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Titel: Korea: Nun also reden sie wieder

Datum: 8. Januar 2018 um 9:28 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Länderberichte, Strategien der Meinungsmache
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Im folgenden Beitrag gibt der Politikwissenschaftler und Publizist Dr. Rainer Werning aus aktuellem Anlass einen Überblick über den Konflikt zwischen Südkorea und Nordkorea und die seltsame Begleitung des Geschehens durch den Westen, insbesondere den aktuellen Präsidenten der USA. Interessant, selbst wenn Sie nur die Zeit zum Überfliegen haben sollten. Albrecht Müller.

Korea: Nun also reden sie wieder
Von Rainer Werning

Nordkorea setzt inmitten des Atomstreits mit Washington auf die Wiederbelebung des Dialogs mit dem Süden – ein solcher innerkoreanischer Annäherungsprozess war trotz erbitterter gegenseitiger Anfeindungen auch in der Vergangenheit möglich

Wäre die aktuelle Sicherheitslage in Nordostasien im Allgemeinen und auf der Koreanischen Halbinsel im Besonderen nicht so prekär, könnte man meinen, der seit Beginn dieses Jahres erfolgte Schlagabtausch zwischen Mister Trump und Genossen Kim gleiche einer Rivalität zweier aufgedrehter Steiff-Teddybären darüber, wer denn nun den größeren Knopf im Ohr hat. Hatte der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-Un in seiner Neujahrsansprache darauf hingewiesen, dass «sein Atomwaffenknopf immer auf seinem Schreibtisch» sei, twitterte der Mann im Weißen Haus flugs retour: «Würde jemand aus seinem verarmten und ausgehungertem Regime ihn bitte darüber informieren», so US-Präsident Donald Trump, «dass auch ich einen Atomwaffenknopf habe. Der ist nicht nur größer, sondern funktioniert auch».

Während in den sogenannten Leitmedien im Westen hervorgehoben wurde, Kim Jong-Un halte unerbittlich an seiner atomaren Bedrohungsstrategie fest, fiel die Interpretation seiner Neujahrsansprache vor allem in beiden Korea gänzlich anders aus. Kim feierte darin zwar sein Land und die Fortschritte, die es in seinem Atomprogramm als angemessenen Schutz vor einem US-Angriff gemacht habe. Bedeutsamer indes war die an die Moon Jae-In-Regierung in Seoul adressierte Botschaft, nach über zweijähriger Pause wieder bilaterale Gespräche auf hochrangiger Ebene zu führen. Wenn sich also nun ab dem 9. Januar die Chefunterhändler Pjöngjangs und Seouls wieder im Grenzort Panmunjom treffen, stehen nicht nur die Teilnahme Nordkoreas an den Olympischen Winterspielen im nächsten Monat und die Verbesserung der beidseitigen Beziehungen auf der Agenda.

Es geht vielmehr darum, jene Entspannungssignale weiterzuverfolgen, die bis dato dreimal ausgesandt worden waren. Da sind notwendige Blicke in die Vergangenheit angesagt, um die Dynamik eines möglicherweise erneuten weitreichenden innerkoreanischen Annäherungsprozesses im internationalen Kontext zu verstehen. Nach dem Koreakrieg (1950-53) gab es von Seiten Seouls und Pjöngjangs drei historisch bedeutsame Anläufe, das beidseitig von exzessiven Feindbildern geprägte innerkoreanische Verhältnis zu entkrampfen. Jedes Mal jedoch waren außenpolitische Faktoren mitverantwortlich dafür, dass die Friedenssuche in neuerliche Konfrontation mündete.

Drei große Anläufe zur Entspannung auf der Halbinsel

Der erste Anlauf geschah im Sommer 1972. Am 4. Juli desselben Jahres schlug die in beiden Hauptstädten gleichzeitig bekannt gegebene Gemeinsame Süd-Nord-Erklärung über die friedliche nationale Wiedervereinigung wie eine Bombe ein. Darin hieß es:

„Beide Seiten einigten sich über folgende Prinzipien der Wiedervereinigung des Vaterlandes:

Erstens: Die Wiedervereinigung soll unabhängig, das heißt ohne sich auf eine fremde Macht zu stützen, noch mit deren Einmischung erreicht werden.

Zweitens: Die Wiedervereinigung soll mit friedlichen Mitteln, das heißt ohne Waffeneinsatz der einen Seite gegen die andere verwirklicht werden.

