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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 3. Juni 2014 um 8:40 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Machtkampf um Juncker: Er ist der Falsche
  2. Orwell 2.0
  3. 3,6 Prozent weniger Lohn als 2000
  4. Siemens-Umbau bedroht 11 600 Jobs
  5. Jeder zweite Beschäftigte arbeitet ohne Branchentarif
  6. Riskante Anlagen haben Hochkonjunktur
  7. Trotz gestiegener Beschäftigungsquoten Älterer bleibt Erwerbstätigkeit bis zum regulären Renteneintritt in weiter Ferne
  8. Leiharbeit und Hartz IV
  9. Für viele Deutsche reicht ein Job nicht, um über die Runden zu kommen
  10. Atomausstieg – Wer anderen Kosten aufhalst, muss dafür gerade stehen
  11. China – Was Mainstream ist, bestimmen wir
  12. Steinbach wirbt für Koalition der CDU mit der AfD
  13. 100 Tage Große Koalition: Ein Denkmal
  14. Privathochschulen: Arme schicke Business School
  15. Financial Times gegen Thomas Piketty
  16. Das Letzte: Middelhoff vermied Stau mit Hubschrauber

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Machtkampf um Juncker: Er ist der Falsche
    Das Bundesverfassungsgericht hat einmal in einem Urteil die Meinung vertreten, das Europäische Parlament sei gar kein echtes Parlament, weil es sich nicht wie ein Parlament verhalte. Genau so ist es. Das beweist das Geschacher um Juncker. Denn dass sich ein zersplittertes Parlament zwei Tage nach der Wahl ohne inhaltliche Verhandlungen auf einen Kandidaten festlegt, ist ein Zeichen von Abnormität. Für den Wähler gilt: Wenn man Union wählt, wird es Junker. Wenn man SPD wählt, wird es Juncker. Wenn man die Grünen wählt, wird es auch Juncker. Ja, was müsste man denn eigentlich wählen, wenn man Juncker nicht will? Die AfD? Die Linken? Irgendwelche Komödianten und Splittergruppen?
    Für Europa ist diese Wahl Junckers nicht gut. Denn Juncker ist das Symbol eines alten Europas. Eines Systems, das seit der Euro-Krise nicht mehr funktioniert. Juncker war maßgeblich am Maastrichter Vertrag beteiligt, er war einer der Autoren des Stabilitätspakts. Juncker gehört also zu denen, die die Geburtssünden des Euro mit zu verantworten haben. Juncker war außerdem einer der Architekten einer Sparpolitik, die eine dauernde Wachstumskrise mit fallenden Inflationsraten verursachte. Die Bilanz seiner Wirtschaftspolitik ist schlecht. Doch davon spricht gerade fast niemand.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Orlando Pascheit: Wovon Wolfgang Münchau leider nicht spricht, was er als Finanzexperte aber sehr wohl weiß, ist die Rolle Junkers im internationalen Finanzwesen. Schließlich hat Jean-Claude Junker Luxemburg mit seinen 150 internationalen Banken zur bedeutendsten Steueroase nach dem US-Bundesstaat Delaware weit vor der Schweiz ausgebaut. Alle wichtigen Schweizer Banken haben Dependancen in Luxemburg. Mehrer tausend Investmentfonds verwalten Anlagevermögen von mehreren Billionen Euro. Konzerne wie Amazon, Google, IKEA und Starbucks nutzen die in Luxemburg entwickelten Steuervermeidungsstrategien. Nicht umsonst wurde der Politiker Junker 2008 zum European Banker of the Year gewählt (Laudatio Josef Ackermann). Er ist der einzige Nichtbanker in einer langen Liste von Bankern. Und dieser Mann soll an der Spitze der Europäischen Kommission stehen, deren Aufgabe u.a. darin besteht, eine entfesselte Bankenwelt zu bändigen?
    Weiterhin war Junker von 2005 bis 2013 ständiger Vorsitzender der “Euro-Gruppe”. Man kann davon ausgehen, dass er in dieser informellen Gruppe der Finanzminister der Euro-Staaten an der Feinabstimmung der Krisenpolitik der EU wesentlich mitgewirkt hat. Allerdings ist die Macht dieser Gruppe weniger informell als allgemein verbreitet wird. Da im Rat für Wirtschaft und Finanzen (EcoFin) Nicht-Euro-Staaten bei zahlreichen den Euroraum betreffenden Entscheidungen im Rat nicht stimmberechtigt sind, müssen die Minister der Euro-Gruppe ihre zuvor gefassten Beschlüsse nur nachvollziehen. So dürfte Junker bei der Aufgabenzuteilung und Zusammensetzung (EZB, des IWF und der EU-Kommission) der sog. Troika wie auch bei der Beurteilung der Troika-Berichterstattung eine wesentliche Rolle gespielt haben. Wohl hat Juncker das deutsche Lohndumping kritisiert oder sich positiv zur Erhöhung von Arbeitsrechtsstandards in Europa oder zur Finanztransaktionssteuer und gar zu Eurobonds geäußert, gemerkt hat man in der praktischen Europapolitik davon wenig.
    Ein kleiner Nachtrag zu Münchau: Formal haben sich Grünen noch nicht für Junker ausgesprochen. Dies soll nach einer Anhörung Junkers in der Fraktion geschehen. Die Grünen verlangen: mehr Engagement für den Klimaschutz, Verbot von Genpflanzen, mehr Demokratie in Europa und einen Neustart des transatlantischen Handelsabkommens TTIP. Drei Mal dürfen Sie raten, was dabei herauskommt.

