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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 4. Januar 2018 um 8:51 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Iran: Aufstand der Hungrigen
  2. Frohe Kunde aus dem “Jobwunderland” Deutschland. Da lohnt ein genauerer Blick auf die Zahlen und die andere Seite der Medaille
  3. Kursangebot der Jobcenter Milliardengeschäft auf Kosten von Arbeitslosen und Steuerzahlern
  4. Konjunktur: Deutschlands kranker Boom
  5. Zwei-Klassen-Medizin ist kein ‚Klein-Klein‘
  6. Wie Google mit einer Firma ohne Mitarbeiter Steuern spart
  7. Die begleitete Ratspräsidentschaft
  8. Frankreich: Der Ausnahmezustand als Regelfall
  9. Rüstungsexporte: Nur zwei Vor-Ort-Überprüfungen nach Waffenlieferungen
  10. Landfriedensbruch beim G20-Gipfel: Ohne einen Steinwurf
  11. Sondierer, holt euch die Untersuchung zur Flüchtlingskriminalität!
  12. Die Querfront der Querfrontschreier und Neoliberalen
  13. Bahnhof Altona soll verlegt werden: Droht in Hamburg ein Stuttgart 21?

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Iran: Aufstand der Hungrigen
    Seit einer Woche demonstrieren bei Dunkelheit Menschen im Iran auf den Straßen. Der Staat und Eliten sind gespalten und verunsichert, die geopolitischen Gegner in Washington, Tel Aviv und Riad feiern eine Party. Es sind noch nicht die großen Massen, die in der Dunkelheit Parolen rufen. Doch diese Protestbewegung ist eine große Herausforderung für den iranischen Staat: Anders als die grüne Bewegung 2009 sind die spontanen Protesten sehr radikal und fordern das Ende der politischen Herrschaft des islamischen Klerus.
    Ausgelöst wurden die Proteste durch einen Finanzskandal mehrerer Hedgefonds, die von reichen Mullahs betrieben wurden. Mit hohen Versprechen von 30-40% Zinsen wurden das Erstparte vieler Bürger in die Fonds gelockt. Durch Korruption verschwanden die Anlagen und die Hedgefonds gingen Pleite, viele Menschen verloren ihr letztes Hab und Gut. Bereits im Vorfeld wurden immer mehr Korruptionsskandale bekannt. Ausgerechnet der inzwischen aus dem Kreis der konservativen Mullahs ausgestoßene Ex-Präsident Ahmadinejad veröffentliche nach Festnahme seiner Mitarbeiter viele Fälle von Korruption in den religiösen Zirkel. Die Wut kochte hoch, und gerade im Mashhad, ein Hochburg des konservativen Klerus kam es zu Demonstrationen. Zunächst wurde der Rücktritt des reformorientierten Präsidenten Rohani gefordert. Doch binnen kurzer Zeit schrien die Menschen Parolen für das Ende des Mullah-Staats. Am deutlichsten war dieser Ruf an den ersten Demos an der Tehraner Universität: „Reformer oder Konservative: Das Spiel ist aus“!
    Quelle: Pedram Shahyar

    dazu: Proteste im Iran – Kann die EU vermitteln?
    Die Europäische Union ist für die Regierung in Teheran der wichtigste Verbündete. Denn die EU hat entscheidend dafür gesorgt, dass nach jahrelangen Verhandlungen und heftigem Streit im Juli 2015 der Atomvertrag mit dem Iran zustande kam. Jener Vertrag zwischen Teheran auf der einen Seite und den ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates plus Deutschland auf der anderen – also den Regierungen in Washington, Moskau, Peking, London, Paris und Berlin.
    Nur die EU als Vermittler habe die Herkulesaufgabe stemmen können, zwischen den in der Iran-Frage zerstrittenen ständigen Mitgliedern des UN- Sicherheitsrates und Teheran zu vermitteln, sagt jene Frau, die einen großen Teil des Vertrages geschrieben hat. Jenen Atom-Deal, der zunächst für viel Hoffnung gerade unter jungen Iranern sorgte.
    Ohne Rouhani kein Atomvertrag und ohne Rouhani keine Versprechungen für eine bessere iranische Zukunft ohne UN- und EU-Sanktionen. Versprechungen, die vor allem bei jungen Iranern Hoffnungen weckten. “Er ist ja mit dem Versprechen angetreten, die Sanktionen loszuwerden”, sagte Schmid. Nicht nur die USA haben mit ihren Sanktionen gegen Teheran Rouhani einen Strich durch diese Rechnung gemacht. Der Abbau der EU- und der UN-Sanktionen kann laut Atomvertrag bis Oktober 2023 dauern.
    Quelle: Tagesschau

