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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 8. Juni 2009 um 9:55 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Heute unter anderem zu folgenden Themen:

  1. Zur Wahl des Europäischen Parlaments
  2. EZB hat längst die Funktion einer “Bad Bank” übernommen
  3. Geldspritze fürs Finanzsystem
  4. Regierung gab HRE ungeprüft Milliardenhilfe
  5. Hedge-Fonds entern Rohstoffmarkt
  6. US-Bank fordert von der BVG 112 Millionen Dollar
  7. Untreue-Anklage gegen Klaus Landowsky und elf Bank-Manager
  8. Bundesbank: BIP sinkt um 6,2 Prozent
  9. Der kranke Tiger – Das Ende des Wirtschaftswunders in Irland
  10. Abschied vom Imperium der Familie Schickedanz
  11. Opelaner gründen AG
  12. Jens Berger: Der Lichtstrahl aus dem Osten
  13. Thomas Fricke – Germany’s Flopmodel
  14. Rückkehr des Keynesianismus: Anmerkungen aus ordnungspolitischer Sicht
  15. Oskar Lafontaine: Hartz IV ist ein ungeheuer europafeindliches Gesetz
  16. “Die Politik muss das Europarecht in Schranken weisen”
  17. Im Griff der Lobbyisten
  18. Scheinforscher: Bestochene Ärzte
  19. LobbyControl: weiteres Medienecho auf PR-Skandal der Bahn
  20. Wiefelspütz will Internet-Sperren ausweiten
  21. Schäuble übernimmt GSG-9-Kommando
  22. Auf die Lehrer kommt es an
  23. Leere bei Lehrstellen
  24. Berlusconi tobt gegen Zeitung und fragt: «Duschen Sie bekleidet?»

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Wahl zum Europäischen Parlament
    1. Die EU rückt nach rechts
      Mit gut hundert Parlamentssitzen Vorsprung haben die Konservativen die Europawahl für sich entschieden. Sie schnitten ersten offiziellen Ergebnissen zufolge zwar etwas schlechter ab als 2004 – doch die Sozialdemokraten stürzten regelrecht ab.
    2. Europawahl – neuer Schlag für die SPD
      CDU verliert Stimmen, bleibt aberstärkste Kraft Grüne vor erstarkten Liberalen, Linke unter zehn Prozent Wahlbeteiligung noch schlechter als vor fünf Jahren. Europaweit liegen Konservative vorn.
      Quelle: Tagesspiegel
    3. Münteferings schwerer Gang
      Tatsächlich allerdings ist das Ergebnis ist für die SPD mehr als eine weitere Niederlage. Es ist, gut drei Monate vor der Bundestagswahl, ein Desaster…
      Doch Müntefering will sich lieber nicht lange bei der Europawahl aufhalten, sondern den Blick nach vorne richten. „Der Kampf um die Bundestagswahl beginnt morgen früh“, sagt der Parteichef, „es sind noch 112 Tage“. Nichts sei entschieden. Und weil er wohl ahnt, dass nach einem solchen Wahlergebnis die innerparteilichen Konflikte und der Richtungsstreit wieder aufflammen werden, mahnt er seine Parteifreunde „ohne zu zögern und ohne uns beeindrucken zu lassen, unseren Weg zu gehen.“
      Quelle: Die Zeit

      Anmerkung WL: Das hören wir nun seit 1998 und vor allem seit 2003 nach einer Wahlniederlage nach der anderen. Die SPD rennt ständig mit dem Kopf gegen die Wand und hofft offenbar nur noch darauf, dass der Schmerz nachlässt.

    4. Günter Bannas: Die Glückseligkeit des einen
      Schlimmer als vor fünf Jahren – 21,5 Prozent – könne es nicht kommen, hatten zuvor die Prognosen gelautet. Auf der Schlussveranstaltung der SPD, 37 Stunden vor Öffnung der Wahllokale, rief Frank-Walter Steinmeier, der SPD-Kanzlerkandidat: „Noch nie waren so viele Leute bei unseren Veranstaltungen. Wenn jeder von denen zur Wahl geht und Oma, Opa, Onkel und Tante, Freunde und Bekannte mitnimmt, dann freue ich mich auf den Sonntagabend – die erste Hochrechnung, wenn die roten Balken weit nach oben und die schwarzen noch weiter nach unten gehen.“ Alle hatten diese Rechnungen gemacht. Müntefering auch. Die Hoffnungen werden getrogen. Es kommt schlimmer. „Ich bin im Moment ratlos“, sagt Michael Müller, der in der Stadt Berlin Landesvorsitzender ist. Das sind die Leute aus den Beraterstäben auch. Sie sehen keine Fehler in der Wahlkampfführung. Sie wissen nicht, was das Management anders hätte machen können. Jemand versucht es mit einer Art Galgenhumor. „Das bürgerliche Lager hat deutlich verloren.“
      Quelle: FAZ

    Hinweis WL: Wir werden heute im Laufe des Tages zur Wahl des Europäischen Parlaments Stellung nehmen. Im Augenblick nur so viel: Ich habe in der letzten Zeit mit vielen – auch politisch Interessierten gesprochen – kaum jemand war der Meinung, dass diese Wahl wichtig wäre, denn kaum jemand hat den Eindruck, dass dieses Parlament viel zu sagen hat.
    Es sind eher ältere und konservative Wähler, die im Wählengehen noch eine Pflicht sehen, die CDU hat es vor allem dieser Wählergruppe zu verdanken, dass sie nicht noch weiter abgestürzt ist.
    Die FDP gewinnt von den Wirtschaftsliberalen der Union und von der Wählerklientel, die weiß, dass sie gerade angesichts der Krise ihre Pfründe massiv verteidigen muss
    Der SPD sind endgültig ihre Stammwähler abhanden gekommen. Den sozialen Tönen im Wahlkampf wird kein Vertrauen mehr geschenkt, weil Sagen und Tun nicht übereinstimmen. Ein klares Profil zu CDU oder Grünen ist abgeschliffen. Die letzte Europawahl hat Schröder mit seinen „Reformen“ verloren, man glaubte kaum noch, dass die SPD tiefer sinken könnte. Der neue Parteivorsitzende Müntefering und der Kanzlerkandidat Steinmeier haben das damalige Desaster noch unterboten.
    Die Linke ist von den übrigen Parteien und von den Medien als der „Leibhaftige“ abgestempelt, so dass sie keine Chance hat durchzudringen. Selbst bei Menschen, die mit ihren Positionen sympathisieren, bestehen Berührungsängste. Die Tabuisierung scheint gelungen.
    Außerdem herrscht eine ziemliche Politikverdrossenheit. Jenseits der üblichen „Erfolgsmeldungen“ der Parteigrößen am gestrigen Abends muss man sich klar machen, dass die Union gerade mal von um die 16% und die SPD nur von weniger als 10% der Wahlberechtigten eine Stimme erhalten haben.
    Positiv ist, dass anders als etwa in den Niederlanden, Chauvinisten und fremdenfeindliche Minderheitenhetzer noch keine Anlaufstelle gefunden haben.
    Europa rückt nach rechts, weil die europäische Linke versagt.

