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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 1. Oktober 2015 um 8:36 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (RS/AM)

Hier die Übersicht. Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert.

  1. Russland fliegt Angriffe in Syrien – aber gegen wen?
  2. Kriegskampagne auf Spiegel Online
  3. Weiter scheitern
  4. Das Stellvertreter-Scheitern
  5. Pegida und Flüchtlingsandrang – Kanada warnt vor Reisen nach Ostdeutschland
  6. Angst und Integration
  7. Sachsen: AfD in neuer Umfrage gleichauf mit SPD
  8. Freihandelsabkommen: Höchste Standards sichern – Billig-Strategien verhindern
  9. TTIP transparent machen: Bundestagsabgeordnete demonstrieren für Zugang zu TTIP-Dokumenten
  10. IWF-Studie: Schwächung von Gewerkschaften verschärft Ungleichheit
  11. Die “Neue Soziale Marktwirtschaft” und der Werkvertrag im Land der Spezialisten
  12. Wie eine zugespitzte Überschrift einen Kurssprung auslöste
  13. Fall Schottdorf – Ministerin Merk in Erklärungsnot
  14. Gesundheitliche Kosten der VW-Manipulation
  15. Justizminister Maas will Weg frei machen für Sammelklagen
  16. Eltern-Entlastungs-Klage vor dem Bundessozialgericht – Kein Rabatt für Eltern
  17. Bundesnachrichtendienst muss Verrat verraten
  18. 635.000 Euro: Kachelmann erstreitet höchstes Schmerzensgeld aller Zeiten gegen Bild

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Russland fliegt Angriffe in Syrien – aber gegen wen?
    • Die russische Luftwaffe greift zum ersten Mal Stellungen in Syrien an.
    • Die Nato und US-Außenminister Kerry kritisieren das Vorgehen.
    • Darüber, ob tatsächlich die Terrormiliz IS oder syrische Rebellen bombardiert werden sollen, gibt es widersprüchliche Aussagen.
    • Aktivisten berichten von mindestens 35 Toten, darunter Frauen und Kinder.

    Moskau beginnt Luftangriffe Syrien

    Russland hat mit Luftangriffen auf Syrien begonnen. Russische Kampfjets seien dabei, Positionen der Extremisten-Miliz “Islamischer Staat” (IS) in der Region Homs zu bombardieren, meldete das Verteidigungsministerium in Moskau. Das Parlament in Moskau hatte erst wenige Stunden zuvor Präsident Wladimir Putin die Erlaubnis zu einem Militäreinsatz im Ausland erteilt.
    Nato kritisiert russisches Handeln
    Die Nato hat das russische Handeln in Syrien kritisiert. Die Unterstützung Russlands für den syrischen Machthaber Baschar al-Assad sei “nicht konstruktiv”, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter der Militärallianz am Mittwoch in Brüssel: “Assad ist Teil des Problems.” Er zitierte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit der Warnung, neue militärische Aktionen dürften nicht im Konflikt zu den von den USA geleiteten Einsätzen gegen den IS stehen. Seit Monaten greift eine internationale Allianz Stellungen des IS in Syrien und im benachbarten Irak aus der Luft an.
    Quelle: SZ

    Anmerkung Albrecht Müller: So oder ähnlich berichten die deutschen Medien und kommentieren sie auch. Interessant, zum Beispiel bei heute ZDF, die Personalisierung auf Putin. Zur Schärfung des Urteils als zusätzliche Information ein Interview mit Jürgen Todenhöfer:

