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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 27. Februar 2009 um 8:52 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(MB/WL/AM)
Heute unter anderem zu folgenden Themen:

  • Zur Lage auf dem Arbeitsmarkt
  • 108.000 Selbstständige nahmen im September 2008 ALG II in Anspruch
  • Die Allianz saniert sich, der Staat zahlt
  • Im Commerzbank-Aufsichtsrat keine Vertreter des Bundes
  • Opel braucht wohl neun Milliarden Euro
  • Arbeitsagentur prüft VW-Vorgehen bei Kurzarbeit
  • Mediale Offensive – Politiker inszenieren sich als Firmenretter
  • Leiharbeiter und befristet Beschäftigte tragen besonders hohe Arbeitsmarkt-Risiken
  • Einen Euro für Hamburgs Kultur!
  • Nochmals: Fristlose Kündigung wegen 1,30 Euro
  • Paul de Grauwe: Lob der Unbeweglichkeit
  • London im Auge des Sturms
  • AOK-Studie – Fehlzeiten wegen psychischer Beschwerden seit 1995 drastisch gestiegen
  • Bildungszentrum Ostend kostet mehr
  • Hohe Wasserpreise: Gebührenzahler finanzieren Gewinne
  • In den Regionalzügen wird es enger
  • Schröder inspiriert CDU-Politiker: Röttgen weist Union Dritten Weg
  • Aufruhr im Osten
  • Wie schlimm steht es um das Vereinigte Königreich?
  • – Hinweis auf die unermüdliche Aufklärungsarbeit des Erlanger Instituts für Medienverantwortung
  • Alles Schmarotzer! – Vom Leben auf Kosten anderer
  • Vier von fünf wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an Hochschulen haben heute einen Zeitvertrag
  • Hessen: Schul-Kosten explodieren
  • Hamburg jagt Berlin die Lehrer ab
  • Glosse eines Lehrers

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. 5,952 Millionen “Arbeitslosengeld-Empfänger/innen” (Alg und Alg II). 5,794 Millionen Arbeitsuchende, darunter 3,552 Millionen Arbeitslose
    In vier Ländern wurden im Februar 2009 mehr Arbeitslose registriert als im Februar 2008. Differenziert nach Geschlecht: In allen 16 Ländern wurden weniger arbeitslose Frauen registriert als ein Jahr zuvor – noch. Dagegen wurden bereits in 11 der 16 Länder mehr arbeitslose Männer registriert als im Februar 2008. Nur in den ostdeutschen Ländern Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern und im westdeutschen Land Bremen wurden noch weniger arbeitslose Männer registriert als im Februar 2008.
    Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) [PDF – 376 KB]

    Siehe dazu auch:

    Die Entwicklung des Arbeitsmarktes im Februar 2009
    „Die schwierige Wirtschaftslage wirkt sich auch im Februar auf den Arbeitsmarkt aus. Die drei wichtigsten Indikatoren des Arbeitsmarktes entwickelten sich negativ: Die Arbeitslosigkeit stieg, die Erwerbstätigkeit nahm ab und die Arbeitskräftenachfrage ging weiter zurück. Allerdings hat Kurzarbeit dem stabilisierend entgegengewirkt.“, erklärte der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-J. Weise.

    • Arbeitslosenzahl im Februar: +63.000 auf 3.552.000
      Arbeitslosenzahl im Vorjahresvergleich: -66.000
      Arbeitslosenquote im Februar: +0,2 Prozentpunkte auf 8,5 Prozent
    • Im Dezember 2008 wurden an insgesamt 270.000 Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld gezahlt.

    Quelle: Bundesagentur für Arbeit

  2. 108.000 Selbstständige nahmen im September 2008 ALG II in Anspruch
    Die Zahl der selbstständig erwerbstätigen Bezieher von Arbeitslosengeld II (ALG II) ist seit Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Januar 2005 kontinuierlich gestiegen. Das teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (16/12021) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (16/11830) mit. Seien im Einführungsmonat rund 34.000 Selbstständige (gleich 0,8 Prozent aller ALG-II-Bezieher) registriert worden, die gleichzeitig Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitssuchende bezogen hätten, so habe sich diese Zahl auf 108.000 (2,2 Prozent) im September vorigen Jahres erhöht. Die Regierung weist darauf hin, dass in den Daten alle selbstständig erwerbstätigen ALG-II-Bezieher erfasst seien, unabhängig von der Frage, ob Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit berücksichtig worden sei.
    Quelle: Deutscher Bundestag
  3. Die Allianz saniert sich, der Staat zahlt
    Glück für die Allianz: Gerade rechtzeitig hat der Versicherungsriese 2008 die Dresdner Bank verkauft. Für die kommt jetzt der Steuerzahler auf.
    Die Allianz hätte das Problem Dresdner im Zweifel selbst heben können. Dafür spricht, dass jetzt allein die Aktionäre 1,6 Milliarden Euro Dividende bekommen. Der Versicherer profitiert davon, dass er im letzten Moment einen Abnehmer für seine marode Bank gefunden hat. Michael Diekmann muss sich nicht in Demut üben – er darf sich ins Fäustchen lachen.
    Quelle: Focus
  4. Im Commerzbank-Aufsichtsrat keine Vertreter des Bundes
    Bei den Hilfsmaßnahmen des Bankenrettungsfonds für die Commerzbank AG hat es sich nicht um eine Absicherung der Übernahme der Dresdner Bank AG gehandelt. Dies stellt die Bundesregierung in ihrer Antwort (16/11999) auf eine Kleine Anfrage (16/11803) der Fraktion Die Linke fest. Wie die Regierung weiter mitteilt, hat der Aufsichtsrat der Commerzbank derzeit keine auf Veranlassung des Bundes gewählten Mitglieder. Daher entfalle die Beantwortung der Fragen nach Kenntnissen der Aufsichtsratsmitglieder über Aktivitäten der Bank in Steueroasen und Aktivitäten im Bereich spekulativer Finanzinstrumente.
    Quelle 1: Deutscher Bundestag
    Quelle 2: Antwort der Bundesregierung [PDF – 50 KB]

