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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 26. Oktober 2015 um 9:07 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (CR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Flüchtlinge
  2. Rechtsextremismus
  3. Portugal
  4. Initiativantrag „Europa neu begründen“ – aktueller denn je
  5. Vollbeschäftigung in Europa – Vision oder Illusion?
  6. Polen rückt nach rechts
  7. Syrien
  8. Keynes Comes to Canada – Keynes kommt nach Kanada
  9. TTIP und Freihandel
  10. Die Welt im Würgegriff
  11. HSH-Nordbank: zwei Jahre Umbau als »kleineres Übel«?
  12. VW-Betriebsrat attackiert Top-Management
  13. Verfehlte Bildungspolitik: Jeder siebte junge Mensch ohne Berufsabschluss
  14. Partisanen der NATO
  15. BND-Operation Eikonal: “Freibrief” für die Telekom aus dem Kanzleramt
  16. Andrej Hunko sagt nach Drohungen Wahlbeobachtung in der Ukraine ab
  17. Vorbild Kanada: So könnte die SPD zum Erfolg zurückkehren
  18. Protest gegen erhöhte Studiengebühren eskaliert
  19. So war es wirklich: Sommermärchen nicht gekauft!

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Flüchtlinge
    1. Koalition erzielt Grundsatzeinigung im Streit über Transitzonen
      Bund und Länder machen in der Flüchtlingskrise Tempo: Die Koalition hat eine Grundsatzeinigung im Streit um die Einführung von Transitzonen erzielt – die Details sind aber noch offen.
      Im Streit um die Transitzonen für Flüchtlinge hat die große Koalition eine Grundsatzeinigung erzielt. Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive sollen möglichst frühzeitig ein schnelles Verfahren in Grenznähe bekommen sollten, erklärten die Minister für Inneres und Justiz, Thomas de Maizière (CDU) und Heiko Maas (SPD), am Freitag übereinstimmend. Die Regierung beschleunigte die neuen Asyl-Gesetze, um rascher abschieben zu können. Sie treten am Samstag in Kraft.
      In Transitzonen sollen die Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern untergebracht werden, die kaum Aussicht auf eine Anerkennung als Asylberechtigte haben. Dafür hatte sich insbesondere die Union eingesetzt, während sich die SPD skeptisch zeigte. Nun erklärte Maas am Freitag, Asylanträge, die offensichtlich aussichtslos seien, sollten im grenznahen Gebiet beschleunigt geprüft werden. Er betonte allerdings, dass dies auch in bereits bestehenden oder im Aufbau befindlichen Einrichtungen geschehen könne. “Es müssen also nicht per se neue Einrichtungen geschaffen werden”, sagte Maas.
      Quelle: stern

      Anmerkung C.R.: Was zu befürchten war, ist nun eingetreten: Die SPD-Spitze – insbesondere der Bundesjustizminister – ist wie schon so oft eingeknickt.
      Es wird diese „Transitzonen“ geben. Und dann vermutlich weniger Flüchtlinge in Deutschland. Verbunden mit dieser Erwartung könnte auch der Merkel-Satz zu verstehen sein: „Wir schaffen das“.

      Dazu: Der Druck auf Merkel wächst
      Bundeskanzlerin Merkel darf nicht weiter auf den menschenverachtenden Kurs der osteuropäischen Schwesterparteien der Union eingehen. Jeder Euro, der weiter in Stacheldrahtzäune und militarisierte Flüchtlingsabwehr fließt, ist eine Bankrotterklärung der EU.
      Die EU streitet weiter über den Umgang mit Flüchtlingen. EU-Kommissionspräsident Jean-ClaudeJuncker hat für morgen die Regierungschefs von zehn Mitgliedstaaten zusammengerufen. Neben Deutschland sind die neun mittel- und osteuropäischen Länder und Griechenland vertreten.
      Quelle: Die Linke

    2. Asylkrise macht öffentlichen Dienst zum Jobparadies
      Deutschlands Behörden suchen händeringend neue Staatsdiener. Sie sollen helfen, den Zustrom der Flüchtlinge zu managen. Viele Neue bekommen direkt unbefristete Verträge oder werden verbeamtet. (…)
      So leicht war es lange nicht, einen Job im öffentlichen Dienst zu ergattern: Zwar sei eine kaufmännische Ausbildung “wünschenswert”, teilt die Bezirksregierung mit, notwendig seien aber für die Stellen in der Registrierung ausschließlich EDV-Kenntnisse. Eine spezielle Schulung gibt es nicht, die Einarbeitung übernehmen die Kollegen, das habe sich bewährt.
      Entsprechend niedrig fällt das Gehalt für diese Stellen im mittleren Dienst aus. Sie werden nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bezahlt und in die Gruppe E5 einsortiert – das bedeutet knapp 2100 Euro brutto pro Monat. Zudem sind die Stellen bei der Regierung von Oberbayern überwiegend auf ein Jahr befristet. Schließlich weiß niemand, wie lange der Flüchtlingsstrom noch anhält. (…)
      12.000 Bewerber auf 1000 Stellen
      Auch in anderen Bundesländern werden meist Hunderte neue Mitarbeiter gesucht. Während neue Beschäftigte bei der Bezirksregierung von Oberbayern hoffen müssen, dass der Flüchtlingsstrom noch eine Weile anhält, damit ihre Verträge verlängert werden, bietet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) deutlich mehr langfristige Sicherheit.
      Die meisten neuen Mitarbeiter bekommen hier unbefristete Verträge oder werden sogar verbeamtet. Aktuell hat das Amt gut 3000 Mitarbeiter in der Nürnberger Zentrale und den insgesamt 32 Außenstellen. 550 Mitarbeiter entscheiden über Asylanträge, schon diese Zahl hat sich seit 2013 fast verdoppelt. Doch bei womöglich bis zu 1,5 Millionen neuen Flüchtlingen dieses Jahr braucht das BAMF dringend weitere Mitarbeiter, um den Antragsstau abzuarbeiten.
      Quelle: Die Welt

      Anmerkung unseres Lesers J.A.: Natürlich findet es die WELT unglaublich, daß unser aller Steuergelder für Beamte ausgegeben werden, die, man weiß es, faul sind und nichts tun. Und dann noch wie sechs Richtige im Lotto: einen *unbefristeten* Vertrag? Wo gibt es so was? OK, im Artikel werden dann auch auf 1 Jahr befristete Jobs für 2.100 Euro brutto erwähnt (mit diesem Spitzengehalt und der Befristung dürfte man in Oberbayern – München, Starnberg – mit einiger Mühe und sehr viel Glück ein kuscheliges WG-Zimmer finden), aber der Aufschlag bei der Hetze gegen die faulen Staatsdiener ist gemacht. Und die nächste Unglaublichkeit: mitten in der unbezwingbaren Flüchtlingskrise und im Wirtschaftsboom, im schlimmsten Fachkräftemangel seit Menschengedenken – die Arbeitgeber suchen “händeringend” – dauert es geschlagene Tage, teilweise ein paar Wochen, 12.000 Bewerbungen für 1.000 Stellen zu erhalten, aus denen sofort geeignete Bewerber ausgesucht werden können. So schlimm ist also der Fachkräfte-, gar Arbeitskräftemangel… Mein stetiger Tip an die Zeitungsredaktionen: irgend jemand sollte mal die ganzen Artikel auf Konsistenz gegenlesen – hier paßt nichts zusammen.

