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Titel: Ist die Arbeitslosenversicherung keine Versicherung?

Datum: 12. September 2004 um 12:15 Uhr
Rubrik: Arbeitslosigkeit, Hartz-Gesetze/Bürgergeld, Soziale Gerechtigkeit, Strategien der Meinungsmache
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Der Unmut gegen Hartz IV – vor allem bei älteren Arbeitnehmern – speist sich aus dem Gefühl eines Vertrauensbruchs. Viele Menschen haben Jahrzehnte in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt und jetzt sollen sie nach einem Jahr ohne Arbeit Sozialhilfeempfänger werden. Das erleben viele als ungerecht und beschämend. Sie haben mehr einbezahlt als sie jetzt von ihrer „Versicherung“ zurück erstattet bekommen. Um den Protest zu dämpfen, werden jetzt immer wieder – zuletzt etwa in der wdr-Sendung „Hart aber fair“ am Mittwoch, den 8. 9. 2004 – unsinnige und irreführende Gegenrechnungen angestellt.

Eine von vielen Argumentationslücken bei der Aufklärung über Hartz IV wird auch in den inzwischen ausgiebigen Vermittlungsbemühungen von Regierung und Medien immer wieder übergangen: Wie soll man es auch altgedienten Arbeitnehmern klar machen, dass sie mit Hartz IV – wenn sie noch keine 58 Jahre sind – nach einem Jahr aus ihrer Arbeitslosen-„Versicherung“ herausfallen und in der Sozialhilfe beim Arbeitslosengeld II landen. Das, obwohl sie Zeit ihres Arbeitslebens einbezahlt haben – manchmal über 30 Jahre? Hätten sie das Geld gespart oder angelegt, würden sie sich besser stellen.

Gegen diesen Vertrauensbruch werden zunehmend – zuletzt in der wdr-Sendung „Hart aber fair“ ziemlich unsinnige und irreführende Gegenrechnungen aufgestellt. In der besagten Sendung wurde hochgerechnet, was ein Durchschnittsverdiener innerhalb von 12 Jahren in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt hat und siehe da, die einbezahlten Beiträge wären mit dem ausbezahlten Arbeitslosengeld in etwas über einem Jahr aufgebraucht. Ist doch also alles in Ordnung, oder?

„Fair“ wäre es schon mal gewesen, wenn man als Beispiel einen Arbeitnehmer genommen hätte, der viel länger erwerbstätig gewesen wäre. Aber dann wäre ja die Ungerechtigkeit gleich aufgefallen.

Richtiger wäre diese Apologetik aber immer noch nicht geworden.

In welcher Versicherung bekommt man bei Eintritt des versicherten Risikos nur den Betrag heraus, den man einbezahlt hat? Zahlt die Autoversicherung etwa nur den Schaden in Höhe der einbezahlten Versicherungsbeiträge? Ist es nicht gerade der Sinn einer Versicherung, dass derjenige, der keinen Schaden hat, den Schaden eines von einem Schicksalsschlag Betroffenen mit finanziert? Ist es nicht gerade der Sinn einer Arbeitslosen-„Versicherung“, dass diejenige die Arbeit haben ihren solidarischen Beitrag in die Arbeitslosenversicherung bezahlen, damit diejenigen, die in Arbeitslosigkeit fallen eine Versicherungsleistung bekommen?

Muss man sich also wirklich wundern, dass Arbeitnehmer, die Jahrzehnte in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt haben, empört sind, wenn sie nach einem Jahr ausgesteuert werden und zu Sozialhilfeempfängern abgestempelt werden?


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