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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 21. April 2009 um 9:08 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

(KR/WL/AM)

Heute unter anderem zu diesen Themen:

  • Ohne Bad Banks keine Konjunkturerholung?
  • Müll sucht Eimer
  • Martin Wolf – Schwellenland Amerika
  • Das System ist selbst Schuld am Crash?
  • Gesine Schwan will Manager nicht pauschal verdammen
  • Regierung wollte die Ursachen der Finanzkrise verheimlichen
  • Krise erreicht Staatskassen
  • Slowenien knöpft sich Manager vor
  • Die Politik hat vor den Reichen mehr Angst als vor den Armen
  • Krise erreicht Staatskassen
  • Abwärts – Wirtschaft schrumpft um fünf Prozent
  • Wie die Jobkrise zu entschärfen ist
  • Lebensversicherung: Abkassiert und schöngerechnet
  • Teure Fehler bei der Altersvorsorge
  • Ermittler jagen New Yorks Rentenfonds-Trickser
  • Lissabon-Vertrag degradiert deutsches Grundgesetz
  • Maschmeyer und das Schweizer Milliardenspiel
  • Bundesagentur muss Darlehen aufnehmen – Geld reicht nur bis zum Herbst
  • Bahn-Unfall mit Ansage
  • Neue Datenaffäre im Handel – Müller forscht Mitarbeiter aus
  • Der rosa Karren – Steinmeier und Müntefering halten Kurs
  • Politik für die obersten 1,6%
  • Die sozialdemokratische Zeitenwende
  • Humboldt der falsche Mann am falschen Ort

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. „Ohne Bad Banks keine Konjunkturerholung“
    Einen Tag vor dem Spitzengespräch bei Kanzlerin Angela Merkel über die Bereinigung der Banken-Bilanzen von toxischen Wertpapieren mehren sich Stimmen, die eine schnellstmögliche Problem-Lösung fordern. Zwar versicherte die Bundesregierung, bis spätestens Anfang Juli ein Konzept vorlegen zu wollen. Doch die Wirtschaft und führende Ökonomen betrachten jede Verzögerung als Gift für die Konjunktur. Ähnlich äußerte sich der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn. “Ohne einen funktionierenden Bankensektor kann der Investitionsprozess nicht wieder in Gang kommen. Das bedeutet: die Erholung findet nicht statt”, sagte Horn Handelsblatt.com. “Es ist daher unerlässlich, die Bankbilanzen mit Hilfe des Staates zu säubern.” Dabei müsse aber klar sein, dass der Staat hierfür Gegenleistungen in Form von Eigentumsrechten erhalte.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung AM: Diese Einlassungen kann ich auf weite Strecken nicht nachvollziehen. Es fängt schon bei Zimmermann an, der die alte Litanei nachbetet, wonach vor allem die Landesbanken einen erheblichen Anteil an der Bankenkrise hätten und fordert, dass diese jetzt privatisiert werden müssten. Absurd. Haben die privaten Institute HRE, Commerzbank, Dresdner Bank und IKB besser gewirtschaftet?

    Der Artikel zielt eindeutig auf Stimmungsmache für die Übernahme der Risiken der Banken insgesamt durch den Bund ab. Steinbrück und die Bundeskanzlerin versuchen offenbar Stimmung zu machen für ihre Entscheidung, die Wettschulden des Casinobetriebs auf die Allgemeinheit zu verlagern.

    Wichtig ist es schon, dass wir ein funktionierendes Bankensystem brauchen, wie Gustav Horn meint. Aber müssen dafür jeder Bank die selbstverschuldeten Risiken abgenommen werden? Es wäre doch auch denkbar, dass der Bund zum Beispiel mithilfe der Sparkassen, der Volksbanken, vielleicht bei Rückkauf der Postbank auch mithilfe dieser, und der KfW und vor allem mithilfe der Zentralbanken die Kreditversorgung sicherstellt?

    Warum gehen wir nicht den Weg, den Galbraith vorgeschlagen hat, und spalten die Banken auf, übernehmen die normalen Kreditgeschäfte und lassen den schlechten Teil in Insolvenz gehen?

    Es sollte bedacht werden, was der Aufsichtsrat der HRE Endres laut Frankfurter Rundschau vom 21. März in Berlin gesagt hat: Nur 10-20 % des Inhalts der Bankbilanzen gehen auf das normale Kreditgeschäft zurück, der Rest sei „artifiziell“. Sollen wir als Staat und Steuerzahler die finanzielle Verantwortung für artifizielle Produkte übernehmen?