Drittens: Die große nationale Einheit soll vor allem durch ein gemeinsames Nationalgefühl gefördert werden, ungeachtet der Unterschiede der Ideologien, Ideale und Systeme.

Beide Seiten halten sich von der Verleumdung der anderen Seite und von bewaffneten Provokationen, kleinen oder großen, zurück und wirken darauf hin, Zwischenfälle durch unerwartete militärische Konflikte zu vermeiden, damit die Spannung zwischen dem Norden und dem Süden überwunden und eine vertrauensvolle Atmosphäre geschaffen werden kann.“

Zugleich wurde vereinbart, die Zusammenarbeit auf den verschiedensten Ebenen, vorrangig im Rahmen von Rote-Kreuz-Gesprächen, zu fördern. Außerdem sollte zwischen beiden Hauptstädten ein „heißer Draht“ hergestellt und darauf hingewirkt werden, dass ein noch zu schaffendes Nord-Süd-Koordinationskomitee die drei gemeinsamen Prinzipien realisiert. Der in Seoul völlig unerwartete Besuch des damaligen US-Präsidenten Richard M. Nixon in der Volksrepublik China und die Verhängung des Kriegsrechts in Südkorea im Jahre 1972 machten die hehre Gemeinsame Süd-Nord-Erklärung auf Jahre zur Makulatur.

Um die Jahreswende 1990/1991 handelten Nord- und Südkorea einen Aussöhnungs- und Normalisierungsvertrag aus, der den beiderseitigen Austausch in den Bereichen Kultur, Wirtschaft und Politik vorsah und gemeinsame Besuchsprogramme ermöglichen sollte. Auch das hörte sich gut an. Doch die Vertragsunterzeichnung fiel in eine für Nordkorea überaus bedeutsame Umbruchphase. In Berlin war die Mauer gefallen, der Zusammenbruch der Sowjetunion und die Erosion anderer realsozialistischer Regime in Osteuropa stand bevor. Für Pjöngjang bedeutete die Politik von Glasnost und Perestrojka in der Sowjetunion unter Michail Gorbatschow nichts Gutes. Öffnung und Transparenz – das ging der nordkoreanischen Nomenklatur entschieden zu weit. Die Regierung in Pjöngjang witterte darin eine – so wörtlich – „ideologische Kontaminierung“ und zog kurzerhand ihre im Ausland stationierten beziehungsweise dorthin entsandten Kader und Techniker ab und orderte sie wieder zurück nach Hause.

Auf die Umbruchphase in Osteuropa reagierte Pjöngjang auf seine Weise; es schottete sich gegenüber der (westlichen) Außenwelt ab, setzte stärker als zuvor auf ideologische Erziehung und Kampagnen, entwarf das Konzept des „Sozialismus in den eigenen Farben“ und propagierte einen „starken und gedeihenden Staat” sowie die Politik des „Das Militär zuerst!“ Diesmal war es der Norden, der den innerkoreanischen Annäherungsprozess aushöhlte. Neben den Entwicklungen in der Sowjetunion und in Osteuropa waren dafür auch schwerwiegende binnenwirtschaftliche Probleme nach dem Tod des Staatsgründers Kim Il-Sungs im Sommer 1994 ausschlaggebend. Mitte der 1990er Jahre erlebte Nordkorea in Folge verheerender Naturkatastrophen (Dürreperioden und Überschwemmungen) komplette Ernteausfälle und in einigen Regionen des Landes akute Hungersnot, worunter beispielsweise 1995 5,7 Millionen Menschen litten, etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung.