  2. Orwell 2.0
    1. NSA-Spähaffäre: Bundesregierung verteidigt heikles Snowden-Gutachten
      Anfang Mai befeuerte ein Gutachten amerikanischer Anwälte den Snowden-Streit. Die Bundesregierung kämpft seitdem gegen Vorwürfe, die Aufklärung der Spähaffäre behindern zu wollen – jetzt verteidigt sie das umstrittene Gutachten.
      Die Bundesregierung wehrt sich gegen Kritik an ihrem Umgang mit der NSA-Spähaffäre. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion weist sie Vorwürfe zurück, den NSA-Untersuchungsausschuss indirekt unter Druck gesetzt zu haben. Man arbeite in der Bewertung der Causa Edward Snowden mit einer US-Kanzlei zusammen, “an deren Reputation und Seriosität keine Zweifel bestehen”, heißt es in dem Papier, das SPIEGEL ONLINE vorliegt.
      Konkret geht es um ein Rechtsgutachten aus den USA, das im Streit um eine mögliche Vernehmung Snowdens in Deutschland für Aufruhr gesorgt hatte. Anfang Mai schloss die Bundesregierung aus, den früheren US-Geheimdienstmitarbeiter einreisen zu lassen. Sie begründete das mit einer möglichen Gefährdung des Staatswohls.
      Angefügt war ein Gutachten einer Washingtoner Anwaltskanzlei. Dieses kommt zu dem Schluss, dass sich der Untersuchungsausschuss nach US-Recht strafbar machen könnte. Im Klartext: Sollte das Gremium Snowden vernehmen, müssten die Abgeordneten bei der nächsten Reise in die USA mit einer Verhaftung rechnen.
      Quelle: Spiegel Online
    2. Das politische Gezerre um Snowden – Zeuge unerwünscht
      Edward Snowden ist der wichtigste Zeuge für die Aufklärung der NSA-Überwachungsaffäre. Doch Roderich Kiesewetter, Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im NSA-Untersuchungsausschuss, möchte den Kronzeugen nicht in Berlin sehen: “Ich möchte glasklar sagen, dass wir kein Interesse daran haben, dass er in Deutschland aussagt, weil ich keine Snowden-Debatte möchte, auch keine Auslieferungsdiskussion.”
      Auch die Bundesregierung will den NSA-Enthüller nicht zur Vernehmung vor dem NSA-Untersuchungsausschuss einreisen lassen, weil ihm hier Verhaftung drohe. Doch Edward Snowden ist in Deutschland nicht zur Fahndung ausgeschrieben. Das erklärt Johannes Dimroth, Sprecher des Bundesinnenministeriums, gegenüber Frontal21. Ein Eintrag im Polizeifahndungssystem Inpol wäre aber die Voraussetzung für eine Festnahme Snowdens in Deutschland und für eine Auslieferung an die USA.
      Haftbefehl gegen Snowden in den USA
      In den USA wird der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Snowden per Haftbefehl gesucht, nachdem er geheime Abhöraktivitäten der NSA, der amerikanischen Nationalen Sicherheitsbehörde, öffentlich gemacht hatte. Snowden hält sich derzeit in Moskau auf, nachdem er dort für ein Jahr Asyl erhielt.
      Der Straf- und Völkerrechtler Nikolaos Gazeas von der Universität Köln zeigte sich gegenüber Frontal21 verwundert, dass Snowden nicht zur Fahndung ausgeschrieben wurde: „Nach dem deutsch-amerikanischen Auslieferungsvertrag besteht grundsätzlich die Pflicht, bei einem vorläufigen Festnahmeersuchen wie dem aus den USA, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Und hierzu zählt zumindest die Ausschreibung in dem polizeilichen Fahndungssystem.“
      Quelle 1: frontal21
      Quelle 2: Frontal21 [PDF – 51,3 KB]
    3. Eine deutsch-europäische NSA
      Der Bundesnachrichtendienst (BND) plant eine “Strategische Initiative Technik” und will künftig soziale Netzwerke im Internet im großen Stil in Echtzeit ausforschen. Dies belegen aktuellen Berichten zufolge interne Geheimdienstdokumente. Demnach soll in den nächsten sechs Jahren fast eine Drittelmilliarde Euro ausgegeben werden, um den technologischen Rückstand der Berliner Auslandsspionage gegenüber der US-amerikanischen NSA zu verringern oder aufzuholen. Neben dem Ausforschen von Facebook oder Twitter geht es bei der Initiative auch um biometrische Erkennungsverfahren oder “verbesserte Sensorik”. Die Maßnahmen stehen im Zusammenhang mit Ankündigungen der Bundesregierung, auf dem Gebiet der Internet-Spionage die Abhängigkeit von den USA zu durchbrechen und die “digitale Souveränität” zu erlangen, die dann zum Abhören in nationaler Eigenregie genutzt werden kann. Als Vorbild wird häufig die Schaffung des Airbus genannt, mit dem es gelang, die US-amerikanische Dominanz in der Luft- und Raumfahrt zu durchbrechen. “Wir können nicht dulden, dass eine amerikanische digitale Besatzungsmacht in Deutschland regiert”, hat unlängst ein CSU-Politiker erklärt.
      Quelle: German Foreign Policy

      Anmerkung JK: Muss man sich da wundern, dass von der Bundesregierung faktisch nichts gegen die NSA-Überwachung unternommen wird? Man würde ja gerne selber, wenn man nur die technischen Möglichkeiten der NSA hätte.
      Erschütternd ist aber immer wieder, dass diese Problematik von der Mehrheit der Menschen quasi Schulterzuckend hingenommen wird, obwohl es hier um fundamentale Fragen der Demokratie geht.

