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Titel: Bis zu 30 Milliarden Euro Schaden für den Steuerzahler – warum berichtet eigentlich niemand mehr über die HSH Nordbank?

Datum: 4. Januar 2017 um 11:50 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Banken, Börse, Spekulation, Finanzkrise, Medienkritik, Schulden - Sparen
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Das neue Jahr ist gerade erst ein paar Tage alt und Deutschland debattiert angeregt darüber, ob es rassistisch ist, wenn die Polizei bestimmte interne Kürzel für Nordafrikaner benutzt. Haben wir wirklich keine anderen Probleme? Doch, nur dass die meisten dieser Probleme von den Medien totgeschwiegen werden. Nehmen wir doch mal die Finanz- und Bankenkrise als Beispiel. Wann haben Sie das letzte Mal etwas von der HSH Nordbank gehört? Während viele klassische Medien PR-Meldungen der Bank weitergeben, die hart an der Grenze zur vorsätzlichen Falschmeldung sind. Dabei hat die HSH Nordbank doch erst vor wenigen Tagen öffentlich eingestanden, dass sie nun doch die gesamte Garantie der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein in Höhe von 10 Milliarden Euro benötigen wird, was jedoch immer noch nicht das Ende der Fahnenstange sein wird. Dabei wird klar, dass sowohl der Bankvorstand als auch die beiden beteiligten Landesregierungen die Öffentlichkeit vorsätzlich täuschen und fleißig ihr Milliardengrab schaufeln. Warum ist dies keine Schlagzeile wert? Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Fassen wir die Vorgeschichte zur HSH Nordbank kurz zusammen: Die ehemaligen Landesväter Peter Harry Carstensen und Ole von Beust (beide CDU) waren vor der Finanzkrise von der Idee beseelt, ihre gemeinsame Landesbank zu einem Global Player im Finanzcasino zu machen. Um die landeseigene Bank profitabel an die Börse zu bringen, trimmten sie sie auf volles Risiko und sorgten damit für einen der unglaublichsten Finanzskandale der jüngeren Zeit. Als die Bank 2009 in der Bugwelle der Finanzkrise Leck schlug, hatte sie ein Schifffahrtsfinanzierungsportfolio in Höhe von rund 33 Mrd. Euro in ihren Büchern, das sich mit dem Beginn der Krise in der Handelsschifffahrt als problematisch herausstellte. Damals gingen die Banker von einer Ausfallquote i.H.v. 1% aus – also von 330 Millionen Euro. Gestützt auf externe Expertisen schätzte ich damals die Ausfallquote eher auf 20%, was rund 6,6 Milliarden Euro Abschreibungen mit sich bringen würde. Heute stellt sich heraus, dass meine Prognose von der Realität sogar noch deutlich überholt wurde. Hinzu kamen krumme Geschäfte hart am Rand der Legalität, wie zum Beispiel der Omega-55-Deal, bei dem man durch dubiose Bilanzmanipulationen die Finanzaufsicht täuschte.

Bereits im Krisenjahr 2009 mussten Hamburg und Schleswig-Holstein drei Milliarden Euro direkt in die Bank stecken und Risiken im Wert von zehn Milliarden Euro durch eine Garantie abdecken. Seitdem werden gute und faule Kredite restrukturiert und zwischen der HSH Nordbank und ihrer Bad Bank HSH Finanzfonds AÖR hin und her geschoben. Zudem liegt man noch im Clinch mit der EU-Kommission, da man in Brüssel die milliardenschweren Zuschüsse aus dem Staatshaushalt natürlich als verbotene Subventionen einstuft.

Während nahezu alle ernstzunehmenden Experten 2009 von geschätzten Verlusten in Höhe von mindestens zehn Milliarden Euro ausgingen, streute der ehemalige HSH-Chef Dirk Jens Nonnenmacher der Öffentlichkeit fleißig Sand in die Augen: Eine Inanspruchnahme der damals zur Verfügung gestellten Ländergarantie in Höhe von 10 Milliarden Euro sei „nicht überwiegend wahrscheinlich“, wobei man angesichts der seltsamen Formulierung schon damals die Ohren hätte spitzen sollen. Fatal war, dass die Politik nicht den externen Experten traute, sondern den HSH-Bankern und ihren Aufsehern, Finanzpolitikern aus der Region, die mit derlei Finanzvoodoo komplett überfordert waren.