    Anmerkung WL: Da gibt der Staat 33,2 Mrd. € Garantien, davon 18,2 Mrd. € direkte Staatsbeteiligung, da hält der Bund 25 Prozent plus eine Aktie der Commerzbank AG doch „derzeit hat der Aufsichtsrat der Commerzbank AG keine Mitglieder, die auf Veranlassung des Bundes gewählt oder entsandt worden sind. Ebenso wenig ist ein Termin für die Abhaltung der Hauptversammlung der Commerzbank AG festgelegt.“
    Die Bundesregierung ist deshalb nicht in der Lage sich Kenntnisse über die Kredite, über die Aktivitäten der Commerzbank in verschiedenen Steueroasen zu verschaffen, geschweige denn zu korrigieren noch ist sie in der Lage die Aktivitäten der Bank im Bereich spekulativer Finanzinstrumente zu verschaffen.
    Die Antwort der Bundesregierung: „Eine Beantwortung scheidet daher aus.“
    Es ist unfassbar, jeder Sachbearbeiter im Öffentlichen Dienst muss einen Verwendungsnachweis über jeden Bleistift, den er braucht, zu liefern, aber die Bundesregierung steht mit Milliarden bereit, ohne sich darum zu kümmern, wofür sie eingesetzt werden.
    Der Verdacht verdichtete sich immer mehr, dass hier unvorstellbare Mengen Steuergeld in schwarze Löcher gepumpt werden, ohne dass sich die Regierung auch nur ein Bild darüber verschafft hat, wohin dieses Geld fließt, geschweige denn das sie weiß (oder wissen will?), welche (kriminellen?) Geschäfte damit abgesichert werden.
    Man muss den Eindruck gewinnen, dass die ganzen Begründungen („systemische Risiken“) für die Rettungsschirme und die direkten Staatshilfen reines Geschwätz sind. Man könnte ja noch verstehen, wenn damit Pensionsfonds oder die Zahlungsfähigkeit von Firmen abgesichert würden. Was unerträglich wäre, das ist, dass mit Steuerzahlergeldern auch noch die Kettenbriefe der Zocker bedient würden. Bisher haben wir in keinem Fall konkrete Nachweise, was mit den Staatsgeldern geschieht. Das ist nicht nur Staatsversagen, sondern kommt in die Nähe zur Beihilfe zu kriminellen Machenschaften.

    Es ist eine Missachtung des Parlaments, wenn auch parlamentarische Anfragen – auch wenn sie von der Linkspartei gestellt werden – mit nichts sagenden Antworten abgespeist werden. Man meint wohl durch Ignoranz oder Arroganz sich kritischen Fragen entziehen zu können.
    Deshalb ein Hinweis auf den politischen Aschermittwoch der Linkspartei im Saarland

    Quelle 1: YouTube
    Quelle 2: YouTube

    Siehe dazu auch:

    Heribert Prantl: Experten für Verantwortung
    Politiker müssen keine Ökonomen sein. Die Vorstellung, von Hans-Werner Sinn vom Münchner Ifo-Institut regiert zu werden, ist mindestens so furchtbar wie die, dass aus Leitartikeln Gesetze gemacht werden. Natürlich sollen Politiker Fachleute sein – zuvorderst aber Fachleute für Verantwortung. Demokratie hat viel mit Verantwortung zu tun.
    Das bedeutet, dass erstens nicht die Interessen der Kapitalverwertung, sondern die Interessen der Bürger Grundlage für Entscheidungen sind. Das bedeutet zweitens, dass dem Markt neue Regeln gesetzt werden müssen. Demokratien können nicht Geld im Umfang von halben Staatshaushalten in eine Satansmühle werfen und dann zuschauen, wie sich die auf die alte Weise weiterdreht.
    Verantwortung bedeutet, Rechenschaft abzulegen. Bei den Beinahe-Konkursen der Landesbanken im Süden und im Norden der Republik passiert das Gegenteil. Politiker, die in den Aufsichtsgremien dieser Banken zur Überwachung von Geschäftsführung und Vorstand eingesetzt waren, verweigern diese Rechenschaft. Bayerns Ex-Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) hat schon vor einiger Zeit gestanden, “dem Heer der blinden Lemminge” gefolgt zu sein; aber persönlich vorzuwerfen habe er sich nichts.
    Genauso redet jetzt Ralf Stegner, der SPD-Landeschef von Schleswig-Holstein. Die Frage nach der politischen Verantwortung für das Milliardendesaster der Nordbank diskreditiert er als sinnlose Suche nach einem “Buhmann”. Die Weigerung, über Verantwortung auch nur nachzudenken, ist demokratieschädlich.
    Quelle: Süddeutsche

