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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 19. September 2007 um 9:02 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Neues aus dem Casino
    • Hypothekenkrise: Die USA sind am Zug
      Die Banken stehen derzeit von mehreren Seiten unter Druck. Sie müssen nicht nur mit Milliardenbeträgen für Geschäfte ihrer Zweckgesellschaften (Conduits) gerade stehen, die sich mit verbrieften Hypothekenkrediten verspekuliert haben und sich nicht mehr aus eigener Kraft refinanzieren können, weil der Markt für entsprechende Produkte zusammengebrochen ist. Die Geldhäuser haben privaten Beteiligungsgesellschaften (Private Equity) auch Übernahmekredite in Höhe von weit mehr als 300 Milliarden Euro zugesagt. Diese Kreditverträge sollten ursprünglich weiterverkauft werden, doch auch dafür finden sich derzeit kaum Abnehmer. Die Deutsche Bank ist davon weltweit mit am meisten betroffen. Sie wird derzeit Darlehen über 29 Milliarden Euro nicht los. Josef Ackermann muss Schwerstarbeit leisten, um diese Nuss zu knacken.
      Quelle: FR

      Anmerkung: „Josef Ackermann muss Schwerstarbeit leisten, um diese Nuss zu knacken.“ Ist das der neue Stil der FR? Bei diesen Worten sieht man FR-Redakteur Bernd Salzmann in Frankfurt am Fenster seines Redaktionsbüros stehen, wie er zum Turm der Deutschen Bank hinüberblickt und gemeinsam mit dessen Chef um die Zukunft des Hauses bangt. Doch worin diese « Schwerstarbeit » des Josef Ackermann wohl bestehen mag? Ersinnt er gerade weitere, undurchschaubare Finanzprodukte? Versucht er potentielle Investoren mit Engelszungen von der Solvenz seines Hauses zu überzeugen? Oder streitet er mit EZB-Präsident Trichet? Schmiedet er gar Pläne, die Spekulationsverluste durch die Entlassung von Mitarbeitern auszugleichen, um die hehren Renditeziele nicht zu gefährden? Das kann der FR-Autor uns offenbar auch nicht sagen. Wozu dann diese Formulierung? Stattdessen hätte er daran erinnern können, dass es Ackermann war, der die Deutsche Bank zu riskanten Geschäften nötigte, indem er eine auf Dauer unrealistisch hohe Eigenkapitalrendite von 25% zur Vorgabe machte.

    • Die Woche der Wahrheit
      Die US-Hypothekenkrise schwelt weiter. Auch die Angst in Europa wächst. Nun wird die US-Notenbank aktiv. Aber was kann sie gegen die Krise tun?
      Quelle: TAZ
    • Desaster von Northern Rock
      Tatsächlich übersteigt die britische Immobilienblase die US-amerikanische. Die Hypothekenschulden auf der Insel betrugen im Juli 1,14 Billionen Pfund, eine Steigerung um elf Prozent binnen eines Jahres. Die Gesamtverschuldung der privaten Haushalte liegt bei 1,35 Billionen Pfund (plus 10,1 Prozent). Die Verschuldung der privaten Haushalte ist im Verhältnis zu den Einkommen seit 1997 von 105 auf 164 Prozent gestiegen. Dies ist weltweit die höchste Quote. In der Londoner City arbeiten 600 000 Menschen für die Finanzindustrie. Spekuliert wird unter anderem mit Immobilien. Eine enorme Nachfrage im Großraum London u.a. durch die gut verdienenden Finanzakrobaten hat die Preise in die Luft gehen lassen. Seit 1975 sind sie um fast 1600 Prozent gestiegen, in den USA dagegen um »nur« 630 Prozent. Ein schleichender Prozess aus sinkenden Immobilienpreisen und steigenden Raten ist ins Rollen gekommen, der 2008 voll zum Tragen kommen dürfte. Die Folgen wären Überschuldung, Zwangsversteigerung, Einbruch des Konsums und des Wirtschaftswachstums.
      Quelle: ND
  2. Bildungspolitik
    • Deutschland sieht schön blöd aus
      Die Zahl an Akademikern in Deutschland stagniert weiterhin. Die OECD hat weltweit die Anteile der Hochqualifizierten verglichen – und sieht den Exportweltmeister im Hintertreffen. Forscher empfehlen, nicht auf die Akademiker zu starren, sondern die Chance zum Aufstieg für alle zu geben.
      Quelle: TAZ
    • Die neuen Bildungsphilister
      An der Bildung interessiert diese Art von Bildungspolitik nur zweierlei: Wie viel sie kostet und in welchen fabelhaften Zahlen sie sich darstellen lässt. Man könnte vermuten, dass auf diese Weise die Bildung dem Nützlichkeitsdenken und der Ökonomie geopfert wird. Aber eigentlich ist es noch trauriger: Denn das ganze Sparen an Stellen und Stunden und die ganzen Erfolgsziffern von riesigen Abiturienten- und Studentenzahlen, sie werden uns am Ende nicht einmal wirtschaftlich etwas bringen. Das Bildungsphilistertum tut nur so, als sei es effizient. Tatsächlich ist es eine völlig nutzlose Erscheinung.
      Quelle: Deutschlandradio
  3. Leiharbeiter: EU setzt Deutschland unter Druck
    Die Europäische Union will die Bedingungen für Zeitarbeiter verbessern. “Es sollte das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit gelten. Darum schlägt die EU-Kommission vor, dass Leiharbeitnehmer künftig nach sechs Wochen das gleiche Gehalt und die gleichen Sozialleistungen bekommen wie fest angestellte Arbeitnehmer”, sagte EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla der WELT. Spidla sagte, viele Firmen gingen mit Leiharbeitnehmern verantwortungsbewusst um. “Es ist aber nicht hinnehmbar, dass Unternehmen, auch in Deutschland, die Zeitarbeit ausschließlich zur Kostendämpfung nutzen und dabei fest angestellte Mitarbeiter entlassen, um sie anschließend dauerhaft durch billigere Zeitarbeiter zu ersetzen”, kritisierte er. Die EU müsse diese Praxis eindämmen.
    Quelle: WELT

