NachDenkSeiten – Die kritische Website

Titel: Hinweise des Tages

Datum: 28. Januar 2016 um 8:32 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Sicherheitswahn: Bitte geraten Sie umgehend in Panik. Jetzt!
  2. Asylpolitik
  3. Banden, Gruppen, Bürgerwehren
  4. Und wieder grüßt die Vorratsdatenspeicherung
  5. Sigmar Gabriel: Wir müssen leider auch 2016 massiv auf die Neuverschuldung unserer Handelspartner bauen …
  6. Neue Debatte um Vermögensungleichheit und Vermögensteuer
  7. Riester-Garantie ohne Warnung unter Vorbehalt
  8. Smart, aber hart
  9. Gacs* – Wahnsinn auf Italienisch
  10. Leaked: Portugal’s budget warning letter
  11. Frankreichs Justizministerin gibt auf
  12. Kein Ende in Sicht. Die Mär vom Abzug aus Afghanistan
  13. Wer Frieden will, rüstet nicht auf
  14. Sarin in Syrien (2)
  15. Am Sterbebett des Kapitalismus
  16. Reformbündnis gesucht
  17. Schweigen ist Schrott
  18. Autonomie gefordert! Über ein schwieriges Prinzip der Demokratie

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Sicherheitswahn: Bitte geraten Sie umgehend in Panik. Jetzt!
    Ein Mann kauft im Baumarkt Chemikalien. Er sieht arabisch aus. Die Polizei ruft eine Fahndung aus, Medien sprechen von “Terrorverdacht”. Am Ende ist die Erklärung sehr viel trivialer – aber der Vorgang zeigt exemplarisch, was gerade schief läuft. […]
    Was aber noch zusätzlich maximal verstört, ist die Komponente der Sicherheitsesoterik, die sich darin verbirgt: Wie fahrlässig bis offensiv falsch mit dem kollektiven Gefühl für Sicherheit umgegangen wird. Der entscheidende Satz lautet: “Staatsanwaltschaft und Polizei nehmen den Hinweis insbesondere mit Blick auf die aktuelle Sicherheitslage und die Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger sehr ernst.” […]
    Allerdings ist Sicherheit eben nicht nur ein Gefühl. Und was das tatsächliche Geschehen in den Apparaten angeht, die für Sicherheit zuständig sind, ist eine höchst kontraproduktive Lage entstanden. Die allermeisten Anschläge auf europäischem Boden werden von Leuten begangen, die längst behördenbekannt sind. Wenn man Terrorverdächtige finden wollte, würde man in Polizeiakten eher fündig als bei Baumarktüberwachungskameras. Aber genau dahinter steht ein massives Problem: eine große Sicherheitslüge.
    Denn nichts hat sich als so effektiv und sinnvoll gegen Verbrechen aller Art von Terrorismus bis Taschendiebstahl herausgestellt wie stinknormale Ermittlungsarbeit. Die aber hat den Makel, dass sie höchst personalaufwändig ist und damit teuer. Und sie funktioniert dazu noch nur dann, wenn sie nicht in eine chronisch überlastete und dadurch schwache Justiz mündet. Aber auch das ist teuer.
    Quelle: Sascha Lobo auf Spiegel Online