    Anmerkung unseres Lesers A.M.: In diesem Bericht von Ralph Sina, ARD-Studio Brüssel, wird zumindest ansatzweise auf die Komplexität der aktuellen Probleme im Iran hingewiesen. Die Haupt-‘Berichterstattung’ der ARD und anderer Medien verläuft aus meiner Sicht jedoch eher so wie im NDS-Beitrag Medien: „Eine Arena für Hahnenkämpfe“ beschrieben. Beispielsweise möchte hierzu auf den Tagesschau-Bericht vom 03.01.2018 Regierungsanhänger im Iran “Führer, wir sind bereit” verweisen. Erfreulich dagegen sind die überwiegend kritischen Kommentare aufgeklärter Leser zu diesem Bericht. Das lässt hoffen!

  2. Frohe Kunde aus dem “Jobwunderland” Deutschland. Da lohnt ein genauerer Blick auf die Zahlen und die andere Seite der Medaille
    Schaut man sich die Verteilung der Beschäftigungszuwächse genauer an, dann wird man feststellen, dass das Wachstum vor allem von den Dienstleistungsjobs getragen wird – was zum einen sicher die seit einiger Zeit gut laufende inländische Nachfrage spiegelt, zum anderen aber zeigen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes, dass es vor allem neue Jobs in staatlichen bzw. staatsnahen Dienstleistungsbereichen sind:

    »Nach Wirtschaftsbereichen betrachtet gab es im Jahr 2017 im Vorjahresvergleich mit +536.000 Personen den stärksten Anstieg bei der Zahl der Erwerbstätigen mit Arbeitsort in Deutschland in den Dienstleistungsbereichen (+1,7). Den größten absoluten Anteil daran hatten die Öffentlichen Dienstleister, Erziehung, Gesundheit mit +214.000 Erwerbstätigen (+2,0 %).«

    Vor dem Hintergrund der Arbeitsmarktdiskussion der vergangenen Jahre ist auch diese Information der Bundesstatistiker von Bedeutung: »Während die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten weiter anstieg, war die Summe der marginal Beschäftigten (darunter geringfügige Beschäftigung) weiter rückläufig. Auch die Zahl der Selbstständigen einschließlich mithelfender Familienangehöriger sank im selben Zeitraum um 26.000 Personen (– 0,6) auf 4,3 Millionen.« Damit setzt sich ein Trend am aktuellen Rand der Entwicklung fort, der ein oftmals kritisiertes Muster der Vergangenheit relativiert – nach dem die zusätzliche Beschäftigung vor allem über “atypische” Beschäftigungsverhältnisse aufgebaut wird, also vereinfacht gesagt zwar neue Jobs entstehen, diese aber prekär und von schlechter Qualität sind. Das war so, in der Vergangenheit, aber bereits seit einigen Jahren verändert sich was bei den Beschäftigungszunahmen. […]
    Aber auch aktuell entfallen die meisten zusätzlichen Erwerbstätigen auf den Bereich der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitarbeit. Damit wird die langjährige Entwicklung fortgeschrieben.