    Wenn so verfahren wird, wie Strauß-Kahn und die anderen Zitierten vorschlagen, dann wird es nicht zu einer Konsolidierung, und das heißt aus meiner Sicht auch zu einer Schließung des Casinos und damit zu einem Rückbau des Bankenwesens, kommen. Dann wird weitergemacht wie bisher. Die Schulden werden dann von der Allgemeinheit übernommen. Die Investmentbanker und verwandte Kollegen können weiter zocken. Dass dies so angelegt ist, wird auch an einem kleinen Detail sichtbar: Die Praxis der Banken hat sich kaum geändert, Druck auf ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auszuüben, damit diese weiterhin riskante Anlageprodukte anbieten.

  2. Müll sucht Eimer
    In den Bankbilanzen schlummern noch Milliardenrisiken. Die giftigen Papiere sollen bald mit Staatshilfe ausgelagert werden – für die Steuerzahler ein riskantes Geschäft. Allein die Commerzbank sitzt nach der Fusion mit der Dresdner Bank auf gefährlichen Papieren im Wert von 55 Milliarden Euro. Bei Landesbanken wie die HSH Nordbank sind die Dimensionen ähnlich erschreckend.

    Bundesbankpräsident Axel Weber schlägt deshalb vor, die giftigen Papiere “zum aktuellen Buchwert” beim Soffin in einen Mobilisierungsfonds mit separat geführten Konten auszulagern. Dafür erhalten die Banken staatlich garantierte, verzinste Anleihen des Fonds. “Bei Verlusten soll die faire Lastenverteilung zwischen Banken und Steuerzahlern erst am Ende der Laufzeit erfolgen”, sagt Weber.

    Auch wie Steinbrücks Bad-Bank-Modell für die Privatbanken genau aussehen wird, ist unklar. Auf jeden Fall will er eine hohe Gebühr für die Absicherung der faulen Papiere verlangen. Und in die abgesicherten, institutseigenen Zweckgesellschaften dürfen nur illiquide – also nicht handelbare – Papiere verschoben werden, schlug er noch vor wenigen Tagen vor. Toxische Altlasten wie verpackte Hypotheken klammer US-Hausbesitzer sollen die Banker dagegen selbst entschärfen.
    Quelle: Spiegel Online

  3. Martin Wolf – Schwellenland Amerika
    Sind die USA Russland? Diese provokante Frage hat Simon Johnson gestellt, ehemaliger Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds (IWF) und Professor an der Sloan School of Management. Das Ausmaß der Finanz- und Wirtschaftskrise in den USA und ihr plötzliches Auftreten ähnele frappierend früheren Zuständen in den Schwellenländern, schreibt Johnson, darunter: enorme Kapitalzuflüsse, explosionsartiges Kreditwachstum, übermäßige Verschuldung, Blasen – speziell auf dem Immobilienmarkt – und der Preisverfall bei Vermögenswerten und eine Finanzkatastrophe.

    Es gebe eine noch tiefer gehende und beunruhigendere Übereinstimmung, so Johnson: “Elitäre Interessengruppen wirkten entscheidend an der Entstehung der Krise mit. Mit der impliziten Unterstützung der Regierung gingen sie immer mehr Risiken ein, bis zum unvermeidlichen Zusammenbruch.” Der Reichtum im Finanzsektor habe den Bankern zudem gewaltiges politisches Gewicht verliehen. Jetzt verhindere dieser Einfluss eine Lösung der Krise. Die Banken “wollen nicht das volle Ausmaß ihrer Verluste eingestehen, weil sie dann vermutlich als zahlungsunfähig dastehen würden”. Ungesunde Banken würden also entweder keine Kredite vergeben und das Geld horten oder waghalsige Risiken eingehen, die sich auszahlen oder auch nicht. In jedem Fall leide die Wirtschaft darunter, wodurch sich die Finanzlage der Banken weiter eintrübe – ein “äußerst zerstörerischer Kreislauf”. Dass sich die mächtigen Finanzinstitute dagegen sperren, ihre Verluste einzugestehen, könnte Johnson zufolge unmöglich machen, der Krise zu entrinnen. Die USA genießen das Privileg, in ihrer eigenen Währung Geld aufnehmen zu können. Dadurch lassen sich Risse im Gemäuer leichter übertünchen – und eine Krise in einen langen wirtschaftlichen Missstand verwandeln. Wir haben eine Serie von Ad-hoc-Maßnahmen gesehen, hinter denen die Absicht steht, so viel vom Finanzsystem zu retten wie möglich, und zwar so großzügig, wie es sich die politischen Entscheider gerade noch ungestraft erlauben können.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Der Einwand von Martin Wolf, dass in den USA keine offene Korruption herrsche, ist schwach. Es ist nur die im fortgeschrittenen Kapitalismus übliche, etwas intelligentere Form von Beziehungsgeflechten. Der zweite Einwand, dass die Politik heute gefangen sei zwischen der Angst der Elite vor Insolvenzen und der Abneigung der Öffentlichkeit gegen Rettungspakete, ist kein Argument gegen die These vom “stillen Coup”, den Johnson beschreibt, denn dieser erfolgte vorher. Erschreckend ist die Zahl, welche die reale Macht des Finanzsektors abbildet. Dieser war im Jahre 2002 (!) für 41 Prozent der US-Firmengewinne verantwortlich.