  5. Opel braucht wohl neun Milliarden Euro
    Eine Zukunft ohne General Motors wird für Opel teuer – oder den Staat. Denn um auf eigenen Beinen stehen zu können, benötigt Opel langfristig eine deftige Finanzspritze. Wie aus gut informierten Kreisen zu hören ist, wird der Kapitalbedarf auf bis zu neun Milliarden Euro geschätzt.
    Die Trennung des Autoherstellers Opel von seiner ums Überleben ringenden US-Mutter General Motors (GM) kann die deutschen Steuerzahler bis zu 9 Milliarden Euro kosten. Diesen langfristigen Kapitalbedarf nannten GM – und Opel-Manager in Verhandlungen mit Bund und Ländern über mögliche Staatshilfen, wie die Deutsche Presse-Agentur dpa am Donnerstag erfuhr. Die Bundesregierung ist zunehmend verärgert und mahnte in den USA tragfähige Konzepte an, um die mehr als 25 000 Arbeitsplätze an den vier deutschen Standorten zu bewahren. Mehrere Tausend Opel – Beschäftigte demonstrierten in Europa für ihre Jobs.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung AM: Das ist schlicht Erpressung. Am hohen Betrag von 9 Milliarden für nur ein Unternehmen erkennt man auch schon, dass jedes Maß verloren gegangen ist. 9 Milliarden, das ist die Hälfte des gesamten Konjunktur-Investitionsprogramms, das für die gesamte deutsche Wirtschaft reichen muss. Darüber hat man unendlich lamentiert. Aber: bei den Subventionen und Rettungsaktionen orientiert man sich offensichtlich inzwischen an den über 100 Milliarden für eine einzige kleine Bank, die HRE, übrigens auch zum Teil im Eigentum eines amerikanischen Investors.
    Hier müsste von den Fachleuten in den Ministerien – oder auch bei den Gewerkschaften – schon lange geprüft sein, welche Möglichkeit es gibt, das Unternehmen Opel zu übernehmen und dann notfalls mit einem anderen zu integrieren.

    Siehe dazu:

    Opel plant eigene Zerschlagung
    Der Rettungsplan für den angeschlagenen Autohersteller Opel nimmt konkrete Formen an. Nach FTD-Informationen prüft das Unternehmen den Verkauf seines Werks in Eisenach. Als möglicher Käufer ist der Autokonzern Daimler im Gespräch – erste Kontakte zwischen den Unternehmen haben bereits stattgefunden. Ungewiss ist dagegen die Zukunft des Werks Bochum. “Bochum ist das größte Problem”, hieß es in Kreisen der Bundesregierung. Die Werke Rüsselsheim und Kaiserslautern könnten dagegen als Teil eines neuen europäischen Opel-Konzerns erhalten bleiben. Die deutsche Fahrzeugproduktion würde damit in Rüsselsheim konzentriert.
    Quelle: FTD

  6. Arbeitsagentur prüft VW-Vorgehen bei Kurzarbeit
    Wenn ein Unternehmen Kurzarbeit anmeldet, bekommt es Geld von der Bundesagentur für Arbeit. Aber nur dann, wenn die Kurzarbeit durch sinkende Nachfrage auch wohlbegründet ist. Die Agentur hat bei Volkswagen nun Zweifel, ob die wirtschaftliche Situation wirklich so schlecht ist, dass Kurzarbeit notwendig ist. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) habe von Volkswagen “ergänzende Informationen” angefordert, sagte ein Sprecher der Regionaldirektion am Donnerstag in Hannover. Dies sei aber nicht ungewöhnlich. Anlass seien Medienberichte gewesen, dass es bei VW wegen der Abwrackprämie eine starke Nachfrage nach Kleinwagen-Modellen gebe. Bei VW stehen in dieser Woche wegen Kurzarbeit die Bänder still. Davon sind in den deutschen Werken rund 61 000 Beschäftigte betroffen.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung WL: Der Verdacht, dass hier nur ein „Mitnahmeeffekt“ vorliegt, ist mehr als nahe liegend.

  7. Mediale Offensive – Politiker inszenieren sich als Firmenretter
    Quelle: NDR-Zapp (Video, ca. 5 min)

    Anmerkung WL: Dass allerdings gerade ein Spiegel-Journalist als Kronzeuge gegen mediale Inszenierungen der Politiker auftritt ist schon merkwürdig, gehört doch dieses Magazin zu den Hauptgehilfen der Inszenierung neoliberaler Konzepte.

    Siehe dazu auch:

    Steinmeier gibt in Rüsselsheim den Kumpel
    Von Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist man nüchterne Auftritte gewohnt. Vor mehr als 10.000 Opelanern zeigt er sich jedoch in einer neuen Rolle: Kämpferisch, mit scharfer Kritik Richtung USA und mit den Beschäftigten auf Augenhöhe. Bei den Mitarbeitern kam das an. Wenig Konkretes sagte Steinmeier zu möglichen Staatshilfen für Opel, macht jedoch vorsichtige Andeutungen.
    Quelle: RP Online

    Anmerkung eines Nachdenkseiten-Lesers: Ich habe mir die Rede Steinmeiers vor den Opelwerken in Rüsselshein in voller Länge angehört. Ich kann nur sagen, dass mir das Geheuchel und Honig-ums-Maul-schmieren Seitens unseres Außenministers und Vizekanzlers Frank-Walter Steinmeier von Anfang an auf die Nerven gegangen ist, zumal er selbst als Regierungsmitglied und Vertreter des “Seeheimer Kreises” mitverantwortlich für die Gesamtsituation ist, und sich nun vor den Opelanern “solidarisch” und “kumpelhaft” aufspielt! Ein “Poser”, wie er im Buche steht! Der Gipfel der Groteske ist, dass Steinmeier den Opelanern eine unverbindliche politische Hilfe zugesagt hat, aus der man keinerlei klare Stellung seinerseits oder der Partei herauslesen kann. Weder wurde staatliche Finanzhilfe, noch Loslösung Opel vom GM-Konzern durch Teilverstaatlichung, noch irgendein anderer Vorschlag konkretisiert. Die Mitarbeiter von Opel stehen auch nach Steinmeiers unverbindlichem Geschwätz im Unklaren, und werden es vermutlich bleiben müssen.

