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Titel: B sagen und Botschaft A transportieren. Eine weitere Methode der Meinungsmache in der NachDenkSeiten-Serie (4)

Datum: 29. Juli 2015 um 17:03 Uhr
Rubrik: Aufbau Gegenöffentlichkeit, Strategien der Meinungsmache, Wahlen
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Wir setzen die Serie über die Methoden der Meinungsmache fort. Diese Analysen sollen helfen, sich vor Manipulationen zu schützen. Siehe den Beitrag vom 26. Juni, mit dem diese Serie begann. Heute geht es um die nächste Methode: Wir werden mit der Botschaft B zugedröhnt, obwohl es um diese gar nicht zu aller erst geht. Sie ist das Transportmittel zur Vermittlung der Botschaft A. Erstes aktuelles Beispiel: Der SPD-Politiker und Ministerpräsident von Schleswig-Holstein Albig empfiehlt, die SPD solle keinen Kanzlerkandidaten aufstellen. Das ist sozusagen die Transportbotschaft. Transportiert wird jedoch vor allem die Botschaft A: Angela Merkel ist unschlagbar, weil sie so gut ist. Zweites Beispiel: Befürworter der Agenda 2010 in Politik und Publizistik erzählen die ach so traurige Geschichte, Kanzler Schröder habe sich, seine Kanzlerschaft und seine Partei 2005 geopfert, um das Land voranzubringen. Die damit transportierte Botschaft lautet: Die Agenda 2010 war richtig, und sie ist ein Erfolg, uns geht’s doch gut. Drittes Beispiel: Griechenland ist mies und wir erscheinen gut. Viertes Beispiel: „Modell Deutschland“. Im Einzelnen: Albrecht Müller.

Erstes Beispiel: Die SPD solle keinen Kanzlerkandidaten aufstellen – das ist ja als solche gut zwei Jahre vor der Wahl eine ziemlich blödsinnige Einlassung. Sie macht aber aus vielerlei Gründen Sinn, vor allem für die Union und Merkel. Sie werden mit der Empfehlung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten richtig hochgehoben. Wenn der SPD-Spitze von einem Sozialdemokraten mit Rang empfohlen wird, nicht einmal mit dem Anspruch, die Kanzlerschaft erreichen zu wollen, anzutreten, dann müssen Merkel und ihre Partei im Eindruck der Menschen fantastisch sein, jedenfalls um vieles besser als die SPD.

Der Spruch des Ministerpräsidenten wird im Bundestagswahlkampf 2017 und vorweg schon bei den Landtagswahlen in 2016, vor allem in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, ihre volle Wirkung entfalten. Man muss sich vorstellen, Angela Merkel tritt zusammen mit ihrer Freundin und Spitzenkandidatin der CDU in Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, bei einer politischen Versammlung auf. Dann braucht der begrüßende CDU Funktionär, ein Abgeordneter oder Minister, zur Begrüßung von Angela Merkel nur die Einschätzung des SPD Ministerpräsidenten Albig zu erwähnen, und schon tobt die Halle.

D.h. konkret, Albig hat nicht nur Werbung für die Kanzlerin und die Union gemacht. Er hat wahrscheinlich seiner Kollegin und Parteifreundin Malu Dreyer den ohnehin schwer zu erreichenden Wahlsieg vermasselt.

Ob des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Äußerung aus Dummheit folgte, oder kalkuliert war, das ist schwer zu sagen. Vielleicht braucht Schleswig-Holstein Geld vom Bund.

Zweites Beispiel: Schröder habe seine Kanzlerschaft geopfert, um das Land voranzubringen(B). Die Agenda 2010 war richtig, und sie ist ein Erfolg (A).

Die Botschaft B wird oft erzählt und je mehr sie erzählt wird, umso mehr wird unstrittig, die Agenda 2010 sei ein Erfolg gewesen. Das wird dann immer mehr geglaubt, obwohl die Arbeitslosigkeit nach wie vor hoch ist, obwohl Millionen Menschen mit prekären Arbeitsverhältnissen auskommen müssen und obwohl, wie Schröder selbst sich auf die Schulter klopfend festgestellt hat, der Niedriglohnsektor „vorbildlich“ für Europa ausgebaut worden ist. Und genau diese immer weiter auseinanderklaffende Entwicklung von Kosten und Wettbewerbsfähigkeit hat uns die Schwierigkeiten innerhalb des Euroraums gebracht.