    „Inside IS“: Jürgen Todenhöfer über Assad, Terrormiliz und „dumme Strategien“
    Apropos Syrien: Der Publizist und ehemalige CDU-Abgeordnete Jürgen Todenhöfer hat nicht nur mit Präsident Assad gesprochen, in seinem aktuellen Buch „Inside IS“ beschreibt er auch seine Begegnung mit den Kämpfern des Islamischen Staates in Syrien. Alle bisherigen Anti-IS-Strategien sind nach seiner Ansicht unwirksam. Ein Interview.
    Herr Todenhöfer, am Rande der aktuellen UN-Vollversammlung haben Russlands Präsident Putin und US-Präsident Obama über das Vorgehen in Syrien gesprochen. Streitpunkt ist weiterhin, ob Syriens Präsident Assad in einen möglichen Friedensprozess mit einbezogen werden soll. Die USA wollen stattdessen lieber die Opposition im Kampf gegen den IS stärken. Welche Taktik kann Ihrer Meinung nach aufgehen?
    Ich finde, dass man im Kampf gegen den IS, den ich für einen Menschheits- und Islamfeind halte, alle Kräfte bündeln muss. Und das Wichtigste ist im Augenblick, dass man verhindert, dass Saudi Arabien, Kuweit und Katar den Terroristen in Syrien weiter Geld und Waffen liefern. Das ist das Allerwichtigste. Und wenn man gegen eine Terroristenarmee dieser Größe kämpft, dann muss man alle Kräfte zusammenfassen, das ist wirklich selbstverständlich. Ich habe sehr viele Freunde in der syrischen Opposition.
    Quelle: sputniknews

    Weitere Anmerkung A.M.: Eine Gegenposition kommt von Nils Minkmar:

    Verhandlungen mit Assad
    Immer das gleiche miese Spiel
    Ein Debattenbeitrag von Nils Minkmar
    Jetzt soll wieder mit ihm geredet werden: Kommen uns Flüchtlinge oder Terror zu nahe, sind Diktatoren wie Syriens Assad plötzlich nicht mehr so schlimm. Wollen wir wirklich so schwach sein?
    (…)
    Unter Druck greifen Politiker zu den Mitteln, die sie schon kennen. Verunsichert eine nie dagewesene Flüchtlingswelle Europa, rufen sie nach Grenzern und Grenzanlagen. Obwohl wir die nicht mehr haben. Obwohl diese Maßnahme niemanden aufhalten wird.
    Und wenn es um den Nahen und Mittleren Osten geht, wenn das Öl knapp wird, der Terror zu nahe kommt oder die Menschen aus den dortigen, unterversorgten Flüchtlingslagern fliehen, dann ergreift der Westen immer dieselbe Maßnahme: Er stützt ein diktatorisches Regime, damit es das Problem nicht löst, aber einige Jahre aus den Nachrichten hält.
    Manchmal geschieht das mit militärischen Mitteln, mit Luftschlägen oder Waffenlieferungen, das strategische Ziel, das in Wahrheit doch bloß Taktik ist, bleibt gleich: Irgendjemand soll dort für Ruhe sorgen.

    Gegen den einen Diktator bringen wir den anderen in Stellung

    So geht das seit Jahrzehnten. 1953 stürzten ein amerikanischer Agent namens Kermit Roosevelt und ein Brite namens Monty Woodhouse den demokratisch gewählten, demokratisch gesinnten Premier von Persien, Mohammed Mossadeqh. Der junge Schah Mohammed Reza Pahlevi kam an die Macht, hielt die Kommunisten fern und die Ölleitungen offen. Er erwies sich auch als ruchloser Foltermeister und brutaler Unterdrücker seines Volks. Als er 1979 durch die islamische Revolution gestürzt wurde, brauchte man schleunigst einen Verbündeten, um das Mullah-Regime in Schach zu halten. Das wurde Saddam Hussein, der auch ein Virtuose der Folter war und die Kurden mit Giftgas ermordete, aber kein Islamist.
    Es braucht recht wenig, um ein Alliierter des Westens zu werden. Also erhielt er eine ganze Weile lang Hilfe aus den Vereinigten Staaten und vor allem aus Frankreich, wo sich wichtige Politiker seiner Freundschaft rühmten. Der damals noch laizistisch gesinnte Militärherrscher wurde gegen die fanatischen Schiiten in Teheran ins Feld geführt. Es ist dieselbe politische Logik, nach der gerade die Herrscher in Algerien und in Ägypten gestützt werden.
    Für die autoritären, aber nicht offen islamistischen Machthaber im arabischen Raum sind islamistische, paramilitärische Terrorgruppen eine Lebensversicherung. Und wir wundern uns, dass diese Form des Terrorismus Jahr um Jahr weiter fortbesteht, eher noch schlimmer wird?
    Das ist das Spiel, dass das Leben von Millionen Menschen am Mittelmeer, der arabischen Halbinsel und in der Region drumherum vergiftet hat.
    Gegen den einen Diktator bringen wir den anderen in Stellung oder halten an ihm fest, wenn seine Gegner sich als noch schlimmer erweisen. Die Älteren mögen sich noch an das Jahr 2008 erinnern. Da war Assad ein geschätzter Gesprächspartner des Westens. Er stand am 14. Juli 2008 an der Seite von Nicolas Sarkozy auf der Tribüne am oberen Ende der Champs-Élysées in Paris und nahm die Militärparade ab. Damals stand ihm alles offen, er hätte als Mandela des Nahen Ostens in die Geschichtsbücher eingehen können. Nun ist er nur noch ein Fall für den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.
    Quelle: Spiegel-Online

