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Titel: Notwendige Ergänzungen zum Artikel über Boden und Bodenrente

Datum: 27. November 2017 um 17:00 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Steuern und Abgaben
Verantwortlich:

Albrecht Müller

Heute ist auf den NachDenkSeiten ein Artikel veröffentlicht worden, in dem über eine Debatte zum Thema Boden und Bodenwert berichtet wird und dann auch eine sogenannte „Bodenwertsteuer“ erwogen und befürwortet wird. Über dieses Thema zu informieren, ist mit Sicherheit richtig. Aber der Artikel und vor allem die zu diesem Thema geführte Debatte ist in mehrerer Hinsicht zu ergänzen und zu hinterfragen. Damit soll nicht infrage gestellt werden, dass die durch die absolute Knappheit von Grund und Boden und zusätzlich durch die Geldpolitik der europäischen Zentralbank angeheizte Spekulation und ihre Nichtbeachtung in der öffentlichen Debatte und durch die Politik ein Riesenskandal ist. Albrecht Müller.

Aber wenn man dieses kritische Thema angeht, dann sollte man versuchen, den Kern des Problems herauszuschälen und dann, wenn man Vorschläge unterbreitet, diese auch einigermaßen präzise fassen.

In diesem Sinne einige Anregungen und Korrekturen:

  1. Der Autor Thomas Trares verweist zu Beginn seines Textes auf einen Kommentar von mir in den Hinweisen des Tages vom 13. November. Dort hatte ich die Intervention des früheren Spitzenpolitikers Hans-Jochen Vogel zu Boden und Bodenspekulation begrüßt und darauf hingewiesen, dass er der Initiator einer breiten Diskussion um Bodenspekulation in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts war. Dabei hatte ich als eine mögliche Lösung des Problems eine Bodenwertzuwachsteuer erwähnt. Dieser Vorschlag war in Variation in verschiedene Programme der siebziger Jahre eingegangen. Einer dieser Vorschläge war in einem Papier enthalten, das Ulrich Pfeiffer zusammen mit mir Mitte der sechziger Jahre für den Wirtschaftspolitischen Club an der LMU München geschrieben hatte. Wir hatten darin eine Wertzuwachssteuer auf realisierte und nicht realisierte Spekulationsgewinne vorgeschlagen und auch Vorschläge zur Ermittlung und Erhebung dieser Steuer gemacht.

    Wichtig ist, dass es dabei um den Vorschlag einer Besteuerung der Spekulationsgewinne, also der Zuwächse und nicht des Bestandswerts ging.

    Autor Thomas Trares hat in seinem heutigen Beitrag für die NachDenkSeiten diesen Unterschied nicht beachtet und mir zugeschrieben, in meinem Kommentar zu den Hinweisen vom 13. November einen Vorschlag für eine „Bodenwertsteuer“ gemacht zu haben. Auf diese Idee wäre ich aber auch damals nicht gekommen, weil eine solche Substanzsteuer zwar berechtigt ist und auch mit einem höheren Satz als heute über die Grundsteuer berechtigt wäre, aber eine solche Substanzsteuer das Problem der Spekulation nicht auf sinnvolle Weise angeht. Sie würde auch erhoben, wenn gar keine Wertzuwächse bei einem Grundstück stattfinden würden. – Das kann man wollen, siehe oben, man kann mit gutem Recht für eine solche Bestandssteuer sein wie auch für eine Vermögensteuer.