  4. Das System ist selbst Schuld am Crash?
    So angenehm es uns wäre, in der Verderbtheit des Kapitalisten den Sündenbock der jetzigen wirtschaftlichen Malaise ausfindig gemacht zu haben, so wenig ist mit einer solchen Sicht gewonnen. Warum? Gier ist krankhaft, aber sie ist, dies weiß die Sozialpsychologie zu berichten, eben kein Massenphänomen, sondern eine individuelle Krankheit. Sie zeigt sich in einem unstillbaren “Hunger nach mehr”, für den es keinen objektiven Grund gibt. Doch die jetzige Krise kann man erklären, sie hat einen Grund: Es ist kein Verlust an Tugend, der uns in den Crash geführt hat, sondern der Crash ist der Logik des Systems selbst geschuldet. Moderne, marktliche Systeme folgen dem Prinzip der Gewinnerzielung und Gewinnsteigerung. Das moralische Verhalten des Einzelnen, so honorig es im konkreten Fall ist, kann die Logik des Systems nicht aufhalten. Der Anlageberater der Bank, der seinen Kunden in Zeiten des Booms nur fünf Prozent für den Investmentfonds bietet, während die Nachbarbank 20 Prozent verspricht, wird nicht lange seinen Job behalten. Anders gesagt: Selbst wenn man spürt, dass etwas schief läuft, kann man aus dem System, so lange es funktioniert, nicht aussteigen – es sei denn für den Preis, das man selbst aus dem System verschwindet.

    Wie aber soll der Staat mit den sich abzeichnenden sozialen Verwerfungen von Arbeitslosigkeit und steigendem Armutsrisiko umgehen? Statt hier einem tagespolitischen Aktivismus à la Kindergeldbonus das Wort zu reden, gilt es, sich darauf zu besinnen, dass wir einen funktionierenden Sozialstaat haben. Wenn wir jetzt zu viel Geld für Einzelmaßnahmen ausgeben, wird womöglich später angesichts der Verschuldung der Ruf nach Sozialkürzungen laut. Es geht also darum, den Sozialstaat in seiner Substanz zu erhalten: als Rettungsanker für den Einzelnen und Garant für sozialen Frieden. Und wir müssen seine strukturell wirksamen Maßnahmen stärken. Fazit: Die Entrüstungskultur über gierige Manager sollte einer fundierten ordnungspolitischen Debatte über bessere Wirtschafts- und Sozialstrukturen Platz machen.
    Quelle: FR

  5. Gesine Schwan will Manager nicht pauschal verdammen
    Anders als der Amtsinhaber warnt die Kandidatin vor moralischen Urteilen. Die Ursachen für die Krise sieht sie im “System”. “Das sind nicht alles böse Menschen”, erklärte sie. “Das System hat sehr dazu beigetragen, dass sie sich so verhalten haben.” Diese Erkenntnis erwarte sie von ihren Studenten “in jeder Zwischenprüfung”.
    Quelle: TAZ

    Anmerkung Orlando Pascheit zu beiden vorstehenden Artikeln (Ziffer 4 und 5): Je länger die Diskussion über die Ursachen der gegenwärtigen Krise anhält, desto mehr wird anscheinend die Verantwortung des Einzelnen zurückgedrängt. Besonders beliebt ist neuerdings das System als Letztursache der Krise. Allerdings wärmen nicht irgendwelche Alt-Linke wieder die Systemfrage auf, sondern genau die Marktapologeten, die sich bisher damit hervortaten, an die Initiative und Eigenverantwortung von Hart IV- Empfängern zu appellieren. Angesichts der gewaltigen Schieflage bei der Verteilung von Vermögen und Einkommen, einer noch nie gekannten Expansion des Niedriglohnsektors und einer wachsenden Armut fragt man sich, wo der Volkswirt und Theologe Nils Goldschmidt einen funktionierenden Sozialstaat ausmacht.

    Ärgerlich macht, dass der Ökonom Goldschmidt die Wurzeln seiner Profession nicht kennen will und Gier als individuelle Krankheit abtun möchte. “Own advantage”, “self interest” oder “own interest” bei Adam Smith ist nichts anderes die durch einen Rationalisierungsprozess gelaufene natürliche Leidenschaft, Habgier, von der David Hume meinte, sie sei eine “universelle Leidenschaft, die zu allen Zeiten, an allen Orten und auf alle Menschen wirkt.” Seit Smith gilt allen liberalen Ökonomen als Leitsatz: “By pursuing his own interest, he frequently promotes that of the society more effectually than when he really intends to promote it”.