    Anmerkung Albrecht Müller: In der Tat kommen wir zum Beispiel im Falle Syriens nicht darum herum, abzuwägen, bei welcher Entscheidung die Folgen weniger schlimm sind. Diese Abwägung wird aus meiner Sicht von Jürgen Todenhöfer verantwortlicher betrieben als von dem geschätzten Nils Minkmar.

  2. Kriegskampagne auf Spiegel Online

    Vorbemerkung von J.K.: Wahnsinn, das ist wieder eine Kampagne, da ist man sprachlos. Man fragt sich nur was wollen die Hetzer des Spiegel? Keine Verhandlungen mit Assad, keine Verhandlungen mit Putin. Was dann? Dann wird der Bürgerkrieg ewig weiterlaufen. Vor allem: wie stellen sich die “Qualitätsjournalisten” des Spiegel die Situation eigentlich vor? Assad ist der Verbündete Russlands im Nahen Osten. Der Westen bzw. die USA wollen Assad stürzen und Russland sieht dabei zu und dreht Däumchen?  Putin wird Assad nicht fallen lassen. Wie soll der Bürgerkrieg dann gelöst werden? Brechen die rudimentären staatlichen Strukturen, die durch das Assad-Regime noch aufrechterhalten werden zusammen, hat man die gleiche Situation wie im Irak, dann wird Syrien an den IS fallen und man hat ein noch viel größeres Problem. Vielleicht legen die “Qualitätsjournalisten” des Spiegel uns einmal ihre Lösungsstrategie dar?

  3. Weiter scheitern
    Deutsche Politiker und Militärs fordern die Verlängerung oder gar die erneute Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan zu einem Kampfeinsatz. Die im nordafghanischen Mazar-e-Sharif stationierten deutschen Soldaten sollten nicht im Frühjahr, sondern erst Ende 2016 abgezogen werden, äußern Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen und hochrangige Außen- und Militärpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion.
    Die Bundeswehr müsse darüber hinaus auch wieder an Kampfeinsätzen der afghanischen Streitkräfte teilnehmen, verlangt General a.D. Egon Ramms, einst einer der einflussreichsten deutschen Militärs bei der NATO. Anlass ist die zu Wochenbeginn erfolgte Eroberung von Kunduz durch die Taliban, die am gestrigen Mittwoch selbst durch NATO-Spezialkräfte – darunter nach Medienberichten deutsche – zunächst nicht aus der Stadt vertrieben werden konnten. Die Forderung nach einer erneuten Ausweitung des Bundeswehreinsatzes am Hindukusch erfolgt, obwohl unter Beobachtern weithin Einigkeit herrscht, dass der 13 Jahre währende NATO-Einsatz gescheitert ist: Die Wirtschaft des Landes befindet sich im freien Fall, die Regierung ist zerstritten, die Kämpfe im Land weiten sich aus, totale Perspektivlosigkeit treibt immer mehr Menschen auf die Flucht.
    Quelle: German-Foreign-Policy
  4. Das Stellvertreter-Scheitern
    Der Aufbau des jungen Staates Südsudan ist fehlgeschlagen. Der Westen hat frühe Anzeichen dafür beharrlich ignoriert.
    Es ist dieser Tage viel von der Zukunft junger Menschen in anderen Regionen als Europa die Rede. Wie deren Perspektive aussieht, lässt sich beispielhaft am Fall des Südsudan diskutieren. Der Blick dorthin ist aus zwei Gründen reizvoll: Der Südsudan wurde nach einem drei Jahrzehnte dauernden Unabhängigkeitskrieg erst 2011 gegründet. Er ist damit der jüngste Staat der Welt. Jung ist das Land auch mit Blick auf seine rund zwölf Millionen Bewohnerinnen und Bewohner: Die Hälfte von ihnen ist jünger als 16 Jahre. Bei einem Wachstum von vier Prozent hält dieser Trend an, der Anteil der jungen Menschen wird weiter steigen.
    Ein junger Staat also, mit vielversprechender Zukunft? Leider nein. Kaum gegründet, ist der Südsudan schon wieder am Ende, und seiner Bevölkerung droht dasselbe Schicksal.
    Quelle: Internationale Politik und Gesellschaft
  5. Pegida und Flüchtlingsandrang – Kanada warnt vor Reisen nach Ostdeutschland
    Der Flüchtlingsandrang und der große Zulauf für die ausländerfeindliche Pegida-Bewegung zeigen international Wirkung. Kanada sorgt sich um seine Bürger. Eine Reisewarnung der Regierung sorgt in Sachsen aber für Empörung.
    Darin ist die Rede von extremistischen Jugendbanden, die in Teilen Ostdeutschlands eine Bedrohung darstellten. Mitglieder solcher Gangs seien bekannt dafür, Personen wegen ihrer Rasse oder ihres ausländischen Aussehens zu belästigen oder direkt zu attackieren. Auch habe es schon Brandanschläge auf parkende Fahrzeuge gegeben.
    Quelle: Handelsblatt
  6. Angst und Integration
    Es ist nicht immer einfach mit der Zuwanderung. Das muss die Politik den Menschen auch sagen. Doch die Ausführungen einzelner Politiker tragen vor allem dazu bei, bei manchen Menschen die pauschale Abwehr gegen Zuwanderer im Allgemeinen zu bestärken. Ein Kommentar.
    Quelle: FR