    dazu: Entwarnung in Köln

    Quelle: ZDF heute-show via Facebook

  2. Asylpolitik
    1. Der Pass wird passend gemacht
      Abschiebung Wenn die deutschen Behörden einen Flüchtling nicht loswerden, lassen sie eben dessen Staatsangehörigkeit ändern. Afrikanische Botschaften werden für ihre Mithilfe bezahlt […]
      Viele Flüchtlinge haben keine Papiere, wenn sie in Deutschland ankommen. Entweder weil sie nie welche besaßen – Pässe werden in vielen Ländern Afrikas nur auf Anfrage ausgestellt. Oder weil sie ihren Ausweis vorher wegwerfen, aus Angst, schneller abgeschoben zu werden.
      Für die Geflüchteten bedeutet das, dass sie im rechtlichen Nirgendwo existieren. „Vogelfrei“ nannte Hannah Arendt diese Heimatlosen, weil sie offiziell zu keinem Staat gehören und daher nur eingeschränkte Bürgerrechte genießen. Für die deutschen Behörden hingegen sind diese Personen vor allem ein Problem, denn in manche Länder sind keine Abschiebungen möglich – weil dort Gefahr für Leib und Leben droht oder weil das Land keine Pässe ausstellt. Ungeklärte Staatsangehörigkeit ist das häufigste Abschiebehindernis. Deswegen hat sich die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Rückführung“, eine Art Thinktank für innovative Abschiebepraktiken, vor einigen Jahren eine Methode einfallen lassen, die Abschiebungen auch ohne gesichertes Wissen über die Herkunft der Flüchtlinge ermöglicht: Massenanhörungen durch Botschaftsangehörige vermuteter Heimatstaaten.
      Quelle: der Freitag
    2. Griechenland als Internierungslager (Teil 2: Davoser Ideen)
      Der Plan schält sich immer klarer heraus. Für Schuldenerlasse soll Griechenland seine Inseln zu Internierungslagern umbauen. Da es am Willen der Griechen etwas hakt, wird durch Schuldzuweisungen und Abriegelung der Nordgrenze nachgeholfen. Gideon Rachman bringt diesen Plan frisch aus Davos mit und verkündet ihn in der FT.
      Quelle: Norbert Häring
    3. Restriktive Grenzregime verringern die Zahl von Zufluchtsuchenden nicht
      Ungeachtet der Verschärfung der Asylbestimmungen in Deutschland und Österreich sind auf der Balkanroute weiterhin Tausende von Flüchtlingen unterwegs. Im Januar 2016 werden gut 50.000 Flüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland Zuflucht gefunden haben. Es kommen trotz widrigem Wetter immer noch 2.000 bis 3.000 Zufluchtsuchende pro Tag an.
      Im Vorjahrsmonat waren es knapp 1.700. Im letzten Jahr reisten über eine Million Menschen nach Europa. Für das ganze Jahr rechnet das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen UNHCR mit ähnlichen Flüchtlingszahlen wie im Vorjahr. Die Ankunft weiterer Hunderttausender Asylsuchender ist eine Tatsache, die sich kurzfristig kaum verringern lässt.
      Die EU habe nur noch sechs bis acht Wochen Zeit, um die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen, sagte der niederländische Premierminister Mark Rutte. Wenn der Frühling komme, dürfte die Zahl von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten und aus Nordafrika nach Europa deutlich steigen.
      Die Flüchtlingskrise gefährdet zunehmend das Schengen-Abkommen, also den freien Verkehr von Personen in Europa. Immer mehr Staaten errichten Grenzkontrollen. Rutte geht davon aus, dass das Schengen-Abkommen gerettet werden kann. Allerdings müsse es zunächst eine Reform des gescheiterten Dublin-Verfahrens geben. Dieses besagt, dass der europäische Staat, in den ein Asylbewerber als ersten eingereist ist, für das Asylverfahren zuständig ist.
      Quelle: Sozialismus aktuell
    4. Verfassungsklage nützt Merkel
      Die Kanzlerin muss den Gang der CSU nach Karlsruhe nicht fürchten. Die Richter werden sie wohl eher stützen. Gefahr droht an anderer Stelle. (…)
      Zwar ist die Verfassungsklage ein perfides Mittel zur Dramatisierung der Situation. Indem der Regierung Merkel verfassungswidriges Handeln vorgeworfen wird, distanziert man sich maximal und präsentiert die Kanzlerin als Outlaw. Die Kanzlerin lässt die CSU aber agieren, solange die formal den Kurs einer europäischen Lösung mitträgt und die nationalen Sofortmaßnahmen nur für die Überganszeit fordert – bis Merkels große Lösung greift. Wahrscheinlich akzeptiert Merkel die bayerische Radikalrhetorik längst als Spiel mit verteilten Rollen. (…)
      Was Merkel wirklich fürchten muss, ist ihre eigene politische Erfolglosigkeit. Statt offensiv eine realistische Aufnahme von etwa 800.000 Flüchtlingen zu vertreten, verspricht sie seit Monaten eine deutliche Senkung der Flüchtlingszahlen. Doch weder bei der Abschottung der Außengrenzen noch bei der innereuropäischen Verteilung der Flüchtlinge kommt sie voran. Diese Hilflosigkeit delegitimiert sie so nachhaltig, dass ernsthaft mit einem innerparteilichen Putsch zu rechnen ist.
