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Titel: Maybrit Illner und das ZDF – eine Schande für den Journalismus

Datum: 9. Juni 2008 um 10:43 Uhr
Rubrik: Überwachung, Medienkritik
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Ein Kommentar von Martin Betzwieser zur ZDF-Talkshow von Illner zum Thema “Deutschland einig Spitzelland – Wer stoppt die Datendiebe” im ZDF.

In den letzten Wochen wurde viel Kritisches über Anne Will und ihren Moderationsstil gesagt und geschrieben. Bei aller Kritik an Anne Will ist zu berücksichtigen, dass sie einen nicht unglücklichen Start hatte, dass sie wahrscheinlich anders möchte als ihre Redaktion möchte. Anne Will wurde vehement von verschiedenen ARD-Intendanzen kritisiert und es wurde wohl absichtlich so gemacht, dass es an die Öffentlichkeit kam. Ein erheblicher Druck von Seiten der Arbeitgeberverbände war auch nicht hilfreich für die aktuelle Entwicklung.

Das ist aber alles nichts im Vergleich zu Maybrit Illner im ZDF. Maybrit Illner wurde vor ein paar Jahren als Sabine-Christiansen-Klon für den Donnerstagabend installiert, weil sie im ZDF ebenfalls eine wichtige und einflussreiche Polit-Plauderstunde haben wollten. Und Maybrit Illner, die Quasselstrippe vom trivialen ZDF-Morgenmagazin war sicher nicht die beste Wahl; politischen und journalistischen Sachverstand für eine solche Gesprächsrunde hätte es im ZDF bestimmt genug gegeben. In der Scheibenwischer-Abschiedvorstellung von Dieter Hildebrandt bezeichnete Georg Schramm als unvergleichlich ätzender Invalide Lothar Dombrowski Sabine Christiansen und Maybrit Illner als „mediale Klofrauen, bei denen die Politprominenz ihre erste Notdurft ablassen können, bevor es bei Beckmann und Kerner an die emotionale Pissrinne geht“.

Nicht nur aus den bunten Blättchen aus Friseursalon und Wartezimmer beim Doktor wissen wir, dass sich Maybrit Illner nach einer ihrer Sendungen mit dem damaligen Gast René Obermann anfreundete und die beiden Lebensgefährten sind. Spätestens, seit die Moderatorin mit dem Telekom-Vorstandsvorsitzenden zusammenlebt, ist sie für eine solche Gesprächsrunde nicht mehr geeignet. Wie soll Maybrit Illner eine faire, glaubwürdige und ausgeglichene Moderation zu Themen wie Arbeits- und Wirtschaftspolitik, Renteneintrittsalter 67 oder Mindestlohn leisten, wenn der Moderatorinnenflüsterer Regieassistent ist, wenn die erhebliche Gefahr der Medien- und Meinungsmanipulation besteht.

Der Gipfel war die letzte Sendung vom 05.06.2008 Schon in der Anmoderation nannte Maybrit Illner Überwachungsvorgänge bei Telekom, Lidl und Anderen in einem Satz, obwohl Hintergründe, Opfer, und Konsequenzen für die Betroffenen gar nicht vergleichbar sind. Trotz aller derzeitigen Unklarheiten und trotz aller Unschuldsvermutungen ist der Telekom-Vorstandsvorsitzende René Obermann der aktuelle wirtschaftliche Hauptverantwortliche im Konzern. Vielleicht wusste er nichts von Vorgängen – das können wir nicht beurteilen. Trotzdem wird er im weiteren Verlauf vielleicht die Konsequenzen tragen oder ziehen und seinen Posten als Vorstandsvorsitzender verlieren – das können wir nicht beeinflussen. Süddeutsche und Focus schreiben in ihren Kommentaren, dass Maybrit Illner wahrscheinlich mehr weiß als alle Anderen. Die Vermutung ist nicht unbegründet. Jedes Telefonat vor dem Frühstück oder nach dem abendlichen Glas Rotwein ist für eine Mitwisserschaft der Fernsehmoderatorin geeignet. Dass weder der Name René Obermann noch die Bezeichnung Telekom-Vorstandsvorsitzender in der Sendung genannt wurden, lässt Vermutungen zu, dass es vor der Sendung Absprachen gab; und an diese Absprachen hielten sich wohl alle Gäste und es ist leider unter dem Niveau eines Hans Leyendecker, dass er dabei mitmachte und den Kommentar zur Sendung dann einem Kollegen überließ. In den Gesichtszügen von Hans Leyendecker war zu erkennen, wie unwohl er sich in dieser Situation fühlen musste.