    3. “Das System droht zu kollabieren”
      In der Flüchtlingskrise hat der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft Alarm geschlagen. Rainer Wendt warnt vor einer völligen Überlastung. Die Beamten könnten ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen.
      Herr Wendt, Sie reisen durchs Land, um mit so vielen Polizisten wie möglich zu sprechen. Nach Monaten der sich weiter zuspitzenden Flüchtlingskrise: Wie ist die Stimmung?
      Rainer Wendt: Die Stimmung unter den Kräften der Bundespolizei und der bayerischen Landespolizei ist angespannt, trotzdem machen sie einen tollen Job. Mit unglaublicher Nervenstärke, Geduld und hoher interkultureller Kompetenz zeigen sie den Menschen, die zu uns kommen, ein großartiges Stück Rechtsstaat: Eine korrekte, mitfühlende und bürgernahe Polizei. Große Sorgen mache ich mir um unsere Bereitschaftspolizisten. (…)
      Das kann kein Dauerzustand sein.
      Jetzt sehen wir die Schwächen eines schlanken Staats. Egal, wohin wir blicken: An den Schulen, Kindertagesstätten, Ausländer- und Jugendbehörden, im Justizapparat – überall schlägt der öffentliche Dienst Alarm. Jetzt wird so richtig sichtbar, wenn der öffentliche Dienst über Normalmaß hinaus belastet wird. Alles ist auf Kante genäht. Nun steigt der Druck, und schon droht das System zu kollabieren.
      Quelle: N24

      Anmerkung J.K.: Gerade der letzte Absatz ist sehr interessant. Vielleicht können uns die neoliberalen „Staatshasser“ erklären wie diese Ausnahmesituation von den freien Kräften des Marktes bewältigt werden kann? Das einzige was den Neoliberalen zur Flüchtlingskrise einfällt, ist die Forderung auf Grund der hohen Flüchtlingszahlen die Sozialstandards weiter zu senken.

      Ergänzende Anmerkung C.R.: Ist das noch ein Interview oder liefern die fragenden Personen lediglich die Stichworte zu längst bekannten Positionen des Herrn Wendt?

    4. Resolution: Nicht Flüchtlinge, sondern Fluchtursachen bekämpfen – Keine Abstriche beim Asylrecht
      Wir sind ein reiches Land. Wir tragen internationale Verantwortung. Wir können und wollen Menschen Schutz und Zuflucht bieten. Wir haben eine breite solidarische Flüchtlingshelferbewegung, die Flüchtlingspolitik in Deutschland geprägt hat.
      Die Verteidigung von Menschenrechten und des Asylrechtes gehören zu den Kernanliegen der SPD.
      Quelle: DL21
    5. Die nächste Welle der Deregulierung steht bevor
      Die massenhafte Zuwanderung wird die Löhne für einfache Arbeit unter Druck setzen und Sozialausgaben steigen lassen. Das wird weitere Einschnitte erzwingen, wie sie mit den Hartz-Gesetzen begonnen wurden, erwarten die Tübinger Professoren Christoph Deutschmann und Roland Springer. […]
      Als eine Art Allheilmittel gegen derlei Risiken werden Sprachunterricht und berufliche Qualifizierung ins Feld geführt. Wie realistisch sind jedoch die sich hier abzeichnenden Erwartungen an das Bildungssystem?
      Schon jetzt sind die Schulen zu Reparaturanstalten für zahlreiche gesellschaftliche Probleme geworden; Lehrerinnen und Lehrer können die Anforderungen der zahlreichen Inklusions-, Chancengleichheits-, Gleichstellungsprogramme oft kaum noch bewältigen. Diese Anforderungen werden als Folge der Migrationswelle weiter dramatisch zunehmen, und das heißt: Die Kluft zwischen den rosigen Welten der Bildungspolitiker und der Realität in manchen Schulen, wo es den Lehrern kaum mehr gelingt, ein Minimum an Ordnung, geschweige denn einen gemeinsamen Lernfortschritt der Klasse sicherzustellen, wird noch tiefer werden.
      Quelle: VDI-Nachrichten

      Anmerkung unseres Lesers K.S.: In den VDI-Nachrichten (sehr wirtschaftsnah) habe ich einen sehr interessanten Artikel über mögliche Auswirkungen der Flüchtlingskrise auf die deutschen Sozialsysteme gefunden. Die Autoren prophezeien, dass die Belastungen durch die Flüchtlinge höchstwahrscheinlich als Anlass für weitreichende Kürzungen im sozialen Bereich genutzt werden. Gleichzeitig wundern sie sich über die Passivität der Linken in der Frage. Zitat:”Der politischen Linken scheint die Fähigkeit, zwischen gut gemeinten Absichten und zu erwartenden praktischen Folgen zu unterscheiden, weitgehend abhanden gekommen zu sein.”

      Ergänzende Anmerkung JB: Natürlich hat dieser Aufsatz einen deutlichen Bias für die Positionen der Arbeitgeberseite. Man sollte ihn jedoch auch als vergleichsweise ehrliche Mahnung verstehen, was passieren wird, wenn die politische Linke sich einlullen lässt und jetzt nicht klipp und klar sagt, dass die Flüchtlingssituation kein Grund ist, weitere Deregulierungen vorzunehmen. Klar ist auch, dass dieser Kampf kein leichter sein wird.