      Die Verfassungsrichter könnten Merkel in dieser Situation aber stützen, indem sie in ihrem Urteil zur bayerischen Klage deutlich machen, was auf dem Spiel steht: Wenn auch Deutschland in der Flüchtlingspolitik nach dem St. Floriansprinzip agiert, würde der Süden der EU ins Chaos stürzen: Hundertausende verzweifelter Menschen würden hin und hergeschoben, Militär käme zum Einsatz, gegen Flüchtlinge und womöglich auch gegen Nachbarstaaten.
      Quelle: taz
  3. Banden, Gruppen, Bürgerwehren
    Es könnte alles so schön sein. Wenn nur diese Angst nicht wäre! Banden, Gruppen, Organisationen bedrohen uns, umzingeln uns, verstricken uns in ihre Logik und ihr klandestines Wollen. Das klingt ironisch, am Ende gar schadenfroh. Ist es aber nicht. Sich vor dem Fremden zu fürchten, ist weder verrückt noch verwerflich noch verwunderlich: Es ist ganz normal. […]
    Ein kleines Experiment für Damen und Herren über 50:
    Schritt 1: Erinnern Sie sich an die “Rote Armee Fraktion” (RAF). Haben Sie sich damals (sagen wir: 1971 bis 1978) gefürchtet? Hielten Sie es für möglich, dass furchtbare Dinge passieren, die Sie selbst betreffen? Wissen Sie noch, wie Sie sich fühlten, als die Boulevardpresse mitteilte, die “RAF” plane Anschläge auf Kindergärten?
    Schritt 2: Erinnern Sie sich an den “Nationalsozialistischen Untergrund” (NSU). Letzte Woche lasen wir, 350 per Haftbefehl gesuchte mutmaßliche Gewalttäter aus der rechtsextremistischen Szene seien untergetaucht und lebten im Untergrund.
    Schritt 3: Versuchen Sie, Ihre Angst (oder Nicht-Angst) zu vergleichen. Wenn mich nicht alles täuscht, besteht in der deutschen Bevölkerung derzeit keine kollektive Angst vor dem NSU. Vor der RAF hingegen bestand große Angst. Sie konnte zeitweise bis zur Hysterie angefacht werden. Es hätte sich zu jeder Zeit in jeder deutschen Großstadt problemlos ein Lynchmob finden lassen, der die (mutmaßlichen) Täter der RAF samt ihren Helfern an die nächste Wand stellt.
    Schritt 4: Bitte schreiben Sie nun auf einen Zettel drei Gründe, warum Sie – oder die Bevölkerungsmehrheit – sich vor dem NSU nicht fürchten.
    Quelle: Fischer im Recht auf Zeit Online
  4. Und wieder grüßt die Vorratsdatenspeicherung
    Das aufgehobene Gesetz von 2008 hatte auf einer EU-Richtlinie basiert. Diese EU-Richtlinie existiert mittlerweile aber nicht mehr: Der Europäische Gerichtshof hat sie 2014 für ungültig erklärt, da sie mit der Charta der EU-Grundrechte nicht vereinbar sei. Das wurde allgemein als das endgültige Aus für die Vorratsdatenspeicherung betrachtet. Aber es verhielt sich damit so wie mit dem Murmeltier: Das grüßt täglich – und die Vorratsdatenspeicherung tut das auch. Kaum war sie aus Debatte und Gesetz verschwunden, tauchte sie, proklamiert von CDU und CSU, wieder auf. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel kümmerte sich wenig um das Votum des EU-Gerichts; er zwang den widerstrebenden Bundesjustizminister Heiko Maas aus innenpolitischen Gründen auf VDS-Linie. Ergebnis ist das neue Gesetz vom 10. Dezember 2015, das nun nicht mehr auf einer EU-Richtlinie fußt, sondern allein auf deutschen Rechtsgrundlagen.
    Quelle: Heribert Prantl in der Süddeutschen
  5. Sigmar Gabriel: Wir müssen leider auch 2016 massiv auf die Neuverschuldung unserer Handelspartner bauen …
    Bei der einen Gelegenheit sagte der Minister lapidar, was auch im JWB steht, der Leistungsbilanzüberschuss werde dieses Jahres sinken. Das ist, so wie es der normale Mensch versteht, falsch. Im Text heißt es: „Der Saldo der deutschen Leistungsbilanz wird leicht um 0,3 Prozentpunkte auf 7,8 Prozent in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt zurückgehen.“ Absolut gesehen, also in Milliarden Euro, das zeigen die Zahlen des Außenbeitrags (siehe Tabelle unten), wird der Leistungsbilanzsaldo mindestens konstant bleiben, vermutlich aber weiter steigen. Auf das Absolute aber kommt es an, denn die Verschuldung der anderen Länder wird absolut steigen. Was das in Relation zum deutschen BIP bedeutet, ist vollkommen uninteressant. Entscheidend bei der relativen Sichtweise ist, dass die Größenordnung des Überschusses fast unverändert sein wird und dass Deutschland damit wiederum klar gegen die europäischen Regeln im Rahmen der Macroeconomic Imbalance Procedure (MIP) verstößt.
    Quelle: flassbeck-economics