  3. 3,6 Prozent weniger Lohn als 2000
    Die Löhne steigen wieder, auch preisbereinigt, liest man in den Zeitungen. In der Tat, in den letzten Jahren geht es wieder ein bisschen bergauf. Genug ist es allemal nicht. Schon gar nicht vor dem Hintergrund der Verluste seit dem Jahr 2000. Im Durchschnitt erhält die bzw. der Beschäftigte heute 3,6 Prozent weniger Lohn. Gleichzeitig sind die Gewinn- und Unternehmenseinkommen trotz Finanzkrise seit 2000 um traumhafte 64 Prozent gestiegen, berücksichtigt man die Inflation ist das immer noch ein Plus von nahezu 40 Prozent. Die Entwicklung bei den Tariflöhnen ist nicht ganz so dramatisch, allerdings arbeiten auch nur noch rund 50 Prozent der Beschäftigten unter dem Schutz eines Branchentarifvertrages. Die tariflichen Löhne stiegen preisbereinigt seit 2000 um rund sieben Prozent. Allerdings konnten auch sie den verteilungsneutralen Spielraum nicht ausschöpfen; die Lücke beträgt rund sechs Prozentpunkte. Es gibt immer mehr Beschäftigte, die prekär arbeiten müssen, nachdem Rot-Grün die Schutzzäune niedergerissen hat. Mit Leiharbeit, Werkverträgen und Befristungen werden Löhne gedrückt. Mittelbar wird gleichzeitig der Stammbelegschaft verdeutlicht, dass auch andere, billigere Arbeitskräfte ihre Arbeit übernehmen können. Dies führt zur Disziplinierung und zur Entsolidarisierung. Rückwirkend wird so die Wahrnehmung von Interessen erschwert. Disziplinierend wirkt schon immer die Angst vor Arbeitslosigkeit. Diese ist mit der Einführung von Hartz IV massiv verschärft worden. Die Drohung, bei Arbeitslosigkeit spätestens nach einem Jahr tief abzustürzen, hat zu Angst und Schrecken bei den Beschäftigten geführt. Die mit der Agenda 2010 eingeleiteten Veränderungen am Arbeitsmarkt sind zentral für das verschärfte Lohndumping in den letzten zehn Jahren.
    Union und SPD wollen den Mindestlohn ab 2015 einführen. Für rund fünf Millionen Beschäf-tigte, die heute zu Hunger- und Niedriglöhnen arbeiten müssen, sind 8,50 Euro ein begrüßenswerter sozialpolitischer Fortschritt. Das Lohndumping wird jedoch nur marginal gemildert. Gesamtwirtschaftlich wird die Lohnsumme um weniger als ein Prozent gesteigert. Um die „Ordnung am Arbeitsmarkt“ wieder herzustellen und damit die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften zu verbessern, sind viele weitere Veränderungen notwendig: Befristete Arbeitsverhältnisse dürfen nur in eng begrenzten, sachgrundbezogenen Ausnahmefällen zulässig sein. Leiharbeit ist perspektivisch zu verbieten. Bei Werkverträgen müssen die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte ausgeweitet werden, ohne ihre Genehmigung darf es keine Werkverträge geben. Minijobs müssen von der ersten Stunde an in voll sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze umgewandelt werden. Das Sanktionsregime von Hartz IV bzw. der Zwang zur Aufnahme jedes noch so mies bezahlten Jobs muss beseitigt werden.
    Quelle 1: Michael Schlecht
    Quelle 2: Langfassung: Löhne bleiben abgehängt [PDF – 806 KB]
  4. Siemens-Umbau bedroht 11 600 Jobs
    Siemens bleibt für negative Überraschungen auch unter Konzernchef Joe Kaeser gut. Seit drei Wochen rätseln 360 000 Siemensianer, welche Auswirkungen der Anfang Mai verkündete Radikalumbau des Konzerns für ihre Stellen hat. Gegenüber Analysten in New York hat Kaeser nun erstmals eine Zahl genannt, die es in sich hat. Betroffen sind demnach 11 600 Arbeitsplätze.
    IG Metall und Betriebsrat wurden vorab nicht informiert. “Wir sind völlig überrascht worden, die Zahl kommt aus heiterem Himmel”, sagte ein Gewerkschafter in München. “Mit uns wurde nicht gesprochen”, erklärte eine Kollegin der Frankfurter IG Metall-Zentrale. “Abbau von Bürokratie – ja, Stellenabbau – nein”, stellte ein Specher des Siemens-Gesamtbetriebsrats klar.
    Quelle: General Anzeiger

    Anmerkung JK: Stellenabbau: Wirklich sehr originell. Aber braucht man dazu wirklich exorbitant bezahlte Manager? Wie einer meiner Professoren immer sagte: „ Das kann ein dressierte Affe auch.“ Und von wegen Jobwunder und Fachkräftemangel in Deutschland. Gerade diejenigen der Betroffenen, die Ende vierzig bzw. über fünfzig sind dürfen ihre Hoffnungen hier in Deutschland wieder einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden gleich einmal begraben.

    Passend dazu: Ex-Siemens-Sparte halbiert Belegschaft
    Der Telefonanlagenhersteller Unify, den Siemens mehrheitlich an den US-Investor Gores verkauft hat, will sich auf Software-Lösungen konzentrieren. Dem Umbau fallen 3800 Stellen zum Opfer.
    Der Münchner Telefonanlagenhersteller Unify streicht 3800 Stellen. Das Unternehmen, das Siemens vor sechs Jahren mehrheitlich an den US-Finanzinvestor Gores verkauft hat, wolle sich stärker auf Software-Angebote verlegen, teilte Unify am Montag mit.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