    Die nebenstehende Abbildung verdeutlicht den weiter anhaltenden Bedeutungsgewinn der Teilzeitbeschäftigung durch einen Vergleich mit der Entwicklung des Arbeitsvolumens. Das hat im vergangenen Jahr gerade einmal das Niveau nach der Wiedervereinigung wieder erreicht – gleichzeitig ist die Zahl der Erwerbstätigen deutlich angestiegen. Und hier sind wir bei einem überaus relevanten und nicht zu unterschätzenden Aspekt angekommen: Wenn auch jetzt wieder in den meisten Medienberichten davon gesprochen wird, dass über 600.000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden sind, dann muss man immer im Hinterkopf behalten, dass sich viele Menschen darunter eine bestimmte Form der Beschäftigung vorstellen, die dem entspricht, was die Statistiker einen “Normalarbeitnehmer” nennen. Also vollzeitig und unbefristet und halbwegs “ordentlich” entlohnte Beschäftigte. Diese sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung hat tatsächlich seit 2011 (wieder) zugenommen, aber sie ist nur eine Teilmenge dessen, was sich unter der Kategorie “Erwerbstätige” subsumiert.
    Quelle: Aktuelle Sozialpolitik

    dazu: Richtungswechsel in der Arbeitsmarktpolitik dringend notwendig

    „Auch 2017 wurde der überfällige Richtungswechsel in der Arbeitsmarktpolitik nicht vollzogen. Es ist und bleibt ein Skandal, dass Millionen Beschäftigte Niedriglöhne beziehen, unfreiwillig in Teilzeit arbeiten, mit Hartz IV aufstocken oder mehreren Jobs nachgehen müssen, um über die Runden zu kommen. Arbeit muss existenzsichernd werden. Der Mindestlohn muss auf zwölf Euro erhöht werden, Leiharbeit und sachgrundlose Befristungen dürfen nicht länger möglich sein. Eine neue Bundesregierung muss dringend die Rahmenbedingungen für gute Arbeit schaffen. Armut trotz Arbeit muss endlich der Vergangenheit angehören. Bei den Sondierungsgesprächen muss Arbeitsmarktpolitik daher höchste Priorität haben“, erklärt Sabine Zimmermann, stellvertretende Vorsitzende und Arbeitsmarktexpertin der Fraktion DIE LINKE, zum aktuellen Bericht der Bundesagentur für Arbeit.
    Quelle: die Linke im Bundestag