    dazu der Deutsche Bank Chef Jürgen Fitschen im Rahmen eines Interviews auf Welt Online
    “Vielleicht sollten wir uns nicht immer nur an unserem Exportüberschuss berauschen. Überschussländer tragen ebenso zu globalen Ungleichgewichten bei wie die, die ein großes Defizit einfahren. Wenn wir also etwas weniger abhängig werden vom Export und dieses Jahr vor allem dank einer stärkeren Binnennachfrage zwei Prozent Wachstum erreichen würden – was übrigens die Deutsche Bank für 2016 erwartet –, wäre das eine durchaus gute Botschaft.”
    Quelle: Welt Online

    Anmerkung unseres Lesers P.K.: Jürgen Fitschen ist da zu einer richtigen Erkenntnis gelangt. Auch die Äußerungen von ihm zum Thema deutsche Dominanz und Solidarität in Europa in dem Interview sind durchaus interessant. Was er zum Thema Mindestlohn sagt, ist hingegen der übliche Blödsinn.

  6. Neue Debatte um Vermögensungleichheit und Vermögensteuer
    Heute veröffentlichte das DIW in seinem neusten Wochenbericht eine Schätzung, wie hoch das Steueraufkommen mit einer sehr moderaten Wiedereinführung mit großen Freibeträgen wäre: Bei einer Belastung, die praktisch nur das reichste 1 Prozent und vor allem das reichste 0,1 Prozent der Vermögenden träfe, könnten jährlich 10-20 Mrd. Euro Steueraufkommen erzielt werden.
    Vermutlich würde dieser Betrag bei einem noch konsequenteren Vorgehen gegen Steuerflucht noch erhöht werden: weil dann Ausweichreaktionen der Reichen unwahrscheinlicher würden.
    Die hohe Ungleichheit bei den Vermögen ist also kein Naturphänomen. Sie hängt ab von politischen Entscheidungen dafür oder dagegen.
    Quelle 1: verteilungsfrage.org
    Quelle 2: DIW

    dazu: Schadet Ungleichheit in der Einkommensverteilung der Wirtschaft?
    Neuere Forschungsergebnisse weisen auf einen negativen Zusammenhang zwischen ökonomischer Ungleichheit und gesamtwirtschaftlicher Entwicklung hin. Hohe Einkommensungleichheit kann angebotsseitig das Wachstumspotenzial schwächen, wenn sie z. B. zu geringeren Ausgaben für Bildung führt. Nachfrageseitig kann sie destabilisierend wirken, wenn der private Konsum zunehmend auf Verschuldung basiert. Diese Erkenntnisse sollten in Politik und Wissenschaft stärker berücksichtigt werden.
    Spätestens seit der Veröffentlichung des internationalen Bestsellers „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ von Thomas Piketty ist die Debatte über die mit einer steigenden Einkommens- und Vermögensungleichheit verbundenen Probleme zum neuen Megathema in den Wirtschaftswissenschaften und in der Politik geworden. Dabei wird in der internationalen Debatte zunehmend die Position vertreten, dass eine steigende Einkommensungleichheit eine zentrale Ursache für geringes Produktivitätswachstum bzw. gesamtwirtschaftliche Instabilität sein kann. Die zugrunde liegende wirtschaftswissenschaftliche Forschung wurde insbesondere vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) betrieben.
    Quelle: blog.arbeit-wirtschaft.at

  7. Riester-Garantie ohne Warnung unter Vorbehalt
    Wie die Frankfurter Rundschau heute berichtet, musste die Bundesregierung aufgrund einer Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/die Grünen (BT-Drucksache 18/6964) einräumen, dass Versicherungskunden nicht vor Kürzungen bei Lebensversicherungen gewarnt werden müssen. Laut dem Bund der Versicherten e. V. (BdV) sind auch Riester-Renten betroffen. Die Versicherer können zusammen mit der Aufsichtsbehörde die garantierten Leistungen massiv einschränken, würde das Versicherungsunternehmen sonst in eine Schieflage geraten. „Die Riester-Garantie auf die eingezahlten Beiträge ist dann faktisch Makulatur“, erklärt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des BdV. Auch müssen bereits heute die Kunden Kürzungen hinnehmen, die mit vermeintlichen Unternehmensschwächen begründet werden. „Verbrauchern werden ihre Erträge zusammengestrichen, auch wenn es dem Unternehmen gar nicht ernsthaft schlecht geht“, warnt Kleinlein. Warnungen vor diesem kundenfeindlichen Gebaren sucht der Verbraucher jedoch vergebens.
    Quelle: BdV
  8. Smart, aber hart
    Das Management der Helios-Gruppe agiere kopflos und handwerklich schlecht, heißt es in den Wiesbadener Horst-Schmidt-Kliniken. Den einst so guten Ruf des Hauses hat aber vorher schon der Rhön-Konzern ruiniert. Darf exzellente Medizin wirtschaftlich sein?“ Dieser Frage ging Francesco De Meo, der Vorstandschef der Helios-Gruppe, auf dem Neujahrsempfang seines Konzerns in Wiesbaden nach. Sein Thema wirkte angesichts der aktuellen Umstände allzu theoretisch. Schließlich hatte der Minderheitsgesellschafter der Horst-Schmidt-Kliniken (HSK) nach einer Reportage des Fernsehsenders RTL gerade erst eine signifikante Personalnot, gravierende hygienische Missstände und Fehler im Management zugeben müssen. Zu allem Überfluss kamen noch multiresistente Erreger auf der Station für Frühgeborene hinzu. […]
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers H.M.: Die FAZ knöpft sich Helios mit deutlichen Worten vor und schreibt Tacheles, das ist die Höchststrafe für den privaten Konzern. Wie in Wiesbaden agiert Helios auch an anderen Standorten und wird sich von diesem Kurs kaum abbringen lassen. Im Vordergrund steht die avisierte Rendite von 15 Prozent (teilweise darüber), und wenn die Geschäftsführer diese nicht erbringen, sind sie schnell weg vom Fenster. Gewinnmaximierung und eine gute Gesundheitsversorgung vertragen sich halt nicht.