  5. Jeder zweite Beschäftigte arbeitet ohne Branchentarif
    Für immer weniger Arbeitnehmer in Deutschland gilt ein Branchentarifvertrag. Im vergangenen Jahr arbeiteten in den westlichen Bundesländern 52 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit einem solchen Tarifvertrag, 1996 waren es noch 70 Prozent.
    Das teilt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mit, das zur Bundesagentur für Arbeit gehört. In Ostdeutschland sind die Zahlen noch geringer: Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Arbeitnehmer, für die ein Branchentarifvertrag galt, von 56 auf 35 Prozent.
    Dazu kommen Firmentarifverträge. Sie werden direkt zwischen Betrieb und Gewerkschaften geschlossen. Ein solcher Vertrag galt für 8 Prozent der Arbeitnehmer im Westen und 12 Prozent im Osten.
    Ein zusätzliches Fünftel der Arbeitnehmer profitiert indirekt von Tarifverträgen: 21 Prozent der westdeutschen und 25 Prozent der ostdeutschen Arbeitnehmer waren laut IAB im vergangenen Jahr in Unternehmen tätig, die zwar keinem Branchentarifvertrag unterlagen, aber sich daran orientierten.
    Quelle: SZ
  6. Riskante Anlagen haben Hochkonjunktur
    Es war eine Altlast aus der Finanzkrise: Völlig unfreiwillig war die Deutsche Bank 2008 zur Besitzerin eines Kasinos in Las Vegas geworden. Der Investor hatte seine Kredite nicht mehr zahlen können. Jahrelang versuchte die Bank, die Immobilie abzustoßen. Doch fündig wurden die Banker erst vor zwei Wochen: Der Finanzinvestor Blackstone griff zu und zahlte 1,7 Milliarden Dollar für das Objekt.
    Auch an den Finanzmärkten ist das Kasino augenscheinlich wieder geöffnet.
    Was gestern noch als unverkäufliche Anlage in den Bad Banks – den Müllhalden der Banken für schlechte oder hochriskante Papiere – ruhte, gilt plötzlich wieder als lukratives Investment. Egal, ob die Commerzbank faule Schiffskredite losschlägt oder die Unicredit riskante Projektfinanzierungen: „Wenn Banken ihre Lasten loswerden wollen, stehen die Käufer Schlange“, sagt Nathan Flanders von der Ratingagentur Fitch. So werden Europas Banken in diesem Jahr Kreditportfolios im Wert von 80 Milliarden Euro verkaufen, schätzt die Beratungsfirma PWC. Das ist fast achtmal so viel wie 2010. Zu den Käufern gehören vor allem Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften.
    Quelle: Tagesspiegel
  7. Trotz gestiegener Beschäftigungsquoten Älterer bleibt Erwerbstätigkeit bis zum regulären Renteneintritt in weiter Ferne
    • Die Erwerbsbeteiligung älterer ArbeitnehmerInnen hat sich in den letzten Jahren merklich erhöht. Die (weitgehende) Abschaffung der vorgezogenen Altersgrenzen und die stufenweise Heraufsetzung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre zeigen ihre Wirkung.
    • Allerdings scheidet die überwiegende Mehrzahl der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer noch vor dem 65. Lebensjahr aus dem Arbeitsleben aus. Nur 32,9 % der 62-Jährigen, 22,4 % der 63-Jährigen und 17,3 % der 64-Jährigen üben eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aus. Im Ergebnis finden sich im Alter von 64 Jahren also nur noch 12,1% der Bevölkerung in einer versicherungspflichtigen Vollzeittätigkeit.
    • Auch wenn sich seit 2002 die Beschäftigungsquote der Älteren deutlich erhöht hat so bleibt doch festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine problemfreie Umsetzung der Rente mit 67 nach wie vor ungünstig sind: Ein großer Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeitet nicht bis zur heraufgesetzten Regelaltersgrenze bzw. kann dies nicht und scheidet vorzeitig aus dem Arbeitsleben aus.


    Quelle: Sozialpolitik aktuell [PDF – 116 KB]

    Hinweis: Auf Sozialpolitik aktuell finden Sie wieder eine Vielzahl von im Mai neu eingestellter Dokumente zur Sozialpolitik.

  8. Leiharbeit und Hartz IV
    1. Institutionalisierte Spaltung
      Hallo, hier spricht Angela Merkel«. So beginnt ein Interview mit einem Leiharbeiter in der Februarausgabe der Metallzeitung, dem Mitteilungsblatt der IG Metall (IGM). Der interviewte Kollege Christian Graupner hatte im September 2013 die Kanzlerin mit der Schilderung seiner beruflichen Situation in der »ARD-Wahlarena« konfrontiert. Er ist seit zehn Jahren Leiharbeiter bei Thyssen­Krupp Automotive in Leipzig, einer von 500, bei einer Stammbelegschaft von 30 oder 40. Und prompt rief sie ihn an.
      Der Kollege fragte sie, was sie gegen den Mißbrauch der Leiharbeit tun wolle. Die Kanzlerin darauf: Die Regierung wolle das Problem im ersten Quartal 2014 angehen. Der Kollege, Betriebsrat und Metaller, hakte nach: Im Koalitionsvertrag stehe, daß durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen von der Verleihdauer von 18 Monaten abgewichen werden könne. Die Kanzlerin beruhigte ihn: Die 18 Monate seien die Höchstgrenze. Der Kollege freute sich, daß durch den Rummel die Aufmerksamkeit der Medien auf die Mißstände gelenkt worden sei.
      Das Interview verrät einiges über die Haltung eines aktiven Metallers. Dem Kollegen geht es nicht nur um seine persönliche Lage, er möchte, daß sich generell etwas ändert. Er meint auch nicht, ein persönliches Gespräch mit Frau Merkel würde die Lage der Leiharbeiter verbessern, sondern er zielt auf öffentlichen Druck – allerdings nicht durch die IG Metall, sondern durch die Medien. Und er spricht vom Mißbrauch der Leiharbeit, das heißt, er ist nicht prinzipiell gegen sie eingestellt. Er widerspricht auch nicht der Kanzlerin, als sie ihn einen »krassen Einzelfall« nennt. (…)
      Leiharbeit bedeutet einen Angriff auf die Würde der Arbeiter, auf ihr Selbstbewußtsein, auf ihre sozialen und demokratischen Rechte und damit auch auf die Gewerkschaften. Zeitarbeiter haben Schwierigkeiten, zu Betriebsversammlungen gehen zu dürfen, den Betriebsrat mit zu wählen, weil sie oft gar nicht in die Wählerverzeichnisse aufgenommen werden. Der Tarifvertrag wird ausgehebelt, die Einheit der Kollegen in einem Betrieb zerstört, ihre Organisierung erschwert und die Kampfkraft unterminiert. Die negativen Folgen gehen jedoch noch weiter: Es ist offensichtlich, daß Leiharbeit dazu dient, auch die Löhne der Stammbelegschaft zu drücken, daß Leiharbeit dazu dient, den Kündigungsschutz auszuhebeln, die Streikfähigkeit zu untergraben und einen Teil der Belegschaft rechtlos zu halten.
      Quelle: junge Welt
    2. Ohne einen Cent in der Tasche
      Am liebsten würde sie arbeiten, doch Sabine Schulze (Name geändert) ist chronisch krank. Seit 2011 bezieht die gelernte Einzelhandelskauffrau Hartz IV. Ihre Wege zum Jobcenter »team.arbeit« Hamburg nennt sie »Spießrutenlauf«. Sie fühlt sich »gegängelt und schikaniert«. Seit zweieinhalb Jahren kämpft sie gegen Zwang und Sanktionen. Derzeit steht die 45jährige ohne Geld da. Schriftwechsel mit Anwalt und Behörden, die junge Welt einsehen durfte, füllen ganze Aktenordner. (…)
      Im April beorderte das Jobcenter Schulze zum ärztlichen Dienst. Die frühere Jobcentermitarbeiterin und Hartz-IV-Kritikerin Inge Hannemann begleitete sie – und war »entsetzt«, wie sie gegenüber jW sagte. »Wir standen unerwartet einer Psychiaterin gegenüber.« Die habe Schulze nach der Schulbildung befragt und wissen wollen, ob sie sich arbeitsfähig fühle. Als die Antwort ausblieb, habe die Ärztin den Termin sofort abgebrochen. »So geht das nicht, schließlich ging es um eine körperliche Untersuchung«, so Hannemann. Als Reaktion stellte das Jobcenter erneut die Leistungen ein. Seit 1. Juni bekommt Frau Schulze keinen Cent mehr.
      Sie sei zwar zum Termin erschienen, habe aber ihre Mitwirkungspflichten verletzt, schrieb ihr die Behörde. Und: »Durch Ihre Weigerung, Angaben zur Ausbildung und Arbeitsunfähigkeit zu machen und ihre Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, konnte der Untersuchungszweck nicht erfüllt werden.« Schulze hat Widerspruch eingelegt, doch die Zeit spielt gegen sie. »Ich habe Angst vor Hunger und Obdachlosigkeit.«
      Auf Nachfrage von jW wollte Jobcentersprecherin Kirsten Maaß zum »Einzelfall« nichts sagen. Sie räumte aber ein, daß Schweigepflichtentbindungen und Fragebögen »grundsätzlich freiwillig« seien. »Angeordnete Untersuchen sind trotzdem Pflicht«, bekräftigte Maaß. Bei Krankheit reiche gewöhnlich ein Attest aus. In manchen Fällen müßten Betroffene jedoch gesondert nachweisen, daß ihnen das Erscheinen zum Meldetermin unmöglich sei. Immerhin versprach Maaß, den Fall noch einmal zu prüfen.
      Quelle: junge Welt