  8. Leiharbeiter und befristet Beschäftigte tragen besonders hohe Arbeitsmarkt-Risiken
    Leiharbeiter und befristet Beschäftigte tragen unter den so genannten atypisch Beschäftigten besonders hohe Arbeitsmarkt-Risiken: Sie bekommen weniger Geld, werden schneller arbeitslos und sind bei der Weiterbildung benachteiligt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung von Dr. Hartmut Seifert und Wolfram Brehmer, Arbeitsmarktforscher am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung. Ohne bessere Regulierung wird sich vor allem die Situation der Leiharbeiter in der Krise noch drastisch verschärfen, warnt Arbeitsmarktexperte Seifert.
    Quelle: Böckler
  9. Einen Euro für Hamburgs Kultur!
    Museen, Theater und kleine Ausstellungsräume in Hamburg beschäftigen 1-Euro-Jobber. Hintergrund der Maßnahme, die seit 2005 besteht, ist folgender: Hartz IV-Empfänger werden durch einen Träger als Arbeitskräfte an Institutionen vermittelt. Diese Institutionen müssen nachweisen, dass die Arbeit, die der 1-Euro-Jobber übernimmt, die Kriterien der Zusätzlichkeit und des öffentlichen Interesses erfüllen. Was das genau bedeutet, ist kaum festgelegt, so dass dem missbräuchlichen Einsatz von 1-Euro-Jobbern nicht leicht auf die Spur zu kommen ist.
    Der Beitrag kommt zu dem Schluss, „dass die Maßnahme bestenfalls die betroffenen Hartz IV-Empfänger davor bewahrt, in den eigenen vier Wänden depressiv zu werden. Schlimmstenfalls und im Regelfall stellen 1-Euro-Jobs eine Belastung für die Betroffenen, die Institution und die gesellschaftliche Gesamtsituation dar – bei verschwindend geringer Integrationsquote.“
    Quelle: The Thing
  10. Nochmals: Fristlose Kündigung wegen 1,30 Euro
    Interessant ist dabei der Kommentar von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), das Urteil sei “barbarisch” und “asozial” – aber nicht wegen des Inhaltes, denn dergleichen äußern auch andere, sondern wegen der Reaktion seitens der Justiz auf den Thierse-Kommentar: Karin Aust-Dodenhoff, Präsidentin des Landesarbeitsgerichts, erwiderte: “Diffamierungen der Gerichte, zumal von einem der höchsten Repräsentanten unseres Landes, sind demgegenüber in keiner Weise hinnehmbar.” Vielmehr seien sie geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsprechung zu beeinträchtigen. Außerdem griffen sie in die Unabhängigkeit der Gerichte ein.
    Also: Dass eine bloße Meinungsäußerung in die Unabhängigkeit der Gerichte eingreift, ist absurder Unfug und allenfalls Ausdruck von panischer Angst der Justiz, dass die Bevölkerung sich irgendwann nicht mehr alles bieten lassen und dann die Gerechtigkeit sich doch einmal durchsetzen könnte.
    Und zum “Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsprechung” s. Ex-BGH-Richter Wolfgang Neskovic (Der Mythos von der hohen Moral der Richter: Zeitschrift für anwaltliche Praxis (ZAP), 25.7.1990, S. 625):
    “Die Kritik von Anwälten und Prozessparteien wird regelmäßig als einseitig zurückgewiesen, die von Journalisten mangels Fachkompetenz nicht ernst genommen und die von Politikern als Angriff auf die richterliche Unabhängigkeit denunziert. Es ist ein Phänomen unserer Mediendemokratie, dass ein Berufsstand, der über eine so zentrale politische, soziale und wirtschaftliche Macht verfügt wie die Richterschaft, sich so erfolgreich dem Prüfstand öffentlicher Kritik entzogen hat. […] Die Rechtsprechung ist schon seit langem konkursreif. Sie ist teuer, nicht kalkulierbar und zeitraubend. Nur noch 30 Prozent der Bevölkerung haben volles Vertrauen zur Justiz…“
    Quelle: Pressemitteilung WebService

    Dazu noch der Hinweis: Die Supermarktkette Kaiser’s bietet der fristlos entlassenen Kassiererin Barbara E. eine fristgerechte Kündigung an. Dann würde sie noch bis September Geld erhalten. Kaiser`s meint wohl, sich mit diesem „Billigangebot“ bei seinen Kunden moralisch freikaufen zu können.

    Dazu passt:

    Ex-Vorstände verklagen Hypo Real Estate
    Juristisches Hickhack bei der angeschlagenen Hypo Real Estate: Ex-Chef Georg Funke und zwei seiner ehemaligen Vorstandskollegen ziehen nach ihrem Rausschmiss vor Gericht. Ihre Forderungen: Rücknahme der Kündigungen und Zahlungen in bis zu sechsstelliger Höhe.
    Quelle: Spiegel

    Anmerkung WL: Schon Bert Brecht sagte: „Unsichtbar macht sich das Verbrechen, indem es große Ausmaße annimmt.“ Da haben die Herren den Karren so in den Dreck gefahren, das bisher schon über 100 Milliarden eingesetzt wurden, um in wieder rauszuziehen, und jetzt erwarten sie auch noch, dass sie aus Steuermitteln einen goldenen Handschlag bekommen. Es steht zu befürchten, dass anders als bei der Kassiererin die Klagen erfolg haben und die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eingestellt werden.