  2. Rechtsextremismus
    1. Deutschland hat ein Identitätsproblem
      In Deutschland grassieren rassistische Gewalt und Hasstiraden. Die offene Gesellschaft wird dabei nicht nur von militanten Neonazis, sondern auch von einer neuen rechten Bewegung und deren Mitläufern bedroht.
      Deutschland hat ein Naziproblem
      Das Attentat auf die Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker reiht sich in eine schockierend lange Liste des rechtsradikalen Terrors ein. Allein in diesem Jahr mussten mehr als 500 Angriffe auf Geflüchtete oder ihre Unterkünfte in Deutschland registriert werden. Die Anzahl alltagsrassistischer Übergriffe dürfte diese Zahl bei weitem übersteigen. Noch vor Kurzem wurden bei einer Razzia in der Bamberger Neonazi-Szene Waffen und Sprengstoff beschlagnahmt. Womöglich konnte dadurch ein geplanter Anschlag auf das Balkan-Zentrum in Bamberg verhindert werden.
      Die jüngsten Ereignisse verdeutlichen aufs Neue eine historische Gewissheit: “Wehret den Anfängen!” ist keine entbehrliche Kampfparole vergangener Zeiten. Nach wie vor ist es eine notwendige Handlungsmaxime. Denn die Anfänge gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit lassen sich nicht erst im militant-fanatischen Spektrum finden. Sie gedeihen bereits dort, wo eine feindselige Haltung gegen das vermeintlich “Fremde” eingenommen wird. So verwundert es nicht, dass das kleingeistige Umfeld neurechter Bewegungen wie PEGIDA, der AfD und der “Identitären Bewegung” ein geeigneter Nährboden für Hetze und Intoleranz ist.
      Quelle: Humanistischer Pressedienst
    2. Wie ein Fisch im Wasser
      Die wehrhafte Demokratie setzt Pegida und dem rechten Extremismus zu wenig entgegen
      Das Konzept der wehrhaften Demokratie ist ein Produkt des Kalten Kriegs, das zugleich antifaschistisch legitimiert wurde: Die Totalitarismustheorie gab vor, rechte und linke Extreme zwecks ihrer Bekämpfung zu identifizieren. 2013 erschien im Wallstein Verlag eine umfangreiche Untersuchung des Historikers Dominik Rigoll: Staatsschutz in Westdeutschland. Von der Entnazifizierung zur Extremistenabwehr. Sie beschreibt, wie sich die Vorstellung von einer wehrhaften Demokratie innerhalb weniger Jahre gewandelt hat.
      Unter dem Schutz der Alliierten konnten im Öffentlichen Dienst der Westzonen zunächst sogenannte „Fünfundvierziger“ wirken: Widerstandskämpfer und Remigranten. In den Länderverfassungen und im Grundgesetz sorgten sie für die Verankerung einiger antifaschistischer Normen. Für sie stand der Feind rechts. Nach Beginn des Kalten Krieges wurden sie durch „Neunundvierziger“ ersetzt: ehemalige Nazis der zweiten Reihe, die wichtige staatliche Ämter bekleideten. Sie wurden im Kampf gegen den Kommunismus gebraucht.
      Quelle: der Freitag
  3. Portugal
    1. Portugals Staatschef sorgt für gefährliche Instabilität
      Aníbal Cavaco Silva beauftragt Coelho gegen eine linke Mehrheit erneut mit der Regierungsbildung
      “Unter Beachtung, dass in den letzten 40 Jahren der portugiesischen Demokratie stets der Wahlsieger die Verantwortung zur Regierungsbildung übertragen bekam, habe ich Pedro Passos Coelho zum Ministerpräsidenten ernannt”, sagte der portugiesische Staatschef Aníbal Cavaco Silva am späten Donnerstag. Damit hat sich die Befürchtung bestätigt, dass Portugal nicht nach links rücken darf. Der konservative Staatschef missachtet damit ausgerechnet seine Vorgaben, die vor den Sondierungsgesprächen nach den Wahlen vor drei Wochen ausgegeben hat. Er hatte auf eine “stabile Regierung” gepocht.
      Nun soll aber sein Parteifreund Coelho weiterregieren. Und der verspricht eine starke Regierung für die nächsten vier Jahre. Das kann man nur als Realsatire bezeichnen, denn die von ihm geführte Koalition “Portugal voran” (PàF), in der deren PSD angetreten ist, hat die absolute Mehrheit klar verloren. Sie wurde auch nur stärkste Kraft, weil die PSD erstmals im Bund mit der rechten CDS-PP angetreten ist, sonst wären wohl die Sozialisten (PS) von António Costa die Sieger geworden. Costa hatte Cavaco eine Absage erteilt, mit der PàF eine große Koalition nach deutschem Vorbild zu bilden. Das lag vor allem daran, dass Coelho vom Austeritätskurs, der die einfache Bevölkerung in den letzten vier Krisenjahren massiv zur Kasse gebeten hat, nicht abweichen will. Coelho hat deshalb keine Chance auf eine Parlamentsmehrheit.
      Quelle: Telepolis
    2. Eurozone crosses Rubicon as Portugal’s anti-euro Left banned from power
      Constitutional crisis looms after anti-austerity Left is denied parliamentary prerogative to form a majority government
      Portugal has entered dangerous political waters. For the first time since the creation of Europe’s monetary union, a member state has taken the explicit step of forbidding eurosceptic parties from taking office on the grounds of national interest.
      Anibal Cavaco Silva, Portugal’s constitutional president, has refused to appoint a Left-wing coalition government even though it secured an absolute majority in the Portuguese parliament and won a mandate to smash the austerity regime bequeathed by the EU-IMF Troika. […]
      The Portuguese Socialists and Communists have buried the hatchet on their bitter divisions for the first time since the Carnation Revolution and the overthrow of the Salazar dictatorship in the 1970s, yet they are being denied their parliamentary prerogative to form a majority government.
      This is a dangerous demarche. The Portuguese conservatives and their media allies behave as if the Left has no legitimate right to take power, and must be held in check by any means.
      These reflexes are familiar – and chilling – to anybody familiar with 20th century Iberian history, or indeed Latin America. That it is being done in the name of the euro is entirely to be expected.
      Quelle: Ambrose Evans-Pritchard im Telegrpah

      Anmerkung unserer Leserin H.S.: Diese Entwicklung wurde bislang in anderen mir bekannten Medien nicht erwähnt.