      Anmerkung H.R.: Es würde nicht wundern, wenn es weitere vergleichbare Fälle gäbe: Ob als Einzelperson oder in einer sog. Bedarfsgemeinschaft.
      Eine Verschärfung der Sanktionsmöglichkeiten ist offenbar geplant. Die NachDenkSeiten hatten berichtet; kann u.a. hier nachgelesen werden: Am Ende bleibt der Lebensmittelgutschein und hier Paritätischer: Hartz-Pläne sind «menschenfern».

    3. In Gedenken an die Opfer der Agenda 2010
      Die Agenda 2010 sowie die aus der Hartz-Gesetzgebung resultierende, gewollte Armut und Entrechtung betrifft uns alle, direkt oder indirekt, gestern, heute oder morgen.
      Wir fordern die verfassungs- und menschenrechtswidrigen Sanktionen nach § 31 und § 32 SGB II sowie die Zwangsarbeit sofort abzuschaffen.
      Die Agenda 2010, insbesondere die Hartz-Gesetze, treffen nicht nur die ca. 10 Millionen direkt Betroffenen. Durch den dadurch entstandenen Druck auf die Arbeitsverhältnisse und Löhne entfalten die Hartz-Gesetze ihre zerstörerische Kraft auf die gesamte Gesellschaft.
      Arbeitslose werden durch Androhung der Existenzvernichtung in prekäre Beschäftigungen oder sinnlose Beschäftigungsmaß­nahmen gezwungen. Lohndumping und Niedriglöhne haben eine Spirale nach unten konkurrierender Löhne in Gang gesetzt. Unsichere, befristete und schlecht bezahlte Arbeitsplätze breiten sich epidemisch aus und ersetzen normale Arbeitsverhältnisse.
      Die politisch gewollte Ausweitung des Niedriglohnsektors und die zunehmende Verarmung großer Bevölkerungsteile werden mittlerweile nach ganz Europa exportiert. Federführend zwingt Deutschland Staaten wie Griechenland, Portugal und Spanien zu Lohnkürzungen. Auch anderen Ländern wird das Modell Hartz IV empfohlen, Hartz IV als Exportmodell für ganz Europa.
      Quelle: Die-Opfer-der-Agenda-2010
  9. Für viele Deutsche reicht ein Job nicht, um über die Runden zu kommen
    Prekäre Beschäftigung: Die Künstlerin Luise Metz arbeitet rund um die Uhr. Trotzdem reicht das Geld hinten und vorne nicht. Wie sie müssen immer mehr Deutsche dazuverdienen.
    Zehn Jahre lang konnte die Absolventin der Kunsthochschule von ihren Bildern leben. Sie gewann Stipendien, stellte ihre Arbeiten in Galerien aus und verkaufte so viel, dass es zum Leben reichte. Dann kam die Finanzkrise, und zwei der drei Galerien, mit denen sie hauptsächlich zusammengearbeitet hat, mussten schließen. Ihre Umsätze brachen ein. Dabei stellt sie weiterhin aus, ihre Bilder hängen in Messen wie der Art Karlsruhe und in verschiedenen Kunstvereinen. Aber die Sammler sind bedächtig geworden, reservieren mal ein Bild, kaufen am Ende aber dann doch nicht.
    Anfangs hatte die 38-Jährige noch Rücklagen, doch als die aufgebraucht waren, befiel sie Panik. „Ich sah mich schon für 6,50 Euro in der Stunde am Fließband stehen“, sagt sie. Dazu kam es zwar nicht. Wie am Fließband arbeitet Metz aber trotzdem: Sie hat heute sieben Jobs. Sie malt, betreut Kinder in einer Kita, baut die Hochbeete in Brandenburg, testet und evaluiert für eine Firma Produkte wie Bügeleisen oder Wärmepflaster, führt Touristen durch die Stadt, erledigt die Buchhaltung für eine weitere Kita und füttert Daten in ein Computerprogramm. All diese Jobs macht sie auf Abruf und auf Honorarbasis. Metz sagt: „Ich lebe im Moment als Tagelöhnerin.“ Sie hat alle Arbeitsverhältnisse angemeldet, führt Steuern ab. Insgesamt bleiben ihr rund 1000 Euro im Monat. Dafür hetzt sie von einem Ort zum anderen und muss jeden Tag aufs Neue mit ihrem Mann austüfteln, wer die Kinder aus Kita und Schule abholen kann. Ihr Mann arbeitet als Führer in verschiedenen Berliner Museen, auch seine Arbeitszeiten variieren.
    Quelle: Der Tagesspiegel