Von Anfang an log man sich selbst in die Tasche, täuschte die Öffentlichkeit und ein Großteil der Medien machte diese Scharade mit. Eine löbliche Ausnahme bildete dabei die bis 2014 für den NDR tätige Finanzjournalistin Dani Parthum, die heute über die deutschen „Bad Banks“ bloggt und der ehemalige Manager und Wirtschaftsminister Schleswig-Holsteins, Werner Marnette, der 2009 sein Amt aus Protest gegen den inkompetenten Umgang der Landesregierung mit der HSH Nordbank kündigte. Und was kam in der Öffentlichkeit an? Schauen wir doch zunächst mal in die Pressemitteilungen:

  • 23.03.2012: HSH Nordbank schafft Neuanfang in schwierigem Marktumfeld
  • 11.04.2013: Ausbau des Neugeschäfts bestätigt positiven Trend der HSH Nordbank. Bank für Unternehmer kommt in schwierigem Umfeld gut voran
  • 10.04.2014: Operative Fortschritte in der Kernbank – Garantie stärkt Kapitalquoten. Neugeschäft legt um 12 Prozent zu auf 7,6 Mrd. Euro
  • 01.04.2015: HSH Nordbank mit Jahresgewinn 2014 – starkes Neugeschäft und Kostendisziplin. Gewinn nach Steuern 160 Mio. Euro
  • 09.06.2016: HSH Nordbank steigert 2015 Gewinn – EU-Entscheidung prägt Zahlenwerk
  • 30.06.2016 HSH baut Altkredite in Milliardenhöhe ab – Währungssensitivität sinkt
  • 09.12.2016 HSH rüstet sich für Eigentümerwechsel ─ Nettogewinn 163 Mio. € nach neun Monaten

Was für eine erfolgreiche Bank, nicht wahr? Werner Marnette hat einmal durchgerechnet, wie hoch der Gewinn der HSH Nordbank denn gewesen sein muss, wenn all die vermeldeten Zahlen wirklich korrekt sind und im Kleingedruckten nicht das Gegenteil steht. Er kommt dabei auf einen Reingewinn von rund zwei Milliarden Euro, den die Bank kumuliert seit 2011 hätte einfahren müssen. In der realen Welt hat die Bank im gleichen Zeitraum jedoch einen Fehlbetrag von 5,23 Milliarden Euro erzielt. Wie passt das zu den Pressemeldungen und warum muss die Bank jetzt eingestehen, dass sie die Garantien in Höhe von 10 Milliarden Euro wohl doch in voller Höhe benötigt, wenn sie doch so tolle Zahlen vorweisen kann, Altkredite abbaut und sogar Nettogewinne einfährt? Ganz einfach: Die Bank manipuliert ihre Zahlen genau so wie in alten Tagen. Faule Kredite werden taktisch falsch bewertet und die Garantien und Sicherheiten der öffentlichen Hand paradoxerweise als Risikovorsorge gebucht und drehen damit das Ergebnis ins Positive. Politik und Medien wissen dies freilich, spielen aber nur allzu oft bei der Täuschung mit.


Ausriss BILD Hamburg vom 10.12.2016

Man wusste bereits 2009, dass die Verluste der HSH Nordbank für die beiden beteiligten Länder noch eine gewaltige Belastung für den Staatshaushalt mit sich bringen werden. Dennoch machte man gute Miene zum bösen Spiel und verharmloste die Gefahren in unzulässiger Art und Weise. Es scheint so, als wollten sich die Regierungen stets nur über den nächsten Wahltermin hangeln und die Altlasten an ihre Nachfolger übergeben. Und zumindest das hat ja geklappt. Aus von Beusts Problem wurde Scholz´ Problem, aus Carstensens Leiche im Keller, Albigs Leiche im Keller. Zumindest für Letzteren könnte der Plan ebenfalls aufgehen, da im Mai in Schleswig-Holstein Wahlen anstehen und ein Regierungswechsel nicht unwahrscheinlich scheint. Und Scholz wird ja immer wieder als neuer Mann für Berlin ins Spiel gebracht. Unwahrscheinlich also, dass er die schlechten Nachrichten zur HSH persönlich verkünden muss. Nach uns die Sintflut.

Und die Kosten bleiben ja ohnehin beim Steuerzahler hängen. Realistische Prognosen gehen mittlerweile von „mindestens 25 Milliarden Euro“ (Werner Marnette) bis 32,4 Milliarden Euro (Überschlagsrechnung basierend auf der Verlustprognose von Peter Nippel, Uni Kiel) aus. Bis zu 30 Milliarden Euro Neuverschuldung für die beiden Länder wären damit ein denkbares Szenario. Rechnen wir das doch mal durch: Hamburg hat 1,8 Millionen, Schleswig-Holstein 2,9 Millionen Einwohner. Macht 8.108 Euro Neuverschuldung pro Einwohner. Ist das kein Grund, auf die Barrikaden zu gehen? Zumindest für die Medien offenbar nicht, die regen sich lieber über „Nafris“ auf und wenn sonst nichts ist, kann man ja immer noch Schauermärchen vom Russen erzählen, der mal wieder vor der Tür steht. Mal schauen, welche Sau als nächstes durchs Dorf getrieben wird. Banker und GroKo-Politiker gehören sicher nicht dazu.


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