  3. Kursangebot der Jobcenter Milliardengeschäft auf Kosten von Arbeitslosen und Steuerzahlern
    Kursanbieter und Jobcenter-Angestellte haben ein System etabliert, das die Arbeitslosen-Statistiken schönt und der eigenen Karriere dient. Eine Recherche. […]
    „Ob so ein Kurs den Arbeitslosen etwas bringt, spielt bei der Vergabe keine Rolle“, sagt Petra Friedrichs, eine ehemalige Jobcenter-Mitarbeiterin, die eigentlich anders heißt. „Nicht die Interessen der Arbeitslosen stehen dabei im Mittelpunkt, sondern die der Mitarbeiter“, sagt sie. Das habe eine einfache Erklärung: Arbeitslose, die in einem Kurs stecken, werden in der Arbeitslosenstatistik nicht mitgezählt. Und an der Statistik hängt neben den Erfolgsmeldungen der BA die berufliche Zukunft der Jobcenter-Mitarbeiter auf unterster Ebene – sowie Boni-Zahlungen an ihre Vorgesetzten.
    „Erfolgt eine Bewertung der Zielerreichung mit ‘A’ bzw. eine entsprechende individuelle Leistungseinschätzung im Rechtskreis SGB II, kommt eine Leistungsprämie in Höhe von bis zu 20 Prozent des Grundgehalts in Betracht“, heißt es im Handbuch Personalrecht der Arbeitsagentur. Für ein „B“ gibt es 15 Prozent. Diese Prämien stehen verbeamteten Führungskräften zu. Angestellte Führungskräfte erhalten laut Tarifvertrag für ein „A“ eine Prämie von 20 Prozent des Grundgehalts.
    Die einfachen Mitarbeiter – Arbeitsvermittler und Fallmanager – bekommen zwar kein Geld für ausgebuchte Kurse. Für sie hängt an den Statistik-Zielen aber oft der Job. „Wer am Ende des Jahres die Note A oder B bekommt, der muss zum Gespräch über eine Beförderung eingeladen werden“, sagt Friedrichs. Wer befristet angestellt sei und ein C oder gar ein D bekommt, gerate in Gefahr, bald selbst Kunde des Jobcenters zu werden. […]
    Die Zahlen der BA reflektieren den hohen Wert der Kurse beim Aufbessern der Arbeitslosenstatistik. Zwischen 2013 und 2016 ist die durchschnittliche Zahl der erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfänger nahezu konstant geblieben (2013: 4,39 Millionen; 2017: 4,4 Millionen bis einschließlich August). Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger, die an Kursen teilnehmen müssen, ist hingegen kontinuierlich gestiegen, von 583.000 im Jahr 2013 auf 748.000 im Jahr 2016. Was eine Zunahme von 28 Prozent ist. Für den Steuerzahler sind die Kosten enorm – und sie steigen kontinuierlich an. Hat die BA im Jahr 2013 noch 463 Millionen Euro für Kurse (MATs) ausgegeben, waren es im vergangenen Jahr 773 Millionen Euro.
    Quelle: Der Tagesspiegel
  4. Konjunktur: Deutschlands kranker Boom
    Das Tückische am Aufschwung sei, dass er den Politikern den Blick für die Belastungsgrenzen der Wirtschaft vernebelt habe, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Das dicke Ende werde daher in der nächsten Rezession kommen. „Dann“, fürchtet Krämer, „wird sich Deutschland nicht mehr so leicht erholen.“
    Wie sehr die Standortqualität bereits gelitten hat, zeigt der ungebremste Aufwärtstrend der Lohnstückkosten. Seit Jahren steigen sie schneller als im Schnitt des Euro-Raums. Und weil die Produktivität der Entwicklung der Löhne auch im nächsten Jahr hinterherhinkt, wird sich an dem schleichenden Verlust der preislichen Wettbewerbsfähigkeit nichts ändern.
    Quelle: Wirtschaftswoche

    Anmerkung unseres Lesers A.M.: In dem Beitrag des “Chefvolkswirts” der WirtschaftsWoche wird – mal wieder – Panik geschürt. Obwohl der Lohnstückkostenindex in Deutschland immer noch gut 10 % geringer ist als der restliche Euro-Raum, wird von “Erosion der Wettbewerbsfähigkeit” gesprochen. Offenbar sieht man es auch kritisch, dass “Löhne und Gehälter im nächsten Jahr um drei Prozent zulegen” und “den Arbeitnehmern real mehr Geld im Portemonnaie” bleibt — das geht ja gar nicht! Offenbar beginnen die propagandistischen Vorbereitungen für die nächste “Agenda”. Schließlich muss man den Aktivitäten des Shooting-Stars Macron etwas entgegen halten.

  5. Zwei-Klassen-Medizin ist kein ‚Klein-Klein‘
    „Es ist an der Zeit, endlich das Profitdenken im Gesundheitsbereich zu beenden. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, die Zwei-Klassen-Medizin in der Bundesrepublik abzuschaffen. Wer schon einmal etliche Stunden in einem Wartezimmer verbracht hat, weiß, dass CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn völlig falsch liegt, wenn er die Forderung nach einer Bürgerversicherung als ‚Klein-Klein‘ abtut. Das ist bezeichnend für die Missachtung der einfachen, kleinen Leute durch die CDU, die vom realen Leben der gesetzlich Versicherten offenbar gar nichts mitbekommt“, erklärt Jan Korte, 1. Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion DIE LINKE. Korte weiter:
    „Wenn die SPD keinen Etikettenschwindel, sondern ein wirkliches Ende der Zwei-Klassen-Medizin will, darf ihre Version einer Bürgerversicherung allerdings nicht so zahnlos sein wie ihr Gesetz gegen Leiharbeit aus der letzten Wahlperiode.
    Quelle: die Linke im Bundestag

    Hinweis: Lesen Sie dazu auch den Beitrag „Die Bürgerversicherung ist alternativlos, da das PKV-System keine Zukunft hat“ von Jens Berger auf den NachDenkSeiten.

