Stelle im Öffentlichen Sektor begleitet, muss sich damit abfinden, dass sich seine Bezahlung wenigstens einigermaßen in das Gehaltsgefüge des Öffentlichen Dienstes oder der öffentlichen Besoldung einfügt.

Wie die oben genannte Gehaltstabelle ausweist, wurden Uni-Rektoren vor dem Hochschul-„Freiheits“-Gesetz eine Besoldung nach der Besoldungsgruppe B 5 bis B 6 besoldet. Das entsprach etwa der Besoldung eines Bürgermeisters einer mittleren Gemeinde mit rd. 60.000 Einwohnern, einem Landrat oder einem Abteilungsleiter in einem Ministerium, auf Bundesebene etwa einem Botschafter in einem größeren Land, dem Direktor des Bundesrechnungshofs oder einem Brigadegeneral. Jedenfalls lag es über der damaligen Besoldung eines Professors nach C 4.

Man mag nun durchaus anerkennen, dass mit dem Hochschul-„Freiheits“-Gesetz den Hochschulleitungen und vor allem den Präsidenten erheblich mehr Kompetenzen übertragen worden sind, als sie vor 2006 hatten. Ob also eine Besoldungsanhebung angemessen gewesen wäre, darüber könnte man in Ruhe diskutieren und abwägen. Was allerdings das öffentliche Besoldungsgefüge ziemlich durcheinander bringt, ist die Tatsache, dass z.B. der Rektor der RWTH Aachen mit 152.000 Euro, das Jahreseinkommen der für sämtliche Hochschulen politisch verantwortlichen Ministerin, die laut meiner Anfrage 2012 ein Brutto-Jahresgehalt (ohne Abgeordneten-Diät) von knapp 143.000 Euro bezog. Grob gerechnet haben sich die Präsidenten und Präsidentinnen etwa ein Staatssekretärsgehalt ausgehandelt. Staatssekretäre sind mit B 10 die höchstbezahlten Beamten im Lande.

Damit bloß nicht der Vorwurf einer Neiddebatte entsteht: Auch über eine Bezahlung wie Staatssekretäre könnte man gelassen reden. Was aber – jedenfalls im öffentlichen Sektor – nicht geht, das ist, dass die Gehälter der Rektoren geheim zwischen den Hochschulräten (in der Regel den Hochschulratsvorsitzenden) und den Präsidenten ausgehandelt werden.
Selbst wenn auch unter den Hochschulräten die populäre Meinung besteht, dass ein Uni-Präsident wie ein Sparkassendirektor bezahlt werden sollte, wer legitimiert diese aber in geheimen Absprachen über die Steuergelder zu verfügen? Wer könnte einen Hochschulrat zur Verantwortung ziehen, wenn er seinem Präsidenten ein Millionengehalt bewilligte?

Allein dieses Beispiel macht deutlich, dass hier nicht nur eine Transparenz-, sondern eine Legitimationslücke im bestehenden Gesetz existiert.

Was gibt es derzeit für eine öffentliche Debatte darüber, dass sich die Bundestagsabgeordneten ihre Diät auf das Niveau eines Bundesrichters anheben.
Ist eine Diskussion über die Gehälter von Hochschulpräsidenten deswegen „skandalös“ oder gar ein „Rechtsbruch“, weil sich die Rektoren als „Manager“ fühlen und sich ihre Bezüge selbst ausgehandelt haben und diese gerne geheim halten möchten? Selbst Manager der privaten Wirtschaft fühlen sich inzwischen zur Transparenz über ihre Gehälter verpflichtet.

Die Hochschulpräsidenten täten, sowohl gegenüber ihren Hochschulmitgliedern, vor allem aber auch gegenüber der Öffentlichkeit gut daran, sich nicht über die Veröffentlichung ihrer Gehaltssteigerungen in den letzten Jahren zu erregen, sondern daran mitzuwirken, dass es zu einer vernünftigen Regelung kommt, die einerseits das Besoldungsgefüge des Öffentlichen Sektors berücksichtigt und andererseits den notwendigen Vertrauensschutz gewährleistet.


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