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Titel: Eine interessante Mail von Prof. Mausfeld zu den Beiträgen über Gedanken- und Gesinnungspolizei

Datum: 26. August 2015 um 17:01 Uhr
Rubrik: Aufbau Gegenöffentlichkeit, Leserbriefe, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich:

Die NachDenkSeiten hatten im Juli auf einen Vortrag des Kieler Psychologen Professor Dr. Rainer Mausfeld hingewiesen: „Warum schweigen die Lämmer …“ und dann auch die Textfassung nachgereicht. Die Reaktion der NachDenkSeiten-Leserinnen und –Leser war beeindruckend. – Jetzt ist Professor Mausfeld auf meine am 10. April und am 24.8. geäußerten Sorgen über die Umtriebe einer Gedanken- und Gesinnungspolizei (wie ich sie nenne) eingegangen. Diese Mail gebe ich mit seiner Zustimmung unseren Leserinnen und Lesern zur Kenntnis. Sie enthält einige weiterführende Gedanken. Meines Erachtens ist es wichtig, sich mit den virulenten Umtrieben zu beschäftigen. Es wird damit nämlich versucht, schon die Ansätze zum Aufbau einer Gegenöffentlichkeit zu stören. Dass der Einflussbereich dieser aktiven und vielfältigen Denunzianten beachtenswert ist, zeigt die Tatsache, dass sich eine Gewerkschaftsstiftung mit einem sehr ehrenwerten Namen, die Otto Brenner Stiftung, für diesen Wahnsinn her gibt. Zu dieser sogenannten „Querfront“-Studie gelegentlich mehr. Jetzt im Folgenden die Mail von Rainer Mausfeld. Albrecht Müller.

Mail von Professor Rainer Mausfeld vom 25.8.2015 an Albrecht Müller NachDenkSeiten:

Lieber Herr Müller,

Danke für Ihren gestrigen (ebenso wie vom April) Beitrag zur Gedankenpolizei! Es ist gut und wichtig, daß diese Dinge einmal im hellen Licht der NachDenkSeiten thematisiert werden.

Ich habe entsprechende Reaktionen auch auf meinen Vortrag erhalten. Das Schema ist – genau, wie Sie es beschreiben – immer dasselbe. Ein besonders forsches Beispiel hänge ich Ihnen unten an; hier verbirgt sich das Geraune des Denunziantentums, durch das eine Kleininquisitorin die Ränder für den ‘vernünftigen’ und ‘zulässigen’ Bereich des Spektrums zu markieren sucht, unter dem vorgeblich seriösen Mantel einer Presseanfrage. – Eine der schlichtesten und wirksamsten Propagandatechniken ist ja gerade, die Grenzen zwischen ‘vernünftigen’ und ‘unvernünftigen’/’unverantwortlichen’ Positionen zu markieren. Mit dem Werkzeug der Massenmedien ist dies mühelos zu bewerkstelligen; doch auch sonst finden sich offensichtlich immer bereitwillige Trolle, “Hiwi’s” etc., die mit zähem Eifer festzulegen suchen, welche Personen als ‘Schmuddelkinder’ anzusehen sind, mit denen (oder auch deren Bekannten) man nicht spielen, also reden darf.

Die deutschen Linken haben ja seit je eine besondere Neigung, einen “Narzißmus der kleinen Differenzen” (Freud) zu pflegen und einen Großteil ihrer Energie auf Ausgrenzungs- und Abgrenzungsarbeit zu verwenden – eine recht erfolgreiche Selbst-Zersetzungsarbeit, die den Eliten ermöglicht, sich behaglich in einen Narzißmus der großen Differenzen zum Rest der Bevölkerung einzurichten.

Das Denunziantentum – vor allem in der Anonymität sozialer Netzwerke – scheint mir mittlerweile jedoch noch eine andere, neue Qualität zu haben. Hier scheint der Humus bereitet zu werden für eine Art von Astroturfing (Wikipedia zu Astroturfing, A.M.), das darauf zielt, die eigentlich relevanten gesellschaftlich-politischen Sachfragen zu verdunkeln und zu vernebeln und soziale Bewegungen, die den Zentren der Macht gefährlich zu werden drohen, gleichsam von Innen zu vergiften und für die Öffentlichkeit zu diskreditieren. Das ist sicherlich die kostengünstigste und wirksamste Form der ‘Aufstandsbekämpfung’. Es wäre daher überraschend, wenn solche Techniken, soziale Bewegungen durch systematische Infusion geeigneter Vorwurfsgifte gleichsam von Innen zu zersetzen, nicht systematisch verfeinert würden. – In jedem Fall erscheint mir dies ein sehr ernsthaftes Problem zu sein, von dem alle sozialen Bewegungen in Zukunft zunehmend bedroht sein werden.