  6. Wie Google mit einer Firma ohne Mitarbeiter Steuern spart
    Weitere Tricks, mit denen der Internet-Konzern Zahlungen umgeht, sind jetzt bekannt geworden.
    Es geht um 15,9 Milliarden Euro. Goolge weist Kritik zurück.
    Die Enthüllungen zu den Steuertricks von Google haben ein weiteres Kapitel. Der US-Internetriese hat einem Medienbericht zufolge durch Überweisungen von den Niederlanden auf die Bermuda-Inseln Steuern in Milliardenhöhe vermieden. Google habe im Jahr 2016 insgesamt 15,9 Milliarden Euro an eine Briefkastenfirma in dem britischen Überseegebiet transferiert. Das sind noch mal zwei Milliarden Euro mehr als im Jahr 2015 angenommen. Das berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Mittwoch unter Berufung auf Dokumente niederländischer Behörden.
    Quelle: Süddeutsche
  7. Die begleitete Ratspräsidentschaft
    Bulgarien gestaltet seine am Montag begonnene EU-Ratspräsidentschaft unter unmittelbarer “Beratung” und “Begleitung” aus Berlin. Dies geht aus Berichten der Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) hervor, die entsprechende Tätigkeiten in Sofia entfaltet und ihren Ex-Vorsitzenden, den ehemaligen Präsidenten des Europaparlaments Hans Gert Pöttering, als Sonderberater in der bulgarischen Hauptstadt installiert hat. In Bulgarien haben sich seit dem EU-Beitritt des Landes am 1. Januar 2007 Oligarchen zum entscheidenden Machtfaktor entwickelt und kontrollieren, wie Beobachter urteilen, längst die Geschicke des Landes. Berlin dulde dies bereitwillig, da Ministerpräsident Bojko Borissow sich politisch umstandslos deutscher Führung unterordne, urteilt ein ehemaliger bulgarischer Justizminister. Gleichzeitig dient das bitter verarmte Land deutschen Firmen als Standort für konkurrenzlose Hungerlohnproduktion und dem deutschen Staat als Reservoir für Fachkräfte, die in die Bundesrepublik abgeworben werden.
    Quelle: German Foreign Policy
  8. Frankreich: Der Ausnahmezustand als Regelfall
    Am 7. Januar 2018 jährt sich zum dritten Mal der Terroranschlag auf die Redaktion der französischen Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“. Und gut zwei Jahre liegen die Pariser Terroranschläge zurück, als am 13. November 2015 Attentäter das Theater Bataclan sowie zahlreiche Bars, Cafés und Restaurants angriffen, dabei 130 Menschen töteten und mehr als 700 Menschen verletzten.
    Nach den Anschlägen im November verhängte der damalige Präsident François Hollande den Ausnahmezustand, der in den Folgejahren insgesamt sechs Mal verlängert wurde. Der derzeitige Präsident Emmanuel Macron hat diesen nun beendet und stattdessen ein verschärftes Sicherheitsgesetz unterzeichnet: Dieses überführt zentrale Regelungen des auslaufenden Ausnahmezustands in nationales Recht – und macht diese damit endgültig zum Regelfall. Unter den Folgen leiden vor allem die arabischen und muslimischen Teile der Bevölkerung – und die politische Opposition.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik

    Anmerkung Christian Reimann: Könnte es sein, dass insbesondere Frankreichs Präsident Macron durch das neue, verschärfte Sicherheitsgesetz sein Vorhaben der sozialen Kürzungen vor allzu großen Protesten schützen möchte? Zu befürchten ist, dass Frankreich als Vorbild für Deutschland dienen könnte. Und könnte es sein, dass das dann im Einklang steht mit dem europäischen Recht?
    Im Hinblick auf das, was in Zukunft noch möglich sein könnte, sei auch in diesem Zusammenhang an die Erläuterungen zur Charta der Grundrechte erinnert:

    „So müssen die in der EMRK enthaltenen „Negativdefinitionen“ auch als Teil der Charta betrachtet werden:
    Artikel 2 Absatz 2 EMRK:
    „Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um

    jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;
    jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;
    einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen“.

