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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 21. November 2007 um 9:45 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Peter Bofinger: “Die Euro-Aufwertung trifft die Wirtschaft am kritischen Punkt”
    “Man kann nicht einerseits sinkende Lohnnebenkosten fordern, um Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen – und andererseits beteuern, die Wirtschaft könne steigende Euro-Kurse locker verkraften. In Yen und in Dollar gerechnet erhöht die Aufwertung des Euro die Kosten der Unternehmen genauso wie ein Anstieg von Löhnen oder Sozialabgaben. Und seit wann sind steigende Kosten für Unternehmen irrelevant?”
    Quelle: SPIEGEL
  2. »Steuertransparenz« und Managerlatein
    Mit dem »Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen« (MoRaKG) hat die Bundesregierung neben der erst kürzlich verabschiedeten »Unternehmenssteuerreform 2008« ein weiteres Projekt nach dem Motto »Wer da hat, dem wird gegeben « in Angriff genommen. Begünstigte dieses Vorhabens werden große Teile der Private Equity Branche und ihrer Manager sowie die Fondsanleger sein. Da nicht nur das Treiben der Private Equity Branche durch die Heuschreckendebatte hier zu Lande, sondern auch deren Steuerprivilegien in den USA und Großbritannien arg in die Kritik geraten sind, müssen der vielgepriesene deutsche Mittelstand und jene Existenzgründer, von denen technologisches Innovationspotenzial erhofft wird, für einen positiven Begründungszusammenhang herhalten. Wer aber glaubt, dass für diese so gern als Hoffnungsträger der deutschen Wirtschaft bezeichneten Unternehmen und Wirtschaftspioniere auch etwas vom Kuchen abfällt, wird sich getäuscht sehen. So sollen bisher geltende Verbote hinsichtlich der Beteiligung von Private Equity Fonds an bestimmten Unternehmen fallen. Hierdurch würde ein weiterer Teil der Unternehmenslandschaft zur Verwertung durch die Fonds freigegeben. Von Raoul Didier und Axel Troost.
    Quelle: Linksnet

    Anmerkung: Einige Kapitelüberschriften mögen einen Eindruck davon geben, was mit diesem Gesetz wieder einmal angerichtet worden ist:

    • Steuerfrei, weil vermögensverwaltend
    • Je dreister die Steuergeschenke, desto lyrischer die Begriffe
    • Wie die Engel (gemeint sind die »Business Angel«, KR) in das Steuerrecht einziehen und den Reichen Segen spenden
    • Wie die »Management Fee« der Umsatzsteuer entgeht
    • Die verschärfte Mantelkaufregelung – wie eine sinnvolle Maßnahme exklusiv für die Branche wieder ausgehebelt wird
  3. Neues aus dem Casino: Märkte entdecken die Krise neu
    Die Präsidenten des Bundesverbandes deutscher Banken und des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Klaus-Peter Müller und Heinrich Haasis, erachten es als “viel zu früh”, jetzt schon Entwarnung zu geben. Haasis schlug vor, dass Kredite künftig nur noch eingeschränkt weiterverkauft werden dürfen. “Jeder Verkäufer sollte mit einer gewissen Tranche selbst engagiert bleiben”, sagte er. Das verhindere allzu laxe Kreditvergaben und schaffe Vertrauen bei potenziellen Käufern. Das Bundesfinanzministerium schätzt den Abschreibungsbedarf bei Banken weltweit auf 250 Milliarden Euro. Davon seien aber erst 50 Milliarden ausgewiesen worden.
    Quelle: FR
  4. Bahnstreik: Deutsche dafür! Deutsche dagegen!
    Die Schlagzeile “Bundesbürger haben kein Verständnis”, vom Auftraggeber aus einer Forsa-Umfrage destilliert, ist schlicht eine Übertreibung, oder sagen wir es deutlich: eine Lobbyisten-Lüge. In der Forsa-Umfrage werden die Befragten offenbar regelrecht geführt – eine Frage führt zur nächsten hin, und die Ergebnisse sind entsprechend. Hinter der Umfrage, die ein klares “Jetzt ist genug!” herausgehört hat, steht als Auftraggeber ein ominöser Think Tank: berlinpolis. Nach eigenen Angaben “eine bundesweit tätige Denkfabrik (übersetze: Beratungsbüro, J.E.) mit Sitz in Berlin. Ziel und Vision ist die Beschleunigung politischer Veränderungen.” Gründer und Geschäftsführer ist Daniel Dettling, Sohn des ehemaligen CDU-Politikers und heutigen Publizisten Warnfried Dettling; in ihrer Unternehmensmappe (Stand: September 2005) nennt die berlinpolis GmbH als Kunden u.a. die “Initiative Neue Soziale Marktwirktschaft”, das Wirtschaftsministerium, IBM, die Berliner Senatskanzlei und die Robert-Bosch-Stiftung.
    Quelle: HR-Blog
  5. Kampfansage
    Im öffentlichen Dienst braut sich was zusammen: Der Landesbezirk von verd.di im Südwesten fordert 9,4 Prozent und mindestens 214 Euro mehr. Schließlich hätten auch die Abgeordneten des Bundestags kürzlich für sich selbst Diätenerhöhungen von 9,4 Prozent beschlossen. Die Begründung der Parlamentarier, sie wollten nach einer mehrjährigen Pause wieder am Produktivitätsfortschritt teilhaben, gelte ebenso für die Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst. Die »Arbeitgeber« wollen eine Arbeitszeitverlängerung.
    Quelle: Junge Welt
  6. Hungerlöhne auf Staatskosten
    Gisela R. (Name von der Redaktion geändert) arbeitet für 4,10 Euro die Stunde, ohne Arbeitsvertrag und ohne Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bei Urlaub. Wenn eine Behörde ihre Arbeitsbedingungen prüft, soll sie ihren Stundenlohn verschweigen, hat ihr Arbeitgeber sie angewiesen. Gisela R. ist Zustellerin bei der PIN AG, die der Deutschen Post Konkurrenz macht. Etwa die Hälfte ihrer Kollegen beantrage zusätzlich zum Lohn Hartz IV, weil das Geld zum Leben nicht reiche, schätzt R. So finanziert der Steuerzahler das Lohn-Dumping der Post-Konkurrenz.
    Quelle 1: ZDF – Frontal21 (Text)
    Quelle 2: ZDF-Mediathek (Video)
  7. “Mehdorn schwimmen die Felle davon”
    Verkehrsforscher Heiner Monheim sieht einen engen Zusammenhang zwischen Bahnstreik und Privatisierung: „Schienenverkehr ist ein zentraler Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge mit einem verkehrs- und klimapolitischen Auftrag. Den hat der Eigentümer sträflich vernachlässigt. Die Bahn hat viel zu wenig in die Netze der Regionen investiert und die InterRegios abgeschafft. So kam es zu großen Synergieverlusten und Nachfrageeinbrüchen. Aber die Politik guckt seit 12 Jahren dem Rückzug aus der Fläche tatenlos zu. Die Bahnführung macht, was sie will. Eine große verkehrs- und bahnpolitische Debatte hat es seit der Bahnreform nicht gegeben.“
    Quelle: TAZ
  8. Hamburg: GAL und Linke wollen Kontrolle über Netze
    Kommen Strom und Gas bald wieder vom Staat? GAL und Linke wollen die Kontrolle über Hamburgs Versorgungsnnetze zurückholen. Auch die SPD spielt mit diesem Gedanken. Vattenfall und E.on sollen sogar von einem neuen staatlichen Energieversorger Konkurrenz bekommen! Startpunkt der Energiewende könnte 2008 sein. Denn dann könnten die drei Parteien vielleicht eine Bürgerschaftsmehrheit haben.
    Quelle: Hamburger Morgenpost
  9. Schlappe für Privatisierer
    Leipzig muß den Verkauf der Stadtwerke vorerst zurückstellen. Am 27. Januar gibt es erst einmal einen Bürgerentscheid.
    Quelle: Junge Welt
  10. Energieriesen auf Einkaufstour: Wie Unternehmen Politiker abwerben
    Eine noble Adresse in Düsseldorf, auch der Stromkonzern EnBW sitzt hier. Genau hier trifft sich letzten Samstag die SPD. Sogar der SPD-Umweltstaatssekretär aus Berlin kommt. Es geht um das Thema Energie. Der Hausherr von EnBW ist übrigens auch Genosse, Axel Horstmann. Man ist per Du hier.
    Axel Horstmann 2002. Er leistet seinen Eid als Energieminister in NRW. Seine Aufgabe: Für mehr Wettbewerb auf dem Energiemarkt sorgen. Und was macht Horstmann heute? Der Stromriese EnBW will seine Aktivitäten in NRW verstärken. Helfen soll Ex-Minister Horstmann, weil er, so die EnBW, über langjährige berufliche Erfahrungen in der Kommunalwirtschaft- und verwaltung verfüge.
    Quelle 1: ARD – Report Mainz (Text)
    Quelle 2: ARD – Report Mainz (Video)
  11. Abgeordnete und das Transparenzgesetz: Mehrzahl der Juristen macht keine Angaben zu Nebenverdienst
    Rund 80 Prozent der Bundestagsabgeordneten, die neben ihrem Mandat als Juristen tätig sind, machen keine Angaben über die Höhe ihrer Nebeneinkünfte. Das geht aus einer heute veröffentlichten Studie des Beratungsunternehmens Deducto aus Neunkirchen hervor.
    Quelle 1: ZDF – Frontal21 (Text)
    Quelle 2: ZDF-Mediathek (Video)