    Dazu: Wie die Investmentbanker reich wurden
    Quelle: FAZ

    und: Die Milliarden-Verdiener
    Die absoluten Spitzenverdiener leiten weder Google noch Goldman Sachs, sondern Hedgefonds: Der erfolgreichste Manager erzielte im vergangenen Jahr rund 10 Millionen Dollar – am Tag.
    Wer bisher dachte, dass Investmentbanker oder die Manager großer Internet-Unternehmen die absoluten Spitzenverdiener sind, irrt. Ihre Jahressaläre nehmen sich gegen die Einkommen der erfolgreichsten Hedgefonds-Manager geradezu winzig aus.
    David Tepper, der den Hedgefonds Appaloosa Management gründete und führt, verdiente im vergangenen Jahr 3,5 Milliarden Dollar und damit mehr als jeder andere aus der Branche, berichtet das Fachmagazin Institutional Investor’s Alpha. Steven Cohen (SAC Capital Advisors) kam demnach auf 2,4 Milliarden Dollar, John Paulson folgte mit 2,3 Milliarden Dollar Jahresverdienst auf Rang 3. Insgesamt verdienten die 25 erfolgreichsten Hedgefonds-Manager mehr als 21 Milliarden Dollar – das seien rund 50 Prozent mehr als die Spitzengruppe in den beiden Vorjahren einheimste.
    Zum Vergleich: Google-Verwaltungsrats-Chef Eric Schmidt wurde heftig für sein 100-Millionen-Gehalt aus dem Jahr 2011 kritisiert, und Jamie Dimon, der die amerikanische Großbank JP Morgan leitet, erhielt 2013 rund 20 Millionen Dollar.
    Quelle: FAZ

  10. Atomausstieg – Wer anderen Kosten aufhalst, muss dafür gerade stehen
    Zwischen Goldgrube und Geldgrab liegen mitunter nur wenige Jahre, etwa bei diesem Koloss am Rhein, nicht weit von Darmstadt. Ein grauer Stahlzaun trennt hier das Atomkraftwerk Biblis von der Außenwelt, doch seit drei Jahren passiert hinter dem Zaun nicht mehr viel. Die letzten Brennelemente kühlen im Abklingbecken ab. In der Halle nebenan warten Castorbehälter darauf, irgendwann einmal in ein Endlager verfrachtet zu werden. Zwei massive Reaktordruckbehälter aus Stahl, radioaktiv kontaminiert, wollen zerlegt und sicher verpackt werden.
    Eine “grüne Wiese” soll irgendwann dort sein, wo der RWE-Konzern vor 45 Jahren das damals größte Atomkraftwerk der Welt errichten ließ. Heute ist es vor allem eins: ein großes Problem.
    Goldgruben, die zu Geldgräbern werden – es gibt sie nun zuhauf: In Krümmel und Brunsbüttel, Unterweser und Neckarwestheim. 17 ausgediente Reaktoren bis 2022, so will es der Ausstiegsplan der Bundesregierung. Es ist ein einzigartiger Feldversuch, eine Probe auf die Versprechen der Industrie. Übernehmen Konzerne Verantwortung auch für Geldgräber? Räumen sie weg, was sie selbst angerichtet haben? Oder gehen sie zugrunde an einer Last, die zum Geldverdienen gut war, aber zum Beerdigen schlicht zu teuer? Wer zahlt dann?
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  11. China – Was Mainstream ist, bestimmen wir
    25 Jahre nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens hat die chinesische Führung subtilere Mittel, um Abweichler mundtot zu machen: Ideen werden neutralisiert.
    Wer wissen will, wie China sich selbst und die Geschichte in den 25 Jahren seit der kalkuliert brutalen Niederschlagung der Protestbewegung auf dem Tiananmen-Platz verändert hat, sollte auf ein Wort wie „Mainstream“ achten und auf die Bedeutungsverschiebung, die sich die Propaganda heute mit ihm erlauben kann. Zum Beispiel in dem Artikel, mit dem die Parteizeitung „Global Times“ vergangene Woche wieder einmal die inhaftierten Dissidenten Liu Xiaobo und Xu Zhiyong heruntermachte.
    Quelle: FAZ
  12. Steinbach wirbt für Koalition der CDU mit der AfD
    Als erstes Unionsführungsmitglied hat sich die hessische Politikerin Erika Steinbach für eine Koalition mit der Alternative für Deutschland ausgesprochen. Parteien auszuschließen sei “gefährlich”.
    Erika Steinbach (CDU), Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, will die Tür zur AfD öffnen
    Erika Steinbach, die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, will sich einem Bündnis mit der Alternative für Deutschland (AfD) nicht verschließen: “Die AfD ist nach meinen Beobachtungen eine rechtsstaatliche, demokratische Gruppierung und damit ebenso unser Konkurrent wie unser möglicher Partner”, sagte sie dem Magazin “Der Spiegel”. “In unserer Demokratie müssen die Parteien dazu bereit sein, mit allen demokratischen Gruppierungen zu koalieren, die nicht radikal oder gewaltbereit sind”, so Steinbach. “Wenn Parteien anfangen, sich einander zu verweigern, dann wird es sehr gefährlich für die Demokratie.”
    Die CDU-Spitze hatte dagegen erklärt, dass es weder Bündnisse noch Kooperationen mit der AfD geben werde. Unionsfraktionschef Volker Kauder kündigte in der “Welt” an, dass er auch keine Talkshows mehr besuchen werde, falls AfD-Politiker teilnehmen. Dieser Kurs verursacht in der Partei durchaus Unbehagen. “Ich persönlich würde mich anders entscheiden”, sagte Wolfgang Bosbach (CDU), der Chef des Innenausschusses im Bundestag. Es klinge für ihn “nicht besonders plausibel”, mit den Linken-Politikern Sahra Wagenknecht oder Gregor Gysi jederzeit zu diskutieren, mit den AfD-Politikern Bernd Lucke oder Hans-Olaf Henkel “aber nie und nimmer”.
    Quelle: Die Welt