    Und weiter:

    „Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe für Taten vorsehen, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden; diese Strafe darf nur in den Fällen, die im Recht vorgesehen sind, und in Übereinstimmung mit dessen Bestimmungen angewendet werden …“.

    Die Erläuterungen sind offenbar nicht lediglich Regelungen für die Ausführungen des Gesetzes, sondern – und das ist unüblich – dem Gesetzestext gleichgestellt. So jedenfalls nachlesbar im Amtsblatt der Europäischen Union vom 14.12.2007.

  9. Rüstungsexporte: Nur zwei Vor-Ort-Überprüfungen nach Waffenlieferungen
    Seit dem Regierungsbeschluss zu Endverbleibs-Kontrollen von Waffenexporten vor zweieinhalb Jahren ist erst zweimal tatsächlich überprüft worden, ob die Rüstungsgüter wirklich in die richtigen Hände gelangt und dort geblieben sind. “Seit Verabschiedung der Eckpunkte für die Einführung von Post-Shipment-Kontrollen bei deutschen Rüstungsgütern wurden bislang zwei Vor-Ort-Kontrollen von Kleinwaffen durchgeführt”, heißt es in einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion, die der PNP vorliegt.
    Quelle: Passauer Neue Presse
  10. Landfriedensbruch beim G20-Gipfel: Ohne einen Steinwurf
    Die Hamburger Justiz verfolgt alle Teilnehmer einer Anti-G20-Demo wegen schweren Landfriedensbruchs – auch wenn sie gewaltfrei blieben. […]
    Der BGH erklärte damals ausdrücklich, dass sich solche verabredeten Hooligan-Schlachten von Fällen des Demonstrationsstrafrechts unterscheiden, bei denen aus einer Versammlung „Gewalttätigkeiten begangen werden, aber nicht alle Personen Gewalt anwenden oder dies unterstützen wollen“. Es ist nicht eindeutig, ob der BGH damit alle oder nur bestimmte Demonstrationen anders behandeln wollte.
    Das OLG Hamburg wandte dieses BGH-Urteil jedenfalls auf die Rondenbarg-Demo an. Es begründete damit, warum gegen Fabio V. „dringender Tatverdacht“ des Landfriedensbruchs besteht, obwohl ihm persönlich keine Gewalttätigkeit vorgeworfen wird. Allerdings bleibt völlig offen, mit welcher konkreten Handlung Fabio V. die Steinewerfer bestärkt haben soll. Letztlich wird ihm doch nur vorgeworfen, dass er am Rondenbarg anwesend war. Und das genügt ja laut BGH gerade nicht für eine Strafbarkeit.
    Die Hamburger Staatsanwaltschaft geht allerdings noch weiter. Sie wirft Fabio V. und den anderen Beschuldigten nicht nur psychische Beihilfe, sondern sogar „Mittäterschaft“ des Landfriedensbruchs vor. Die ganze Demo habe den „gemeinsamen Tatplan“ verfolgt, bei einem Zusammentreffen mit der Polizei diese sofort „massiv“ anzugreifen. Aber auch hier ist unklar, welchen Tatbeitrag Fabio V. hierbei leisten sollte. Letztlich läuft auch diese Konstruktion auf eine Bestrafung seiner bloßen Anwesenheit hinaus.
    Wenn der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung ernst nimmt, dürfte die Hamburger Justiz mit ihren bisher recht dünnen Vorwürfen nicht durchkommen.
    Quelle: taz
  11. Sondierer, holt euch die Untersuchung zur Flüchtlingskriminalität!