  9. Gacs* – Wahnsinn auf Italienisch
    “Die italienische Regierung will ihre Bankenkrise mit denselben Mitteln lösen, die uns in die Finanzkrise geführt haben und die EU-Kommission gibt grünes Licht. Das entspricht Einsteins Definition von Wahnsinn – immer wieder dasselbe zu tun, aber andere Ergebnisse zu erwarten”, kommentiert der Europaabgeordnete Fabio De Masi (DIE LINKE.) die Einigung zwischen der EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und dem italienischen Finanzminister Pier Carlo Padoan über den Umgang mit den von italienischen Banken gehaltenen notleidenden Krediten.
    Der deutsch-italienische Wirtschaftspolitiker weiter: “Die italienischen Banken sollen jetzt sogenannte Zweckgesellschaften gründen, die ihnen ihre Schrottkredite abkaufen. Diese sollen den Schrott dann in Verbriefungsgeschäften verpacken und weiterverkaufen. Das gab es schon, z.B. mit amerikanischen Hypotheken, kurz bevor die Finanzwelt zusammenbrach. Das wissen auch die möglichen Investoren – Hedgefonds und andere Heuschrecken. Damit diese den Müll trotzdem kaufen, soll es eine 40 Mrd. Euro Garantie von den italienischen Steuerzahlern geben.”
    Quelle: Fabio De Masi (MdEP)
  10. Leaked: Portugal’s budget warning letter
    The commission’s letter, sent by Pierre Moscovici and Valdis Dombrovskis, the two European commissioners responsible for eurozone budget issues, says that cuts Portugal was required to make – equivalent to 0.6 per cent of its economic output – are not being met. In fact, the letter says Portuguese austerity measures were “well below” that 0.6 per cent target.
    Lisbon now has a week to either explain itself, or to revise its budget. If it doesn’t, the commission is likely to formally reject the plan and order a new budget be submitted in just three weeks.
    This is not the first time the commission has invoked the new rules in this way. Two years ago, it sent similar letters to France and Italy. But at the end of the day, the just-elected Juncker commission decided not to reject either budget, the first in a series of moves that has led critics to argue the current commission has become more lax on the budget rules than during the presidency of José Manuel Barroso.
    Will Portugal get similar leniency? We’ll find out before the end of next month.
    Quelle: Brussels Blog
  11. Frankreichs Justizministerin gibt auf
    Frankreichs Justizministerin Taubira gilt als Ikone der Linken, der französischen Regierung war sie aber ein Dorn im Auge. Denn sie wollte die geplante Verfassungsreform nicht mittragen. Nun entschied sich Taubira zu gehen.
    Quelle: Tagesschau

    dazu: Demontage einer Ikone
    Frankreichs Justizministerin Taubira tritt im Streit von ihrem Amt zurück. Vor allem rechte Politiker halten das für eine „gute Neuigkeit“. Doch womöglich kommt es schon bald zum nächsten Duell zwischen Taubiras und Präsident Hollande. […]
    Der Abgang Taubiras markiert den Auftakt einer neuen Art von Minderheitsregierung in Frankreich. Zwar verfügt Regierungschef Manuel Valls weiterhin über eine knappe parlamentarische Mehrheit, hat aber das Vertrauen weiter Teile der Linken verloren. Die Parlamentsfraktion wird nur noch vom Machtinstinkt zusammengehalten. Taubiras Nachfolger im Justizministerium, der Bretone Jean-Jacques Urvoas, ist ein sozialistischer Apparatschik. Urvoas leitete seit 2012 den Rechtsausschuss in der Nationalversammlung. Sein größtes Verdienst lag bislang in der Verteidigung des umstrittenen Geheimdienstgesetzes. Das Gesetz gilt gerade Linkswählern als Freibrief für den totalen Lauschangriff sowie unkontrollierte Überwachung im Internet und begründet ihren Unmut über die Regierung.
    Quelle: FAZ

