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Titel: Kommentar A.M. zum Mindestlohnartikel von R. Hickel: Das ist ein Gefälligkeitsartikel für SPD und Gewerkschaften.

Datum: 1. April 2014 um 15:15 Uhr
Rubrik: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, SPD, Strategien der Meinungsmache
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Wolfgang Lieb hat am Schluss des gestern eingestellten Artikels von Rudolf Hickel über flächendeckende Mindestlöhne schon eine kritische Anmerkung gemacht. Diese teile ich, gehe aber ein Stück darüber hinaus: Bei kritischer Betrachtung kann man die flächendeckende Einführung der vorgesehenen Mindestlöhne von 8,50 € im Jahre 2017 nicht als „Epochenwandel“, als „gesellschaftliches Megaprojekt“ und als „Sieg der Vernunft über neoklassisches Marktversagen“ werten. Hier versucht einer, nämlich Rudolf Hickel, die sozialdemokratische Seite der Großen Koalition und die Große Koalition als Ganzes heraus zu hauen, und damit auch den Gewerkschaftsführungen einen Dienst zu erweisen. ‚Wenn schon der „linke“ Hickel die Mindestlohnregelung gut findet, dann sollten auch Gewerkschafter ihren Widerstand einstellen und die Große Koalition feiern’, so die unterschwellige Botschaft. Albrecht Müller.

Ein paar Kostproben aus dem Artikel von Rudolf Hickel:

  • „… dann ist auf den deutschen Arbeitsmärkten ein fundamentaler Epochenwechsel vollzogen worden. Künftig richtet sich ordnungspolitisch eine gestaltende Politik gegen das systemische Marktversagen gewinnwirtschaftlich entfesselter Arbeitsmärkte.“
  • „Nach Beendigung der noch geltenden Tarifverträge unterhalb des Mindestlohns gilt ab 2017 flächendeckend der Mindestlohnsatz mit 8,50€ pro Arbeitsstunde. Damit ist die Lohndisziplinierung nach der Agenda 2010 endgültig zu Grabe getragen. Die dumme Rechtfertigung „Arbeit sei besser als Arbeitslosigkeit“, mit der Beschäftigte in die Einbahnstraße des Niedriglohns gezwungen wurden, wird durch das Zielsystem „gute Arbeit“ abgelöst.“
     
    AM: Das ist vor allem Propaganda. Die Lohndisziplinierung ist doch nicht allein durch die Agenda 2010 gelungen, sondern mit einer gleich laufenden Drosselung der Binnennachfrage. Das makroökonomische Versagen ist doch mit-entscheidend für das, was Hickel die „Entfesselung der Arbeitsmärkte“ nennt. Dieser Begriff ist ohnehin kein sehr sachlicher Begriff.
    Auch die faktische Durchsetzung des Mindestlohns hängt künftig wesentlich von der Entwicklung der Binnennachfrage ab.
  • „… wird durch das Zielsystem „gute Arbeit“ abgelöst. Diese Überschrift zum ent­scheidenden Kapitel über die Re-Regulierung der Arbeitsmärkte im Vertrag der Großen Koalition ist aus den seit Jahren propagierten Be­schlüssen der Gewerkschaften komplett übernommen worden.“
  • „Das Primat der Politik hat endlich mal wieder gesiegt.“

Da bleibt einem der Atem stocken. Jedenfalls muss man Rudolf Hickel um den Frieden beneiden, den er mit Politik und Gewerkschaftsführungen machen kann.


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