    Anmerkung JK: Nähert sich hier an, was letztendlich zusammengehört oder ist dies nur ein weiterer Beleg für die politische Verkommenheit der CDU, die sich für den Machterhalt mit jedem ins Bett legen würde – auch mit Rechtspopulisten? Man möchte allerdings nur allzu gerne wissen, wie Steinbach darauf kommt, dass die AfD einen „eine rechtsstaatliche, demokratische Gruppierung“ sein soll? Steinbach sollte sich einmal mit den illustren Unterstützern und Mitgliedern der AfD und deren Äußerungen näher auseinandersetzen.
    Da wären etwa Konrad Adam, Mitglied des Vorstand der AfD und Roland Vaubel, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der AfD, die schon einmal fordern Arbeitslosen und Harz IV Beziehern das Wahlrecht zu entziehen. Eine Idee, die übrigens von einer Ikone der Neoliberalen, Friedrich August von Hayek, stammt. Oder Peter Oberender – Gesundheitsökonom, der sich für die Zweiklassenmedizin stark macht und sozial Schwachen gerne gestatten würde, ihre Organe zu verkaufen. Die Liste derer, die sich in der AfD oder deren Umfeld bewegen und aus ihrer Verachtung gegenüber den „unteren Klassen“ keine Hehl machen lässt sich problemlos weiter fortsetzen (siehe auch den Beitrag von Jens Berger weiter unten).
    Aber offenbar scheinen diese kruden Ideen mit Merkels „marktkonformer“ Demokratie durch aus vereinbar. Mutti laviert sich hier natürlich wie immer schön heraus: „Wir ziehen eine Zusammenarbeit nicht in Betracht.“ Da haben andere CDU-Politiker, wie Wolfgang Bosbach weniger große Berührungsängste.

    Dazu: Können Marktradikale und Nationalchauvinisten eine „Alternative für Deutschland“ sein?

    und: Noch einmal zur Demokratiefeindlichkeit der AfD

    Ergänzende Anmerkung JB: Auch wenn es unpopulär klingt – die Koalitionsgedanken der CDU sind durchaus verständlich. Die CDU ist im Kern schließlich eine konservative Partei, deren Lieblingskoalitionspartner FDP wohl auf absehbare Zeit bei den Wahlen unter „Sonstige“ firmieren wird. Die Grünen wären zwar für ein Teil der CDU ein würdiger FDP-Nachfolger. Für den konservativen Flügel der CDU sind die Grünen jedoch wegen ihrer liberalen Positionen bei gesellschaftspolitischen Fragen (z.B. Gleichberechtigung und Homo-Ehe) nicht tragbar. Da bietet sich die AfD als erzkonservativer Partner durchaus an. Ansonsten wäre die CDU auf Gedeih und Verderb auf den Koalitionspartner SPD angewiesen.

  13. 100 Tage Große Koalition: Ein Denkmal
    Viel ist über den Mindestlohn geschrieben worden. Wir haben uns in verschiedenen Beiträgen ausführlich damit auseinandergesetzt. Neben konzeptionellen Schwächen ist ein wesentlicher Kritikpunkt, dass der Mindestlohn von 8,50 Euro, der 2015 mit Ausnahmen eingeführt werden und ab 2017 mit Ausnahmen flächendeckend gelten soll, schon heute nicht zum Überleben reicht. Das hat jüngst auch die Bundesagentur für Arbeit bestätigt. Auch nach der Einführung des geplanten Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde wären hunderttausende Arbeitnehmer zusätzlich auf Leistungen nach Hartz IV angewiesen (siehe hier). Das verwundert nicht. Man benötigt dazu nur etwas gesunden Menschenverstand, oder aber man bedient sich des Niedriglohnschwellenwerts des europäischen Amts für Statistik, Eurostat. Schreibt man diesen verteilungsneutral fort (Produktivitätsentwicklung+Inflationsziel der Europäischen Zentralbank) und subtrahiert ihn von den geplanten 8,50 Euro Mindestlohn ergibt sich bereits für das laufende Jahr ein dickes Minus, das sich bis 2017 noch erheblich vergrößert.
    Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
  14. Privathochschulen: Arme schicke Business School
    Die Leipziger Business School HHL möchte eine unabhängige Privatuni sein, kommt aber seit ihrer Gründung nicht ohne staatliche Hilfe aus. Der Rechnungshof wirft ihr nun vor, Steuergelder zweckentfremdet zu haben. ..
    “Die Zuwendung für das HHL-Forum”, schreibt der Rechnungshof auf Anfrage des manager magazins, “diente tatsächlich vollständig der Deckung anderer Ausgaben und wurde somit zweckwidrig verwendet”. Außerdem soll die HHL dabei mit “unrichtigen Zahlenangaben” gearbeitet haben…
    Die offiziell als Privatuni firmierende HHL ist auch so eng mit dem Staat verflochten: So residiert die HHL nach Angaben des Rechnungshofes zum Beispiel mietfrei in Gebäuden des Landes. Die Behörde hat ausgerechnet, dass sie allein dadurch rund 343.000 Euro im Jahr spart, nach einer geplanten Erweiterung werden es ab 2017 sogar 620.000 Euro sein.
    Die enge Verflechtung hat eine lange Tradition: Schon 1994 spendierte der Freistaat Sachsen der HHL ein zinsloses Darlehen über 25 Millionen Mark, aus dem sich die Hochschule bei finanziellen Nöten bedienen konnte. In diesem Jahr sollte die Privatuni den Kredit eigentlich spätestens zurückgezahlt haben.
    Doch der Schutzschirm für alle Fälle musste längst bis 2020 verlängert werden. Von 2006 bis 2012 glich die HHL Defizite in Höhe von insgesamt fast 6 Millionen Euro über das Darlehen aus. Auch das Jahr 2013 endete für die HHL mit einem Verlust…
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung A.B.: Privat vor Staat gilt hier anscheinend nicht. Der Ex-FDP-Minister aus NRW und jetzige HHL-Präsident Andreas Pinkwart verfährt wie alle Neoliberalen: “Folget meinen Worten, aber nicht meinen Taten”
    Gern lässt man sich Sonderkonditionen vom sonst so geschmähten Staat einräumen:
    Sonderzuwendungen, kostenlose Immobiliennutzung und zinsloses Darlehen dessen Tilgung auf den Sanktnimmerleinstag verschoben zu sein scheint.
    Der eigene Geldbeutel kommt auch nicht zu kurz:Zitat:”2012 lag deren Verdienst laut Rechnungshof “deutlich” über dem Niveau an staatlichen Universitäten.” Ende des Zitates
    Versucht der Staat allerdings Einfluss zu nehmen und die oben beschriebenen Zustände zu verhindern, heißt es: Zitat “Das Land will den Hochschulen vorgeben, welche Studiengänge sie anbieten sollen und sie auch finanziell an die Kandare nehmen.Das hat schon früher zu Fehlsteuerungen geführt.” Zitatende
    Da erfährt der Begriff ” Fehlsteuerung” eine ganz neue Deutung. Siehe hier.