    Der erste Blick auf die Zahlen ist erschreckend. Flüchtlinge begehen im Durchschnitt deutlich häufiger Gewalt- und Sexualdelikte als Deutsche. Fast jede achte Gewalttat wird von Migranten begangen. Es ist gut, dass die Autoren der Studie nichts schönreden. Probleme können wir nur lösen, wenn wir sie nicht unter den Teppich kehren. Und die Tatsache, dass überdurchschnittlich viele Flüchtlinge kriminell sind, sich nicht an Recht und Gesetz halten, ist ein Problem. Um die Frage ‘Was tun?’ zu beantworten, lohnt ein tieferer Blick in das Gutachten. Dann wird deutlich, dass die Ergebnisse wenig taugen für ausländerfeindliche Propaganda – aber umso mehr als Leitfaden für eine Flüchtlingspolitik mit Sinn und Verstand.
    Erste wichtige Erkenntnis: Kriegsflüchtlinge, beispielsweise aus Syrien, dem Irak und Afghanistan sind – einigen schlagzeilenträchtigen Fällen der jüngeren Vergangenheit zum Trotz – unterdurchschnittlich kriminell. Wer Hoffnung auf eine Bleibeperspektive hat, verhält sich überwiegend gesetzestreu.
    Flüchtlinge aus den Maghreb-Staaten, aus Marokko, Algerien und Tunesien, sind dagegen überdurchschnittlich gewaltbereit. Aber auch hier gilt: Achtung vor voreiligen Schlussfolgerungen! Die Studie belegt nicht, dass Menschen aus diesen Staaten grundsätzlich zur Kriminalität neigen. Jährlich Millionen europäische Touristen, die die Gastfreundschaft in diesen Ländern lieben, wissen, dass es anders ist. Aber, und darauf weist das Gutachten hin, nach Europa kommen die Problemgruppen aus diesen Ländern. Meist junge Männer, meist mit einem begrenzten Verständnis dafür, dass auch sie sich hier an Regeln halten müssen und Gewalt in jeder Form tabu ist. Ohne Bleibeperspektive in Deutschland steigt dann die Bereitschaft, Gesetze zu brechen.
    Quelle: ARD Hauptstadtstudio
  12. Die Querfront der Querfrontschreier und Neoliberalen
    Es gibt Themen, die auf linker wie rechter Seite gleichermaßen zur Sprache kommen. Der Umgang mit den Schwächsten in der Gesellschaft etwa, die Frage wie wir Zuwanderung organisieren wollen. Und dann ist da noch der Meta-Aufhänger, der Ur-Nenner gewissermaßen: »Merkel muss weg!« Die Linken in diesem Land sagen das seit mindestens 2005 – davor riefen sie: »Angela Merkel soll gar nicht erst ran!« Das neue rechte Lager erbrüllt den Abschied der Bundeskanzlerin erst seit zwei, drei Jahren. Vorher waren die selben Leute noch überzeugt davon, dass diese Frau einen guten Job macht. Besonders in Europa, gegen Griechenland und schön fanden sie es außerdem, dass die Europäer wieder Deutsch sprachen.
    Beide Seiten rufen aber aus gegensätzlichen Gründen dieselbe Parole. Sie ist, wie gesagt, der gemeinsame Nenner. Was über dem Strich steht, der Zähler – um es mal bruchrechnerisch auszudrücken –, ist völlig verschieden. Denn Linke zählen andere Gründe auf als Rechte. Für die rechten Schreihälse zählt etwas ganz anderes. Sie sehen Merkel als Volksverräterin, als Mutter der Islamisierung und Überfremdung. Solche Kritikpunkte erntet sie von links nicht. Dort ist es vornehmlich ihre Haltung zur sozialen Ungleichheit, die anstachelt. Dass dabei auch ihre Flüchtlingspolitik – vor allem ihre unterlassene Flüchtlingspolitik – kritisiert wird, liegt auf der Hand, denn sie ist ein Aspekt von Sozialpolitik.
    Quelle: Heppenheimer Hiob