  2. Aber damit man als Leserin oder Leser einen solchen Vorschlag – wie er auch in dem Beitrag von Thomas Trares vorkommt – beurteilen kann, muss man wissen, wie hoch der Steuersatz sein soll und wie möglicherweise Freibeträge gestaltet sein sollen. Bei einer Wertzuwachssteuer würde man sinnvollerweise mit dem üblichen Einkommenssteuersatz arbeiten, mindestens, also heute zwischen mit 42 bis 50 %, zu Kohls Zeiten 53 %; bei einer Bodenwertsteuer, also einer Bestandssteuer, sind solche Steuersätze abenteuerlich. Das würde vermutlich nicht funktionieren, denn es würde jedes Jahr neu auf den gesamten Wert erhoben. Mein Fazit: ich würde gerne wissen, wie hoch der Steuersatz einer Bodenwertsteuer sein soll.
  3. Es ist aus meiner Sicht nicht einzusehen, wieso nur die Spekulationsgewinne der Grundbesitzer besteuert und damit teilweise abgeschöpft werden sollen. Selbstverständlich müssten auch andere wichtige Wirtschaftsbereiche, die von Spekulation geprägt sind, mit einbezogen werden. Das ist vor allem der Aktienmarkt, aber nicht nur der.
  4. Die in dem Beitrag von heute früh enthaltenen Bemerkungen über Schnellrestaurants und Discounter wie auch über die Lufthansa sind zwar populär, halten aber einem näheren Nachdenken nicht stand. Es ist zwar richtig, dass diese genannten Firmen gute Flächen in den Städten besetzt haben. Aber das gilt auch für andere. Und in jedem Fall muss ja gefragt werden, zu welchen Preisen sie ihren Bestand an Grundvermögen erworben haben.
  5. Das führt dann zu einem weiteren kritischen Problem des Gesamtansatzes: Wenn ein Unternehmen oder ein sogenannter Investor eine große Fläche schon zu einem hohen Preis erwirbt, dann ist er zwar Eigentümer eines Grundstücks mit einem großen Wert, aber um seine Lage richtig zu beurteilen, muss man mit einbeziehen, wie dieser eine Eigentümer/Investor zu diesem Eigentum mit hohem Wert gekommen ist und was er dafür bezahlt hat. Da fällt mir ein, dass ich dieses Problem mit einem praktischen Beispiel belegen kann: Das HELIOS Vogtland-Klinikum in Plauen ist heute in den Händen von Helios/Fresenius. Die Klinik liegt auf einem erlesenen Grundstück ziemlich nah am Kern der Stadt Plauen und ist heute vermutlich viel wert. Helios hat dieses Objekt im September 2006 von einer Firma, deren Miteigentümer der Unternehmensberater Roland Berger war, erworben. Dieses Unternehmen hat die Klinik und das Grundstück nach der Wende vom Vogtlandkreis erworben. Die NachDenkSeiten haben über diesen Vorgang hier schon berichtet.

    Von dem aus meiner Sicht darin steckenden Skandal einmal abgesehen ist das Beispiel für unser Thema Bodenwert und seine Besteuerung von Relevanz. Es wird sichtbar, dass der heutige Wert dieses Grundstücks teilweise von dem jetzigen Eigentümer schon bezahlt worden ist. Das gilt analog für viele Grundstücke in unseren Städten und Gemeinden. Hätten wir eine Bodenwertzuwachssteuer gehabt oder wäre der Anstieg der Bodenpreise angemessen in die Einkommens- und Unternehmensbesteuerung eingegangen, dann wäre zumindest 2006 eine beträchtliche Steuer bei Roland Berger und Partner fällig geworden. Das wäre die sehr viel sinnvollere Besteuerung gewesen.

Fazit: Aus meiner Sicht ist die Fixierung auf den Boden und die Missachtung anderer Spekulationsgewinne nicht zielführend. Und die Fixierung auf eine Bestandssteuer ist es auf keinen Fall. In jedem Fall sollte man sich auf die Erfassung von Spekulationsgewinnen konzentrieren und dies dann auch für alle relevanten Bereiche tun, also für Grundstücke genauso wie für Wertpapiere, große Kunstschätze usw. Die Bestandssteuer in Form einer Grundsteuer oder meinetwegen auch Bodenwertsteuer und Vermögensteuer kann dann zusätzlich hinzukommen.


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