  11. London im Auge des Sturms
    Von London aus nahm das globale Finanzdesaster seinen Lauf. Milliardenwerte wurden pulverisiert, das Image der City ist am Boden. Doch während im Rest der Welt noch die Krise tobt, arbeiten Londons Banker bereits an ihrem Comeback. Ein Frontbericht.
    Wenn sich eine Lehre aus der Krise ziehen lässt, dann die, dass sie grundsätzlich ungerecht ist. Je näher man dem Auge des Sturms kommt, der derzeit um den Globus fegt, desto deutlicher wird: Das Leid der Banker ist weder proportional zu dem Schaden, den sie angerichtet haben, noch zu dem Reingewinn, den sie in guten Zeiten eingestrichen haben… Selbst wer nur die vergangenen zwei oder drei Rekordjahre als Investmentbanker dabei war und nicht völlig über seine Verhältnisse lebte, hat jetzt ein bequemes, vielstelliges Polster…
    Die Banker, die diese Krise überstehen, werden danach noch mehr mit sich und der Welt im Reinen sein als vorher.
    Im Auge des Sturms lässt es sich immer noch gut leben.
    Quelle: FTD

    Nochmals auf deutsch:

  12. Paul de Grauwe: Lob der Unbeweglichkeit
    Flexible Märkte galten bislang als wirtschaftliches Erfolgsrezept. In der aktuellen Schuldendeflation verschärfen sie die Krise. Länder mit starren Löhnen sind im Vorteil.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit:  Paul De Grauwe ist nicht irgendein abseits des Mainstreams ignorierter Heterodoxer, er arbeitete unter anderem  für den Internationalen Währungsfonds (IWF) und im Board of Governors der US-Notenbank, war von 1999 bis 2003 Senator des Belgischen Parlamentes und Vorsitzender dessen Wirtschafts- und Finanzausschusses. Er hat derzeit eine Professur an der Universität Leuven inne, arbeitet als Forscher am Centre for Economic Policy Research in London und als Wirtschaftsberater von EU-Kommissionschef José Manuel Barroso.

  13. AOK-Studie – Fehlzeiten wegen psychischer Beschwerden seit 1995 drastisch gestiegen
    Arbeitnehmer fehlen immer häufiger wegen psychischer Probleme. Die damit begründeten Krankheitszeiten haben seit 1995 um 80 Prozent zugenommen, wie das Wissenschaftliche Institut der AOK (Wido) am Mittwoch in Berlin mitteilte. Auch der Krankenstand insgesamt steigt nach historischen Tiefständen seit zwei Jahren wieder – aber nur leicht. Nach der Auswertung der AOK-Versichertendaten kletterte er 2008 von 4,5 auf 4,6 Prozent…
    Fast ein Viertel der Ausfalltage (24,2 Prozent) gehen weiter auf das Konto von Muskel- und Skeletterkrankungen. Auch Verletzungen (12,6 Prozent) und Atemwegserkrankungen (12,5 Prozent) spielen eine erhebliche Rolle. Psychische Erkrankungen kommen zwar mit 8,3 Prozent erst an vierter Stelle. Besorgt sind Experten aber wegen des Trends. „Während andere Erkrankungsarten in den letzten zehn Jahren stetig abgenommen haben, sind Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen seit 1995 um 80 Prozent gestiegen“, erklärten die Wido-Wissenschaftler. Auch seien psychische Erkrankungen besonders langwierig. Während etwa eine Erkrankung der Atemwege im Durchschnitt zu 6,4 Fehltagen führt, sind es bei psychischen Krankheiten 22,5 Tage, wie es weiter hieß.
    Quelle: Focus
  14. Bildungszentrum Ostend kostet mehr
    In der Untersuchung mit dem Thema “Energetische Schulsanierung — Was ist heute möglich?” hat die Abteilung Energiemanagement des Hochbauamts die Betriebskosten des 2005 eröffneten Bildungszentrums Ostend unter die Lupe genommen. Ergebnis: Im Vergleich zu einem nach städtischem Standard gebauten Gebäude verursacht das Bildungszentrum Mehrkosten in Höhe von etwa 200.000 Euro im Jahr.
    Das ist nicht nur teuer, sondern auch klimapolitisch fatal: Denn wegen der minderwertigen Wärmedämmung des Gebäudes steigt die Emmission von Kohlendioxid laut Hochbauamt um 215 Tonnen auf 948 Tonnen im Jahr — also 29 Prozent.
    Wobei sich die Vergleichsrechnung des Hochbauamts auf den bis 2004 gültigen Standard bezieht. Damals unterschritten Gebäude, die in kommunaler Regie errichtet wurden, die bundesweite Energieeinsparverordnung (Enev) um 30 Prozent. Für das von einem privaten Konsortium gebaute Bildungszentrum galt diese Vorgabe jedoch nicht.
    Quelle: FR

    Kommentar AM: Diese Nachricht beleuchtet wieder einmal den Irrweg PPP/ÖPP. Wir haben schon viel dazu berichtet, zum Beispiel hier und hier.