    Anmerkung Albrecht Müller: Der Kommentator verharmlost das Problem.

  7. Sachsen: AfD in neuer Umfrage gleichauf mit SPD
    Die rechtspopulistische AfD liegt in Sachsen in einer Umfrage erstmals gleichauf mit der SPD. Beide Parteien kommen nach einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage für den MDR von Infratest dimap auf je 13 Prozent. Bei der Landtagswahl im August 2014 war die AfD mit einem Ergebnis von 9,7 Prozent erstmals in den Dresdner Landtag eingezogen. In der Umfrage sinkt die CDU im Vergleich zum Landtagswahlergebnis um 1,4 Punkte auf 38 Prozent. „Die Linke“ verliert 1,7 Punkte auf 17 Prozent. Während die SPD leicht verliert, können die Grünen marginal zulegen und kommen auf sieben Prozent.
    Auch die rechtsextreme NPD stünde mit fünf Prozent möglicherweise vor dem Einzug in den Landtag, wenn am kommenden Sonntag Wahlen wären. Sachsen gilt derzeit als das Bundesland mit den stärksten fremdenfeindlichen Strömungen. Hier entstand die islamfeindliche Pegida-Bewegung, die dort auch ihren größten Zulauf hat.
    Quelle: FAZ
  8. Freihandelsabkommen: Höchste Standards sichern – Billig-Strategien verhindern
    Diskussionen um Freihandelsabkommen – in erster Linie TTIP, CETA und TISA – erhitzen derzeit die Gemüter. Schon in der Vergangenheit waren solche Abkommen immer wieder Anlass für zivilgesellschaftlichen Protest. Nicht zuletzt für die globalisierungskritische Bewegung waren und sind Freihandels-Verhandlungen zentrale politische Bezugspunkte. Das hat durchaus seinen Grund: Zwar erwecken Politik und Medien häufig und gerne den Eindruck, Globalisierung sei gewissermaßen vom Himmel gefallen. Oder aber sie sei auf quasi automatische technologische Entwicklungen zurückzuführen, gegen die Politik nicht ankomme. Tatsächlich aber ist die globale Freihandelspolitik eine der wesentlichsten Grundlagen für “Globalisierung”: Es waren politische Entscheidungen und Abkommen, die zu einem immer freieren Kapital-, Zahlungs-, Waren- und Dienstleistungsverkehr, zu Privatisierungen und Liberalisierungen führten.
    Quelle: annotazioni.de
  9. TTIP transparent machen: Bundestagsabgeordnete demonstrieren für Zugang zu TTIP-Dokumenten
    Gemeinsam mit Mehr Demokratie und Greenpeace haben heute Bürger/innen und Bundestagsabgeordnete von Grünen, Linkspartei und SPD vor dem Bundeskanzleramt mit Transparenten und Schildern Zugang zu den vollständigen TTIP-Verhandlungsdokumenten gefordert. Die zentrale Forderung lautete: „TTIP transparent machen – Abgeordnete fordern Leserecht“. Zugleich verwiesen die Demonstrierenden auf die selbstorganisierte EU-Bürgerinitiative “Stop TTIP” und auf die am 10. Oktober in Berlin geplante Groß-Demo „Stop TTIP und CETA“.
    Quelle: Mehr Demokratie
  10. IWF-Studie: Schwächung von Gewerkschaften verschärft Ungleichheit
    “In praktisch allen Industrieländern hat die Einkommensungleichheit seit den 1980er Jahren stark zugelegt. Erklärt wird diese Zunahme häufig – gerade von neoklassisch ausgerichteten Ökonomen – mit dem technologischen Wandel und der Globalisierung.
    Technologischer Wandel (genauer: so genannter “skill-biased technical change”) drücke die Lohnschere in beide Richtungen auseinander: er begünstige hochqualifizierte Arbeitnehmer, da ihre Fähigkeiten technologisch bedingt noch “wertvoller” würden, und er setze die Löhne in niedrig qualifizierten Berufen unter Druck, weil ihre Arbeit zunehmend durch Maschinen ersetzt werden könne. Im Zuge von Globalisierung vertiefe sich zudem die globale Arbeitsteilung auch da, wo menschliche Arbeit nicht durch Maschinen sondern durch schlechter bezahlte Menschen ersetzt werde.