    Zu einer fundierten ordnungspolitischen Debatte gehört zunächst einmal die Frage, warum im Finanzmarkt jede “ordo” abgeschafft wurde und dieser deshalb im Laissez-faire-Chaos enden konnte. Und hier soll der Eigennutz der handelnden Personen in Politik und Wirtschaft keine Rolle gespielt haben? Warum wohl geht die Zahl der Lobbyisten in Berlin und Brüssel in die Tausende? Warum wohl landen Spitzenleute der Politik reihenweise nach dem Ausscheiden aus ihren Ämtern als hochdotierte Berater in der Wirtschaft? Dieses System ist nicht über Nacht über uns gekommen, es ist von Menschen gemacht, die darin ihren Vorteil gewahrt wissen. Sie sind zur Verantwortung zu ziehen – ob das böse oder verführte oder was für Menschen auch immer das für Gesine Schwan sind. Weder die Politik, noch die Wirtschaft, weder der Hinterbänkler im Parlament noch der kleine Anlageberater in der Bank ist aus der Verantwortung zu entlassen. Es ist schon beachtlich, zunächst sollten wir die Mär glauben, dass nur eine kleine Minderheit von Mathematikern in den Banken um das Risiko der von ihnen kreierten, giftigen Produkte wussten, ihre Chefs das nicht ganz erfassten und die Berater an den Schaltern gar keine Ahnung hatten. Jetzt sind sie alle Opfer des Systems. – Wenn wir in der Logik dieser Anschauung blieben, wäre die Aufarbeitung der NS-Zeit sinnlos.

    Zum Zusammenspiel von Politik und Banken siehe auch:

  6. Regierung wollte die Ursachen der Finanzkrise verheimlichen
    Die Bayerische Landesregierung hatte einen Vorstoß unternommen, Bafin-Unterlagen vom Recht der Bürger auf Einsicht in Behördenakten auszunehmen. Damit würden die Chancen von Geschädigten noch weiter sinken, gegen Banken vorzugehen, die auf unzulässige Weise Geld verspekuliert haben. Der Gesetzesentwurf ist zwar im Bundestag durchgefallen, doch das Video ist dennoch sehenswert.
    Quelle: ARD/Kontraste
  7. Entlassene UBS-Direktoren können bis 2012 Boni beziehen
    Hohe Kader der UBS, die ihre Stelle verlieren, behalten ihren Anspruch auf Boni aus einem Topf mit 900 Millionen Franken.

    Seit Mittwoch ist bekannt: Die UBS will 8700 Stellen abbauen. Als die Bank im Februar die Bonuszahlungen für das Jahr 2008 festlegte, rechnete sie anscheinend aber noch nicht mit einer Massenentlassung. Im Gegenteil: Die Bank war damals ausdrücklich bestrebt, Anreize zu schaffen, damit ihr die Angestellten langfristig treu bleiben – speziell das hohe Kader.
    So wurde das Instrument des so genannten Conditional Variable Compensation Plans geschaffen: Ein Topf mit 900 Millionen Franken, die den obersten 12 Prozent der UBS-Angestellten – das sind gegen 10 000 Mitarbeiter – vorbehalten sind. Es geht im Durchschnitt um über 90 000 Franken pro Person. Das Geld soll gestaffelt in den Jahren 2010, 2011 und 2012 ausbezahlt werden.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung WL: So ist es eben: Wer brav seinen Job erledigt hat, wird entlassen, und die für die Misswirtschaft Verantwortlichen bekommen ihre Boni. Warum sollten wohl die „hohen Kader“ der UBS „treu bleiben“, doch wohl auch deshalb, weil man nach der Krise mit diesen Kadern wie zuvor weitermachen will. Auch will man verhindern, dass sie zwischenzeitlich bei der Konkurrenz anheuern, die beim Weiter-so natürlich einen Wettbewerbsvorteil im Hinblick auf die Zocker-Kader hätte.

  8. Slowenien knöpft sich Manager vor
    Slowenien macht in der Europäischen Union einen Vorstoß für besonders strenge Beschränkungen der Managergehälter. Einkommen von Führungskräften in staatlichen und staatsnahen Betrieben würden vorübergehend mit 90 Prozent besteuert. Die Sondersteuer soll rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft treten. Für Führungskräfte wird oberhalb eines Monatsgehalts von 12.500 Euro der Steuersatz von 41 Prozent auf 90 Prozent angehoben. Laut Finanzminister Franc Krizanic soll die Steuer sämtliche Sonderzahlungen wie Boni und andere Erfolgsprämien umfassen.