    Anmerkung: Recht hat er. Bislang fiel die EU-Kommission allerdings nicht gerade durch Engagement für die Rechte der Arbeitnehmer auf. Treibendes Motiv dürfte wohl eher sein, dass die europäischen Nachbarn sich die ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteile für deutsche Unternehmen infolge des Lohndumpings nicht länger gefallen lassen wollen. Dann würde es sich um eine Folge zunehmender Spannungen zwischen den EU-Staaten handeln.

  4. Union lehnt sich auf gegen Post-Mindestlohn
    Peter Ramsauer wittert Unrat. “Das Ganze riecht”, sagt er, man muss schauen, ob es politisches Gammelfleisch ist.” Der CSU-Landesgruppenchef meint nicht etwa einen Oppositions-Vorstoß oder ein unerhörtes Vorpreschen des Koalitionspartners SPD. Es geht um den ersten Schritt zur Einführung eines Mindestlohns in der Postbranche.
    Ramsauer sprach von einem Quasi-Haustarifvertrag der Post und einem “höchst zwielichtigen Täuschungsmanöver” zur Verhinderung von Wettbewerb in der Branche. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) versuchte gestern noch, die Kabinettsvorlage zu entschärfen. Er hält den vereinbarten Mindestlohn für zu hoch und hegt den Verdacht, dass die Post AG damit Konkurrenten vom Markt fernhalten will. Wettbewerber wie PIN und die niederländische TNT sehen dies ähnlich.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung (in Anlehnung an unseren Kommentar zu Hinweis 6 vom 11.9.2007 und unabhängig von der Frage, welchen Sinn ein Wettbewerb beim Briefeaustragen überhaupt haben soll):
    Hieran kann man wunderbar sehen, wes Geistes Kind nicht nur das Bundeswirtschaftsministerium, sondern auch die Unionsfraktion ist: „CSU-Landesgruppenchef Ramsauer sprach von einem … “höchst zwielichtigen Täuschungsmanöver” zur Verhinderung von Wettbewerb in der Branche.“
    In anderen Worten: Es ist ausdrücklich ein Wettbewerb nicht über Innovationen und bessere Organisation der Arbeit, also höhere Produktivität und Qualität, sondern um den maximalen Druck auf die Löhne erwünscht. Die Unionsfraktion will Niedriglöhne für Briefträger, will eine ruinöse Konkurrenz auf Kosten der Mitarbeiter.
    Man kann nur hoffen, dass die Arbeitnehmer dieser Branche die Haltung der Abgeordneten genau beobachten und ihre Konsequenzen für die nächste Wahl daraus ziehen.

  5. Einzelhandel vermeldet Konsumflaute
    Der deutsche Handel leidet stärker unter der Erhöhung der Mehrwertsteuer, als zunächst angenommen. Zwar erwartet der zuständige Verband ein Umsatzplus von 0,5 Prozent für das Gesamtjahr. Preisbereinigt entspreche das aber einem deutlichen Rückgang. Der Handel hofft nun, das Schlimmste überstanden zu haben. Im zweiten Halbjahr rechnet einer Konjunkturumfrage des Verbandes zufolge ein Großteil der Händler mit einem Aufleben der Kauflust und steigenden Umsätzen.
    Quelle: WELT