  12. Kein Ende in Sicht. Die Mär vom Abzug aus Afghanistan
    “Der Einsatz in Afghanistan ist zum Paradebeispiel gescheiterter westlicher Militärinterventionen geworden. Selbst der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat sagt, dass Deutschland in Afghanistan politisch gescheitert sei. Mehr als 14 Jahre sind seit dem Einmarsch in Afghanistan im Oktober 2001 vergangen. Der unter Führung der USA begonnene Krieg hat nicht die „erhoffte“ Demokratisierung Afghanistans und erst recht keinen Frieden gebracht. Die milliardenschwere Intervention mit ihren zahlreichen zivilen Opfern (4921 getötete und verletzte Zivilisten allein im ersten Halbjahr 2015) führt erschreckend vor Augen, dass eine militärische Lösung in Afghanistan nicht möglich ist. Die Truppenpräsenz des Westens, insbesondere seine Offensiven, sind Teil des Problems und nicht der Lösung des Konflikts. Offiziell wurde der NATO-Kampfeinsatz in Afghanistan Ende 2014 für beendet erklärt, faktisch setzt er sich aber in der neuen NATO-Mission fort…”
    Quelle: Labournet
  13. Wer Frieden will, rüstet nicht auf
    Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) plant ein Milliardenprogramm zur Aufrüstung der deutschen Armee. Bis zum Jahr 2030 seien insgesamt Ausgaben von rund 130 Milliarden Euro vorgesehen. Auch die Festlegung auf 185.000 Soldaten soll aufgehoben werden. Wer Frieden will, rüstet nicht auf, erklärt der Vorsitzende der Partei DIE LINKE, Bernd Riexinger.
    130 Milliarden Euro für Kriegsgerät und mehr Soldaten – das ist völliger Irrsinn. Natürlich müssen auch Berufssoldaten vernünftige Arbeitsbedingungen haben – angesichts der völligen Überlastung der Beschäftigten an Schulen, in Krankenhäusern und Kitas, auf Polizeiwachen und Ämtern ist aber jeder Euro für das Militär eine Absage an eine gute Gesundheitsversorgung, Sicherheit im Alltag und Bildungschancen für alle in Deutschland lebenden Menschen. Diese horrende Summe muss für eine Armee von Lehrern und Sozialarbeiterinnen, Krankenpflegern und Erzieherinnen verwendet werden. Schulen und Krankenhäuser sind die sozialen “Schlachtfelder”, die dringend finanziell ausgerüstet werden müssen – nicht das Tätigkeitsfeld von Soldaten, welches der Krieg ist.
    Die Pläne bedeuten rechnerisch fast die Verdopplung der bisherigen Ausgaben für das Militär. Verteidigungsministerin von der Leyen und Wirtschaftsminister Gabriel dürften sich damit ihren Platz im Herzen der Rüstungsindustrie dauerhaft sichern. Es ist beschämend, welche Prioritäten die Große Koalition in Zeiten setzt, in denen die Schere zwischen arm und reich in Deutschland immer weiter auseinandergeht, jedes fünfte Kind in Armut lebt und es nicht genügend bezahlbare Wohnungen gibt.
    Quelle: Die Linke

    Anmerkung André Tautenhahn: Mit dem Segen der Schwarzen Null Schäuble darf Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen rund 9 Mrd. Euro mehr pro Jahr für ihren Haushalt einplanen. Ein ähnlich großer Aufschrei wie bei den rund 10 Mrd. Euro, die für die Versorgung von Flüchtlingen aufgewendet werden müssen, dürfte wohl ausbleiben.

