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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 20. Dezember 2007 um 9:55 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(KR/WL)
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
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  1. Personalkosten spielen für deutsche Unternehmen eine immer geringere Rolle
    Ihr Anteil an den gesamten Ausgaben machte im vergangenen Jahr nur noch 16,5 Prozent aus, wie die Bundesbank am Montag in ihrem Monatsbericht mitteilte. 1997 waren es noch 19,5 Prozent. “Ausschlaggebend dafür war die anhaltend moderate Lohnentwicklung”, begründete die Bundesbank diesen Rückgang. Die Personalausgaben kletterten 2006 um drei Prozent, während die Materialkosten wegen teurer Rohstoffe mit 7,5 Prozent mehr als doppelt so schnell stiegen.
    Der Gewinn vor Steuern erhöhte sich gleichzeitig im Produzierenden Gewerbe, im Handel, im Verkehrsgewerbe und bei unternehmensnahen Dienstleistern um 12,5 Prozent auf 180 Milliarden Euro. Das ist fast die Hälfte mehr als 2003. Neben der Lohnzurückhaltung führt die Bundesbank dies auf das kräftige Geschäftswachstum zurück.
    Quelle 1: Reuters
    Quelle 2: Monatsbericht der Bundesbank Seite 41 [PDF – 1,7 MB]

    Anmerkung WL: Wenn man die wirtschaftspolitische Debatte der letzten Jahre verfolgte und die Begründungen für die Reformpolitik im Hinblick auf die die Senkung der sog. Lohnnebenkosten ernst nähme, dann könnte man meinen, das gesamte Schicksal der Nation hinge davon ab, ob die Personalkosten für die Unternehmen von 16,5 auf 16,4 Prozent gesenkt werden können. Natürlich gibt es personalintensive Bereiche, aber die liegen im Wesentlichen in der Binnenwirtschaft und beim Kleingewerbe. Doch die Verengung des Blicks auf die Personalkosten beweist eigentlich nur, dass in Deutschland Wirtschaftspolitik aus der Interessenssicht der Exportwirtschaft betrieben wird.