Von dieser Katastrophe hat sich das Land bis heute nicht vollständig erholt, wenngleich sich seitdem die Lebensbedingungen der Menschen nach Ansicht internationaler Hilfsorganisationen spürbar verbesserten. Am Härtesten traf es Kleinkinder in abgelegenen, schwer zugänglichen Gebieten, wo sie nicht angemessen mit Nahrungsmitteln und medizinisch versorgt werden konnten. Eine wirtschaftlich außerordentlich angespannte Situation, die Pjöngjangs Dschutsche-Konzept, seine Variante einer autozentrierten Entwicklung, in Frage stellte. Kathi Zellweger, die damalige Direktorin für Internationale Zusammenarbeit und Leiterin von Caritas-Hong Kong, schrieb nach zahlreichen Nordkorea-Besuchen: „Nordkorea verfügt nur über 18 bis 20 Prozent gutes, zur Nahrungsproduktion geeignetes Land. Nordkorea ist kein Agrarland, sondern ein Industrieland mit einer stagnierenden, spiralförmig nach unten tendierenden Wirtschaft. (…) Obwohl sich die Situation seit dem Höhepunkt der Krise (1995-97) verbessert hat, ist die Stabilisierung noch sehr fragil und hauptsächlich der internationalen Hilfe zu verdanken. Akute Fälle von Unterernährung haben abgenommen, doch sind die Auswirkungen mehrjähriger chronischer Mangelernährung überall sichtbar. Ein eindrucksvoller Vergleich zwischen einem siebenjährigen Jungen in Südkorea und in Nordkorea verdeutlicht dies: Der Junge in Südkorea ist 125 Zentimeter groß und wiegt 26 Kilogramm, sein Bruder im Norden ist 20 Zentimeter kleiner und 10 Kilogramm leichter.“

Die dritte Annäherung zwischen Nord- und Südkorea geschah Mitte Juni 2000. Am 13. Juni genoss die nordkoreanische Führung sogar als Gastgeber des ersten innerkoreanischen Gipfeltreffens den geschichtsträchtigen Moment, dass die Staatschefs beider Teilstaaten, Kim Dae-Jung und Kim Jong-Il (der zwischenzeitlich verstorbene Vater von Kim Jong-Un) – offiziell zwar noch im Kriegszustand –, Freundlichkeiten per Handschlag austauschten. Zwei Tage später, am 15. Juni 2000, vereinbarten beide Staatsmänner die Nord-Süd-Deklaration. Über Familienzusammenführung und gegenseitige Besuchsprogramme hinaus sah diese eine enge und regelmäßige Kooperation in den Bereichen Kultur, Handel und Wirtschaft vor. Ja, sogar die gemeinsame Teilnahme der Sportteams beider Länder an den bevorstehenden Olympischen Sommerspielen im australischen Sydney war vereinbart worden. Ein pikantes „Nebenprodukt“ dieses wahrlich historischen Nord-Süd-Gipfels war der noch im selben Jahr in Südkorea produzierte 110-minütige, teils nachdenkliche, teils komische Film Joint Security Area – JSA (Originaltitel: Gong dong gyeongbi guyeok jsa – Regie: Park Chan-Wook) über die geheime Freundschaft von vier Wachposten beider koreanischen Staaten entlang der sie trennenden „Demilitarisierten Zone“. Im Sommer 2002 wurde JSA erstmalig auch in deutschsprachigen Kinos gezeigt.

Eine Dekade „Sonnenscheinpolitik“

Möglich geworden war diese erste Zusammenkunft der beiden mächtigsten Politiker in Seoul und Pjöngjang nach dem Amtsantritt Kim Dae-Jungs im Februar 1998. Der einst prominenteste politische Gefangene und Staatsfeind Nummer Eins war damals siegreich ins Blaue Haus, dem Sitz des südkoreanischen Präsidenten, eingezogen und verkündete fortan eine Öffnung gegenüber dem Norden, die er als „Sonnenscheinpolitik” deklarierte. Dies erfolgte gewiss auch aus pragmatischen und finanziellen Erwägungen. Seitdem nämlich klar wurde, welch exorbitante Kosten Südkorea aufgebürdet würden, verfolgte es eine (Wieder-)Vereinigungspolitik analog dem deutschen Beispiel, schwand die frühere Euphorie der politischen Eliten in Seoul, man könne sich den Norden aufgrund der eigenen haushohen wirtschaftlichen Überlegenheit relativ problemlos einverleiben. (Tatsächlich übertraf Mitte der 1990er Jahre das Bruttoinlandsprodukt Südkoreas dasjenige des Nordens um etwa das 20-fache, während dieses Verhältnis in Deutschland zum Zeitpunkt der Vereinigung nur etwa acht im Westen zu eins im Osten betragen hatte.)