„Wir sind nicht gleichzeitig Richter und Ankläger. Selbst für jeden Triebtäter gilt hierzulande zunächst die Unschuldsvermutung.“ … „Jeder kleine Gauner denkt erst einmal, dass er nicht erwischt wird.“ Dass Maybrit Illner solche rethorischen Flatulenzen von CDU-Härtner Wolfgang Bosbach zulässt und nicht dagegen einschreitet, macht sie als Moderatorin überflüssig. Dass die beiden einzigen Gäste von Format Hans Leyendecker und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nichts dagegen sagen, zeigt, wie bedrückend die Stimmung für alle gewesen sein muss. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger verdient noch heute Respekt dafür, dass sie den großen Lauschangriff nicht verantworten wollte und dafür das Amt der Justizministerin aufgab. Telekom-Aufsichtsrat Schröder von ver.di weiß wahrscheinlich auch mehr, als er sagen kann; es ist ein laufendes Verfahren – was soll er da auch erzählen außer seiner persönlichen Betroffenheit. Die weiteren Gäste waren nicht einmal Stichwortgeber.

Wenn Maybrit Illner Format hätte, dann wäre von ihr das klare Signal gekommen, diese Sendung zu diesem Thema aufgrund von persönlicher Befangenheit nicht zu moderieren. Gäbe es beim ZDF einen Hauch von journalistischem Instinkt, dann hätte aus der verantwortlichen Redaktion das klare Signal kommen müssen, Maybrit Illner diese Sendung nicht moderieren zu lassen. Beides – mit der entsprechenden Begründung – wäre vom Publikum verstanden worden und beides wären Zeichen von Größe gewesen.

Maybrit Illner ist für politische Diskussionsrunden nicht mehr geeignet und nicht mehr glaubwürdig (falls sie es je war?). Sie muss von diesem Sendeformat entfernt werden. Betätigungsfelder im ZDF gibt es sicher genug für sie. Es muss nicht die Nachfolge von Kerners Kochsendung sein – von der Polittalkerin zur Frau hinter dem Herd wäre sicher ein demütigender Abstieg, obwohl es zeitlich gut gepasst hätte. Aber irgend ein unverdächtiges Plauderformat mit normalen Prominenten ohne politische oder wirtschaftliche Verantwortung wird schon drin sein.
In dieser Form sind Maybrit Illner und das ZDF eine Schande für den Journalismus und das Öffentlich-rechtliche Fernsehen.

  1. Maybrit Illner vom 05.06.2008
  2. ZDF: Maybrit Illner und Telekom … und sagte kein einziges Wort
    “Hmm“, sagte die sonst so schlagfertige Fernsehmoderatorin Maybrit Illner. Sie ließ in ihrer ZDF-Sendung über die Spitzelaffäre der Deutschen Telekom reden, und sagte an entscheidender Stelle: “hmm“. Und zwar, als Hans Leyendecker, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, dem amtierenden Telekom-Chef René Obermann ankreidete, dass er bei Entdecken der Schnüffeleien im Sommer 2007 nicht den ausspionierten Journalisten verständigte und die Staatsanwaltschaft mied. Das sei ein “gravierender Fehler“ gewesen.

    Maybrit Illner, die Frau mit dem “hmm“, fragte nicht nach. Und jeder an den Bildschirmen, der sich in Bunte und Bild aufmerksam den neuesten Klatsch über Leute von heute erliest, konnte vermuten, das hänge vielleicht mit der Tatsache zusammen, dass die Fernsehfrau aus Berlin und der Manager aus Bonn seit einiger Zeit ein Paar sind. Was talkt die ZDF-Journalistin privat mit dem Telekom-Chef? Was weiß sie wirklich über die Affäre?
    Quelle: Süddeutsche

  3. Maybrit Illner: Thesentalk zur Telekom
    Obermann-Freundin Maybrit Illner hat es dann doch getan und den Spitzelskandal bei der Telekom zum Thema ihrer Sendung gemacht. Für einen gelungenen Abend haben ihr jedoch die richtigen Gäste gefehlt. Illner, die privat mit Telekom-Chef René Obermann liiert ist, hatte sich fast zwei Wochen geziert, den Schnüffelskandal bei dem Konzern zum Thema ihrer Sendung zu machen. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Affäre, bei der es um illegale Auswertungen von Telefonverbingungsdaten geht, sagte die Moderatorin die Teilnahme an einer Diskussionsrunde aus „aktuellen persönlichen Gründen“ ab. Später erklärte eine Sprecherin der ZDF-Sendung, die Redaktion könne sich vorstellen, das Thema aufzugreifen. Schließlich sei Illner in der Lage, Privates und Berufliches voneinander zu trennen.

    In der Telekom-Runde ging die Trennung von Beruf und Privatleben schließlich so weit, dass der Name ihres Partners nicht ein einziges Mal fiel. Selbst Leyendecker brachte ihn nicht über die Lippen, als er dem amtierenden Vorstand des Konzerns vorwarf, mit dem eigenen Wissen um die illegalen Praktiken zu spät zur Staatsanwaltschaft gegangen zu sein und sich obendrein bis heute nicht bei den Journalisten entschuldigt zu haben. Gleichzeitig war der Journalist der „Süddeutschen Zeitung“ vermutlich der einzige, der tiefes Wissen um die Machenschaften der Telekom mit ins Studio gebracht hatte – und es trotzdem für sich behielt.
    Quelle: Focus


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