  15. Hohe Wasserpreise: Gebührenzahler finanzieren Gewinne
    Wasser ist ein kostbares Gut – vor allem in Berlin. Denn hier steigen die Preise für Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Jahr für Jahr. Doch nicht allein, weil anfallende Kosten gedeckt werden müssen. Die Berliner Wasserbetriebe erzielen Millionengewinne aus Gebührengeldern.
    Quelle 1: ZDF-Frontal21 (Text, PDF – 50 KB)
    Quelle 2: ZDF-Frontal21 (Video)
  16. In den Regionalzügen wird es enger – DB: Ausschreibung lässt Abstriche beim Komfort zu
    Bahnexperten nennen sie „Flächenschweine“. Gemeint sind Regionalzüge, in denen möglichst viele Fahrgäste auf möglichst wenig Raum untergebracht werden können. Solche Züge könnten von Ende 2011 an auch durch Berlin und Brandenburg fahren, warnt Ulrich Homburg von der Deutschen Bahn (DB) Regio. Die jetzige Ausschreibung des Regionalverkehrs lasse es zu, dass Fahrgäste mit weniger Platz und Komfort auskommen müssen als heute. Homburg: „Wenn es bei den jetzigen Ausschreibungsbedingungen bleibt, ist die Ära der modernen und komfortablen Doppelstockwagen, wie sie unsere Kunden in dieser Region kennen- und schätzen gelernt haben, bald vorbei.“
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung AM: Alle, die wie zum Beispiel die Grünen die Vorstellung vertreten, eine Trennung von Netz und Betrieb und dann der Wettbewerb um Strecken bringe einen Vorteil für die Kunden, weil Wettbewerb eben immer Vorteil bringe, sollten sich dies angesichts dieser Nachricht neu überlegen. Der Schienenverkehr muss langfristig wieder in eine Hand, in die Hand einer öffentlichen Eisenbahn. Das ist keine Nostalgie sondern volkswirtschaftlich die einzig vernünftige Lösung. Alles andere geht auf Kosten der Qualität, und auf Kosten der gegeneinander ausgespielten Arbeitnehmerschaft.

  17. Schröder inspiriert CDU-Politiker: Röttgen weist Union Dritten Weg
    Es gibt eine Stelle in der Standardrede, die Angela Merkel derzeit fast täglich hält, da ist das Unverständnis des Publikums stets besonders groß. “Wir werden stärker aus der Krise herauskommen, als wir hineingegangen sind”, sagt sie. Manchmal schweigen die Zuhörer, manchmal geht ein Raunen durch die Reihen. Offenkundig ist stets: Keiner im Saal glaubt an Merkels Parole, jeder denkt, dass es in zehn Jahren schlechter geht – die Frage ist nur, wie viel. Da wirkt es wie aus der Zeit gefallen, wenn der CDU-Politiker Norbert Röttgen im Titel seines am Donnerstag vorgestellten Buchs behauptet: “Deutschlands beste Jahre kommen noch.” Der 43-jährige parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, einer der wenigen Intellektuellen im Bundestag und zugleich für die Zeit nach der Bundestagswahl Anwärter auf höhere Ämter, entwirft darin das Gesamtprogramm einer modernisierten Christdemokratie – sozusagen den ideologischen Überbau für eine Partei, die sich über die längsten Strecken ihrer Geschichte mit dem Erhalt ihrer materiellen Basis zufrieden gab.
    Der christdemokratische Weg zwischen Turbokapitalismus und Versorgungsstaat, den Röttgen beschreibt, erinnert bis in die Formulierungen hinein an jenen Dritten Weg, den die europäische Sozialdemokratie vor wenigen Jahren zu entwerfen suchte. Chancengerechtigkeit und Teilhabe, Bildung und Integration sind bei dem CDU-Politiker die Schlüsselbegriffe. Sie waren es schon bei Gerhard Schröder und Tony Blair, bei “New Labour” und “Neuer Mitte”. Identisch sind auch die Stichwortgeber. Auf den Blair-Inspirator Anthony Giddens beruft sich Röttgen ebenso wie auf den Deutschen Ulrich Beck. Eher links von der Schröderschen Sozialdemokratie bewegt er sich mit wiederholten Anleihen bei dem amerikanischen Soziologen-Ehepaar Saskia Sassen und Richard Sennett. Wirklich konservative Intellektuelle, falls es so etwas gibt, sucht man im Literaturverzeichnis vergeblich.
    Quelle: TAZ

    Anmerkung WL: Manche werden in Röttgens Buch wieder einmal einen Linksruck der CDU sehen, dabei ist der Abklatsch der Schröder-Parolen nur ein Zeichen dafür, dass die Schröder-Regierung die CDU rechts überholt hat.