  2. EZB hat längst die Funktion einer “Bad Bank” übernommen – ‘Toxische Wertpapiere’ als Sicherheit der EZB für ihre Ausleihungen an die Banken
    Professor Schmelz macht uns auf einen Sachverhalt aufmerksam, der seines Erachtens nach noch nicht hinreichend zur Kenntnis genommen oder untersucht wurde. Nämlich, dass die Banken seit 2007 in vielen Mitgliedsstaaten, insbesondere auch in Deutschland dazu übergegangen waren, am Markt nicht mehr verkäufliche („nicht marktfähige“) Schrottpapiere als „Sicherheiten“ für ihre Ausleihungen bei der EZB abzuliefern. Lesen Sie dazu seine Hypothesen und Nachfragen:

    Hintergrund I: Die Ausleihungen der Banken bei der EZB
    Banken waren schon immer darauf angewiesen, dass die Zentralbank ihnen Liquidität zur Verfügung stellt. Dieses sogenannte ‚Zentralbankgeld’ benötigen sie zur Erfüllung ihrer Pflicht, bei der Zentralbank eine ‚Mindestreserve’ zu unterhalten, um den Bedarf der Wirtschaft an Bargeld zu decken (das nur die Notenbank in Umlauf bringen darf) und zur technischen Abwicklung des Zahlungsverkehrs.
    Die Geschäftsbanken besorgen sich diese Liquidität schon immer, indem sie bei der Zentralbank gegen Stellung von Sicherheiten verzinsliche Kredite aufnehmen.
    Die EZB vergab solche Kredite im Rahmen wöchentlicher ‚Refinanzierungsgeschäfte’, wobei diese „Refis“ ursprünglich eine Laufzeit von einer Woche hatten. Unterwöchig wurde diese Liquidität über den täglichen Interbanken-Geldhandel auf die Geldinstitute verteilt, die gerade Bedarf hatten.
    Dieser Handel ist bekanntlich seit 2007 zunächst ins Stocken geraten und schließlich praktisch zum Erliegen gekommen, weil die Banken einander misstrauen und keinen Kredit mehr geben.
    Dieses „Austrocknen der Liquidität“ kann dazu führen, dass ein Institut illiquide wird, wenn beispielsweise Großkunden größere Beträge von ihren Konten bei einer Bank abziehen und dadurch deren tägliche ‚Liquiditätsreserve’ überschritten wird.
    Seit Beginn der Finanzkrise (Sommer 2007) stellt die EZB den Banken bekanntlich Liquidität verstärkt über ‚Refis’ mit dreimonatiger Laufzeit zur Verfügung, inzwischen auch mit noch längeren Laufzeiten und in einem praktisch unbeschränkten Volumen.
    Quelle: FAZ

    Hintergrund II: Die „Sicherheiten“ für diese Ausleihungen bei der EZB
    Diese ‚Ausleihungen der EZB an die Banken’ (die einschließlich der zugehörigen Sicherheitengeschäfte über die Deutsche Bundesbank abgewickelt werden) erfolgen nur gegen Sicherheiten.
    Was als Sicherheit akzeptiert wird, ist in den Regularien der EZB geregelt. Diese EZB-Regularien sind ‚Rahmenvorschriften’ und wenden sich nicht an die Banken direkt, sondern an die nationalen Zentralbanken des ‚Euro-Systems’. Diese haben bei der Umsetzung (z.B. in den AGB der Bundesbank) einen erheblichen Spielraum.
    Bereits seit dem Jahr 2002 lief ein sog. ‚Konsultationsverfahren der EZB’ mit dem Ziel einer ‚Erweiterung des Sicherheiten-Katalogs’. Nicht nur die deutschen Banken verlangten in diesem Verfahren die Zulassung von ‚Kreditforderungen aller Art’, sowie auch die Zulassung von ‚ABS-Papieren und verwandten Wertpapieren’ als weitere „Sicherheiten“ für ihre Ausleihungen bei der EZB.
    Im Jahr 2004 beschloss der EZB-Rat, das bestehende, zwei Kategorien von „notenbankfähigen Sicherheiten“ umfassende System schrittweise durch ein einheitliches ‚Sicherheitenverzeichnis’ zu ersetzen.
    Nach diesem Beschluss des EZB-Rats wurde im ersten Schritt eine neue Kategorie zuvor nicht notenbankfähiger Instrumente in den Sicherheitenrahmen des Eurosystems aufgenommen. Am 1. Juli 2005 wurden ausgewählte Schuldtitel in das Verzeichnis der notenbankfähigen Sicherheiten aufgenommen und das Verzeichnis der zulässigen nicht geregelten Märkte überarbeitet.
    In einem zweiten Schritt hat der EZB-Rat den Rahmen für die Aufnahme nicht marktfähiger Sicherheiten aus Mitgliedstaaten des Euro-Währungs­gebiets in das einheitliche Verzeichnis der notenbankfähigen Sicherheiten verabschiedet. Dieser Rahmen wird für Kreditforderungen und für nicht marktfähige Schuldtitel gelten, die mit hypothekarischen Darlehen an Privatkunden besichert sind.
    Die Zulassungskriterien für nicht marktfähige Sicherheiten wurden mit Wirkung zum 1. Januar 2007 in der EZB-Publikation (2006) „Durchführung der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet: Allgemeine Regelungen für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems” beschrieben. Dort heißt es unter anderem:

    Jeder Geschäftspartner muss angeben, welche verfügbare Quelle für die Bonitätsbeurteilung er als Primärquelle für die Beurteilung der Schuldner/Garanten der als Sicherheiten zu hinterlegenden Kreditforderungen nutzen wird. Danach wird er für eine vorab festgelegte Frist (z. B. ein Jahr) an das gewählte Bonitätsbeurteilungsverfahren gebunden sein. Das von einem Geschäftspartner eingereichte Verzeichnis der notenbankfähigen Schuldner / Garanten wird streng vertraulich behandelt und nur dem Eurosystem und dem Geschäftspartner bekannt sein.