Da Südkorea spätestens seit der tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise 1997 (der sogenannten Asienkrise) selbst in Schwierigkeiten geriet und die ökonomischen Erfolge der vergangenen Jahrzehnte nicht gefährden wollte, erwiesen sich der seinerseits gebeutelte Norden mitsamt den mit einer raschen Vereinigung verbundenen unkalkulierbaren sozialen Konsequenzen auf einmal als eine Kröte, die jetzt niemand schlucken mochte. Wenn die Vereinigung als große Herausforderung der Schaffung einer neuen Nation begriffen wird, in der sich die Menschen zweier langjährig feindlicher Lager versöhnen, dann ist die alleinige Logik des Kapitals nicht ausreichend. So wurde und wird denn gerade in Korea sehr aufmerksam verfolgt, wie schwierig sich im Prozess der deutschen Vereinigung ein echtes Verständnis zwischen Menschen mit höchst unterschiedlichen Biographien herstellt.

Silberstreif am Horizont

Wandel durch Handel, Annäherung statt Destabilisierung – lautete fortan die Devise in Seoul. Dabei bezog sich Kim Dae-Jung ausdrücklich auf Willy Brandts frühere „Ostpolitik“, wenngleich er die Situation beider Länder nie für vergleichbar hielt. Dieser dritte Anlauf einer Nord-Süd-Verständigung auf der Koreanischen Halbinsel schien äußerst vielversprechend zu verlaufen, zumal dieser Prozess im Ausland breite Unterstützung fand. (Unterstützung von allen Seiten für Kim Dae-jung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21. Oktober 2000) Für seine „Sonnenscheinpolitik“ erhielt der südkoreanische Präsident im Jahre 2000 den Friedensnobelpreis. Eine höchst zweifelhafte Entscheidung in Oslo, da zu einer Friedensregelung nun mal mindestens zwei Parteien gehören.

William J. Perry, von 1994 bis 1997 US-Verteidigungsminister und einer der Architekten des im Oktober 1994 in Genf ausgehandelten Rahmenabkommens (Agreed Framework) zur Beilegung des ersten Atomstreits mit Nordkorea, unternahm als Sonderemissär des damaligen US-Päsidenten Bill Clinton eine Shuttle-Diplomatie, um eine mittelfristige, konsistente Nordkoreapolitik zu formulieren. Im Oktober 1999 veröffentlichte Perry seinen Bericht – mit dem Ergebnis, an dem Rahmenabkommen unbedingt festzuhalten und Südkoreas „Sonnenscheinpolitik“ zu unterstützen. In dreierlei Hinsicht jedenfalls war der Perry-Report bedeutsam: Beide Protagonisten wahrten ihr Gesicht; die in Washington angenommene Prämisse, Nordkorea werde alsbald kollabieren, wurde revidiert, und schließlich ward die vom südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-Jung verfolgte „Sonnenscheinpolitik“ ausdrücklich befürwortet.

Der US-amerikanische Historiker und Koreaexperte Bruce Cumings (2001) konstatierte in diesem Zusammenhang: „Die sechsmonatige Arbeit (Perrys und seiner Kollegen – RW) schloss mit der Empfehlung, die Verhandlungen mit Pjöngjang zu intensivieren. Der Neuansatz mündete in ein vorläufiges Abkommen über die nordkoreanischen Raketen, das den Vereinigten Staaten wie der gesamten asiatisch-pazifischen Region große Vorteile brachte. Damals schien Nordkorea bereit, die Produktion, Stationierung und Ausfuhr aller Raketen mit einer Reichweite von über 500 Kilometern einzustellen. In beiden strategischen Fragen – in der Atompolitik und bei den ballistischen Raketen – schien man einer Vereinbarung näher zu kommen.“

Im Gegenzug lockerte Washington einige seiner Wirtschaftssanktionen und setzte sich für die Fortführung und Aufstockung von Hilfslieferungen an die Volksrepublik ein. Das Agreed Framework sah zudem vor, in Washington und Pjöngjang jeweils Liaison-Büros einzurichten und gemeinsam nach Überresten der im Koreakrieg gefallenen US-amerikanischen Soldaten zu suchen. Und das Bedeutsamste: Pjöngjang erhielt in einem Zusatzprotokoll eine Sicherheitsgarantie. Mit der Umsetzung der technischen und finanziellen Hilfslieferung wurde das eigens zu diesem Zweck gegründete Nuklearkonsortium Korean Peninsula Energy Development Organization (KEDO) betraut, dem die USA, Japan und Südkorea als Gründungsmitglieder und Hauptfinanziers angehörten.