  4. Initiativantrag „Europa neu begründen“ – aktueller denn je
    Mit der Unterschrift der griechischen Regierung unter ein ihr aufgezwungenes drittes »Memorandum« ist die Euro-Krise keineswegs vorbei. Im Gegenteil: Diese Art der „Krisenbekämpfung“ verschärft die Probleme in den von der Krise am meisten betroffenen Ländern und verbaut Wege zu den dort tatsächlich erforderlichen Reformen. Mit dem eisernen Beharren der Troika, der Euro-Gruppe und der deutschen Bundesregierung auf Sozialabbau, Zerstörung des Tarifvertragssystems, Privatisierung der öffentlichen Infrastruktur und Massenbelastungen werden wirtschaftliche Perspektivlosigkeit, hohe Arbeitslosigkeit und zunehmende Ungleichheit im gemeinsamen Währungsraum zum Dauerzustand gemacht. In den letzten Wochen erleben wir auch in Finnland und Großbritannien massive Angriffe auf Gewerkschaftsrechte und Tarifautonomie.
    Diese Erfahrungen zeigen: Die EU und die Europäische Währungsunion werden als Hebel für die Durchsetzung einer unsozialen Politik und zum Abbau von Demokratie missbraucht. Dies fördert nationalen Chauvinismus, Fremdenfeindlichkeit und andere antidemokratische Stimmungen in den Ländern Europas. Das aktuelle Versagen Europas in der Flüchtlingskrise macht diese Entwicklung noch dramatischer. Vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen sagen wir: Die IG Metall stellt sich diesen Gefahren entgegen und wird sich mit noch größerem Nachdruck als starke Kraft für ein solidarisches und demokratisches Europa positionieren:
    Quelle: Europa neu begründen [PDF – 18.1 KB]
  5. Vollbeschäftigung in Europa – Vision oder Illusion?
    Die Wirtschaftspolitik in der EU hat in den vergangenen Jahren darauf gesetzt, die Liberalisierung und Deregulierung voranzutreiben und durch strikte Auslegung des Stabilitäts- und Wachstumspakts die Finanzpolitik der Mitgliedstaaten zu züchtigen. Dies hat die Eurozone nicht auf einen Pfad geführt, der Wachstum und Beschäftigung schafft. Dafür ist vielmehr eine makroökonomisch ausgerichtete Beschäftigungspolitik notwendig, die innerhalb einer EU-weiten Koordinierung von Geld-, Lohn und Finanzpolitik eine deutliche Erhöhung öffentlicher Investitionen ermöglicht.
    Seit 2008 befindet sich die Europäische Union (EU) im Krisenmodus: Zunächst schwabte die von den USA ausgehende Immobilienkrise als Weltfinanzkrise nach Europa, dann folgte die Eurokrise. Oberflächlich betrachtet war dies eine Krise der öffentlichen Haushalte vor allem in den Ländern der Eurozone, tatsächlich aber zeigte sich in der Eurokrise ein Misstrauen der (Finanz-)Marktteilnehmer in die Beständigkeit der Eurozone: Um einen Zusammenbruch der internationalen Finanzmärkte und ein allzu starkes Übergreifen auf die realen Sektoren der EU-Volkswirtschaften zu verhindern, mussten sich alle Eurozonen-Länder stark für Bankenrettungs- und Konjunkturstützungsprogramme verschulden. Damit war die Phase der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte beendet, immerhin aber konnte der totale Kollaps der Finanzmärkte und des Bankensektors abgewendet werden. Der teilweise drastische Anstieg der Neuverschuldung und der Schuldenstandsquoten in den Eurozone-Ländern führte, zusammen mit der so genannten ‚No Bail out‘-Klausel der europäischen Verträge und dem Verbot der Staatsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank (EZB) zur Gefahr der Insolvenz einzelner EU-Mitgliedsländer und, damit, zur Möglichkeit des Auseinanderbrechens der Eurozone. Stark differierende Risikoprämien auf Staatsschuldverschreibungen erhöhten dann die Insolvenzgefahr und das Risiko des Scheiterns der Eurozone weiter.
    Quelle: blog.arbeit-wirtschaft.at
  6. Polen rückt nach rechts
    In Polen hat sich die nationalkonservative Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit die absolute Mehrheit gesichert. Das Ergebnis ist ein Triumph der Europaskeptiker. […]
    Die PiS wurde nicht nur stärkste Kraft, sondern kann Wählerbefragungen zufolge alleine regieren. Die bisherige liberalkonservative Regierungspartei Bürgerplattform hätte danach 23,6 Prozent der Stimmen und 137 Sitze im neuen Parlament.
    Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Wahlkommission bis fünf Stunden vor Schließung der Wahllokale bei 39 Prozent. Wahlberechtigt waren 30,9 Millionen Bürger.
    Quelle: ZEIT

    Anmerkung JB: Vor allem in Hinblick auf die Spannungspolitik gegen Russland ist dies eine sehr schlechte Nachricht.

  7. Syrien
    1. “Russland kann diesen Krieg auch nicht gewinnen”
      Wie die USA im Irak gescheitert sind, wird Russland in Syrien schneller und schlimmer scheitern, sagt Jürgen Trittin. Für den Kampf gegen den IS brauche es ein UN-Mandat.
      […] Die Realität aber ist: Es gibt keine militärische Lösung in Syrien. Es wird am Ende eine Verhandlungslösung geben müssen. Aber es gibt keine Lösung ohne den Iran und Russland. Das wissen wir schon seit fünf Jahren. Doch man hat sich nicht daran gehalten. Europa hat weggeschaut und Saudis sowie die Golfstaaten mit Waffenlieferungen unterstützt. Nun ist die gemäßigte Opposition geschwächt, die Islamisten sind gestärkt – aber Assad ist immer noch da mit seiner mörderischen Gewalt. Mit der russischen Intervention wurde die Lebenslüge offenbar, man könne Assad stürzen und müsse sich dann nicht mit ihm einigen. Wir sind solchen Konflikten lange Zeit nicht mit einer realistischen Antwort begegnet, sondern mit Wünschen. Und die fliegen jetzt auf. Und in Syrien wird von verschiedenen Koalitionen unkoordiniert bombardiert. […]
      In der Sache bleibt übrig: Die Russen haben ein strategisches Interesse, islamistischem Terror an ihrer Südflanke keinen Raum zu lassen. Und das verbindet sie mit Europa. Wenn man gemeinsame Interessen hat, muss man sich überlegen, ob und unter welchen Bedingungen man gemeinsam etwas tun kann. Deshalb drängen wir seit Jahren auf ein UN-Mandat. Aber man muss wissen: Die Russen werden kein UN-Mandat akzeptieren, wenn damit nur ein regime change gemeint ist. Das haben sich Europa und die USA selbst zuschreiben, weil sie mit der Intervention in Libyen genau die Folie geliefert haben, wie in einer solchen Situation ein regime change um jeden Preis dazu führen kann, dass die Probleme nicht kleiner, sondern die Sicherheitsherausforderungen für Europa immer größer werden.
      Quelle: ZEIT
    2. Tony Blair apologises for ‘mistakes’ over Iraq War and admits ‘elements of truth’ to view that invasion helped rise of Isis
      Tony Blair has made apologies about aspects of the Iraq War for the first time and has said there are ‘elements of truth’ in the theory that the invasion helped feed the rise of Isis.
      In a TV interview with CNN, the former Prime Minister said he was sorry that the intelligence behind the decision to attack Saddam Hussein’s regime in 2003 was wrong, and admitted there had been mistakes in the planning of the operation.
      He had been asked how he felt about the failure to find weapons of mass destruction in Iraq as he took questions from American political broadcaster Fareed Zakaria in an interview due to be broadcast by CNN Europe on Sunday. […]
      In another segment, Mr Blair is asked whether the war provoked the growth of Isis, the group which now controls swathes of Iraq and Syria and which is being hit with air strikes from a US-led coalition that includes the UK.
      “I think there are elements of truth in that,” Mr Blair said. “Of course, you can’t say those of us who removed Saddam in 2003 bear no responsibility for the situation in 2015.”
      In the past, Mr Blair has been less candid about what went wrong. In 2007, he insisted: “I don’t think we should be apologising at all for what we are doing in Iraq.”
      Quelle: Independent