  18. Angst, Wut, Enttäuschung:  Aufruhr im Osten
    Im Audi-Werk in Györ stehen die Bänder still. Zum zweiten Mal seit Dezember hat der deutsche Autobauer seine 5800 ungarischen Mitarbeiter nach Hause geschickt – wegen der weltweit einbrechenden Absatzlage. Der Elektronikkonzern Elcoteq im estnischen Tallinn muss 20 Prozent der Belegschaft entlassen, weil die Nachfrage nach Mobiltelefonen weltweit sinkt. Und im polnischen Breslau stoppt der Wirtschaftstycoon Leszek Czarnecki den Bau des höchsten Wohnhauses in Europa – niemand will die teuren Wohnungen mehr haben. Die globale Wirtschaftskrise hat mit voller Wucht Osteuropa getroffen. Nach Jahren kräftigen Wachstums bricht das Bruttoinlandsprodukt (BIP) vom Baltikum bis Bulgarien ein. Der schrumpfende Konsum im Westen zwingt die exportorientierten Wirtschaften in die Knie – sie müssen ihre Produktion drosseln. Die Arbeitslosigkeit nimmt täglich zu, die nationalen Währungen verlieren an Wert, mehreren Ländern droht der Staatsbankrott. Mit einem Kredit über 25,1 Mrd. $ rettete der Internationale Währungsfonds (IWF) Ungarn vor der Pleite; Lettland erhielt einen IWF-Kredit in Höhe von 9,5 Mrd. $. Wird das reichen? Wohl kaum.
    Angst, Wut und Enttäuschung machen sich in der Bevölkerung breit. In Litauen, Bulgarien und Lettland kam es schon zu Straßenschlachten zwischen Polizei und Demonstranten, die den Rücktritt ihrer Regierungen forderten. Vorige Woche brach die lettische Regierungskoalition auseinander. “Das war nur der Anfang”, sagt Anders Aslund, Osteuropaexperte des Peterson Institute for International Economy in Washington. “Wir müssen auch in anderen Ländern mit Massenunruhen rechnen.”
    Quelle: FTD
  19. Wie schlimm steht es um das Vereinigte Königreich?
    Historischer Verlust bei der Royal Bank of Scotland, Milliardenschulden bei Staat und Bürgern. Ein Hauptgrund dafür, warum die Briten so hart von der Krise getroffen werden, ist die große Abhängigkeit der britischen Wirtschaft vom Finanzmarkt. William Buiter, Professor an der London School of Economics und ehemaliges Mitglied des Zentralbankrats, rechnet vor, dass britische Banken Ende 2007 sechs Billionen Pfund in ihren Bilanzen hatten – 450 Prozent der jährlichen britischen Wirtschaftsleistung. Die Finanzindustrie war der Motor der britischen Wirtschaft. Bis zu sechs Millionen Menschen arbeiteten landesweit in dem Sektor. Mit den Steuereinnahmen finanzierte die Labourregierung Krankenhäuser, Schulen und Jobs vor allem im strukturschwachen Norden. Doch die Finanzmanager in der Londoner City, dem wichtigsten europäischen Finanzplatz, haben die Risiken schlecht eingeschätzt. Nun muss der Staat durch Bankgarantien und Sonderbürgschaften die Verantwortung übernehmen. „Solange wir die Banken nicht reparieren, werden wir auch den Rest der Wirtschaft nicht reparieren“, sagte Schatzkanzler Alistair Darling gestern.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung: Die Forderung des Schatzkanzlers nach einer Reparatur der Banken zeigt, dass dieser wenig begriffen hat. Die Konzentration auf  Dienstleistungen im  unproduktiven Finanzsektor war und ist eine der größten Fehlleistungen britischer Politik. Unproduktiv  deshalb, weil der Finanzsektor ein ein vom produktiven Sektor abgeleiteter Sektor ist. Die verarbeitende Industrie wurde in Großbritannien extrem vernachlässigt, so dass von einer Deindustrialisierung der britische Volkswirtschaft gesprochen werden. muß. Was jetzt ansteht, ist keine Reparatur, sondern eine überfällige Schrumpfung – nicht nur in London oder in New York, sondern weltweit. Der Traum von einer Kompensation der Arbeitsplatzverluste in der Industrie durch den Dienstleistungsbereich, ist zumindest im Finanzsektor ausgeträumt.

  20. Hinweis auf die unermüdliche Aufklärungsarbeit des Erlanger Instituts für Medienverantwortung.
    Hier ein aktuelles Interview vom 25.2.2009 mit der Leiterin des Erlanger Instituts Dr. Sabine Schiffer.
    Frage: Was sind die Gründe für das Angebot verzerrter Informationen meistens?
    Dr. Schiffer: Ich will es mal in drei Schritten versuchen:
    1. Gewohnheit: Wir alle erkennen leichter die Dinge, von denen wir schon wissen, als Unbekanntes und Ungewohntes. Dies befördert Wiederholungen von wenigen Themen und Aspekten und eine Stereotypisierung bis hin zur Unkenntlichkeit für die so beschriebenen.
    2. Gutgläubigkeit: Wer glaubt, eine Pressemitteilung aus dem Bundeskanzleramt, dem Innenministerium oder dem BKA, wäre eine neutrale, nicht interessengeleitete Veröffentlichung zur Information der Mitbürger, untergräbt aktiv die Aufgabe der Medien als 4. Gewalt, als Kontrollinstanz.
    3. Gezielte Manipulationsversuche durch Interessengruppen – nimmt zu. Hier gäbe es viel aufzuzählen: vom Kaffeeklatsch zwischen Liz Mohn, Friede Springer und Angela Merkel, über das Ködern bzw. Abstrafen von Journalisten, dem Embedding bis hin zur finanzstarken Lobby- und PR-Arbeit, wie etwa der Bertelsmann-Stiftung auch im politischen Bereich oder auch der public diplomacy von Regierungen.
    Quelle: uni mainpost
  21. hr2-Kultur – Der Tag: Alles Schmarotzer! – Vom Leben auf Kosten anderer
    Die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes für Kinder unter 14 Jahren hat einen “Anschub für die Tabak- und Spirituosenindustrie” bewirkt. Mit dieser Behauptung nährt Philipp Mißfelder, Mitglied des CDU-Präsidiums, ein verbreitetes Vorurteil: Wer Unterstützung aus Sozialsystemen bekommt, ist tendenziell ein Sozialschmarotzer. Wir wollen diesem Hinweis folgen und mal schauen, wer hierzulande so schmarotzt: Maria-Elisabeth Schaeffler etwa, die sich mit der Conti-Übernahme übernimmt und nun den Steuerzahler anpumpt. Kapitaleigner, die Geld ins Ausland schaffen, wenn der Fiskus in Deutschland zugreifen will, aber in Deutschland fröhlich öffentliche Einrichtungen benutzen. Vom Nutzen der Arbeit und vom Sinn des Schmarotzens.
    Quelle 1: Hessischer Rundfunk (Text)
    Quelle 2: Hessischer Rundfunk (Audio-Podcast, mp3, ca. 50 min, ca. 17,7 MB)

    Anmerkung MB: Sehr interessant. In einem Beitrag werden verschiedene Wortbeiträge von Mißfelder zusammengetragen, die tief blicken lassen. Demnach sei sein Spruch über den Sinn oder Unsinn von Hüftgelenken für 85jährige durchaus vorteilhaft für ihn gewesen. Die Sache habe ihn (Originalton!) bekannter gemacht und er sei in Talkshows eingeladen worden.