Den Höhepunkt Pjöngjanger Außenpolitik und einen diplomatischen Coup im Sog der „Sonnenscheinpolitik“ bildete der Besuch von US-Außenministerin Madeleine K. Albright am 23. und 24. Oktober 2000. Damit weilte erstmalig in der Geschichte beider Länder ein derart hochrangiger Repräsentant der US-Regierung in der Volksrepublik. Wäre US-Präsident Bill Clinton in den letzten Tagen seiner Amtszeit nicht angesichts von Bemühungen um Deeskalation des palästinensisch-israelischen Konflikts und durch die sich im Bundesstaat Florida quälend hinziehende Auszählung von Wählerstimmen auf dem falschen Fuß erwischt worden, hätte ihn womöglich seine letzte Auslandsreise Anfang 2001 nach Pjöngjang geführt. Dort waren bereits entsprechende Vorbereitungen im Anschluss an den Albright-Besuch getroffen worden. Ja, Clinton hatte laut Frau Albright sogar zum Jahresende 2000 den nordkoreanischen Führer zu einem Staatsbesuch in die USA eingeladen, was dieser aber ausschlug. (Albright 2003)

Vielseitige Unterstützung seitens der EU

Die Europäische Union unterstützte von Beginn an die „Sonnenscheinpolitik“ Kim Dae-Jungs und engagierte sich auch im Rahmen des Agreed Framework. 1997 trat die Europäische Union immerhin KEDOs Executive Board bei und leistete zwischen 1996 und 2000 jährlich 15 Mio. ECU an nichtrückzahlbaren Zuschüssen. Die ebenfalls 1997 durch ein Assoziierungsabkommen Mitglied der KEDO gewordene EURATOM stellte dem Konsortium bis 2001 zusätzlich 75 Mio. ECU an Beitragsgeldern zur Verfügung. Über diese Beteiligung an KEDO hinaus lieferte die EU Nahrungsmittel- und humanitäre Hilfe nach Nordkorea, deren Umfang allein im Zeitraum von 1995 bis 2002 umgerechnet rund 180 Mio. Euro betrug. Außerdem vertiefte die EU den politischen Dialog mit Pjöngjang, förderte die Vertrauensbildung und Zusammenarbeit im Rahmen des ASEAN Regional Forum (ARF) sowie Maßnahmen bezüglich mittelfristiger technischer Hilfe und avisierte schließlich Möglichkeiten eines erleichterten Marktzugangs für nordkoreanische Produkte in die EU.

Auch Mitte der 1990-er Jahre, als Nordkorea in Folge von Naturkatastrophen bitter zu leiden hatte und Hungersnot grassierte, leistete die EU der Volksrepublik in dieser überaus prekären Situation aktive Nothilfe. Zwar war dieser Beistand höchst willkommen, wenngleich das vor Ort tätige Personal staatlicher sowie nichtstaatlicher Hilfswerke – vorsichtig formuliert – mit Argwohn bedacht und in seiner Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt blieb. Die Hilfsmaßnahmen betrafen sowohl staatliche und nichtstaatliche Nahrungsmittellieferungen sowie bilaterale Hilfen in den Bereichen technische Zusammenarbeit und Management.

Allein im Rahmen ihres Nahrungsmittelhilfs- und Nahrungsmittelsicherungsprogramms (das auch landwirtschaftliche Inputs und verbesserte Methoden bei der Bodenbewirtschaftung vorsahen) stellte die EU-Kommission der Volksrepublik in den vier Jahren von 1997 bis 2000 umgerechnet insgesamt 168 Mio. Euro über drei Kanäle zur Verfügung: direkte bilaterale Hilfe in Höhe von 106,7 Mio. Euro; Bereitstellung von 50 Mio. Euro für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen sowie 11 Mio. Euro für die Operationen von anfänglich sechs größeren europäischen Nichtregierungsorganisationen (NGO), zu denen neben CESVI, Concern, Children’s Aid Direct, Action Contre La Faim und Médecins Sans Frontières auch die Deutsche Welthungerhilfe zählte. Deren Aktivitäten konzentrierten sich vorrangig auf die Verpflegung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen, älteren Menschen und auf den Ausbau beziehungsweise die angemessene Ausstattung von Gesundheitszentren.