    Am 10.09.2008 erklärte EZB-Präsident Trichet vor dem AUSSCHUSS FÜR WIRTSCHAFT UND WÄHRUNG des Europäischen Parlaments (im September 2008 noch ersichtlich bemüht, das Problem ‚kleinzuhalten’):

    Der Sicherheitenrahmen des Eurosystems hat sich im Verlauf der Jahre und während der jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten als robust und effizient erwiesen. Zur Widerstandsfähigkeit der Finanzmärkte im Euroraum trägt vor allem bei, dass ein breites Spektrum von Sicherheiten akzeptiert wird.
    Unter vollständiger Beibehaltung dieses Merkmals hat die EZB im Rahmen ihrer alle zwei Jahre stattfindenden Prüfung einige technische Anpassungen der Risikokontrollmaßnahmen für Kreditgeschäfte des Eurosystems beschlossen. Diese technischen Präzisierungen, die am 4. September 2008 bekanntgegeben wurden, beinhalten unter anderem Verbesserungen des methodischen Rahmens, die Bewertung der Markt- und Liquiditätsrisikomerkmale der notenbankfähigen Sicherheiten, die tatsächliche Nutzung notenbankfähiger Sicherheiten durch die Geschäftspartner und neue Entwicklungen bei den Finanzinstrumenten. All diese Anpassungen werden am 1. Februar 2009 in Kraft treten, um den Banken ausreichend Zeit zu geben, sich auf die Beschlüsse vom 4. September einzustellen.
    Konkret beinhalten diese Maßnahmen die Anwendung neuer Bewertungsabschläge für Asset-Backed Securities (ABS) und ungedeckte Bankschuldverschreibungen sowie die Anwendung eines zusätzlichen Abschlags für ABS ohne Marktpreis. Überdies wurde die bestehende „Bestimmung über enge Verbindungen“ für die Nutzung notenbankfähiger Sicherheiten präzisiert.
    Es wird nicht damit gerechnet, dass die Auswirkungen der neuen Abschläge für ungedeckte Bankschuldverschreibungen und ABS auf die Verfügbarkeit von Sicherheiten insgesamt die Fähigkeiten der Banken beeinträchtigt, sich an Kreditgeschäften des Eurosystems zu beteiligen.

    Quellen:

    Problem: Die Fakten und die tatsächliche Entwicklung
    Aus mehreren Meldungen seit Mitte 2008 (müssten den Fachredaktionen bekannt sein) ergab sich erstaunlicherweise, dass trotz des „vollständigen Zusammenbruchs der Märkte“ (der nicht nur auch die ‚covered bonds’ allgemein, sondern zeitweise sogar die deutschen Pfandbriefe erfasste), das ‚Volumen der Verbriefungen’ zwar (von einem extrem hohen Niveau ausgehend) stark abnahm, diese aber in Europa immer noch in dreistelliger Milliarden-Höhe getätigt wurden.
    Soweit ersichtlich niemand (jedenfalls nicht öffentlich) stellte die Frage, warum dies trotzdem geschieht, d.h. wer diese ‚unverkäuflichen’ Papiere denn trotzdem kauft?
    Wie so oft wurden selbst von der ‚kritischen Öffentlichkeit’ (von den ‚Finanzwissenschaftlern’ ganz zu schweigen) auf der Hand liegende tatsächliche Widersprüche und Unklarheiten einfach ignoriert oder übergangen (‚Nichterkennen’ will ich nicht unterstellen).
    Mich an die Diskussion um den „Sicherheitsrahmen der EZB“ erinnernd, stellte ich Ende 2008 fest, dass (meines Wissens beginnend in Spanien bereits Ende 2007, mit dramatisch steigender Tendenz in 2008) die Banken in vielen Mitgliedsstaaten, insbesondere auch in Deutschland dazu übergegangen waren, am Markt nicht mehr verkäufliche („nicht marktfähige“) Schrottpapiere als „Sicherheiten“ für ihre Ausleihungen bei der EZB abzuliefern. Etwa ab Frühjahr 2008 (meine Schätzung) waren die Märkte für ‚Kreditforderungen’ und ‚Verbriefungen’ nämlich schlicht „tot“ (so die übereinstimmenden Meldungen, soweit sich nicht von ‚interessierten Kreisen’ stammen). Alle diese Papiere waren praktisch unverkäuflich und deswegen nicht mehr nach Marktkriterien bewertbar.

    Aber nicht nur das:
    Es stellte sich heraus, dass ‚Verbriefungen’ gar nicht mehr ‚für den Markt’ erfolg(t)en, da die Verbriefungs-Wertpapiere ja unverkäuflich waren und sind, sondern ausschließlich und von vornherein nur zu dem Zweck, bei der EZB als „Sicherheiten“ für eigene Ausleihungen eingesetzt zu werden.
    (Schon hierbei stellen sich eine ganze Fülle von Fragen, z.B.: Wie kann eine Bank, die ihre Forderungen an  eine Zweckgesellschaft verkauft, dafür einen ‚Kaufpreis’ erhalten und damit angeblich ihre ‚Bilanz bereinigt’ hat, dann plötzlich über die von der Zweckgesellschaft emmitierten ‚Wertpapiere’ verfügen und diese als ‚Sicherheit’ hinterlegen ? Offensichtlich muss die Bank also Eigentümer (juristisch: Inhaber) dieser ‚Verbriefungs-Wertpapiere’ geworden sein, zumindest die ‚Verfügungsbefugnis’ darüber erhalten haben. Das kann nicht ohne ‚Gegenleistung’ geschehen sein – was ist dann aber mit der ‚Bilanzbereinigung’?)