    Mit der Initiative Sloweniens gewinnt die Debatte über Managergehälter in Europa an Dynamik. Die Regierung in Ljubljana orientiert sich an den drastischen Plänen in den USA. Dort hat der Kongress ein Gesetz vorgeschlagen, wonach Boni mit 90 Prozent besteuert werden könnten. Im Gegensatz dazu strebt die EU-Kommission nicht nach verbindlichen, europaweiten Regeln. Laut einem noch vertraulichen Entwurf von Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy sollen Finanzfirmen Boni über mehrere Jahre strecken, an das eingegangene Risiko koppeln und bei finanziellen Problemen die Auszahlung verweigern können. Details müssen nach dem Entwurf die jeweiligen Aufsichtsräte regeln. EU-weite Obergrenzen für Boni sieht der Entwurf nicht vor.
    Quelle: FTD

  9. Die Politik hat vor den Reichen mehr Angst als vor den Armen
    Die Krise habe gezeigt, dass “ein Teil der Elite nicht wirtschaften kann”. Das Drama dabei sei aber, dass die anderen die Folgen zu tragen haben. Denn für die Elite seien die durch die Wirtschaftslage eingetretenen Einschränkungen nicht existenziell, während für Arme allein der Verlust von 100 Euro existenzbedrohend sein könne. “Der Zorn” gehe aber “von der enttäuschten Mittelschicht aus”, denn bei den ganz Armen gebe es wenig Organisationspotenzial, weil sie ums Überleben kämpfen. So habe auch die Politik vor den Reichen und Organisierten mehr Angst. Meint der österreichische Caritas-Präsident Franz Küberl.
    Quelle: Standard
  10. Krise erreicht Staatskassen
    Die Rezession schlägt nun auch voll auf die Steuereinnahmen durch. Im März nahmen die Finanzämter 2,6 Prozent weniger ein als im Vorjahresmonat, wie das Handelsblatt aus dem Finanzministerium erfuhr. Die schwache Konjunktur macht sich bei fast allen großen Steuern nun deutlich bemerkbar.

    Im ersten Quartal sanken die Einnahmen um 1,8 Prozent oder gut zwei Mrd. Euro. In den kommenden Quartalen dürften die Ausfälle weiter steigen, fürchten Experten. „Die schlechte gesamtwirtschaftliche Lage macht sich inzwischen nicht nur bei der Lohn- und bei der Umsatzsteuer, sondern auch bei der Körperschaftsteuer bemerkbar“, hieß es aus dem Finanzministerium
    Quelle: Handelsblatt

  11. Abwärts – Wirtschaft schrumpft um fünf Prozent
    Die deutsche Wirtschaftsleistung wird nach Schätzung der Bundesregierung in diesem Jahr um etwa fünf Prozent einbrechen – so stark wie noch nie seit Kriegsende.
    Doch Merkel bleibt optimistisch: “Die Unternehmen wollen gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, das ist auch das Klima, das ich hier spüre”, sagte sie.

    Um den Anstieg der Arbeitslosigkeit zumindest zu begrenzen, ist die Bundesregierung bereit, der Wirtschaft gleich auf mehreren Gebieten entgegenzukommen. So soll unter anderem die Anfang 2008 in Kraft getretene Unternehmensteuerreform entschärft werden. Zudem ist im Gespräch, die Kurzarbeiterregelung um weitere sechs Monate auf bis zu 24 Monate auszudehnen.
    Quelle: SZ

    Anmerkung WL: Unter anderem soll also der Steuersenkungswettlauf weitergehen. Da wurden die Unternehmen 2008 um brutto 30 Milliarden entlastet, netto sollen es angeblich nur 5 Milliarden sein. In der gegenwärtigen Krise könnte man die Steuern auch komplett erlassen, selbst das würde mangels Nachfrage im Binnenmarkt und in der gesamten Weltwirtschaft den Unternehmen kaum weiterhelfen.

  12. Wie die Jobkrise zu entschärfen ist
    Trotz dramatischer Auftragseinbrüche hielt sich bislang der Anstieg der Arbeitslosigkeit in Grenzen. Mit der Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf 18 Monate hat die Bundesregierung einen ersten Schutzdamm gebaut, der mit etwa 700 000 Kurzarbeitern seine Wirkung zeigt. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, wann der Damm bricht und es zu Massenentlassungen kommt.

    Dies spüren auch die Politiker und diskutieren neue Stützmaßnahmen für den Arbeitsmarkt. Diese Diskussion ist allerdings erstaunlich phantasielos. Wichtige Vorschläge etwa der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zum Ausbau von Weiterbildung oder zur Verlängerung des Arbeitslosengeldanspruchs spielen keine Rolle. Das Ausmaß der Krise erfordert es, viel tiefer in den Instrumentenkasten zu greifen. Sinnvoll wäre eine Kombination verschiedener Maßnahmen. Von Prof. Gerhard Bosch, Leiter des Instituts Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen.
    Quelle: FR

  13. Lebensversicherung: Abkassiert und schöngerechnet
    Verbraucherfeindliche Verträge der Lebensversicherer: Die Kosten sind hoch, die Renditen schrumpfen in der Krise.
    Quelle: Süddeutsche