  14. Sarin in Syrien (2)
    Trotz entgegengesetzter Befunde (vgl. Teil 1 in Ossietzky 1/2016), blieb die US-Administration bei ihrer Entscheidung, allein Assad die Verantwortung zuzuschieben, am 21. August 2013 in Ghouta Sarin eingesetzt zu haben. Auf einer Pressekonferenz erklärte die US-Botschafterin bei der UNO, Samantha Power: »Es ist sehr wichtig, festzuhalten, dass nur das Assad-Regime Sarin besitzt, wir haben keine Beweise, dass die Opposition Sarin besitzt.« Dennoch realisierte Obama seine Entscheidung, in Syrien einzugreifen, letztlich nicht. Am 26. September einigte er sich mit Putin auf eine gemeinsame UNO-Resolution, in der Assad aufgefordert wurde, sein Chemiewaffenarsenal aufzulösen.
    Doch dies war offensichtlich nicht die ganze Geschichte. Warum schreckte Obama vor der Verwirklichung seiner »Rote Linie«-Drohung zurück? Diese Frage stellte sich Hersh am Ende seines Artikels und recherchierte weiter. Seine Ergebnisse veröffentlichte er unter dem Titel »Die Rote Linie und die Rattenlinie« (»The Red Line and the Rat Line«) ein halbes Jahr später, am 7. April 2014, wieder in der Zeitschrift London Review of Books. Was bis dahin noch als Einzelmeinung hätte abgetan werden können, erwuchs jetzt durch weitere Fakten und Details zu einem Dokument, dem man nur mit größter Ignoranz und Arroganz aus dem Wege gehen konnte. Wiederum vermochte Hersh auf seine ausgezeichneten Geheimdienstkontakte zurückzugreifen, diesmal offensichtlich bis nach Russland, und kam zu folgendem Ergebnis.
    Nicht die syrische Armee, sondern die al-Nusra-Front hatte das Sarin hergestellt. Im Mai 2013 waren im Süden der Türkei zwei Kilogramm Sarin im Besitz von al-Nusra-Rebellen sichergestellt worden. Das Sarin, das beim Angriff vom 21. August 2013 benutzt worden war, konnte laut chemischer Analyse nicht aus dem Arsenal der syrischen Armee stammen. Die Erkenntnisse fußten auf russischen Analysen. Die Russen mussten es wissen, denn sie hatten schließlich seinerzeit das Sarin für die syrischen Depots geliefert. Die Giftgasangriffe vom März und April 2013 hatten die Rebellen unternommen.
    Quelle: Ossietzky

    Anmerkung C.R.: Die NachDenkSeiten haben hier auf den ersten Teil des Textes von Norman Paech hingewiesen.

  15. Am Sterbebett des Kapitalismus
    Wolfgang Streeck, lange Zeit Direktor des Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln, setzt sich seit Langem mit der Kapitalismuskritik auseinander. Er formuliert das in Köln mit historischer Nüchternheit: “Alles was einen Anfang hat, hat auch ein Ende.” Vor 250 Jahren gestartet, werde der Kapitalismus nun von seinen “drei apokalyptischen Reitern” heimgesucht: sinkendes Wachstum, wachsende Ungleichheit, steigende Schulden. Die drei Dynamiken verstärken sich gegenseitig.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung André Tautenhahn: Hm. Zur Nüchternheit gehört aber auch dazu, die negativen Auswirkungen der Agenda 2010 zu benennen, die Streeck als Teil einer Arbeitsgruppe mit vorbereitete.

  16. Reformbündnis gesucht
    Seit der Bundestagswahl im September 2013 bewegt sich der Durchschnittswert aus den Umfragen der maßgeblichen Institute für die SPD zwischen Dezember 2014 und Dezember 2015 unterhalb des Wahlergebnisses von 25,7 Prozent. Grüne und Linke liegen zwischen neun und zehn Prozent. Die Union müsste Federn lassen, die FDP wäre abermals nicht im Bundestag vertreten, die AfD hätte Chancen auf den Einzug. Diese Umfragen lassen nicht auf eine rot-grüne Mehrheit hoffen. Eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP, die als Möglichkeit auch von einigen Genossen genannt wird, ist demnach völlig unrealistisch. Oder glaubt jemand, dass allein durch Herbeireden von Konstellationen wie der von Rot-Grün-Gelb sich Wählerinnen und Wähler beeinflussen lassen und womöglich lieber FDP als AfD wählen?
    Warum sich also auf Konstellationen wie Rot-Grün-Gelb einschwören? Solche machttaktischen Spielchen überzeugen noch lange keine Wählerinnen und Wähler. Das muss die SPD schon über Inhalte tun. Und das konsequent.
    Quelle: Hilde Mattheis auf FR Online
  17. Schweigen ist Schrott
    Donald Trump will nicht mit dem TV-Sender Fox News reden. Das ist dumm. Malu Dreyer will nicht mit der AfD reden. Das ist dümmer. Ist eine Elefantenrunde eigentlich noch eine Elefantenrunde, wenn Roger Lewentz teilnimmt? Lewentz ist Landeschef der SPD in Rheinland-Pfalz, außerdem ist er dort Innenminister. Er muss demnächst ins Fernsehen. Denn seine Chefin, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, will nicht. […]
    Immerhin hat Mit-denen-rede-ich-nicht-Dreyer seit dieser Woche einen prominenten Nachahmer: Donald Trump. Der US-Präsidentschaftskandidaturbewerber hat die für Donnerstag angesetzte Debatte der Republikaner abgesagt. Sein Grund ist ebenso simpel wie Dreyers: Er hat keinen Bock auf eine Teilnehmerin in der Runde. Allerdings ist es keine Gegenkandidatin, die Trump ablehnt, sondern eine Journalistin: Megyn Kelly, Moderatorin des gastgebenden Senders Fox News.
    Quelle: taz