Drittes Beispiel: Griechenland ist eine Katastrophe. Man müsste das Land unter Kuratel stellen, usw. Das ist die Botschaft B. Die Botschaft A, die mit B transportiert werden soll, lautet: Wir sind Spitze. Schäuble, Merkel, die EU-Kommission und der Eurogruppenchef haben alles richtig gemacht. Auch hier funktioniert die Methode B sagen und A transportieren wollen bestens.

Viertes Beispiel, ein Beispiel aus der Geschichte: Die Entstehungsgeschichte des Begriffes „Modell Deutschland“

Für die damalige Geschichte mit Botschaft A „Wir sind gut, Helmut Schmidt ist ein leistungsfähiger Bundeskanzler“ und das Transportmittel, der übertreibende Begriff „Modell Deutschland“ war ich zusammen mit Freunden und Mitarbeitern selbst verantwortlich. Wir hatten im Herbst 1975 festgestellt, dass entgegen der landläufigen Meinung, Helmut Schmidt habe ein gutes Leistungsimage, der damalige Bundeskanzler von einem bemerkenswerten Teil der Bevölkerung nicht als besonders erfolgreich betrachtet wurde. Das war das Ergebnis einer seit 1972 laufenden Kampagne der Union und einiger Medien, und es war unterfüttert von den realen Schwierigkeiten, die aus der Ölpreiskrise vom Oktober 1973 folgten. Die so genannte Inflation, die Staatsschulden, die hohen Abzüge waren Dauerthemen der politischen Auseinandersetzung.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes, deren Leiter ich damals war, haben sich zusammen mit anderen, regelmäßig im Herbst eines Jahres zu einer Klausur zurückgezogen. Wir haben damals überlegt, mit welcher Botschaft B man A transportieren könne. Einen Tag vor Weihnachten 1975 präsentierten wir das Ergebnis: Der Bundeskanzler könne und solle künftig vom „Modell Deutschland“ sprechen. Er solle diesen Begriff als eine Art Klammer seiner Leistungsbilanz verwenden. Der Doppelbegriff war progressiv aufgeladen: gute Nachbarschaft zu allen Völkern, Freunde in der Welt, Entspannungspolitik, aktive Beschäftigungspolitik, ein starkes soziales Netz, Rechtsstaatlichkeit, Toleranz und Liberalität.

Die Formulierung der Botschaft B (Modell Deutschland) tat ihre Wirkung, übrigens genau so, wie wir das kalkuliert hatten. Die Übertreibung mit dem Modell-Begriff machte zwar ein bisschen skeptisch. „Der Helmut Schmidt soll mal nicht übertreiben“ war die gängige Eingangsformel am Stammtisch. Aber hängen blieb trotzdem: er ist ein erfolgreicher Bundeskanzler. Die Botschaft A saß.

Empfehlung: Beobachten Sie das Geschehen und die Argumente um sie herum. Sie werden im öffentlichen und im privaten Bereich viele Beispiele für den Trick „B sagen und A meinen“ finden.

Das war der Text zur Methode (4) der Meinungsmache. Damit Sie eine Übersicht behalten und, falls sie wollen nachlesen können, hier die Übersicht der bisherigen Methoden und Texte:

  1. 26. Juni 2015
    Die Methode: Die Botschaft der Kampagne wird in Nebenbemerkungen gepackt. Damit erscheint sie besonders glaubwürdig.
  2. 24. Juli 2015
    Verschweigen als Methode zur Meinungsmache (2)
  3. 28. Juli 2015
    Massiv und abgesprochen betriebene, falsche Interpretation von Zahlen und Statistiken. Methode (3) der Meinungsmache
  4. 29.7.2015
    B sagen und Botschaft A transportieren. Eine weitere Methode der Meinungsmache in der NachDenkSeiten-Serie (4)


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