      Anmerkung JB: „Of course, you can’t say those of us who removed Saddam in 2003 bear no responsibility for the situation in 2015.” – Die doppelte Verneinung beherrscht man offenbar nicht nur in Bayern. Ist es schon ein Fortschritt, dass Tony Blair sich scheibchenweise von seinen eigenen Lügen verabschiedet?

  8. Keynes Comes to Canada – Keynes kommt nach Kanada
    Kanada steht in dem Ruf, eher fad zu sein. In den 1980ern erklärte The New Republic bekanntermaßen den Titel “Lohnende kanadische Initiative“ zur langweiligsten Schlagzeile der Welt. Doch in Bezug auf die Wirtschaftspolitik, ist dieser Ruf unberechtigt: Erstaunlich oft ist Kanada der Ort, an dem die Zukunft beginnt.
    Und das ist jetzt auch wieder der Fall. Am Montag warfen die kanadischen Wähler die herrschenden Konservativen aus dem Amt und schenkten den Mitte-links-stehenden Liberalen einen überwältigen Sieg. Und während vieles an dem liberalen Programm interessant ist, ist das Bemerkenswerteste für mich die klare Ablehnung der defizit-besessenen Austeritäts-Orthodoxie, die den politischen Diskurs in der gesamten westlichen Welt schon so lange beherrscht. Die Liberalen machten mit einer ehrlichen, unverhohlen keynesianischen Vision Wahlkampf und gewannen mit Abstand.
    Quelle: New York Times
  9. TTIP und Freihandel
    1. Das Kreuz mit dem Freihandel in einem Wahljahr
      Das transpazifische Freihandelsabkommen lässt in Washington die Wogen hochgehen
      Es ist ein Paradebeispiel für das, was abgeklärte Zeitgenossen die transatlantische Asymmetrie nennen. Sosehr die angepeilte Freihandelszone zwischen den USA und der EU die Gefühle besorgter Europäer in Wallung bringt, so wenig interessieren sich die Amerikaner dafür. In den parlamentarischen Korridoren Washingtons ist TTIP, die “Transatlantic Trade and Investment Partnership”, zurzeit einfach kein Thema. In Miami trafen sich die Unterhändler beider Seiten diese Woche zu ihrer elften Gesprächsrunde, aber sie hätten genauso gut in einem Raumschiff tagen können. Keinerlei Medienecho, selbst in den großen amerikanischen Zeitungen praktisch keine Zeile darüber.
      Anders verhält es sich mit dem Pakt, den die Vereinigten Staaten mit elf Pazifikanrainern anpeilen – mit Japan, Malaysia, Vietnam, Australien, Neuseeland, Singapur und Brunei sowie Kanada, Mexiko, Peru und Chile. Nicht erst seit Anfang Oktober, seit der Trans-Pacific-Partnership-Vertrag (TPP) abstimmungsreif vorliegt, zählt er zu den beherrschenden Themen des Präsidentschaftswahlkampfs. Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Der Ausgang der Kontroverse um TPP entscheidet darüber, wie schnell – und ob überhaupt – es bei TTIP vorangehen kann.
      Quelle: derStandard.at
    2. TTIP: EU und USA wollen Abkommen 2016 besiegeln
      Trotz wachsendem Widerstand forcieren die EU-Kommission und die USA das Tempo in den Verhandlungen über das umstrittene Freihandelsabkommen. Das Ziel ist ein Abschluss 2016.
      EU-Kommission und US-Regierung wollen die Verhandlungen über das umstrittene Freihandelsabkommen Trans-Atlantic Trade and Investement Partnership (TTIP) intensivieren und im kommenden Jahr abschließen. Nachdem das transpazifische Abkommen der Amerikaner mit asiatischen Staaten (TPP) in trockenen Tüchern ist, soll nun auch TTIP noch im Laufe der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama unterzeichnet werden.
      Entscheidende Phase
      “Die kommenden vier Monate sind entscheidend”, sagte US-Chefunterhändler Dan Mullaney nach der 11. Runde der Verhandlungen am Freitag in Miami (US-Bundesstaat Florida). Beide Verhandlungspartner hätten jetzt die Ärmel hochgekrempelt, sagte der Chefunterhändler der EU-Kommission, Ignacio Garcia-Bercero. Nun soll vor allem die Arbeit zwischen den Verhandlungsrunden intensiviert werden. Auf die raschere Gangart hatten sich EU-Handelskommissarin Cecilia Malmstroem und ihr US-Kollege Michael Fromann Ende September verständigt.
      Quelle: heise online
    3. Die TTIP-Gegner nerven!
      Das Abkommen mit Amerika ruft in Deutschland die größte Protestbewegung seit Jahrzehnten hervor. Woher kommt so viel Unvernunft?
      Transparentere Verhandlungen über ein Handelsabkommen gab es nie. Kaum hatten die Unterhändler der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union vorgestern in Miami die 11. Runde ihrer Gespräche beendet, da unterrichtete der deutsche Wirtschaftsminister schon die Presse. Auf keinen Fall würden Schutzstandards abgesenkt, ließ er verlauten, auch einen Zwang zur Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge werde es nicht geben. Geeinigt habe man sich darauf, die noch verbliebenen Zölle im transatlantischen Handel drastisch zu reduzieren.
      Gegen so viel Offenheit ist nichts einzuwenden, aber helfen wird sie nicht viel. Gegen das Abkommen über die „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“, kurz TTIP, hat sich in Deutschland eine ganz große Koalition zusammengefunden, die in ihren Vorurteilen festgefahren ist.
      Quelle: FAZ

      Anmerkung unseres Lesers U.D.: Dieser einseitige Artikel belegt, dass die Befürworter von TTIP nicht die sachliche Auseinandersetzung suchen, sondern den wenig informierten Bürger das Gefühl vermitteln wollen: “Steht nicht auf der Seite der Uneinsichtigen und grenzt euch von jenen ab, die nur nerven, aber sonst keinen Durchblick haben”.
      Verharmlosen ist nicht angesagt, wenn die Demokratie auf dem Spiel steht. Wenn die Verhandlungsergebnisse voll einsehbar wären, würden die Verhandlungsprotokolle nicht wie ein Goldschatz in der amerikanischen Botschaft in Berlin behandelt werden. Offenheit sieht anders aus.