  22. Vier von fünf wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an Hochschulen haben heute einen Zeitvertrag
    Häufig handelt es sich um Kettenarbeitsverträge: Alle ein, zwei Jahre läuft der Vertrag aus und wird dann verlängert oder auch nicht. Wenn es nicht klappt, gibt es mit Glück zur Überbrückung für ein Semester einen mies bezahlten Lehrauftrag. Das neue Wissenschaftszeitvertragsgesetz beinhaltet außerdem auch die Möglichkeit, technische und Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter befristet zu beschäftigen. Den 500.000 Hochschulbeschäftigten vorzuhalten, ihre Arbeitsplätze seien sicher, ist daher nicht nur weltfremd, sondern zynisch! Andreas Keller (GEW) zur Tarifrunde im Öffentlichen Dienst
    Quelle: GEW-Newsletter (mit Anmeldung abrufbar)
  23. Hessen: Schul-Kosten explodieren
    Hessen gibt viel zu viel Geld für die Verwaltung der Schulen und zu wenig für den Unterricht und die Entwicklung der Schulqualität aus. Das ist das Ergebnis einer Studie der Deutschen Bank zu den Kosten der Schulverwaltung in den Bundesländern.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung J.W.: So etwas melden hessische Zeitungen. Die “Deutsche Bank” stellt fest: staatliche Verwaltung sei zu teuer. Dieses Geld fehle an den Schulen. Natürlich sind die „hohen Personalkosten“ der Buhmann für die Banker-Studie.
    Interessant ist, dass trotz der allseits propagierten „selbständigen Schule“ die Schulverwaltungskosten steigen. Das ist leicht zu erklären: Dezentralisierung ging einher mit einer Zunahme von Tests, Lernstandards und deren Überprüfung. Statt sich um die Verbesserung der Lehre und der Ausstattung mit Lehrern zu kümmern, hat man einen gigantischen Testapparat aufgebaut.

  24. Wahnsinn mit Methode
    Hamburg jagt Berlin die Lehrer ab, Hessen buhlt um die aus Rheinland-Pfalz, und Baden-Württemberg lockt Pädagogen aus der ganzen Republik ins Ländle. Das Wetteifern der Bundesländer um die Gunst einer bis vor kurzem noch systematisch mißachteten Berufsgruppe ist so bizarr, wie es absehbar war.
    Quelle: Junge Welt
  25. Zu guter Letzt die Glosse eines Lehrers

    Als beamteter Lehrer muss ich folgendes loswerden:
    Es mutet geradezu unheimlich an, wenn man merkt, wie generalstabsmäßig auch im Bildungssektor die Sabotage des öffentlichen Schulwesens zugunsten der Privatwirtschaft vollzogen wird – ganz analog zur Demontage des staatlichen Rentensystems zugunsten der privaten Versicherungswirtschaft.
    So dient sich eine Inphorms GmbH als “Schulengel” an, um privaten Konsum gewissermaßen mit der Rettung des Regenwaldes – äh sorry, der Schulen natürlich zu verquicken, nebenbei eine sog. Community zu installieren, bei der sich – in bester Absicht natürlich – trefflich das öffentliche Schulwesen mitsamt aller unfähigen Lehrer usw. untergraben lässt. Quasi als Abfallprodukt fallen Unmengen persönlicher Daten von Konsumvorlieben bis zu (bildungs)politischen Meinungen für zielgruppengenaues “Marketing and More” an. Datenschutz ist natürlich garantiert…
    Erschreckend ist auch, mit welcher Naivität viele Lehrer/innen den Köder schlucken, als ginge es wirklich nur um die Schüler/innen bzw. Verbesserung der materiellen Unterrichtsbedingungen durch “Fundraising”. Wer glaubt denn den Quatsch, dass z.B. die Rabatte der beteiligten Firmen nicht von vornherein in die Preise einkalkuliert, also vorher draufgeschlagen werden? Dann doch lieber direkte Spenden an die Fördervereine der einzelnen Schulen! Da gibt’s immerhin eine Spendenquittung für das Finanzamt.
    “Diese Deutschstunde wird euch präsentiert von Menschenfreund & Co!” – “Chemielehrer Salzmann wurde ausgestattet von SURVIVA, Ihrem Spezialisten für säurefeste Berufskleidung!” – “Reicht die Pension nicht? Werden Sie Nachhilfelehrer bei Privatschule Schlauberg!” Sieht so die Zukunft der deutschen Bildungslandschaft aus? Ich fürchte: Ja! Oder sollte ich besser sagen: Ich hoffe: Ja! Schließlich muss die seit Jahren stagnierende bzw. rückläufige Einkommensentwicklung bei gleichzeitiger Arbeitsverdichtung und Arbeitszeitverlängerung irgendwie kompensiert werden.


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