Im Februar 2002 erarbeitete die EU-Kommission eigens ein sogenanntes Country Strategy Paper (CSP) für die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK – Nordkorea), in dem die Rahmenbedingungen der technischen Zusammenarbeit mit Pjöngjang bis zum Jahr 2004 skizziert wurden. Als Eckpunkte der Kooperation wurden folgende Maßnahmen avisiert: Unterstützung des innerkoreanischen Dialogs, Hilfe beim Prozess der nordkoreanischen Marktöffnung und Modernisierung der Wirtschaft, erleichterter Zugang nordkoreanischer Produkte auf dem EU-Markt (vor allem erhöhte Importquoten bei Textilien), verstärkte Investitionen, eine Erweiterung des EU-DVRK-Außenhandels, der im Jahre 2000 umgerechnet gerade mal zirka 319 Mio. US-Dollar ausmachte, sowie die Aufnahme von Gesprächen über die Lage der Menschenrechte in der Volksrepublik. Die erste Gesprächsrunde dieser Art fand am 13. Juni 2001 statt, während im Gegenzug Pjöngjang im März 2002 eine Delegation nach Europa entsandte, um sich vor Ort ein Bild über die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der EU zu verschaffen.

Zwischen 1998 und Juni 2002 hielten Vertreter der EU und der DVRK überdies fünf politische Gesprächsrunden auf höherer Beamtenebene (Regional Directors) ab, die letzte davon in der nordkoreanischen Hauptstadt, in denen auch Fragen des nordkoreanischen Atomprogramms und wirtschaftlicher Reformen zur Sprache kamen. Bereits im Juli 1999 hatte die EU mit der Ausarbeitung einer sogenannten „kohärenten Roadmap“ begonnen, um künftige Beziehungen mit der DVRK im Rahmen ihrer Ratsbeschlüsse über die koreanische Halbinsel zu formulieren. Der seit Sommer 2000 in Schwung geratene innerkoreanische Entspannungsprozess wurde auf dem dritten, vom Thema Nordkorea beherrschten Europa-Asien-Gipfel (ASEM) der Staats- und Regierungschefs der 15 EU-Länder und zehn Staaten Ost- und Südostasiens in Seoul Mitte Oktober 2000 gewürdigt, was seinerzeit nicht nur in beiden koreanischen Hauptstädten, sondern auch in Beijing ausdrücklich begrüßt wurde.

Während des Seouler ASEM-Gipfels waren innerhalb der EU zwar unterschwellig Differenzen vernehmbar: Der Präsident der Europäischen Kommission, Romano Prodi, kritisierte die unterschiedlichen Geschwindigkeiten, mit denen EU-Staaten an Pjöngjang herantraten und mit der DVRK volle diplomatische Beziehungen vereinbarten. Gemeint waren damit vor allem Großbritannien und Deutschland (die Bundesrepublik eröffnete am 1. März 2001 ihre Botschaft in Pjöngjang). Im Gegensatz zu Tony Blair und Gerhard Schröder hatte sich der französische Präsident Jacques Chirac eher reserviert gezeigt. Doch spätestens der Anfang Mai 2001 erfolgte Besuch einer hochrangigen EU-Delegation unter Leitung des damaligen schwedischen Ministerpräsidenten und EU-Ratsvorsitzenden Göran Persson in Nord- und Südkorea war dort wie in der gesamten Region als Goodwill-Geste willkommen geheißen und von Pjöngjang genutzt worden, nochmalig seine weitere Kooperationsbereitschaft zu signalisieren. (EU-Delegation in Korea belebt Friedensprozess, in: Financial Times Deutschland, 3. Mai 2001) Begleitet wurde Persson vom EU-Außenkommissar Chris Patten und dem EU-Beauftragten für Außen- und Sicherheitspolitik Javier Solana. Solche Avancen nutzten der chinesische Präsident Jiang Zemin und sein Außenminister Tang Jiaxuan wenig später auf dem ASEM-Treffen in Beijing Ende Mai 2001, explizit eine engere Kooperation mit Europa anzumahnen. Dabei bemühten sie das Bild einer „neuen Seidenstraße“, was gleichzeitig als Kontrapunkt zur Politik der Supermacht USA gemeint war.