  2. Neues aus dem Casino:
    • Dickes Minus bei Morgan Stanley
      Die zweitgrößte US-Investmentbank ist tief in die roten Zahlen gerutscht. Das Minus fiel fast zehnmal so hoch aus wie von Börsianern erwartet .Morgan Stanley am Mittwoch, China werde angesichts von Milliardenverlusten für fünf Milliarden Dollar knapp zehn Prozent an der Bank erwerben.
      Quelle: SZ
    • Wolfgang Münchau: Am Ende haftet der Staat
      Ich würde nicht ausschließen, dass im Verlauf dieser Krise erst eine Bank oder mehrere große Investitionsgesellschaften kollabieren, bevor es am Ende zu staatlichen Solvenzgarantien kommen wird, ähnlich wie damals in den 80er-Jahren während der großen Krise der amerikanischen Savings-and-Loan-Banken. Dann werden wir uns grundsätzlich fragen müssen, wie wir Banken in Zukunft regulieren wollen. Denn so wie bislang kann es nicht weitergehen. In einem europäischen Binnenmarkt sollte die Bankaufsicht auf europäischer Ebene angesiedelt sein, ob nun bei der Zentralbank oder einer eigens dafür eingerichteten Behörde. Zumindest brauchen wir politische Führung, um das Ausmaß der Kreditkrise zu begrenzen. Doch daran fehlt es momentan am meisten.
      Quelle: FTD
    • Die Risiken bei der SachsenLB bleiben extrem hoch
      Der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel über Krise, Kollaps und Katharsis beim Finanzdebakel der Sächsischen Landesbank: „Kinder in Hartz-IV-Haushalten müssen von 2,57 Euro pro Tag ernährt und gekleidet werden. Zugleich werden von Landesbanken wie der SachsenLB, die über den Mehrheitsaktionär, das Land Sachsen, vom Steuerzahler mitfinanziert werden, Milliarden Euro auf dem internationalen Finanzmarkt verspekuliert. Der Kollaps der SachsenLB ist ein Lehrstück, das allen Anlass gibt, die Systemfrage zu stellen.“
      Quelle: Freitag
  3. Detlef Hensche: Das Gespenst der Schmähung verdienter Manager geht um
    Die Vorstandsbezüge sind von aufreizend symbolischer Bedeutung. Wer sie zum Thema macht, lenkt nicht von anderen Missständen ab – selbst wenn er solches im Schilde führen sollte. Beides – Armut und Reichtum – Selbstbedienung oben und Härte nach unten sind zwei Seiten derselben Medaille. Und natürlich lassen sich Grenzen setzen, am leichtesten durch eine progressive Einkommenssteuer, die vor Spitzensätzen von 60 oder 70 Prozent nicht zurückschreckt, durch die Nichtanrechnung von Abfindungen und durch das gesellschaftsrechtliche Verbot von Aktienoptionen, dem Bestechungsgeld zur Pflege spekulativer Börsenkurse, auch auf Kosten der Unternehmenssubstanz.
    Quelle: Freitag
  4. Im Sog der Inflation
    Osteuropas ist von den rapide steigenden Nahrungsmittelpreisen aufgrund des niedrigen Lohnniveaus besonders stark betroffen.
    Quelle: Junge Welt
  5. Umstrittene Auftragsvergabe: Pharma-Prüfer wird überprüft
    Peter Sawicki kämpft gegen Scheininnovationen der Pharmaindustrie. Nun gerät er selbst in die Kritik: Er soll unrechtmäßig Aufträge an das Institut seiner Ehefrau vergeben haben.
    Quelle: TAZ
  6. Opel-Betriebsrat: Neueinstellungen statt Überstunden
    Der Betriebsrat des Autobauers Opel ist auf 180. “Eine Million Überstunden, das ist einfach zu viel”, sagt Klaus Franz, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates, der Frankfurter Rundschau. Mehrarbeit in diesem Umfang haben die Beschäftigten im Stammwerk Rüsselsheim in diesem Jahr geleistet, wie auch das Unternehmen selbst mit einem gewissen Stolz berichtet.
    “Das entspricht 650 zusätzlichen Arbeitsplätzen”, sagt Franz. Er pocht auf zügigen Neueinstellungen bei der Tochtergesellschaft des US-Konzerns General Motors (GM). Neuen Anträgen auf Mehrarbeit wird er auf keinen Fall zustimmen. Wegen überquellenden Arbeitszeitkonten hat er bereits am 10. Dezember die Mehrarbeit gestoppt.
    Quelle: FR
  7. Befristet bei der Bundesagentur: Jobvermittlerin sucht Arbeit
    Mehr als 90 000 Menschen beschäftigt die größte Behörde Deutschlands, 15 000 davon haben nur Kurzzeitverträge, manchmal für sechs Monate, manchmal für ein Jahr. Die Agentur, die Arbeit vermitteln soll, beschäftigt selber viele ihrer Mitarbeiter nur auf Zeit. “Im Grunde umgeht die Arbeitsagentur den Kündigungsschutz”, sagt Arbeitsrechtler Manfred Obermeier. Der Bochumer Anwalt vertritt Merker-Ludwig vor dem Gericht. Seit Jahren prozessiert er für entlassene Mandanten aus allen Berufsgruppen und sagt heute: “Ausgerechnet die Gralshüter des Arbeitsrechts verhalten sich wie klassische Arbeitgeber.”
    Quelle: FR
  8. Gerd Bosbach: Das Rentenkomplott
    Was wie Hexerei eines Zahlenkünstlers aussieht – aus der angeblichen Verdopplung der Belastung wurde bei genauerem Hinsehen eine Steigerung um 0,3 Prozent pro Jahr –, ist im Grunde genau das Gegenteil:

    Dramatisierer haben es geschafft, unseren Blick auf einen einzigen Teil der gesellschaftlichen Ausgaben, nämlich auf die Zahlungen für unsere Rentner, einzuengen. Und damit sich das auch wirklich erschreckend anhört, werden alle Steigerungen der nächsten fast 50 Jahre zusammengerechnet. Nur mit einem Zitat von Voltaire kann ich ansatzweise erklären, dass diese merkwürdige, sonst nie zu findende Rechenmethode so populär geworden ist: „Je häufiger eine Dummheit wiederholt wird, desto mehr bekommt sie den Anschein von Klugheit.“ Und an der ständigen Wiederholung haben interessierte Kreise mit hohem Aufwand gearbeitet. Dennoch wollen wir die Hoffnung auf einen Sieg der Vernunft nicht aufgegeben.
    Quelle: Tagesspiegel