    Recherche-Bemühungen befreundeter Medien hinsichtlich des Volumens dieser ‚Sicherheiten-Geschäfte’ bei der Deutschen Bundesbank und bei der EZB wurden zunächst nicht beantwortet, später wurden pauschale Prozent-Angaben gemacht; präzise Angaben in absoluten Zahlen und sachlich, zeitlich und national differenziert wurden aber weiterhin verweigert. Entsprechend verhält es sich mit den Mitteilungen, welche später veröffentlich wurden: es erfolgen keine differenzierten Angaben in absoluten Zahlen, auf die man verweisen könnte und für die Bundesbank und EZB ‚geradestehen’ müssten. Unrichtige, zudem nur pauschale Prozent-Angaben (abgesehen davon, dass solche wenig aussagekräftig sind) lassen sich notfalls halt immer noch durch ‚Missverständnisse bei den Bezugsgrößen’ usw. ‚erklären’.

    Aber nicht nur das:
    Schließlich wurde im Nachgang telefonisch darum gebeten, doch sorgfältig zu prüfen, ob und inwieweit man das denn wirklich veröffentlichen wolle, denn es handle sich um ein äußerst sensibles Thema, das in der Öffentlichkeit leicht ‚mißverstanden’ werden könne.
    Da das für mich seinerzeit kein ‚Hauptthema’ war, sondern nur eine der vielen Facetten der Finanzkrise, und ich über keinen professionellen Rechercheapparat und auch keine personellen Ressourcen dafür verfüge, stellte ich erst später fest:

    Die Problematik (Produktion von ‚Unsicherheiten’ als ‚Sicherheiten’ für die EZB) war bereits seit Spätsommer 2008 in EZB und Bundesbank erkannt und wurde dort heftig diskutiert. Im Ergebnis wurden von der EZB, wohl mit Wirkung ab 1.2.2009, „Risikoabschläge“ erhöht und weitere neu eingeführt. Mit welchen Bewertungs-Ansätzen diese „Sicherheiten“ vorher tatsächlich von der Bundesbank hereingenommen wurden, konnte ich nicht ermitteln. Das Thema „Bewertung“ ist bekanntlich ein ‚weites Feld’. Durch die neuen Regelungen wurde aber offensichtlich der Spielraum der nationalen Zentralbanken des Eurosystems, welche die Ausleihungen und die Sicherheiten-Hereinnahme für die EZB abwickeln, erheblich eingeschränkt. Dafür dürfte es einen Grund gegeben haben.

    Quelle:

    Durch die Ausweitung des Sicherheitenrahmens für Kreditgeschäfte zur Bereitstellung zusätzlicher Liquidität ist Trichet zufolge die EZB einem größeren Risiko ausgesetzt. In den vergangenen zwölf Monaten habe sich die Bilanz in der Folge um 55% ausgeweitet. Ein verbessertes Risikomanagement der Notenbank sei deshalb nötig, so Trichet.

    Quelle: www.postbank.de

    Nach allem gelange ich zu folgenden Feststellungen (‚Hypothesen’ trifft es meines Erachtens nicht mehr hinreichend):

    1. Die EZB hat im Zusammenwirken mit den nationalen Zentralbanken des Eurosystems bereits ab 2007, massiv zunehmend im Jahr 2008 funktional (und ohne dies öffentlich zu kommunizieren) die Rolle einer europäischen „Bad Bank“ übernommen, indem sie unverkäufliche und marktmäßig nicht bewertbare Wertpapiere als „Sicherheiten“ für ihre Ausleihungen an die europäischen Banken hereingenommen hat.
    2. Diese „Sicherheiten“-Hereinnahme durch die EZB im Zusammenwirken mit den nationalen Zentralbanken des Eurosystems erfolgte (ohne dies öffentlich zu kommunizieren) in einem Volumen eines mittleren dreistelligen Milliarden-Euro-Betrages und wohl zu weit überhöhten Bewertungs-Ansätzen.
    3. Durch dieses Vorgehen hat die EZB im Zusammenwirken mit den nationalen Zentralbanken des Eurosystems die ansonsten wegen der ‚Marktbedingungen’ nicht mehr mögliche Produktion ‚toxischer Wertpapiere’ aufrechterhalten und gefördert, die als eine der technischen Hauptursachen der ‚globalen Finanzkrise’ angesehen werden.
    4. Die Fragen, die ich mir stelle:
      1. Wer entscheidet in Europa und im ‚Eurosystem’ auf welche Rechtsgrundlage darüber, ob ‚Drogenhersteller’ dadurch künstlich geschäftsfähig erhalten werden, dass ihre Produktion durch verborgene, nicht öffentlich kommunizierte, nicht politisch entschiedene Maßnahmen gefördert wird?
      2. Wenn von den Banken bereits ein wesentlicher Teil der ‚toxischen Wertpapiere’ über die nationalen Zentralbanken des Eurosystems bei der EZB ‚entsorgt’ wurde  –  was und wieviel davon haben die europäischen Banken dann noch in ihren ‚Giftschränken’, wofür sie (weitere) ‚Bad Banks’ benötigen?
      3. Für die (nicht ‚insolvenfeste’) EZB gibt es keine ‚Nachschusspflicht’ der ‚Mitgliedsstaaten des Eurosystems’. Was wird geschehen, wenn die angeblichen „Sicherheiten“ sich als ganz oder weitgehend wertlos erweisen (und das ist so gut wie sicher) und entsprechende Verluste bei der EZB anfallen?
      4. Ist es um das ‚Eurosystem’ tatsächlich schon so schlecht bestellt, dass EZB und nationale Zentralbanken nur noch durch ‚Intransparenz’ handlungsfähig bleiben?