Backlash unter Bush

Was zu Beginn des Jahres 2001 vielversprechend auf Entspannung in Korea hindeutete, geriet nach dem Amtsantritt von George W. Bush vollends aus den Fugen. Selten dürfte im Weißen Haus ein Staatsgast, dazu noch ein gerade erst mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnetes Staatsoberhaupt, dermaßen brüskiert worden sein, wie das Anfang März 2001 dem südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-Jung widerfuhr. Anlässlich dieses ersten Staatsbesuchs eines asiatischen Regierungschefs beim neuen Chef im Weißen Haus nannte Präsident Bush Nordkorea am 7. März 2001 unvermittelt und unverblümt einen „Bedrohungsfaktor in Ostasien“, mit dem Gespräche ausgesetzt und erst nach einer kompletten Neubestimmung der US-Asienpolitik wieder aufgenommen würden. Als er auch noch den innerkoreanischen Dialog in Zweifel zog, diesen sogar als „naiv“ abstempelte, standen Kim Dae-Jung samt Entourage wie begossene Pudel da. (Bush Tells Korean He Distrusts North, in: International Herald Tribune, 8. März 2001) Einen Tag zuvor, am 6. März 2001, hatte Außenminister Colin Powell den noch zuversichtlich gestimmten Gästen aus Seoul versichert, er werde „die vielversprechenden Elemente der Nordkorea-Politik seiner Vorgängerin weiterentwickeln.“

Peinlich für die südkoreanische Delegation war überdies, dass sie in die Debatte um das von Präsident Bush propagierte Raketenabwehrsystem (NMD) als Kern einer neuen US-amerikanischen Verteidigungsstrategie hineingezogen wurde und Bushs nationale Sicherheitsberaterin, Condoleezza Rice, die Wiederaufnahme von Gesprächen über nordkoreanische Raketentests trotz des 1999 von Pjöngjang zugesagten Moratoriums schlichtweg für „kontraproduktiv“ hielt. Pjöngjang sah sich herausgefordert und bangte um das Überleben seines Regimes, als im März 2003 US-Streitkräfte in den Irak einmarschierten. Seitdem beharrt es – so wörtlich: „auf das Recht, ein größtmögliches Abschreckungspotenzial zum Selbstschutz zu unterhalten.“ „Der trotz des Widerstandes der internationalen Gemeinschaft geführte Krieg in Irak hat gelehrt“, meldete die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA, „dass eine Nation über eine angemessene militärische Stärke verfügen sollte, um ihre Souveränität zu verteidigen.“

Vor allem die in Washington vor und nach der Irak-Invasion wiederholt öffentlich benutzte Formel eines notwendigen „Regimewechsels“ im Falle unilateral ausgemachter „Schurkenstaaten“ ließ in Pjöngjang die Alarmglocken schrillen. Unverzüglich brachen alte (Kriegs-)Wunden wieder auf. Pjöngjang brandmarkte im Staatsrundfunk und in der Rodong Shinmun, dem Zentralorgan der herrschenden Partei der Arbeit Koreas (PdAK), die USA als eine „Nation von Kannibalen“ und warnte Washington vor provokativen Aktionen: „Sollten die US-Imperialisten die Konfrontation wagen, wird ihnen tausendfach Rache zuteil.“ Pjöngjang reagierte auch deshalb so harsch, weil sich seit dem Amtsantritt von Bush Junior die US-amerikanisch-chinesischen Beziehungen spürbar abgekühlt hatten.

Anfang April 2001 war auf der chinesischen Insel Hainan ein US-Spionageflugzeug zur Landung gezwungen und dessen Besatzung eine Zeitlang festgehalten worden. Präsident Bush und seine damalige Sicherheitsberaterin und spätere Außenministerin Condoleezza Rice schalten China als „aufstrebende Macht und strategischen Gegner“, als einen Rivalen also, der den USA – langfristig gesehen – am ehesten politisch, militärisch und wirtschaftlich Paroli bieten könnte. Chinas Präsident Jiang Zemin fuhr eine Retourkutsche. Anfang Mai 2001 charakterisierte er seinen Kollegen im Weißen Haus während eines Sondertreffens von Mitgliedern des Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas und außenpolitischen Experten als – so wörtlich: „logisch unbedarft, konfus und prinzipienlos.“

Nachdem Präsident Bush im Januar 2002 die „Achse des Bösen” mit ihren Hauptspeichen Iran-Irak-Nordkorea erfunden hatte, ersetzte er im September 2002 die traditionelle Politik der Eindämmung durch eine neue Strategie präventiver Militärschläge, das hieß eines Präventivkriegs, wonach ein Land anzugreifen sei, von dem die USA glaubten, es könnte zuerst angreifen. In seinem Buch „Bush at War“ – „Bush im Krieg“ – zitiert der Journalist Bob Woodward den US-Präsidenten mit den Worten: „Ich hasse Kim Jong-Il!“ Und er fügte hinzu, am liebsten würde er das Regime in Pjöngjang stürzen. Die Regierung Nordkoreas reagierte prompt, verwies die Inspektoren der Internationalen Atomenergie-Behörde des Landes, ließ den Atomreaktor in Yongbyon mit neuen Brennstäben beladen und erklärte den Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag.