    Dazu passt:

  14. Teure Fehler bei der Altersvorsorge
    Die Anbieter von Altersvorsorge-Verträgen tun gern so, als wären sie die Wohlfahrt. Aber die Branche verdient viel Geld mit der Angst vor der Altersarmut.
    Quelle: Financial Times Deutschland

    Anmerkung des NDS-Lesers J.A.: Die logische Folgerung bei beiden Artikel wäre doch: Weg mit der “kapitalgedeckten” Altersvorsorge, Stärkung des preiswerten Umlageverfahrens. Diese Schlussfolgerung unterbleibt. Warum? Nur weil hier nebenbei Werbung für die Honorarberater gemacht wird, die ja auch wieder an der “kapitalgedeckten” Altersvorsorge mitverdienen wollen?

  15. Ermittler jagen New Yorks Rentenfonds-Trickser
    Ein weiterer Betrugsskandal erschüttert die Wall Street: Investmentfirmen sollen sich durch Bestechung Zugriff auf Pensionsgelder des Staates New York gesichert haben. Zwei Ex-Angestellte der Landesregierung wurden bereits angeklagt – auch ein Top-Berater von Barack Obama gerät ins Visier.
    Quelle: SPIEGEL
  16. Lissabon-Vertrag degradiert deutsches Grundgesetz
    Wenn der Freiburger Staatsrechtler Professor Dr. Dietrich Murswiek recht hat, steht der EU ein deftiger Skandal ins Haus. Der Staatsrechtler behauptet, der Vertrag von Lissabon habe einen bisher nicht bemerkten Konstruktionsfehler, der den EU-Vertrag zur europäischen Oberverfassung mache und die Verfassungen der Mitgliedstaaten zu “Landesverfassungen” degradiere. Dadurch erhalte der EU-Gerichtshof die Kompetenz, in innerstaatlichen Verfassungsfragen die nationalen Verfassungsgerichte zu korrigieren.
    Quelle: MittelstandsWiki
  17. Schweizer Milliardenspiel
    Der Versicherer Swiss Life versteckt gewaltige Risiken in seiner Bilanz. Das gefährdet auch das Vermögen des umtriebigen Unternehmers Carsten Maschmeyer. Carsten Maschmeyer, 49, der Gründer des Finanzvertriebs AWD, gilt als König der Klinkenputzer. Seit er mit der Schauspielerin Veronica Ferres liiert ist, wissen auch Leser von Boulevardblättern alles über ihn. Das Geld hat der Mann durch den Verkauf seiner AWD-Aktien an den Schweizer Versicherer Swiss Life verdient. Nun versucht der ehemalige Medizinstudent, nicht nur die Ferres, sondern auch den Schweizer Konzern zu erobern: Er kaufte mindestens acht Prozent der Swiss-Life-Aktien und soll im Mai in deren Verwaltungsrat gewählt werden.

    Doch der Aufstieg ins eidgenössische Establishment könnte teuer werden. Die ehemalige Schweizerische Rentenanstalt hat zwar eine große Tradition; sie hat in der Schweiz einen Marktanteil von 30 Prozent und erzielt auch in Deutschland Prämieneinnahmen in Milliardenhöhe. Aber in ihrer Bilanz schlummern gewaltige und bislang unterschätzte Milliardenrisiken.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Vielleicht hat das selbsternannte Trüffelschwein diesmal doch nur Mist gefunden.

  18. Bundesagentur muss Darlehen aufnehmen – Geld reicht nur bis zum Herbst
    „In der Wirtschaftskrise schmelzen die Reserven wie Schnee in der Sonne“, sagt Wilhelm Adamy, Leiter des Bereichs Arbeitsmarktpolitik beim Deutschen Gewerkschaftsbund und Mitglied im Verwaltungsrat der Nürnberger Behörde. Ab Oktober, also genau nach der Bundestagswahl, könnte die Bundesagentur nicht mehr über genügend liquide Mittel verfügen, um Arbeitslosengeld zu zahlen oder Maßnahmen zu finanzieren. Das liegt nicht nur an der Wirtschaftskrise und den steigenden Ausgaben für Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld, sondern auch an dem veränderten Zahlungstermin für den Zuschuss aus der Mehrwertsteuer, der in diesem Jahr erstmals nicht monatlich, sondern erst zum Jahresende überwiesen wird – immerhin ein Betrag von rund 7,8 Milliarden Euro. Außerdem hatten SPD und Union den Arbeitslosenbeitrag mehrmals abgesenkt, zuletzt Anfang 2009 von 3,3 auf 2,8 Prozent.
    Quelle: Tagesspiegel

    Dazu auch:

    Einnahmen und Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit 1994 bis 2009
    Das laufende Haushaltsjahr könnte mit einem Defizitrekord enden. Bisher knapp 12,5
    Milliarden Euro im Jahr 1993. Spätestens im November wird die BA auf Liquiditätshilfen des Bundes angewiesen sein – zunächst kurzfristig. Doch bereits nach dem ersten Quartal 2010 wird die BA voraussichtlich für lange Zeit dauerhaft auf wachsende Liquiditätshilfen des Bundes angewiesen sein.