    Siehe dazu auch:

  3. Geldspritze fürs Finanzsystem
    Die Europäische Zentralbank (EZB) wird in den kommenden Monaten Pfandbriefe im Volumen von maximal 60 Milliarden Euro ankaufen. Dies geschehe über direkte Käufe in ganz Europa auf dem Primär- und Sekundärmarkt, sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet am Donnerstag in Frankfurt.
    Die Papiere müssten als Sicherheiten für die Zentralbank akzeptabel sein. Die Pfandbriefe der Banken müssten über ein Rating von “AA” oder Ähnlichem verfügen und sollten ein Volumen von jeweils etwa 500 Millionen Euro haben. Die Käufe sollen im Juli beginnen und spätestens Ende Juni 2010 umgesetzt sein, sagte Trichet.
    Quelle: FR
  4. Regierung gab HRE ungeprüft Milliardenhilfe
    Überraschende Aussagen im HRE-Untersuchungsausschuss: Bei der ersten Rettungsaktion für die angeschlagene Bank billigte der Bund im September 35 Milliarden Euro an Garantien – ohne eigene Prüfung. Grüne und Union üben harsche Kritik am Bundesfinanzministerium.
    Quelle: Spiegel Online
  5. Hedge-Fonds entern Rohstoffmarkt
    Sie sind wieder zurück: Hedge-Fonds haben in den vergangenen Monaten ihre Positionen auf dem Rohstoffmarkt deutlich ausgeweitet. Ihr Engagement ist derzeit so groß wie zu Hochzeiten des Booms 2008. Die Aufsicht ist beunruhigt.
    Hedge-Fonds haben ihr Rohstoffengagement in den vergangenen Wochen enorm ausgebaut. Laut Barclays Capital halten die Fonds inzwischen 13 Prozent der offenen Positionen an den amerikanischen Rohstoffmärkten. Das ist der höchste Anteil seit Mitte Juli 2008, als die Notierungen Rekordstände erreichten, und doppelt so viel wie seit Mitte März. Einher geht das mit den steigenden Preisen: Der Rohstoffindex S&P GSCI kletterte seit Februar um mehr als 40 Prozent.
    Quelle: FTD
  6. US-Bank fordert von der BVG 112 Millionen Dollar
    JP Morgan fordert von den Berliner Verkehrsbetrieben 112 Millionen US-Dollar (80 Mio. Euro) für Verluste aus Wertpapiergeschäften. Die amerikanische Bank strengt nun sogar eine Klage gegen die BVG an.
    BVG-Chef Andreas Sturmowski hat stets betont, noch sei kein Schaden entstanden und setzt darauf, dass das Landgericht Berlin das ganze CDO-Geschäft für ungültig erklärt. Die BVG fühlt sich von JP Morgan falsch beraten, sie habe deshalb die in dem Paket schlummernden Risiken unterschätzt. Die Berater von JP Morgan hätten den Kunden warnen müssen, was aber unterblieb. Die Verkehrsbetriebe aus Berlin sind aber in dem sich abzeichnenden Rechtsstreit zwei Schritte hinter den Angelsachsen zurück. Schon im Oktober vergangenen Jahres hat JP Morgan in London Feststellungsklage eingereicht, um grundsätzliche Ansprüche zu begründen und den Gerichtsstand London zu sichern. Die BVG reagierte erst, nachdem die Rechnung über 112 Millionen Dollar auf ihren Tisch flatterte und klagte im März 2009 in Berlin in der Hoffnung, hier die Ansprüche der Banker eher abwehren zu können.
    Quelle: Berliner Morgenpost
  7. Untreue-Anklage gegen Klaus Landowsky und elf Bank-Manager
    Neben Landowsky, der bereits im Zusammenhang mit Untreuehandlungen bei der Gewährung millionenschwerer Kredite an die Aubis-Immobiliengruppe zu einer Bewährungsstrafe von 16 Monaten verurteilt wurde, sind elf weitere Manager angeklagt. Darunter befinden sich der ehemalige Bankgesellschaftschef Wolfgang Rupf, der frühere Chef der Landesbank Berlin, Ulf Decken, und dessen ehemaliger Vorstandskollege Jochem Zeelen, die Ex-Vorstände der Berliner Bank, Klaus von der Heyde und Peter Klein, sowie Ex-Geschäftsführer Manfred Schoeps und leitende Mitarbeiter der einstigen Immobilien- und Baumanagement-Tochter IBG der Bankgesellschaft. Laut Staatsanwaltschaft sollen die Angeklagten durch unhaltbare Garantiezusagen bei der Auflage von Immobilienfonds Schäden für die damals landeseigene Bankgesellschaft in einer Höhe von mindestens 116 Millionen Euro verursacht haben.
    Quelle: Tagesspiegel
  8. BIP sinkt um 6,2 Prozent
    Um 6,2 Prozent wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland in diesem Jahr sinken. So lautet die aktuelle halbjährliche Prognose der Bundesbank für die wirtschaftliche Entwicklung im Lande. Damit senken die Notenbanker ihre eigene Vorausschau drastisch – im Dezember hatten sie noch einen BIP-Rückgang für 2009 um 0,8 Prozent in Aussicht gestellt – und sind sogar pessimistischer als die Bundesregierung und führende Wirtschaftsinstitute, die lediglich mit einem BIP-Minus von sechs Prozent rechnen.
    Grund für den enormen Rückgang sei der Konjunktureinbruch im Winterhalbjahr 2008/09, so die Bundesbank-Ökonomen.
    Quelle: FR
  9. Der kranke Tiger – Das Ende des Wirtschaftswunders in Irland
    Noch im Frühjahr 2008 schilderten “Gesichter Europas” im Deutschlandfunk “Irlands neuen Reichtum”. Das ungestüme Wachstum der Wirtschaft auf der grünen Insel hatte einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Erste Risse in der Wohlstandsfassade waren erkennbar. Die internationale Finanzkrise allerdings brachte den jähen Absturz binnen Jahresfrist.
    Quelle: DLF

    Anmerkung unseres Lesers K.E.: Wenn Sie mal im neuen Buch von Friedrich Merz stöbern und auf seine Webseite schauen können Sie zum Schluss kommen, dass der unten als “kranker Tiger” beschriebene Tiger Irland all die Reformrezepte verwirklichte, die marktradikale Heilsbringer wie Friedrich März eigentlich auch Deutschland als Gesundungstherapie verschrieben hatten.
    Friedrich Merz ist in diesem Zusammenhang interessant, weil er als möglicher Nachfolger des irischen Marktreformers McCreevy gehandelt wird. McCreevy war einer der maßgeblichen neoliberalen Architekten des irischen Desasters.