  10. Die Welt im Würgegriff
    Credit Suisse: Einem Prozent gehört die Hälfte aller positiven Vermögenswerte. Zugleich ist man mit zehn Dollar im Plus reicher als ein Viertel aller US-Amerikaner
    Vergangene Woche hatte die Schweizer Großbank Credit Suisse (CS) ihren jährlichen »Globalen Reichtumsbericht« veröffentlicht. Wie zu erwarten, hat sich der ohnehin bereits höchst ungleich auf der Welt verteilte Mammon in immer weniger Händen konzentriert. Die Geschwindigkeit, mit der diese Konzentration während der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise zugenommen hat, verblüfft selbst Reporter der bürgerlichen Medien. Die große Schlagzeile, wonach »ein Prozent« der Bevölkerung inzwischen bereits 50 Prozent des gesamten Reichtums in Besitz genommen habe (auf Kosten der großen, ausgebeuteten Mehrheit), ging um die Welt. Aber die Aufmerksamkeit der Medien verflog rasch, obwohl das von dem Schweizer Geldhaus zusammengetragene Datenmaterial interessante, aber für das Bürgertum auch peinliche Erkenntnisse bereithält.
    Die CS ist kein Wohltätigkeitsverein, sondern ein profitorientierter Finanzkonzern der obersten Liga. Man kann ihr nicht unterstellen, mit der Studie Stimmung für eine gerechtere Verteilung machen zu wollen. Dennoch überrascht die von den Medien »übersehene« Feststellung nicht: In den Vereinigten Staaten und in der EU gibt es viel mehr arme Menschen, als in China, sowohl hinsichtlich des Anteils an der Weltbevölkerung, aber auch in absoluten Zahlen. Das belegt eine Grafik aus dem CS-Bericht mit der Überschrift »Regionale Zusammensetzung der globalen Reichtumsverteilung«. Demnach leben zehn Prozent der ärmsten Menschen der Welt in den USA und Kanada und 20 Prozent in der EU. Zu diesem überraschenden Ergebnis kommt das Geldhaus, weil es Reichtum nicht über das Einkommen definiert. Vielmehr gilt als arm, wer keine Vermögens- und Geldwerte besitzt, sondern nur Schulden, bei dem also der Saldo negativ ist. Laut Credit Suisse verzeichnen etwa 25 Prozent der US-Amerikaner einen negativen Saldo aus Vermögen und Verbindlichkeiten. Praktisch bedeutet dieser Umstand: Jeder, der keine Schulden hat und zudem einen Zehn-Dollar-Schein in der Brieftasche mit sich herumträgt, ist reicher als ein Viertel der Einwohnerschaft der globalen Supermacht. In China liegt der Anteil der Armen mit negativem Vermögenswert bei etwas über einem Prozent der Weltbevölkerung.
    Quelle: junge Welt
  11. HSH-Nordbank: zwei Jahre Umbau als »kleineres Übel«?
    Die EU-Kommission hat in dem Verfahren über die Wiederaufstockung der öffentlichen Garantien von 7 auf 10 Mrd. Euro mit den Kapitaleigentürmern Hamburg und Schleswig-Holstein (zusammen 85% des Eigenkapitals) ein Ende des langjährigen Niedergangsprozesses des Geldhauses festgesetzt. Die Bank soll bis Anfang 2016 aufgespalten werden– in eine operative Einheit und als »bad bank« eine Holdinggesellschaft. Die HSH Nordbank wird von der EU-Kommission als nicht lebensfähig eingestuft. Die Wiedererhöhung der Garantien ist eine Abwicklungsbeihilfe.
    Wenn Anfang 2016 die Aufspaltung der Bank in eine Holdinggesellschaft und eine operative Gesellschaft, die die laufenden Geschäfte der Bank weiterführen wird, vorgenommen ist, erlässt die Kommission das weitere Regelwerk zur Beendigung der HSH Nordbank als Unternehmen in öffentlicher Hand.
    Die »good bank« erhält eine befristete Betriebsgenehmigung für zwei Jahre. Im Rahmen eines offenen, transparenten und wettbewerblichen Verfahrens wird die »good bank« entweder bis 2018 mit der Mehrheit des Eigenkapitals verkauft, sprich privatisiert. Wenn eine solche Privatisierung nicht möglich wird, müssen die operative Gesellschaft und die Holding im Rahmen des europäischen Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes dicht gemacht werden.
    Quelle: Sozialismus aktuell
  12. VW-Betriebsrat attackiert Top-Management
    VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh geht auf Konfrontationskurs zum Top-Management. Auslöser sind Passagen in der aktuellen Titelgeschichte des manager magazins, nach denen der VW-Markenvorstand auf den Dieselskandal mit einem verschärften Sparkurs reagiert. Ein wesentlicher Teil soll ein Beförderungsstopp für 2016 sein.
    Konzernbetriebsratschef Osterloh teilte daraufhin dem manager magazin mit: “Hier handelt es sich um einseitige Vorstellungen des Vorstands, die wir so nicht akzeptieren werden. Das haben wir Freitag mit dem Personalwesen besprochen. Wir finden es spannend, dass hier neuerdings vom Unternehmen anscheinend Dinge permanent als Wahrheiten nach außen getragen werden, bevor sie überhaupt vernünftig besprochen sind. Vieles, wie einen pauschalen Beförderungsstopp (…) halten wir als Betriebsrat für bloße Symbolpolitik auf dem Rücken von Beschäftigten. Wir erwarten andere Symbole zuerst: zum Beispiel eine klare Aussage, wie sich der Konzernvorstand zu seinen Boni-Zahlungen stellt. Hier muss die Devise lauten; mit gutem Beispiel voran.”
    Quelle: manager magazin
  13. Verfehlte Bildungspolitik: Jeder siebte junge Mensch ohne Berufsabschluss
    Mehr Geld für Bildung, weniger Abbrecher und Ungelernte: Eine “Bildungsrepublik” wollte Kanzlerin Merkel bis 2015 schaffen. Doch ihre Ziele verfehlt die Bundesregierung dramatisch, offenbart eine aktuelle Bilanz.
    Es war im Oktober, vor genau sieben Jahren. Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder trafen sich zum Bildungsgipfel und versprachen, die Bildung in Deutschland deutlich zu verbessern – bis 2015.
    Eine aktuelle Bilanz zeigt nun: Die Ziele wurden nicht erreicht. Deutschland ist heute nicht die “Bildungsrepublik”, von der am 22. Oktober 2008 in Dresden geträumt wurde.
    Am 3. Dezember werden sich Merkel und die Ministerpräsidenten in Berlin treffen und bei ihrem Jahresendtreffen schauen, was erreicht wurde. Im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hat der Bildungsforscher Klaus Klemm untersucht, was bisher erreicht wurde. Die Ergebnisse werden am Montag in Berlin vorgestellt und dienen auch den Kultusministern als Grundlage für ihre internen Beratungen in dieser Woche.
    Klemms Fazit lautet: Es sind noch weitaus mehr Anstrengungen nötig, um die von den Regierungschefs von Bund und Ländern im Oktober 2008 in Dresden formulierten hehren Ziele zu erreichen. Und die DGB-Vizevorsitzende Elke Hannack teilte mit: “Seit dem Dresdner Bildungsgipfel gibt es bei der Kinderbetreuung, in Schulen und Hochschulen die eine oder andere Verbesserung. Doch noch immer läuft vieles unkoordiniert und nebeneinander her.”
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung C.R.: Das ist ein beschämender Zustand für eines der reichsten Länder der Erde. Aber die Kanzlerin wird ja nicht müde zu betonen, dass es uns gut gehe.