Um so bewundernswerter und verdienstvoller finde ich die Klarheit und Beharrlichkeit, mit der Sie in all den langen Jahren in den bisweilen getrübten Gewässern den Kurs der Aufklärung halten!

Herzliche Grüße

Rainer Mausfeld

Es folgt die von Rainer Mausfeld erwähnte Mail:

Sie erhalten eine E-Mail von:
Karin Burger
Linguistin M. A. – Publizistin
Internet: www.satiresenf.de

PRESSEANFRAGE: Vereinnahmung Ihres „Lämmer“-Vortrags durch Neurechte, Antisemiten und Verschwörungstheoretiker

Sehr geehrter Herr Professor Mausfeld,

SatireSenf.de ist ein meta-satirischer Blog im Internet, herausgegeben von der freien Journalistin und Publizistin Karin Burger. Das zentrale Thema „News & Würze zu Satire und Kabarett“ wird in der Rubrik „Hintergrundinformationen“ auch durch politische Themen und ergänzendes Wissen abgestützt. In benannter Rubrik hatte ich u. a. auch Ihren Vortrag vorgestellt, empfohlen und das Vortragsvideo eingebettet (vgl. HInfo3).

Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Wissenschaftler es schwerlich verhindern kann, von der „falschen Seite“ mit seiner Arbeit vereinnahmt zu werden. Ihr „Lämmer“-Vortrag wird aber inzwischen weitreichend auf den Webseiten, Blogs und Facebook-Accounts von Neurechten, Antisemiten und Verschwörungstheoretikern zur Abstützung von deren abstrusen Theorien „benutzt“.

In einem Fall – das Online-Magazin Free21.org – wird explizit eine „Zusammenarbeit“ mit Ihnen behauptet. Das Magazin Free21.org hat am 6. August 2015 ein Transkript Ihres Vortrags zuzüglich Anmerkungen veröffentlicht.

Der verantwortliche Redakteur bei Free21.org ist Herr Tommy Hansen. Er gehört bekennend in das Gefolge des Journalisten Ken Jebsen, für den zahlreiche antisemitische Äußerungen belegt sind. Die Webseite von Free21.org enthält in Hülle und Fülle Verlinkungen auf Videos des – meiner Meinung nach zutreffend – als „Demagoge“ kritisierten Ken Jebsen.

Das führt mich zu folgende Presseanfrage an Sie:

  1. Gibt es eine Zusammenarbeit zwischen Ihnen und dem Magazin Free21.org / Hr. Tommy Hansen?
  2. Sind Ihnen die Kritik an Free21.org / Tommy Hansen als Adlatus des Ken Jebsen sowie die belegten Antisemitismus-Vorwürfe gegen Letztgenannten bekannt?
  3. Wenn es keine „Zusammenarbeit“ (wörtliches Zitat von dem äußerst fragwürdigen Blog „Propagandaschau“) zwischen Ihnen und Free21.org gibt, haben Sie als Urheber ja sicherlich die Erlaubnis zum Abdruck Ihres Vortrags im Magazin Free21.org gegeben. Ist mit dieser Erlaubnis ein politisches Statement Ihrerseits verbunden?

Es wäre sehr freundlich, wenn Sie mir diese Presseanfrage beantworten könnten, auch wenn es sich bei SatireSenf.de nur um einen kleinen Blog handelt. Aber offensichtlich werden jetzt schon Personen, die Ihren Vortrag lobend verlinken, von den Neurechen als Gesinnungsgenossen angesprochen; so ist es mir aufgrund oben genannter Veröffentlichung schon widerfahren.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Karin Burger

Redaktion SatireSenf.de

Nachtrag Albrecht Müller: Die Lektorin Burger pflegt die gleiche Methode, die Sie auch im Text des Wolfgang Storz in der erwähnten Otto Brenner Stiftungs-Studie finden.


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