  10. Abschied vom Imperium der Familie Schickedanz
    Arcandor heißt der Konzern, der die Traditionshäuser Quelle, Karstadt und weitere Unternehmen vereinigt. Es ist nicht mehr sicher, ob man sich den Namen noch merken muss. Die Spitzenmanager des Handelsunternehmens machen den „Opel“ in Berlin, doch mit weniger Erfolg. Am Freitag fand ein veritabler Warenhausgipfel im Bundeswirtschaftsministerium statt unter der Leitung des Staatssekretärs Walter Otremba. Der forsche Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick samt Finanzchef war dabei, sein Konkurrent von der Metro Eckhard Cordes und Vertreter ziemlich vieler Gläubigerbanken.
    Quelle: FAZ.Net

    Anmerkung D.R.: Die FAZ schreibt den Nekrolog für Arcandor et alii! Wer hätte das vor einem Jahr zu denken gewagt?! Mögliche Schuldige des Untergangs werden ausfindig gemacht: Middelhoff, die, ach, so unglückliche Frau Schickedanz etc. Die Frage nach persönlicher Haftung wird nicht einmal gestellt, da Frau Schickedanz wohl zur “Tafel” gehen muss, um nicht zu darben. Von den menschlichen Schicksalen, um die es hier geht, kein Sterbenswort!

  11. Opelaner gründen AG
    Der Opel-Betriebsrat will mit einer eigenen Firma in die Verhandlungen über eine Mitarbeiterbeteiligung an einer neuen, unabhängigen Opel-Gesellschaft gehen. “Der Gesamt- und Konzernbetriebsrat der Adam Opel GmbH hat in seiner heutigen Sitzung einstimmig den Beschluss gefasst, eine Aktiengesellschaft zu gründen”, teilte Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz mit.
    Diese Gesellschaft soll bei der Sanierung nicht nur über die Beteiligung der Arbeitnehmer verhandeln, sondern auch langfristig “den Beitrag der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen verwalten”. Die Beschäftigten sollten über die Gesellschaft “mittelbar an New Opel beteiligt werden”, so Franz.
    Quelle: FR
  12. Jens Berger: Der Lichtstrahl aus dem Osten
    Setzt sich Magna durch, hat bei Opel zukünftig die Russland-Connection das Sagen.
    “Beam”, so lautet der Name des Zukunftskonzepts für Opel, mit dem der österreichisch-kanadische Magna-Eigner Frank Stronach die Herzen der deutschen Politik gewinnen konnte. Wenn deutsche Politiker vor die Mikrofone der Journalisten treten, sprechen sie dann auch am liebsten von einer deutsch-österreichisch-kanadischen Kooperation. Das verwundert, sieht das Konzept “Beam” doch lediglich eine 20%-Beteiligung von Magna vor. Die neuen starken Männer im Hintergrund von Opel sind die russischen Banker der staatlich kontrollierten Sberbank. Zusammen mit dem russischen Automobilproduzenten GAZ sind sie vor allem an der Technologie der Rüsselsheimer interessiert. Ob der Deal mit der Russland-Connection für Opel ein Glücksfall ist, wird sich noch herausstellen. Besonders problematisch könnte sich die Zusammenarbeit für die in den deutschen Werken beschäftigten Opelaner herausstellen. Aber davon will die deutsche Politik nichts wissen …
    Es gilt allerdings als wahrscheinlich, dass den Arbeitern in den deutschen Opel-Werken langfristig eine neue Konkurrenz im Osten entstehen könnte. Warum sollte Opel teuer in Deutschland fertigen, wenn in Russland neue, moderne Fabriken entstanden sind, die günstiger produzieren können? Von all dem will die deutsche Politik allerdings nichts wissen. Stattdessen werden aus wahlkampftaktischen Gründen Milliardenbürgschaften gegeben, damit sich die Sberbank und Magna zu einem Spottpreis die Technologien von Opel kaufen können. Sberbank-Chef German Gref feierte den Entschluss der deutschen Regierung mit der Bemerkung, Russland “[habe] einen der technologisch fortgeschrittensten europäischen Produzenten zu einem beispiellos niedrigen Preis” erhalten. Ob er auch ein Danktelegramm in die Zentralen der deutschen Volksparteien geschickt hat?
    Quelle: Telepolis
  13. Thomas Fricke – Germany’s Flopmodel
    Die Kritik am deutschen Exportmodell löst hierzulande tiefe Existenzangst und panische Verteidigungsreflexe aus. Dabei wäre es nicht schwer, von der Droge Export loszukommen – und auch besser für das Land.
    Kein Land hat seit 2000 so massiv daran gearbeitet, Kosten zu reduzieren und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Kein Land hat dafür allerdings auch so viel Kreativität darin entwickelt, den Leuten zur Finanzierung Geld zu nehmen und damit – gewollt oder nicht – die Konsumlust zu senken: über Ökosteuern, Praxisgebühren, Niedriglöhne, höhere Zuzahlungen, Riester-Anreize für Konsumverzicht, Steinbrücksche Mehrwertsteuer-Hochsprünge und so weiter.
    Ergebnis: Der Anteil des Exports ist seit 2000 von gut 30 auf knapp 50 Prozent des BIPs hochgeschnellt, die Konsumquote gefallen – und fast zwei Drittel des Wachstums kamen daher, dass die Exporte viel schneller stiegen als die (konsumgedämpften) Importe. Da darf man sich nicht wundern, dass die Wirtschaft kollabiert, sobald das Ausland kein Geld mehr hat.
    Quelle: FTD

    Anmerkung WL: Warum Fricke allerdings nun gerade Frankreich als Vorbild nimmt, ist merkwürdig. Hat nicht Frankreich – zumindest seit Sarkozy – die deutsche „Reformpolitik“ auf nahezu allen Feldern geradezu kopiert.

  14. Rückkehr des Keynesianismus: Anmerkungen aus ordnungspolitischer Sicht
    Im Ergebnis kann man – grob – festhalten, dass genau die Mittel und Wege, die nach (vulgär-) keynesianischer Rezeptur den Weg aus der Krise der 1930er Jahre führen sollten, diesmal den Weg in die derzeitige Krise geführt haben. Tatsächlich kann man zeigen, dass nicht nur und vielleicht nicht einmal vor allem “Marktversagen” den Weg in die aktuelle Krise gebahnt hat, sondern (ausgerechnet in den scheinbar “neoliberal” geprägten USA) eine überexpansive Politik nach (vulgär-) keynesianischem Muster. So unbestritten das Versagen vieler Marktteilnehmer besonders auf den Finanzmärkten auch ist, so wenig darf der Anteil des Staates an der Krise übersehen werden.
    Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