    Ohne Erhöhung der Einnahmen (z.B. Anhebung des Beteiligung des Bundes an den Kosten der Arbeitsförderung) oder Senkung der Ausgaben (z.B. Abschaffung des von der BA an den Bund zu zahlenden Eingliederungsbeitrages) steuert die BA bei einem Beitragssatz von 2,8 bzw. 3,0 Prozent in ein strukturelles (z.Zt. noch durch Rücklagen kaschiertes) Haushaltsdefizit, das die Wahrscheinlichkeit von Leistungskürzungen nach der Bundestagswahl am 27. September 2009 erhöhen wird.
    Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) [PDF – 480 KB]

  19. Bahn-Unfall mit Ansage
    Zusammenprall eines Regionalzuges mit Gefahrgutzug in Berlin-Karow wegen völlig veralteter Sicherheitstechnik. Bahn AG verschleppt seit Jahren notwendige Investitionen.
    Quelle: Junge Welt
  20. Neue Datenaffäre im Handel – Müller forscht Mitarbeiter aus
    Weit mehr Firmen als bisher bekannt forschen illegal die Krankengeschichten ihrer Mitarbeiter aus. Bei der Drogeriekette Müller müssen Beschäftigte nach SZ-Informationen regelmäßig Auskunft geben. Nach Lidl und Daimler ist dies der dritte Fall, der in kurzer Zeit publik wird. Die Erfassung von Krankheitsdaten bei Müller – die Firma beschäftigt 18.000 Menschen – hat allem Anschein nach System. Das zeigt ein Formular mit der Überschrift “Krankenrückkehrgespräch”, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Es trägt das Firmenlogo des Unternehmens sowie die Namen von Einzelfirmen der Drogeriekette. Wer krankheitsbedingt ausfalle, werde nach seiner Rückkehr zum Gespräch mit den Vorgesetzten zitiert, berichtet ein Mitarbeiter, der aus Angst um seinen Arbeitsplatz seinen Namen nicht nennen will. Der Fragebogen werde dann gemeinsam ausgefüllt und anschließend von beiden Gesprächsteilnehmern unterzeichnet. Unter anderem soll der Mitarbeiter darüber Auskunft geben, ob er wegen “derselben Ursache im laufenden Kalenderjahr bereits krank gewesen” oder “die Genesung vollständig abgeschlossen” sei.
    Quelle 1: Süddeutsche

    Anmerkung Martin Betzwieser: Wie wir weiter im Artikel lesen, geht es den Arbeitgeber nichts an, welche Krankheiten ein/e Arbeitnehmer/in hat. Ob und wie lange sie / er wegen der gleichen Ursache bereit krank war, geht den Arbeitgeber zwar etwas an, um feststellen zu können, wann im Einzelfall die Entgeltfortzahlung endet. Die entsprechende Mitteilung darüber gibt aber die Krankenkasse, ggf. nach Rücksprache mit den behandelnden Ärzten. Um welche Krankheit es sich handelt geht den Arbeitgeber dann immer noch nichts an, außer die/der Mitarbeiter/in entbindet die Ärzte/innen von der ärztlichen Schweigepflicht. Wer vom Arzt schon mal eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (einen „Gelben“) bekam, weiß, dass es ein Exemplar für die Krankenkasse mit einem Code und ein Exemplar für den Arbeitgeber ohne diesen Code gibt. Anhand des Codes gibt die Krankenkasse bei häufigeren Krankheiten Auskunft an den Arbeitgeber, ob innerhalb von sechs Monaten bereits eine so genannte anrechenbare Krankheit festgestellt wird.
    Quelle 2: Juris (Entgeltfortzahlungsgesetz § 3)

  21. Der rosa Karren – Steinmeier und Müntefering halten Kurs
    In Wahrheit ist das Wahlprogramm alles mögliche, nur eben nicht das Manifest einer Kursänderung. Das geht schon damit los, dass dem Papier eine gesellschaftspolitische Vision fehlt, die das Erwartbare hinter sich lässt. In Zeiten einer Jahrhundertkrise, in der die Dringlichkeit eines Neuanfangs augenfällig geworden ist, spricht die SPD zwar von einer Zeitenwende – tritt aber selbst auf der Stelle. Wo Veränderung notwendig wäre, reden die Sozialdemokraten von „Erneuerung“, was mit Aufmöbeln des Alten gut übersetzt wäre. Die SPD will eine Partei sein, die „in unruhigen Zeiten Kurs hält“, die ihren „Kompass“ in der Vergangenheit der Schröder-Ära findet und nun „einen neuen Anlauf“ nehmen will.
    Quelle: Freitag
  22. Politik für die obersten 1,6%
    Wollen wir daher also mal gucken, für wen sich der konservative Zeitgeist da in seinen multimedialen Emotionsausbrüchen wirklich ins Zeug legt? – Ja?