  14. Partisanen der NATO
    1990 machte Italiens Ex-Staatschef Giulio Andreotti die Existenz der geheimer Schatten-Armee “Gladio” bekannt. Bald darauf stellte sich heraus, dass auch in anderen NATO-Staaten entsprechende Stay-Behind-Organisationen eingerichtet wurden, um im Fall einer sowjetischen Invasion hinter der Front einen Widerstand aufzubauen.
    Bereits im Nachkriegsdeutschland waren paramilitärische Netzwerke aufgeflogen. Die CIA hatte ihren Stay-Behind-Agenten offenbar auch eine innenpolitische Rolle zugedacht, etwa für den Fall erdrutschartiger kommunistischer Wahlsiege. Nachdem lange die Forschung durch Geheimhaltung behindert wurde, liegt mit Partisanen der NATO von Erich Schmidt-Eenboom und Ulrich Stoll nunmehr eine Dokumentation über die Stay-Behind-Organisationen in Deutschland 1946-1991 vor.
    Quelle: Telepolis
  15. BND-Operation Eikonal: “Freibrief” für die Telekom aus dem Kanzleramt
    Der österreichische Parlamentarier Peter Pilz hat Korrespondenz zwischen Bundeskanzleramt, BND und Deutscher Telekom veröffentlicht, die angeblich Details der umstrittenen Netzspionage enthüllen.
    “Der vom Bundesnachrichtendienst in Ihrem Unternehmen geplante Aufklärungsansatz steht aus hiesiger Sicht in Einklang mit geltendem Recht.” Mit diesem lapidar wirkenden Satz hat der frühere Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, Ernst Uhrlau, am 30. Dezember 2003 offenbar die umstrittene Operation Eikonal ins Rollen gebracht. In deren Rahmen zapfte der deutsche Auslandsgeheimdienst einen Frankfurter Netzknoten der Deutschen Telekom an und übermittelte einen Teil der abgeleiteten Daten an die NSA. (…)
    Verantwortliche bei der Telekom hatten zuvor große Bauchschmerzen bei dem heiklen Vorhaben. Diese bezogen sich auf die unklare Rechtsgrundlage sowie die Tatsache, dass die vom Bundesnachrichtendienst (BND) gewünschten Internetverkehre auch Kommunikation deutscher Bürger enthalten könnten. Uhrlau, der später BND-Chef wurde, hatte das Schreiben im NSA-Untersuchungsausschuss selbst als “Freibrief” bezeichnet, den auch der damalige Kanzleramtschefs Frank-Walter Steinmeier (SPD) befürwortet habe.
    Quelle: heise online
  16. Andrej Hunko sagt nach Drohungen Wahlbeobachtung in der Ukraine ab
    Der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (DIE LINKE) hat seine Wahlbeobachtung in der Ukraine abgesagt, die er für den Europarat an diesem Wochenende ausführen sollte. Hunko sollte zuerst die Einreise in die Ukraine verweigert werden, was nur auf Druck der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) kurzfristig zurückgenommen wurde. Jetzt behauptet die ukrainische Seite, dass Informationen über möglichen Angriffe von pro-russischen Kräften auf Hunko vorlägen, die die Regierung in Kiew diskreditieren sollten. Mit dieser unglaubwürdigen Argumentation soll die Teilnahme Hunkos weiterhin verhindert werden.
    Hierzu erklärt Andrej Hunko:
    „Es ist beispielloser Vorgang, dass der ukrainische Delegationsleiter in der PACE solche Drohungen gegen mich ausspricht. Es ist offenkundig, dass das Narrativ angeblicher ‚pro-russischer‘ Angriffe auf mich darauf ausgelegt ist, schon im Vorhinein die Schuldfrage zu klären, sollte es zu einem Angriff kommen. Dies entspricht einem Freibrief für Angriffe auf meine Person. Unter diesen Bedingungen kann ich meine Aufgabe als Wahlbeobachter nicht erfüllen.
    Quelle: Andrej Hunko
  17. Vorbild Kanada: So könnte die SPD zum Erfolg zurückkehren
    Die deutschen Sozialdemokraten gehen in der Großen Koalition unter. Sie sollten sich mal das kanadische Experiment anschauen – und auch von den Italienern könnte Sigmar Gabriel etwas lernen.
    Während sich in Deutschland jegliche politische Debatte auf ein Thema reduziert, haben sich im Rest der Welt einige interessante Dinge zugetragen – vor allem in Kanada und in Italien. Die Ereignisse dort sind insbesondere von großer Bedeutung für Sigmar Gabriel und seine glücklosen Genossen. Der überraschende Wahlsieg der kanadischen Liberalen hat Binsenweisheiten auf den Kopf gestellt, die gerade auch in Deutschland unangetastet sind.
    Zunächst muss man wissen, dass in Nordamerika das Wort “liberal” eine andere Bedeutung hat als bei uns. Es bedeutet dort links. Die kanadischen Liberalen sind also das, was die SPD bei uns ist. Oder genauer gesagt, was die SPD bei uns einmal war. Denn an einen Wahlsieg der SPD ist in Deutschland überhaupt nicht zu denken, nicht einmal jetzt, da die Kanzlerinnendämmerung eingesetzt hat. (…)
    Die SPD wäre gut beraten, das kanadische Experiment genau zu beobachten. Solange man sich dem Prinzip eines permanent ausgeglichenen Haushalts unterwirft, desto geringer wird der politische Spielraum. Die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse war die größte politische Dummheit, die die SPD in ihrer modernen Geschichte mitgetragen hat. Ohne die Möglichkeit defizit-finanzierter Investitionen hat die SPD keine Möglichkeiten, staatliche Investitionen nachhaltig zu erhöhen. Die Schuldenbremse hat die Wirtschaftspolitik völlig zu reinen Verteilungsfragen degradiert. Kanada hat keine Schuldenbremse. Dort ist der ausgeglichene Haushalt lediglich die Politik einer Regierung, die jetzt abgewählt ist.
    Quelle: Wolfgang Münchau auf Spiegel Online