    Anmerkung unseres Leser H.R.: Mit diesem Aufsatz belegt Straubhaar, dass auch er nur zum Schein ein Gewendeter/Geläuterte ist, wie man sonst aus seinen öffentlichen Erklärungen hätte schließen können.
    Die Krise ist noch immer nicht richtig da, schon gar nicht auf dem Arbeitsmarkt, und doch segeln die Neoliberalen schon wieder unter Vollzeug, in voller Takelage.
    Straubhaar “belegt”, dass für diese Krise die keynsianisch bedingte Verschuldung ursächlich ist. Diese und kommende Krisen könnten nur durch konsequente Umsetzung der neoliberalen Rezepte vermieden werden.
    Als hätte es 20 Jahre keinen Neoliberalismus gegeben sondern keynsianische Politik.
    Besonders bemerkenswert ist seine Forderung, nie mehr Sozialpolitik gegen den Markt zu machen.
    Die Verbindung zur IW-Studie des Herrn Hüther erhält man durch das kürzlich vorgestellte Buch der Herren Straubhaar/Hüther: Die Gefühlte Ungerechtigkeit.
    Hierin legen die Autoren die Wichtigkeit der Ungleichheit für den Erhalt der Freiheit dar. Jetzt sollte es auch niemanden wundern, wie Hüther zu solch “brillanten” Einsichten in seiner IW-Studie kommt.
    Die Ungleichheit ist nur gefühlt, umverteilt wird stets von oben nach unten, und damit solle nun endlich Schluss sein.
    Im Übrigen bereitet Hüther mit seiner Studie den Nährboden, die öffentlichen Haushalte nur über die Verbrauchssteuern (Mehrwertsteuersatz 25%) zu sanieren. Die oberen Einkommen leisten ja schließlich schon über Gebühr für das Gemeinwesen, da ist es an der Zeit,daß die breite Masse sich endlich auch mal beteiligt.
    Es ist noch verdammt viel Aufklärungsarbeit nötig, damit die Gegenöffentlichkeit endlich zum Tragen kommt.

  15. Oskar Lafontaine: Hartz IV ist ein ungeheuer europafeindliches Gesetz
    Hartz IV als europafeindliches Gesetz zu bezeichnen, war notwendig und eine Antwort auf den Vorwurf unserer Gegner, wir seien »nationale Sozialisten«. Damit sollte ausgerechnet uns unterstellt werden, wir hätten mit der europäischen Idee nichts am Hut. Hartz IV ist aber deshalb ein ungeheuer europafeindliches Gesetz, weil es das Lohndumping in Europa in Gang gesetzt hat. Die Tatsache, dass in Deutschland die Reallöhne sinken, übt natürlich Druck auf die Nachbarländer und die Löhne dort aus…
    Zunächst einmal heißt Populismus, man will dem Volk aufs Maul schauen, ein bisschen auch nach dem Munde reden – also seine Interessen formulieren. Die Frage ist doch, wollen wir Politiker die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung aufnehmen und politisch umsetzen, oder nicht? Leider ist ein Kriterium der Demokratie in der deutschen Politik nicht erfüllt. Für die Griechen war Demokratie eine Gesellschaftsordnung, in der die Entscheidungen so fallen, dass die Interessen der Mehrheit berücksichtigt werden. In Deutschland werden Löhne, Renten und soziale Leistungen gekürzt. Das heißt, die Interessen der Mehrheit werden nicht berücksichtigt. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass die, die den Populismusvorwurf ständig im Mund führen, glauben, sie seien schlauer als die Mehrheit und es sei in Ordnung, wenn die Ungleichheit in Deutschland mehr zunimmt als in allen anderen OECD-Staaten.
    Quelle: Neues Deutschland
  16. “Die Politik muss das Europarecht in Schranken weisen”
    Der Kölner Politikwissenschaftler Martin Höpner warnt vor dem Europäischen Gerichtshof, der das deutsche Grundgesetz übergeht und ein neues Tarifrecht schafft.
    Das nationale Arbeits- und Sozialrecht wird vom Binnenmarktrecht ausgehebelt.
    Das deutsche Streikrecht hat Verfassungsrang. Niemand käme hierzulande auf die Idee, eine Gewerkschaft müsste zuerst juristisch nachweisen, dass die Ziele eines Streiks inhaltlich gerechtfertigt sind.
    Nun sagt der EuGH: Streiks sind nicht zu rechtfertigen, wenn sie Ziele verfolgen, die geeignet sind, die in den europäischen Verträgen vereinbarten unternehmerischen Grundfreiheiten einzuschränken. Damit werden rechtliche und politische Dämme eingerissen.
    Quelle: Freitag

    Anmerkung: Der gestrige Wahlerfolg der Konservativen gibt wenig Anlass darauf zu hoffen, dass die Politik das Europarecht in seine Schranken weißen würde.

  17. Im Griff der Lobbyisten
    Der Einfluss von Konzernen und Wirtschaftsverbänden auf die europäische Politik.
    Etwa zwei Drittel aller Gesetze, die in Deutschland verabschiedet werden, haben ihren Ursprung in Brüssel oder Strasbourg. Über zentrale Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik wird schon seit Jahren auf europäischer Ebene entschieden, aber auch in der Außenpolitik sowie der Innen- und Rechtspolitik nimmt die Bedeutung europäischer Vorgaben stetig zu.
    Welchen Einfluss hat die Wirtschafts- und Finanzlobby auf den europäischen Gesetzgebungsprozess?
    Eine mögliche Erklärung lieferte das geschäftsführende Vorstandsmitglied der IG Metall, Hans Jürgen Urban, in der Zeitschrift Mitbestimmung (Nr. 3/2009). Ihm zufolge haben wir es inzwischen mit einem Europa zu tun, in dem die »Institutionen der repräsentativen Demokratie äußerlich intakt bleiben, während demokratische Politik zunehmend unterspült wird durch eine Mixtur aus Passivität frustrierter Bevölkerungen, ausgeklügelten Polittechniken der Eliten und einer ausufernden politischen Lobbymacht transnationaler Konzerne«. Ausgehend von dieser These soll im folgenden auf die Lobbymacht der Konzerne sowie die ausgeklügelten Polittechniken der europäischen Eliten ein Blick geworfen werden.
    Quelle: junge Welt
  18. Scheinforscher: Bestochene Ärzte
    Es ist schon erstaunlich: Da gibt es gut wirkende Medikamente, und trotzdem kann sich ein neues Präparat, das zwar nicht besser wirkt aber erheblich teurer ist, auf dem Markt durchsetzen und gewaltige Umsätze machen. Mit Steigerungen von über 20 Prozent im Jahr. Wie kann den Pharmaunternehmen ein solcher Marketingcoup gelingen? Odysso ist dieser Frage nachgegangen, denn schließlich sind die Beitragszahler diejenigen, welche die etwa 26 Milliarden Euro aufbringen, für die allein bei uns pro Jahr Medikamente verkauft werden. Und die Kosten explodieren weiter. Es fällt ein schwerer Verdacht auf die Industrie.
    Quelle: SWR Odysso
  19. LobbyControl: weiteres Medienecho auf PR-Skandal der Bahn
    Unsere Enthüllungen über die verdeckte Pro-Privatisierungs-Propaganda der Bahn schlägt weiterhin Wellen in den Medien. Hier finden Sie eine Auswahl der Berichte, die online abrufbar sind.
    Quelle: LobbyControl