    OK, machen wir gleich; aber vorher müssen wir noch mal kurz rekapitulieren, was die SPD da eigentlich verlautbart hat: Ihr Programmentwurf sieht vor, dass der Eingangssteuersatz von aktuell 14 auf 10 Prozent gesenkt wird. Im Gegenzug soll der Spitzensteuersatz von 45 auf 47 Prozent angehoben werden, und dann bereits ab einem Einkommen von 125.000 Euro für Alleinstehende und 250.000 Euro für Verheiratete greifen. Konkret bedeutet das, dass alle Steuerpflichtigen unter 125.000 Jahreseinkommen durch die Senkung des Eingangssteuersatzes mehr oder weniger profitieren werden, während auf Einkommensbezieher ab 125.000 (zu denen der Autor dieser Zeilen übrigens auch zählt, falls einer der Meinung ist, ich schriebe hier pro domo) höhere Belastungen zukommen, aber eben auch nur für die Teile ihres Einkommens, die oberhalb der besagten 125.000 Euro liegen.

    So, nachdem wir das geklärt haben, müssen wir jetzt noch mal auf einen Sprung zu Destatis, um dort einen Blick auf die Einkommenssteuerstatistik zu werfen. Die aktuelle Ausgabe datiert zwar bereits aus 2004, aber das muss uns für unsere Betrachtungen nicht weiter stören. Und was sehen wir da? Welchen Prozentsatz aller Steuerpflichtigen macht die Kategorie 125.000+ aus?
    Die obersten 1,6%.
    Quelle: FAZ-Blogs

  23. Die sozialdemokratische Zeitenwende
    Die SPD hat ein erfolgreiches Wochenende hinter sich. Nachdem die Gremien am Samstag ihre Zustimmung zum Regierungsprogrammentwurf gegeben haben, folgte am Sonntag vor mehr als 2500 Gästen die öffentliche Präsentation durch Frank Walter Steinmeier im Berliner Tempodrom.
    Quelle: DL 21

    Hinweis von AM: Das ist der Link auf die Webseite von DL 21 – Forum Demokratische Linke – Die Linke in der SPD. Diesen Text von DL 21 zum beschlossenen Programmentwurf der SPD sollten Sie einfach mal auf dem Hintergrund der gestrigen Analyse von Wolfgang Lieb lesen. Mehr weiß die DL 21 zu diesem „Regierungsprogramm“ und seiner Verabschiedung nicht zu sagen. Eine armselige Einlassung zu einem armseligen Programm.

  24. Humboldt der falsche Mann am falschen Ort
    Weder können wir heute das klassische universitäre Bildungsverständnis fortführen, noch sind stattdessen die neuen Studiengangsstrukturen die Lösung. Dies ist die zugespitzte Krisenthese: Das Alte und das Neue prallen aufeinander, aber beide taugen nichts. Der Gegenstand dieses Kampfs lässt sich als Grenzstreitigkeit zwischen einem sich am Wissenschaftssystem verankernden Bildungssystem auf der einen und den die Hochschulabsolventen in Berufe abnehmenden anderen gesellschaftlichen Teilsystemen – allen voran das Wirtschaftssystem – auf der anderen Seite fassen (…)

    Wenn hingegen nun mit Bologna der „employability“ gehuldigt wird, ist klar: Hier verschaffen sich gesellschaftliche Akteure mit „niedrigen Beweggründen“ an den Hochschulen Einfluss, die nicht an Bildung durch Wissenschaft, sondern an Ausbildung für Berufe in Unternehmen aller Branchen, in der Verwaltung, in den Krankenhäusern, Schulen, Gerichten, Fernsehsendern und Zeitungen oder gar Fitness-Studios und Werbeagenturen interessiert sind (…)

    Humboldt lieferte die Ideologie derer, die ihren gesellschaftlichen Statuserhalt als relativ privilegierte Gruppe sichern wollten; Bologna hingegen ist die Ideologie derer, die sozialen Aufstieg durch akademische Bildung bewerkstelligen wollen. Doch dieser Konflikt ist bis heute von den ihn austragenden gesellschaftlichen Gruppen ebenso wie von den sie repräsentierenden politischen Kräften weitgehend unthematisiert geblieben.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung WL: Man muss nicht alle Einschätzungen des Soziologen Uwe Schimank teilen, aber der Beitrag beschreibt in erfrischender Klarheit die Konfliktlinien der gegenwärtigen Auseinandersetzungen zwischen „Bolognesern“ und „Humboldtianern“.


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