    dazu: SPD-Kommunalpolitiker: “Meine Partei spielt der AfD in die Karten”
    Drei SPD-Ortsvereine in Essen planten eine Aktion gegen die Verteilung von Flüchtlingen. Damit konterkarierten sie den Kurs von Parteichef Gabriel. Was ist da los? Nachgefragt beim Essener SPD-Mann Guido Reil. […]
    Reil: Im Stadtteil Karnap leben momentan 600 Flüchtlinge in einer Zeltstadt, davon sind 90 Prozent junge Männer. Facharbeiter und Ärzte sehe ich darunter nicht. Wir haben schon jetzt einen Migrationsanteil von 40 Prozent. Und nun sieht es danach aus, dass bei der langfristigen Unterbringung der wohlhabende Essener Süden deutlich weniger Flüchtlinge aufnehmen muss als der Norden. So kann Integration nicht funktionieren, und das regt die Leute hier auf.
    SPIEGEL ONLINE: Wovor haben Sie Angst?
    Reil: Ich fühle mich zunehmend ohnmächtig angesichts dieser Entwicklung. Und frage mich, wie wir das schaffen sollen mit der Integration. Ich bin doch kein schlechter Mensch, wenn ich mir darüber Gedanken mache.
    SPIEGEL ONLINE: In Ihrer Partei sieht man das offensichtlich anders.
    Reil: Wer ist denn meine Partei? Die SPD-Führung im Bund und den Ländern spricht doch öffentlich fast nur noch in Parolen, ohne jede Substanz. Ich kriege so viel Zustimmung von Genossen aus ganz Deutschland, das können Sie sich gar nicht vorstellen. Und natürlich kommen nun ganz viele Rechte, die sich da dranhängen wollen. Mit denen will ich nichts zu tun haben. Aber in Wahrheit spielt doch auch meine Partei der AfD und wie sie alle heißen in die Karten.
    SPIEGEL ONLINE: Inwiefern?
    Reil: Wenn wir die konkreten Probleme in der Flüchtlingspolitik nicht ansprechen, treibt das auch unsere Wähler zu den Populisten mit den einfachen Antworten. Und wenn es einer wie ich mal wagt, geht die Führung sofort auf Distanz.
    Quelle: Spiegel Online

  18. Autonomie gefordert! Über ein schwieriges Prinzip der Demokratie
    …Die damit verbundene Zurückdrängung von Gewalt aus dem öffentlichen Bewusstsein hat weitreichende kulturelle Konsequenzen. Auch wenn die Medien jeden Abend das Gegenteil eines sinkenden Gewaltniveaus suggerieren, zeigt doch die in reichen Demokratien rasant gestiegene Lebenserwartung (die etwa einer Verdoppelung in einem Zeitraum von nur 100 Jahren entspricht), dass Freiheit und Sicherheit keineswegs Gegensätze sind, sondern einander gegenseitig voraussetzen und stärken.
    Schon allein deshalb sollte man allen Politikern und Vertretern von Sicherheitsorganen, die Freiheitsrechte zugunsten von angeblich größerer Sicherheit einzuschränken beabsichtigen, entschiedenen Widerstand entgegensetzen. …
    Man könnte die Aufzählung existenzieller Bedrohungen früherer Generationen noch eine Weile fortsetzen. Halten wir stattdessen fest, dass unsere Vorfahren verglichen mit uns in einer extremen Lebensunsicherheit mit äußerst geringen individuellen Freiheitsspielräumen lebten. Die Etablierung von Rechtsstaaten mit demokratischen und freiheitlichen Verfassungen war aber weder ein historischer Zufall noch eine historische Zwangsläufigkeit, sondern ein mühevoll und unter großen Opfern erkämpfter und immer fragiler Zustand….
    Autonomie und Freiheit sind zivilisatorische Errungenschaften, die niemals sicher sind. Was gegenwärtig durch die allgegenwärtigen Datensammlungen und Überwachungstechnologien geschieht, ist eine radikale Infragestellung unserer Autonomie und damit eine antidemokratische, ja, antizivilisatorische Entwicklung. Was man dafür angeboten bekommt, ist ein bisschen Bequemlichkeit, als hätte es gerade daran bislang in den reichen Gesellschaften gefehlt. Diese Dimension des Antizivilisatorischen der gegenwärtigen Entwicklung ist von den politischen Eliten noch gar nicht begriffen: Was sich hier als Umformatierung unserer Sozialverhältnisse, als Verschwinden des Privaten herausbildet, führt zur vollständigen Schutzlosigkeit des Individuums. Mit seiner Autonomie verliert es die Kontrolle über sich selbst. Die haben dann andere.
    Quelle: SWR2 Wissen/Aula


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=30628