    Dazu:

    Profit – Das Wirtschaftsmagazin vom 29.05.2009
    Quelle: WDR 5 (Audio-Podcast, mp3, ab Minute 12:40)

    und:

    SR2-Medienwelt: Gekaufte Blogger
    Quelle: Saarländischer Rundfunk (Audio-Podcast, mp3)

  20. Wiefelspütz will Internet-Sperren ausweiten
    “Eine Zeitung darf ja auch keinen Mordaufruf veröffentlichen” begründete Dieter Wiefelspütz , SPD-Bundestagsabgeordneter und Sprecher der Arbeitsgruppe Innenpolitik der SPD-Bundestagsfraktion gegenüber der Berliner Zeitung, warum er sich Internet-Sperren auch abseits des Kampfes gegen Kinderpornographie vorstellen kann.
    “Natürlich werden wir mittel- und längerfristig auch über andere kriminelle Vorgänge reden”, äußerte sich Wiefelspütz in Bezug auf Webseiten mit verfassungsfeindlichen oder islamistischen Inhalten und fügte hinzu “Es kann doch nicht sein, dass es im Internet eine Welt ohne Recht und Gesetz gibt”.
    Quelle: heise Online

    Anmerkung WL: Es ist wie immer. Man setzt an einem Thema an, bei der man die Mehrheitsmeinung hinter sich hat – wie hier bei der Kinderpornographie -, und wenn man erst einmal die Tür einen Spalt geöffnet hat, dann gibt es kein Halten mehr.
    Diese Taktik beschreibt ganz offen Wolfgang Bosbach (CDU), der sagte: “Ich halte es für richtig, sich erstmal nur mit dem Thema Kinderpornografie zu befassen, damit die öffentliche Debatte nicht in eine Schieflage gerät.”

  21. Schäuble übernimmt GSG-9-Kommando
    Laut Medieninformationen entscheidet zukünftig Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble über die GSG 9 zur Rettung deutscher Geiseln im Ausland. Das Bundespolizeipräsidium werde künftig lediglich beratende Aufgaben haben.
    Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger
  22. Bill & Melinda Gates Foundation shifts course without regret
    For six years, the Bill & Melinda Gates Foundation spent billions of dollars to test the idea that smaller high schools might result in higher graduation rates and better test scores. They found instead that the key was more effective teachers, according to The Associated Press, and the foundation is fine with that. “Almost by definition, good philanthropy means we’re going to have to do some risky things, some speculative things to try and see what works and what doesn’t,” explained the foundation’s new CEO, Jeff Raikes. The responsibility for social innovation, according to Raikes, often falls on nonprofit organizations because the private sector doesn’t see the profit margin in experimentation, and most citizens don’t want the government speculating with their tax dollars. The foundation now sees, as a result of testing its hypothesis, that it must take a different direction with its education grants. As a result of its funding, it saw graduation rates rise in foundation-supported schools, but no significant improvements in student achievement or in the number of students who graduated ready for college. They now understand that the most effective path, Raikes said, is to support effective teachers.
    Quelle: The Associated Press

    Anmerkung Georg Lind: Eine der größten und teuersten Schulexperimente zieht eine negative Bilanz — für sich selbst! Viele Milliarden US Dollar hat die Stiftung des Windows-Moguls Gates für Schulen und hilfsbedürftige ausgegeben, aber keine messbaren Verbesserungen der Schulleistungen gefunden. Man hat vor allem auf die Verkleinerung der Schule und der Schulklassen gesetzt (der Bericht lässt leider offen, welche der beiden Maßnahmen nun wirklich gefördert wurden) und keine Verbesserungen gefunden (siehe unten).
    Man hat dagegen gefunden, dass es auf den Lehrer ankommt! (Natürlich ist das die meisten Menschen nichts Neues.) Es scheint auch klar zu sein, dass ein guter Lehrer nicht mit Tests gefunden werden kann. (Das ist wohl für viele Testgläubige neu und auch für Testskeptiker ist dies so prominent noch nicht bestätigt worden.) Die Zertifizierung aufgrund von Testwerten lässt nicht erkennen, ob ein Lehrer gut ist. Vielmehr zeigt erst die Unterrichtspraxis, was ein Lehrer kann: “Großartige Lehrer schaffen es, den Notendurchschnitt in einem Jahr um 1,5 Noten anzuheben.” Der Bericht sagt leider nicht, wie man diese großartigen Lehrer ausbildet und wie man sie entdeckt.

  23. Leere bei Lehrstellen
    Junge Leute drohen die großen Verlierer der Krise zu werden. Nach Bundesregierung und Gewerkschaften schlägt nun die deutsche Wirtschaft Alarm für den Ausbildungsmarkt. Im laufenden Lehrstellenjahr seien bei ihren Mitgliedern bis Ende Mai 168.552 Verträge abgeschlossen worden, berichten Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sowie der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Das sind fast sieben Prozent weniger als zwölf Monate zuvor.
    Quelle: FR
  24. Berlusconi tobt gegen Zeitung und fragt: «Duschen Sie bekleidet?»
    Die spanische Zeitung «El País» veröffentlichte pikante Fotos, die Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi wegen der Affäre um die Schülerin Noemi hatte beschlagnahmen lassen. Nun zeigt er die Zeitung an.
    Quelle: Baseler Zeitung


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