    Anmerkung J.K.: Nun ja, die Hoffnung stirbt bekanntlich zu letzt. Aber Münchau will doch nicht ernsthaft den sogenannten Vizekanzler mit Justin Trudeau vergleichen? Wer soll denn bitte schön in der SPD eine politische Wende einleiten? Von einem deutschen Jeremy Corbyn ist weit und breit nichts zu sehen.
    In diesem Zusammenhang wäre es sicher interessant zu analysieren wie die kanadischen “Qualitätsmedien” mit Justin Trudeau umgesprungen sind? Es ist nämlich zu befürchten, selbst wenn sich in der SPD eine charismatischen Führungspersönlichkeit finden sollte, das diese sich sofort mit einer gewaltigen Gegenkampagne der gesamten Medienlandschaft konfrontiert sähe.

  18. Protest gegen erhöhte Studiengebühren eskaliert
    Seit Tagen demonstrieren Studenten in Südafrika gegen höhere Studiengebühren. Am Freitag eskalierte der Protest in Pretoria: Journalisten wurden mit Steinen beworfen und verletzt. Die Polizei geht mit Härte vor.
    Die Witwatersrand University in Johannesburg, die beiden Universitäten von Kapstadt, die Uni in Durban und nun auch die Universität von Pretoria: An den südafrikanischen Hochschulen geht seit Montag nichts mehr. Der Grund ist ein landesweiter Protest der Studenten gegen eine weitere Erhöhung der Studiengebühren.
    45.000 Rand (rund 3000 Euro) kostet ein Studienjahr am Kap im Durchschnitt, und geht es nach der Regierung, soll diese Summe im kommenden Jahr um zwölf Prozent erhöht werden. Für die Mehrheit der weißen Studenten ist das vermutlich kein Problem, ihre Eltern sind meist gut situiert.
    Eine neue Form der Apartheid
    Für die Mehrzahl der schwarzen Studenten ist das aber sehr viel Geld. Von einer neuen Form der Apartheid ist die Rede – einer Trennung zwischen denen, die haben, und denen, die nichts haben, womit sich die Frage stellt, wer dafür 21 Jahre nach dem Ende der institutionalisierten Rassentrennung verantwortlich ist. Die Antwort fällt nicht schwer, schließlich ist seither die immer selbe Partei an der Macht: der „African National Congress“ (ANC).
    Was die angehenden Akademiker, weiße wie schwarze, von ihrer Regierung halten, wurde am Mittwochabend in Kapstadt deutlich, als mehrere hundert Studenten versuchten, das Parlament zu stürmen, wo Finanzminister Nhlanhla Nene gerade seinen Halbjahreshaushalt vorstellte und die Studiengebühren mit keinem Wort erwähnte.
    Quelle: Frankfurter Allgemeine

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Schöner Artikel. Studiengebühren führen zu mehr sozialer Ungleichheit und sind eine Form der Ausgrenzung. Warum wendet die FAZ diese Logik nicht auch auf Deutschland an, wo dasselbe gilt?

    Ergänzende Anmerkung C.R.: Und wenn es nicht die „FAZ“ ist, so findet sich ein anderes deutsches „Qualitätsmedium“, das sich für die Wiedereinführung von Studiengebühren hierzulande stark macht. Ein aktuelles Beispiel ist in „Zeit Online“ nachlesbar: Geld her!.

  19. So war es wirklich: Sommermärchen nicht gekauft!
    […] Darum habe ich in den vergangenen Tagen eine Intensiv-Recherche angestellt, bei der mir zugute kam, dass ich handelnde Personen wie Franz Beckenbauer, Wolfgang Niersbach, Günter Netzer, Fedor Radmann seit Jahren gut kenne, teilweise sogar sehr gut kenne. Sie haben lange und intensiv mit mir gesprochen. […]
    ICH BIN MIR BEWUSST, DASS ICH MIT DIESEM ARTIKEL MEINE REPUTATION ALS JOURNALIST UND REPORTER AUFS SPIEL SETZE. […]
    Ich nehme das Ergebnis meiner Recherche vorweg: Es gibt nach wie vor einige offene Fragen, es gibt möglicherweise Finanz-Trickserei, es gibt einen nach wie vor dubiosen Finanz-Transfer in Höhe von 6,7 Millionen Euro – aber es gibt kein gekauftes Sommermärchen! Und es gibt keine „Schwarzen Kassen“, mit denen Wahlmänner bestochen wurden.
    Quelle: Alfred Draxler in der Sport BILD

    Anmerkung JB: Dieser Artikel ist vor allem (auf für Leser, die sich nicht für Fußball interessieren) interessant, da Sport-BILD-Chef Alfred Draxler mehr oder weniger freiwillig offenbart, wie für ihn „Intensiv-Recherche“ aussieht: Man spricht mit ein paar alten Buddies und gibt deren Aussagen als Fakt wieder. Im konkreten Fall ist dies journalistisch absolut untragbar, da die Buddies des SPORT-Bild-Chefs im Fadenkreuz der Anschuldigungen stehen. Draxler muss gar nicht erwähnen, dass er seine „Reputation“ auf´s Spiel setzt … er und seine Kollegen von BILD haben schließlich gar keine Reputation, die sie verlieren könnten. BILD bleibt auch in diesem Fall BILD – wir halten es mit den Mächtigen und verkaufen ihre Meinungen als Fakten.


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