  9. Springers eiskalte Weihnachtsbotschaft
    Im Hause Springer hat sich eine tiefe Kluft aufgetan zwischen per “Bild”-Zeitung öffentlich gefordertem Anspruch und intern gelebter Wirklichkeit. Während die “Bild”-Zeitung regelmäßig vermeintlich verantwortungsvergessenes Missmanagement in deutschen Konzernen geißelt, macht Springer selbst mit seinem Sorgenkind, der Pin-Gruppe, kurzen Prozess – ohne sich um die Belange der Angestellten zu scheren. Die Belegschaft der Pin-Gruppe muss für eine fehlerhafte Kalkulation der Springer-Führung haften.
    Die insgesamt 9000 Mitarbeiter werden sich ob der Springer-Entscheidung in jedem Fall bedanken: Mit ein paar Euro die Stunde wurden sie schlecht bezahlt, dann hat sie ihre Konzerspitze im Stich gelassen, und jetzt müssen sie sich auch noch arbeitslos melden. Frohe Weihnachten.
    Quelle: Stern
  10. Rote Laterne beim Staatsdumping – lautet das Ziel
    Im Wettbewerb der Nationen besteht die Gefahr, dass öffentliche Güter wie soziale Sicherungssysteme auf der Strecke bleiben. Von Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker
    Quelle: FR
  11. EU-Regeln sind keine Gefahr für deutsche Autobauer
    Bis zum Inkrafttreten des Gesetzentwurfes bleiben der Autoindustrie vier Jahre bis 2012, um den CO2-Ausstoß der Neuwagen von derzeit durchschnittlich 160 auf 130 Gramm Gramm pro Kilometer zu senken. Nach Einschätzung von Fachleuten ist das durchaus machbar. “Die Technik liegt in den Regalen”, sagt der Gelsenkirchener Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer. Bislang seien die zusätzlichen Kosten höher als die möglichen Einsparungen beim Spritverbrauch gewesen. Die EU-Kommission setze die richtigen Preissignale.
    Quelle: FR
  12. Deutschland gibt Zuwanderern keine Chance
    Kein Abschluss, kein Job, keine Chance: Zuwanderer haben in Deutschland “dramatisch” schlechte Aussichten. Das ergab eine Studie der Bundesregierung. 40 Prozent der Jugendlichen aus Zuwandererfamilien haben demzufolge keine Ausbildung.
    Quelle: FTD
  13. Mensch ist, wer ein Konto hat
    Wollen Obdachlose sich integrieren, brauchen sie ein Konto und eine Krankenversicherung. Sie haben auch ein Recht darauf – aber sie bekommen es nicht.
    Quelle: FR
  14. Deutsche Kindersoldaten
    Die Bundesrepublik protestiert gegen den Einsatz von Kindersoldaten in aller Welt – und rekrutiert gleichzeitig Minderjährige in ihre Armee. Kindernothilfe und Terre des Hommes rügen das.
    Quelle: FR
  15. Bremer Studierende wehren sich gegen Sparpläne
    Die Hochschulen in Bremen sollen bis zum Jahr 2010 eine Summe von 100 Millionen Euro einsparen. Die Universität soll mit 25 Prozent weniger auskommen. Von den 314 Professuren werden dann nur noch 240 übrig bleiben. 25 % weniger finanzielle Mittel bedeutet auch 25 % weniger Lehre, was dazu führen wird, dass es 4000 Studienplätze weniger geben wird, das befürchten die Studierenden. Sie halten das für ein Desaster.
    Quelle: DLF

    Anmerkung WL: Aber für die private Uni, die jetzige Jacobs University, hatte Bremen 118 Millionen Euro nebst einem Kredit in Höhe von 50 Millionen Euro übrig. Es ist immer dieselbe Logik: Man blutet die staatlichen Institutionen aus, damit die privaten überhaupt erst eine Chance haben.


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