    Als weiterer Grund für die Ungleichheitszunahme werden oft “institutionelle” Gründe genannt (wobei diese Unterscheidung nicht zu der Fehlannahme verleiten sollte, dass etwa Globalisierung ein Phänomen jenseits politischer Steuerbarkeit sei). Zu institutionellen Faktoren im engeren Sinne jedenfalls werden beispielsweise Steuersenkungen gezählt, die zunächst einmal die Verteilung der Nachsteuereinkommen betreffen. Doch auch Steuersenkungen können sich auf die sogenannte Primärverteilung auswirken, also Markteinkommen noch vor Steuern beeinflussen: So führte die schrittweise Absenkung von Spitzensteuersätzen in den USA oder Großbritannien – von Sätzen zeitweise über 80 bzw. 90 % in den 1960er und 70er-Jahren auf Werte um die 40% – ziemlich sicher auch zu einem Anstieg von Spitzeneinkommen vor Steuern: Vorher wurden bestimmte Spitzengehälter schlicht nicht gezahlt.
    IWF-Studie zur Rolle von Gewerkschaften
    Neben Steuerpolitik oder auch der Deregulierung von Arbeitsmärkten und Finanzmärkten rückt aber in letzter Zeit ein weiterer institutioneller Faktor in den Fokus der Ungleichheitserklärungen: Die Rolle von Gewerkschaften. Eine im Juli veröffentlichte Studie des IWF untersucht den Zusammenhang zwischen Ungleichheitszunahme und gewerkschaftlichem Organisationsgrad im internationalen Vergleich. Ihr Befund: Es besteht ein enger statistischer Zusammenhang zwischen beiden Merkmalen – je höher der gewerkschaftliche Organisationsgrad, also die Zahl an Gewerkschaftsmitgliedern relativ zur Arbeinehmer/innenschaft, desto niedriger die Ungleichheit in einem Land.”
    Quelle: Verteilungsfrage.org
  11. Die “Neue Soziale Marktwirtschaft” und der Werkvertrag im Land der Spezialisten
    Weil Deutschland das Land der Spezialisten ist, wirbt die INSM für Werkverträge. „Werkverträge sind gute Arbeit!“ lautet denn auch die Überschrift ihres Faltblattes. Warum wirbt die INSM derart massiv für Werkverträge? Die Antwort ist einfach: Weil immer mehr normale Arbeitsplätze in Arbeitsplätze umgewandelt werden, die von Werkvertragsnehmern ausgefüllt werden, obwohl deren Tätigkeit mit der ursprünglichen Intention des Werkvertrages, nämlich eine ganz bestimmte Aufgabe einmalig von einem Spezialisten ausführen zu lassen, nichts zu tun hat. Gibt man dem Arbeitnehmer einen Werkvertrag, spart man sich nicht nur die Sozialbeiträge, man kann ihn auch jederzeit wieder loswerden, weil man das Werk ja so definieren kann, dass es fast beliebig kurze Fristen sind, in denen man jemanden arbeiten lässt. Werkvertragsnehmer sind im Grunde überhaupt nicht an das Unternehmen gebunden, in dem sie arbeiten, weil sie formal ja Selbständige sind. Sie lassen sich folglich kaum gewerkschaftlich organisieren und können, weil sie vollkommen von ihren kurzlaufenden Verträgen abhängen, jederzeit als Drohpotential gegen die Stammbelegschaft eingesetzt werden. …
    Quelle: flassbeck-economics
  12. Wie eine zugespitzte Überschrift einen Kurssprung auslöste
    Manchmal reibt man sich die Augen, über die Wirkung vermeintlich harmloser Worte. Ein wunderschönes Beispiel gab es gestern zu bestaunen. Da gibt CDU-Parteichef Armin Laschet der WAZ ein Interview, sagt einen mehr oder weniger unüberlegten Satz über den Energieriesen RWE, die Zeitung spitzt den Satz ein wenig zu – und einen Tag später schießt der Aktienkurs von RWE steil nach oben.
    Quelle: WDR
  13. Fall Schottdorf – Ministerin Merk in Erklärungsnot
    Andreas Harz und Brigitte Schroeder sind hochrangige Beamte, ihre Seriosität steht außer Zweifel und ihr Wort hat Gewicht. Was sie am Montag und Dienstag als Zeugen im Untersuchungsausschuss Labor ausgesagt haben, bringt die ehemalige Justizministerin Beate Merk (CSU) und manchen Generalstaatsanwalt in akute Erklärungsnot.
    Wenn es stimmt, was der Vorsitzende Richter am Landgericht und die Richterin am Oberlandesgericht den Landtagsabgeordneten berichteten, dann haben Merk und ihre Untergebenen im Jahr 2010 vor dem Landtag gleich mehrmals falsche Angaben gemacht.
    Quelle: SZ
  14. Gesundheitliche Kosten der VW-Manipulation
