NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Rede des Ministerpräsidenten Griechenlands, Alexis Tsipras, vor der parlamentarischen Fraktion von SYRIZA am 17.02.2015

Datum: 18. Februar 2015 um 13:43 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte, Euro und Eurokrise, Europäische Union
Verantwortlich:

Tsipras stellt u.a. in dieser Rede den Verhandlungsverlauf aus griechischer Sicht beim EU-Finanzminister-Treffen am letzten Mittwoch in Brüssel dar. Wir dokumentieren diese Rede, weil in Deutschland der Eindruck erweckt wurde, als hätte der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis ein Ergebnis blockiert.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

„In einem harten Verhandlungsprozess, in dem wir es abgelehnt haben, den psychologischen Erpressungsversuchen der Gläubiger nachzugeben, sind wir mit Jeroen Dijsselbloem am vergangenen Donnerstag, fünfzehn Minuten vor Beginn der Sitzung des Europäischen Rates, zu einer gemeinsamen Erklärung gelangt.
Es handelt sich um die Erklärung, die auch der Europäische Rat angenommen hat und durch welche die Eurozone erstmals Abstand davon genommen hat, das Memorandum zur Bedingung des neuen Verhältnisses zwischen Griechenland und seinen Gläubigern zu machen.

Zugleich wurde die Einschätzung und Bewertung der gemeinsamen Basis, auf welcher der Übergang vom Memorandum zum Wachstumsplan der griechischen Regierung stattfinden statt finden könne, zum Gegenstand von Verhandlungen erklärt.

Kurz vor Beginn der gestrigen Tagung der Eurogruppe, legte man uns den Entwurf eines gemeinsamen Statements vor, das von Pierre Moscovici als Gesprächsgrundlage vorgetragen wurde.

Da wir uns am Rande dessen bewegten, was durch unsere roten Linien abgesteckt worden war, haben wir den Entwurf als Gesprächsgrundlage akzeptiert und uns darum bemüht, konstruktiv zur Findung einer für alle Seiten akzeptablen Lösung beizutragen.

In dem Entwurf war die Rede von einer Verlängerung der Kreditvereinbarung – und eben nicht des laufenden Programms – welche zu einer viermonatigen Übergangsvereinbarung führen würde, die den Zeitraum bis zum Abschluss eines Wachstumsprogramms für Griechenland regeln würde.
Darüber hinaus wurde die Finanzierung von Maßnahmen zur Bekämpfung der humanitären Krise erwähnt, ebenso wie technische Hilfestellungen der EU-Kommission, die zur Beschleunigung des Reformprozess beitragen sollten.

Eine viertel Stunde vor Beginn der Eurogruppe hat Herr Dijsselbloem diesen Entwurf eines gemeinsamen Statements durch einen anderen Entwurf ersetzt, der sich unserer Kenntnis entzog.

Es ist uns nicht bekannt, auf wessen Initiative hin dies geschehen ist.

Wir sind uns jedoch darüber im Klaren, dass diese Handlung darauf abzielte, ja uns geradezu dazu drängte, von einer Einigung am gestrigen Abend Abstand nehmen zu müssen.

Denn dieser neue Entwurf sah nicht einfach nur die Verlängerung des Memorandums vor, sondern ging noch einen Schritt weiter.
Er sah die Konkretisierung der Maßnahmen vor, die unsere Regierung zu treffen habe, damit das Memorandum nicht nur auf dem Papier fortbestünde.
Man verlangt von uns nicht nur, dass die fünfte Bewertung zu Ende geführt werde und die entsprechenden Maßnahmen umgesetzt würden, sondern auch Privatisierungsmaßnahmen und das Erzielen von unerträglich hoher Primärüberschüssen, um so, künstlich, den Eindruck der Schuldentragfähigkeit zu schaffen.

Die Tatsache, dass dieses unsägliche Papier der Eurogruppe als Gesprächsgrundlage vorgelegt wurde, und ein Dokument, dem wir als Gesprächsgrundlage zugestimmt hatten, zurückgezogen wurde, macht unmissverständlich klar, dass gewisse Kreise sich bei ihren Versuchen, die griechische Regierung zu untergraben, nicht davor scheuen mit Europa spielen.

Für uns sind die Eurozone und die Zukunft des geeinten Europa jedoch kein Spiel.
Sie sind kein Spielzeug in den Händen eines Finanzministertreffens, bei welchem Vertreter aus 18 Ländern anwesend sind, die am Ende immer das beschließen, was dem Willen eines einzigen entspricht, weil manche es sich so gefallen lassen.
Und das, obwohl dabei europäisches Vertragswerk gebrochen wird, dessen fundamentaler Bestandteil die gemeinschaftlichen Werte der Demokratie und der Grundsatz der Volkssouveränität sind, die im Memorandum jedoch nicht vorkommen.

Das Europäische Vertragswerk ist für uns verbindlich – die Politik und die Zwangsvorstellungen konservativer Regierungen der Eurozone sind es nicht.

Wir fordern alle dazu auf, sich ihrer jeweiligen Verantwortung bewusst zu werden.
Der Verantwortung dafür, das Herz Europas vor einer Teilung zu bewahren und ebenso der Verantwortung dafür, die Stabilität der äußerst sensiblen Region des südöstlichen Mittelmeers nicht zu gefährden.

Aus diesem Grund unterstreichen wir abermals unsere Überzeugung, dass es sich bei den Verhandlungen mit unseren Partnern nicht um einen technischen Prozess handelt, sondern um einen zutiefst politischen Verhandlungsprozess mit geopolitischen Dimensionen.

Und genau deshalb wird dieser Verhandlungsprozess fortgesetzt.

Den Ausweg aus der beim Eurogruppentreffen zustande gekommenen Sackgasse, können uns keine Technokraten aufzeigen.
Sondern nur die politischen Führer Europas.
Und eben deshalb sind wir zuversichtlich, dass es zu einer Lösung kommen kann und kommen wird.“

Die gesamte Rede finden Sie hier [PDF – 70KB].


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=25090