    dazu: Der große Exkulplator: ISM-Kurator Lessenich verteidigt den neoliberalen Status Quo gegen linke Kritiker
    Fast die ganze Titelseite seines Feuilletons hat die Süddeutsche Zeitung am Mittwoch dem sich radikal links gebenden Münchener Soziologen Stephan Lessenich zur Verfügung gestellt, um all jene in den Senkel zu stellen, die den Aufstieg der AfD mit neoliberaler Politik aus Brüssel oder wirtschaftlichen Sorgen der Abgehängten und Ignorierten in Verbindung bringen.
    Lessenich, ein Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von attac und Kuratoriumssprecher des Instituts Solidarische Moderne, geht seine Aufgabe mit Verve an. Es ist allerdings nicht ganz leicht, aus seinen Schachtelsätzen herauszudestillieren, was seine konkreten Einwände gegen die kritisierte Position sind und was seine eigene Position ist. Mit vielen kraftvollen, negativ eingefärbten Bildern und Vergleichen insinuiert er mehr, als dass er argumentiert. Ich will es aber dennoch, bei aller Fehleranfälligkeit, versuchen, indem ich negativ eingefärbte Aussagen als seiner Ansicht nach falsch und die positiv eingefärbten als seiner Ansicht nach richtig klassifiziere.
    Quelle: Norbert Häring

    Hinweis: Die NachDenkSeiten hatten sich bereits kritisch mit dem Autor Lessenich hier und hier auseinandergesetzt.

  13. Bahnhof Altona soll verlegt werden: Droht in Hamburg ein Stuttgart 21?
    Der Fernbahnhof Altona soll einige Kilometer verlegt werden. Jahrelang wurde das Projekt aufgeschoben, nun soll es starten. Kritiker fürchten eine gewaltige Kostenexplosion und werfen der Bahn vor, die wahren Gründe für den Bau zu verschweigen. […]
    Was ist dann aber Hintergrund des Projekts? Warum gibt die Bahn mindestens 360 Millionen Euro aus, um einen Bahnhof um einen einzigen Kilometer zu verlegen? Das Unternehmen verweist auf einfachere Betriebsabläufe, darauf, dass nun die Züge in Nord-Süd-Richtung, ohne den Sackbahnhof in Hamburg-Altona, schneller die Haltestellen der Hansestadt, also auch Hamburg-Dammtor und den Hauptbahnhof passieren können. Michael Jung schüttelt über diese Argumente nur den Kopf. Am Ende, erklärt er, ginge es nur ums Geld:

    “Das ist nur zu verstehen, wenn man weiß, wie Eisenbahn in Deutschland finanziert wird. Die Erneuerung von Weichen und Signalanlagen, die sind jetzt hier am Bahnhof Altona 1979 zuletzt erneuert worden, müsste, weil das Instandhaltung ist, die Bahn aus eigener Tasche bezahlen. Wird ein Bahnhof neu gebaut, dann würde nach der Leistungsfinanzierungsvereinbarung ein Großteil der Kosten der Steuerzahler tragen. Insofern hat die Bahn da einen ökonomischen Anreiz, diesen Bahnhof zu verlegen und etwas eigentlich Unsinniges zu tun!”

    Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis weist diese Behauptung zurück. Die Bahn baue nicht einfach einen neuen Bahnhof, nur weil die Modernisierung eines alten zu teuer sei:

    “Ich kann diese Argumentation von ‘Prellbock’ da überhaupt nicht nachvollziehen. Selbst wenn wir in Altona erneuern, gibt es ja auch Gelder vom Bund durch die LUF-Mittel, dir Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung. Das stimmt nicht so ganz, das ist tatsächlich etwas zu kurz gesprungen.”

    Eine Gegenüberstellung der Kosten für die Verlegung und die Beibehaltung des jetzigen Standorts habe es tatsächlich nie gegeben. Und die Modellrechnungen zu den erwarteten Passagierzahlen am neuen Bahnhof hält die Bahn bislang unter Verschluss.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur


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