    Anmerkung: Aufmerksamen Lesern/innen von Nachdenkseiten, LobbyControl, etc. ist dieses Thema bereits seit einiger Zeit bekannt. Dass jetzt auch das ZDF über diese Thematik berichtet und dabei auch den Bundesinnenminister a.D. Otto Schily sowie seine Tätigkeiten in der Biometrischen Erkennungsbranche unter die Lupe nimmt, ist sicher hilfreich.

  12. Unwissend, verlogen, heuchlerisch – und stolz darauf?
    Politiker sind Umfaller, haben keine Ahnung, heucheln oder lügen – so einige der gängigen Vorurteile, die man Politikern entgegenbringt. Wer auch immer zur Zeit für die Public Relations der SPD zuständig ist, der sollte eine Umschulung in Erwägung ziehen. Denn die derzeitigen Kommentare etlicher SPD-Mitglieder zu heiklen Themen wie Onlinedurchsuchung und Vorratsdatenspeicherung tragen nicht gerade dazu bei, diese Vorurteile zu entkräften. Im Gegenteil – es wird mit Unwissen und Machtlosigkeit kokettiert und dem Wähler direkt das Gefühl gegeben, die Zeit, da sich Politiker noch wenigstens den Anschein gaben zu wissen, wovon sie sprächen, sei endgültig vorbei. Heutzutage gibt man offen zu, nicht gewusst zu haben, was man tat, oder verbreitet unverdrossen weiter Halbwahrheiten und Nebelkerzen.
    Quelle: Heise online

    Anmerkung KR: Die Autorin belegt ihre Vorwürfe mit konkreten Beispielen. Und nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass der Koalitionspartner CDU/CSU in dieser Frage nicht besser abschneidet. Was aber ja wohl auch kaum jemand erwartet hätte.

  13. Verfassungsrichter zweifeln an automatischer Kennzeichenerfassung
    Das Bundesverfassungsgericht hat sich sehr skeptisch über die Rechtmäßigkeit des Scannens von Kfz-Kennzeichen durch die Polizei in Hessen und Schleswig-Holstein geäußert. Die Karlsruher Richter ließen am heutigen Dienstag bei der mündlichen Verhandlung des Ersten Senats über Verfassungsbeschwerden gegen entsprechende Klauseln in den Polizeigesetzen der beiden Bundesländern durchblicken, dass sie die Regelungen für die automatische Nummernschilderfassung und den Abgleich mit Fahndungsdateien zumindest für zu unpräzise halten.
    Quelle: Heise online
  14. Historikergott Hippokrates
    Nicht bei uns, wohl aber im Times Literary Supplement, entstand eine heftige Debatte über jene Historiker, die sich in Deutschland als Auftragswissenschaftler betätigen. »Ist es korrekt«, so eröffnete 1999 Michael Pinto-Duschinsky, Professor an der Brunel University in West London, die Diskussion, »wenn Historiker sich von Unternehmen, Banken oder Regierungsstellen bezahlen lassen, deren frühere Aktivitäten Gegenstand ihrer Forschung sind?«
    Er sah ein besonderes »ethisches Problem« in der in Deutschland üblichen Praxis, daß die Unternehmen es selbst sind, die Kommissionen »unabhängiger« Historiker »auswählen, bezahlen und ihnen exklusiven Zutritt in ihre Archive gewähren«. Und er fordert deshalb für die akademische Gemeinschaft einen Verhaltenskodex. Zumindest müßten die Bedingungen offengelegt werden, unter denen die Forschungskommissionen antreten, einschließlich der finanziellen Arrangements, die getroffen wurden. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, nicht jedoch für die Historikerkommission der Deutschen Bank.
    Quelle: Junge Welt


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