    “Da hat man sich jahrelang über die statistischen Betrügereien der Griechen empört, mit denen sie sich in den Euro geschummelt hatten – ein untrügliches Zeichen für den Unterschied der griechischen und deutschen Wirtschaftsmoral. Diese Griechen. Und nun der VW-Skandal. VW und vielleicht auch andere Konzerne haben sich, wie inzwischen hinreichend in den Medien ausgebreitet, die Zulassung ihrer Autos durch Datenmanipulationen bei den Abgaswerten erschlichen wie seinerzeit die Griechen die Zulassung zum Euro. Hier wie dort waren die Dinge im Prinzip schon lange bekannt, mehr oder weniger. Über die Grundsatzproblematik wurde vor mehr als 10 Jahren sogar schon im Bundestag debattiert (Drucksache Drucksache 15/913).
    Dummerweise können wir uns nicht einmal damit trösten, dass die VW-Dieselautos im Unterschied zur griechischen Wirtschaft wenigstens ordentlich funktionieren, das tun sie ja gerade nicht. Sie jagen im Normalbetrieb deutlich zu viel Dreck in die Luft und verursachen somit auch mehr Krankheitslast als unter Einhaltung der Grenzwerte gesellschaftlich akzeptiert war. Vielleicht rechnet ja mal ein Umweltepidemiologe aus, wie viele vorzeitige Sterbefälle zusammen mit den wahren Abgaswerten unterschlagen wurden, in Deutschland, in den USA, weltweit. Ausgehend von Daten der amerikanischen Environmental Protection Agency zu stickoxidbedingten Sterbefällen gibt es erste Schätzungen, die mit erheblichen Spannbreiten auf bis zu 30 Fälle in den USA und bis zu 400 Fälle weltweit kommen – jährlich. Verglichen mit vielen anderen Risikofaktoren ist das nicht viel, aber dennoch: Diese Sterbefälle hätte VW durch Einhaltung der Abgasgrenzwerte vermeiden können. Darüber hatte Herr Winterkorn bei seinen diversen Entschuldigungen übrigens kein Wort verloren, vermutlich, weil der finanzielle Verlust systemrelevanter ist als der Verlust an Menschenleben.”
    Quelle: ScienceBlogs
  15. Justizminister Maas will Weg frei machen für Sammelklagen
    In Deutschland klagt bislang jeder Verbraucher für sich allein, das soll sich ändern. Verbraucherschützer sehen Chancen für Schadensersatz im Abgas-Skandal bei VW.
    Quelle: Tagesspiegel
  16. Eltern-Entlastungs-Klage vor dem Bundessozialgericht – Kein Rabatt für Eltern
    Eltern müssen bei Sozialversicherungsabgaben nicht entlastet werden. Das hat am Mittwoch das Bundessozialgericht entschieden. Geklagt hatte eine Familie aus Freiburg.
    Nach Ansicht des Bundessozialgerichts in Kassel müssen Eltern bei den Sozialversicherungsbeiträgen nicht weiter entlastet werden. Die geltenden Vorschriften verstößen nicht gegen die Verfassung. Gegenüber Kinderlosen seien Paare mit Kindern bei der Sozialversicherung nicht benachteiligt.
    Quelle: SWR
  17. Bundesnachrichtendienst muss Verrat verraten
    Die Regierung mauert – doch jetzt hat das höchste Verwaltungsgericht das Kanzleramt zu Auskünften über Geheimschutzverstöße beim BND verpflichtet
    Der Bundesnachrichtendienst (BND) muss künftig öffentlich berichten, in welchem Umfang Geheimnisse aus seinem Bereich nach außen gedrungen sind. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat das für die Aufsicht über den Nachrichtendienst zuständige Kanzleramt aufgrund einer Eilklage des Tagesspiegels verpflichtet, Auskünfte über Zahl und Zeitpunkte von Geheimschutzverstößen beim BND zu erteilen, etwa, wenn interne, als „geheim“ oder „vertraulich“ eingestufte Dokumente an Medien gelangt sind (BVerwG 6 VR 2.15).
    Quelle: Tagesspiegel
  18. 635.000 Euro: Kachelmann erstreitet höchstes Schmerzensgeld aller Zeiten gegen Bild
    Das Landgericht Köln hat heute über den Schmerzensgeldstreit zwischen Jörg Kachelmann und dem Medienhaus Axel Springer entschieden und wie erwartet zugunsten des Meteorologen entschieden. Allerdings fiel die Entschädigung mit 635.000 Euro wesentlich geringer aus als die von Kachelmann geforderte Rekordsumme in Höhe von 2,25 Millionen Euro – trotzdem ist sie die höchste, die jemals in Deutschland gezahlt wurde.
    Quelle: MEEDIA

    Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das hier:

    Axel Springer sieht Journalismus nur als Vehikel für Werbung
    Der Werbeblocker Adblock Plus hat einen weiteren Prozess gegen Medien gewonnen. In dem Verfahren vertrat der Verlag Axel Springer eine sehr ehrliche Auffassung, wozu ihm Journalismus dient und was er von Adblock-Nutzern hält. […]
    Nach Angaben von Eyo erklärte die Springer-Anwälte dem Gericht in einem Schriftsatz:

    “Das Kerngeschäft der Klägerin ist die Vermarktung von Werbung. Journalistische Inhalte sind das Vehikel, um die Aufmerksamkeit des Publikums für die werblichen Inhalte zu erreichen.”

    Für den Schutz dieses Kerngeschäfts habe der Verlag im Verfahren gerichtliche Hilfe gesucht und gefordert, es solle keinem Produkt erlaubt sein, Werbeanzeigen im Internet zu blockieren. Damit wandten sich die Springer-Anwälte explizit gegen eine Entscheidung des Landgerichts Hamburgs. Dieses hatte im April 2015 darauf verwiesen, dass Werbeblocker nicht das Kerngeschäft von Medien, die Vermittlung journalistischer Inhalte, beeinträchtigten.
    Quelle: golem.de

    Anmerkung AT: Das mit dem Journalismus ist also gar nicht so ernst gemeint. Dennoch möchte Springer in Sachen Kachelmann-Entschädigung in Berufung gehen. Begründung: „da wir unsere umfassende Berichterstattung über das Strafverfahren gegen Jörg Kachelmann nicht auf diese Weise diskreditiert sehen möchten“. Das ist wohl Springer-Dialektik.


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