    Kommentar: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

  6. Sparkassen und Landesbanken: »Verzockt« heißt nicht »verzichtbar«
    Der deutsche Sparkassenverbund die größte Finanzgruppe der Welt. Die wichtigste Geldquelle der heimischen Unternehmen ist sie sowieso. Und auch der größte Arbeitgeber im Land.
    Für die deutsche Wirtschaft sind die öffentlichen Banken von einigem Nutzen. Sie versorgen kleinere und mittlere Unternehmen zuverlässiger mit Krediten, als das die privaten Großbanken mit ihren häufigen Strategiewechseln tun. Die staatlichen und halbstaatlichen Eigentümer dieser Banken können sich außerdem mit einer niedrigeren Verzinsung zufriedengeben als die Aktionäre international operierender Investmenthäuser, wie etwa die Deutsche Bank eines ist. Das ist gut für die Kunden.
    Die öffentlichen Banken sind auch ein besserer Partner der Kommunen als die privaten Banken, wie einige aktuelle Beispiele veranschaulichen. So hat allein die Stadt Hagen mindestens 24 Millionen Euro durch Zinswetten verloren, die sie mit der Deutschen Bank eingegangen war.
    Quelle: ZEIT
  7. Vorratsspeicherung: Auch Seelsorge gegen Datensammelei
    Widerstand gegen Datenspeicherung: Jetzt unterstützen auch Medienverbände und Gewerkschaften die Bürgerrechtler gegen das geplante Gesetzesvorhaben.
    Quelle: TAZ
  8. Vor dem Gesetz sind Reiche gleicher
    Der Befund erschreckt. Weniger gleich sind auch nach Ansicht derer, die Recht sprechen, die Armen, Ungebildeten, Ausländer. Die “Macht des Geldes”, meint eine Amtsgerichtsdirektorin resigniert, werde gleiches Recht für alle “rein faktisch zu verhindern wissen”. Einer ihrer Kollegen sieht sich in Erklärungsnot, wenn er begründen soll, dass ein kleinkrimineller Wiederholungstäter ins Gefängnis wandert, während die Wirtschaftsverfahren “bei Prominenten” eingestellt würden.
    Quelle: FR
  9. Die Federhalter der BASF
    Wie der britische Historiker Adam Tooze in eine Falle tappte, die das Etikett unabhängiger Forschung trägt. Von Otto Köhler.
    Quelle: Junge Welt
  10. Kouchners Kriegsdrohung
    • Sarkozys gefährliche Taktik
      Erwägt die neue Regierung in Paris ernsthaft die militärische Option gegen Iran? Oder sollen die scharfe Rhetorik und die Forderung nach neuen Sanktionen lediglich “verhindern, dass wir eines Tages mit der katastrophalen Alternative ‘iranische Bombe oder Bombardierung Irans’ konfrontiert sind”, wie Präsident Sarkozy in seiner ersten außenpolitischen Grundsatzrede Ende August formulierte? Sollte dies Frankreichs Kalkül sein, ist es zumindest in Iran nicht aufgegangen. Denn dort haben Kouchners Worte die Hardliner und die Fraktion der Atomwaffenbefürworter gestärkt. Und das steigert die Kriegsgefahr.
      Quelle: TAZ
    • “Schwerste internationale Krise”
      Interventionismus hat Kouchners Karriere von Anfang an geprägt. Er wurde berühmt, als er sich mit Reissäcken für Kinder mit von Hungerödemen aufgeschwellten Bäuchen fotografieren ließ. Dass der “unabhängige” Menschenrechtler und spätere Gründer von zunächst Médecins sans Frontières und dann Médecins du Monde in der mineralölreichen Region Biafra einen Abspaltungskrieg unterstützte, der auch im Interesse der beiden französischen Erdölkonzerne Elf und Total lag, ist in Vergessenheit geraten.
      Quelle: TAZ
    • Kouchners Vorstoß zielt auf IAEO-Chef al-Baradei
      Al-Baradei hatte Mitte August mit der Führung in Teheran eine detaillierten Arbeitsplan vereinbart. Darin verpflichtete sich Teheran, alle noch offenen Fragen der IAEO bezüglich des geheimen Atomprogramms, das Iran zwischen 1986 und 2003 betrieben hatte, bis spätestens Mitte November vollständig zu beantworten. Die Vereinbarung war detailliert mit dem EU-Außenbeauftragten Javier Solana abgesprochen worden. Der IAEO-Generaldirektor verteidigte seine Vereinbarung mit Teheran mit dem Hinweis, dies sei “das erste Mal, dass der Iran die vollständige Aufklärung der noch unbeantworteten Frage” seines Atomprogramms zugesagt habe. Im Übrigen, betonte al-Baradei, habe es auch der UN-Sicherheitsrat bislang mit Sanktionen gegen Teheran nicht geschafft, den Atomstreit zu beenden.
      Quelle: TAZ
  11. Schicksal der Juden bewegt Iraner
    Der Quotenhit im iranischen Fernsehen ist eine Serie, die das Schicksal der Juden im Zweiten Weltkrieg behandelt. Durch die Serie lernen die Zuschauer mehr und mehr über den Holocaust – dabei hatte der iranische Präsident Ahmadinedschad immer wieder geleugnet, dass es diesen überhaupt gab. Beachtlich ist, dass die Sendung das Plazet des iranischen Klerus haben muss, denn das staatliche Fernsehen steht unter der Oberaufsicht des geistlichen Führers, Ayatollah Ali Chamenei. Die Serie könnte ein Zeichen dafür sein, dass der Iran sein antisemitisches Image aufpolieren will.
    Quelle: WELT


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