    Anmerkung JK: Das ist immer das, was man sich auf der Zunge zergehen lassen muss: „Die Handelshochschule Leipzig gilt als eine der besten Business Schools in Deutschland – eine Privatuni mit elitärem Anspruch, die künftige Top-Manager ausbilden will.“ Das Steuergeld des verachteten „Pöbels“ nimmt man aber immer wieder gerne. Noch unverschämter oder schlimmer undemokratisch, ist allerdings das Handeln der verantwortlichen Politiker, die diesen Elitenzirkus noch dick mit Steuergeldern finanzieren und so Partikularinteressen bedienen, während an den öffentlichen Hochschulen der Verputz von den Wänden blättert.

  15. Financial Times gegen Thomas Piketty
    Die Financial Times ist in Sachen internationale Ökonomie weltweit vermutlich die einflussreichste private Publikation. Dementsprechend hat ihre ökonomische Abteilung einiges an Ruf zu verlieren, und genau das könnte ihr mit einer Kritik an Thomas Pikettys “Capital in the 21st Century” gelungen sein, die zwar nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, in ihrer schärfsten Aussage aber doch entweder Unkenntnis oder böse Absicht offenbart.
    Nun ist ohnehin so gut wie alles, was Piketty auf mehr als 600 Seiten zusammengetragen hat, weitgehend bekannt und wird auch schon seit Jahren intensiv diskutiert. Deshalb könnte man dem FT-Kritiker vielleicht auch noch Neid und Eifersucht als Motiv für seine Kritik unterstellen, weil Piketty ohne besonders originellen eigenen Beitrag unter den Ökonomen zum Rockstar wurde, wie die FAZ feststellt, und sein Buch zum Bestseller.
    Allerdings zeigt Piketty in seinem Buch sehr überzeugend, dass die Ungleichheit in den führenden westlichen Gesellschaften in den letzten drei Jahrzehnten erheblich angestiegen ist und weit überdurchschnittliche Niveaus erreicht hat. Er schlägt daher Reichensteuern und staatliche Umverteilung vor, was ihm auf der Seite der als eher links geltenden sogenannten “Saltwater”-Ökonomen aus den USA Paul Krugman und Joseph Stiglitz viel Lob und Zuspruch eingebracht hat.
    Quelle: Telepolis

    Anmerkung JK: Piketty scheint mit seiner Arbeit die marktradikalen Apologeten bis ins Mark getroffen zu haben. Entlarvt diese die neoliberale Ideologie doch als Ideologie der herrschenden Eliten, die die Rechtfertigung für deren schamlose Bereicherung liefern soll. Allein deswegen ist sie lesenswert. Ebenso ist Pikettys Idee, um die rasant fortschreitende Ungleichheit zu bremsen, eine Einkommensteuer bei Millionären von bis zu 80 Prozent erheben, äußerst charmant.
    Dass nach der ersten Verblüffung aus der Ecke der Marktradikalen ein Gegenschlag erfolgt überrascht also nicht. Nur, was wollen die Neoliberalen anführen? Jede politische Umsetzung ihrer Wahnideen hat bisher ins Desaster geführt und hatte für die Mehrheit der Menschen eine Verschlechterung ihrer Lebensumstände zur Folge. Das reicht von der Banken- und Finanzkrise bis zu den negativen Folgen der Privatisierung von Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie etwa der Trinkwasserversorgung, als Beispiel sei hier die Wasserversorgung Londons durch Thamse Water genannt. Auch die katastrophalen Zustände bei der Deutschen Bahn sind dem neoliberalen Wahn, das Unternehmen unbedingt wie ein privatwirtschaftliches, rein profitorientiertes Unternehmen zu führen, geschuldet. Von den Folgen der aberwitzigen Austeritätspolitik für Portugal, Spanien und Griechenland gar nicht zu reden.

  16. Das Letzte: Middelhoff vermied Stau mit Hubschrauber
    Der Ex-Chef des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor, Thomas Middelhoff (61), hat seine umstrittenen Flüge auf Firmenkosten vom Wohnsitz in Bielefeld zur Firmenzentrale verteidigt.
    Im Untreue-Prozess sagte er vor dem Landgericht, er sei damals am Wochenanfang mehrfach drei bis vier Stunden zu spät ins Büro gekommen. Er hätte wegen Bauarbeiten am Kamener Kreuz mit dem Auto im Stau gestanden.
    Quelle: Bild.de

    Anmerkung WL: Solche Menschen merken gar nicht mehr wie „abgehoben“ sie sind. Bei jedem/r Mitarbeiter/in von Karstadt hätte der Chef gesagt, er oder sie solle eben rechtzeitig losfahren, um pünktlich zur Arbeit zu kommen und wenn das nicht möglich ist, dann solle er oder sie eben umziehen. Kein Mitarbeiter und keine Mitarbeiterin wäre auch auf die Idee gekommen auf Firmenkosten zur Arbeit zu fahren.


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