Neben der US-Regierung meldete sich auch die EU zu Wort, deren Position sich nach einer drastisch vollzogenen Kehrtwende nunmehr auffällig mit jener Washingtons deckte. Am 18. Oktober 2002 wurde die nachstehende Erklärung im Namen der Europäischen Union in Brüssel und Kopenhagen veröffentlicht: „Die EU bringt ihre tiefe Besorgnis zum Ausdruck über Berichte im Anschluss an den Besuch des Sondergesandten der USA in der Demokratischen Volksrepublik Korea, demzufolge dieses Land zugegeben hat, ein geheimes Atomwaffenprogramm durchzuführen. Die Europäische Union ersucht Nordkorea eindringlich, diese Angelegenheit unverzüglich klarzustellen. Ein derartiges Programm stellt eine ernste Verletzung der Verpflichtungen dar, die Nordkorea im Rahmen des Nichtverbreitungsvertrags, des Übereinkommens der Internationalen Atomenergie-Organisation betreffend die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen sowie der von Nord- und Südkorea abgegebenen gemeinsamen Erklärung über die Schaffung einer kernwaffenfreien Koreanischen Halbinsel und der vereinbarten Rahmenregelung eingegangen ist.”

„So trafen Anfang 2003 die vorhersehbaren Provokationen und Täuschungsversuche Nordkoreas auf die seit langem vorliegenden Pläne der USA, die schon in der Anfangsphase eines neuen koreanischen Krieges den Einsatz von Atomwaffen vorsehen“, schrieb der US-amerikanische Historiker und Korea-Experte Bruce Cumings (2003): „Das Prinzip des Atomwaffensperrvertrags lautet“, so Cumings weiter, „dass Staaten ohne Nuklearwaffen nicht von denen bedroht werden dürfen, die Atomwaffen besitzen. 1996 erklärte der Internationale Gerichtshof in Den Haag, jeglicher Einsatz von oder die Bedrohung durch Atomwaffen sei als das ‚mal ultime’ zu verurteilen. Dennoch könnte der Einsatz von Atomwaffen gerechtfertigt sein – dann nämlich, wenn das Überleben eines ganzen Staates auf dem Spiel stünde [zit. nach: The New York Times, 9. Juli 1996]. Demnach jedenfalls ist es eher gerechtfertigt, dass Nordkorea Atomwaffen produziert, als dass die USA dem ‚nichtnuklearen Staat’ Nordkorea die Vernichtung androhen.“ Washington war davon überzeugt, dass Pjöngjang tatsächlich über ein Atomwaffenarsenal inklusive Trägersysteme verfügt. Dort erwog man deshalb, so der ehemalige NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark Ende Mai 2005 gegenüber dem Fernsehsender CNN, diese notfalls gemäß dem damaligen Planungskonzept CONPLAN 8022 durch „zielgenaue Nuklearschläge auszuschalten“.

Fast zeitgleich, anlässlich des fünften Jahrestages des ersten koreanischen Gipfeltreffens und der Unterzeichnung der Nord-Süd-Deklaration, reisten Mitte Juni 2005 über 300 südkoreanische Gäste nach Pjöngjang, um dort mehrere Tage lang gemeinsam dieses Ereignisses zu gedenken. Es herrschte eine ausgelassene Atmosphäre, die einmal mehr demonstrierte, dass Nord und Süd einander begegnen, voneinander lernen und miteinander feiern können, solange Einmischungen von außen unterbleiben. „Von nun an sollten Süd- und Nordkorea all ihre Kräfte bündeln, um einen tragfähigen Friedensmechanismus zu schaffen und die Gefahr eines Atomkrieges auf der Halbinsel zu bannen“, erklärte Südkoreas Vereinigungsminister Chung Dong-Young in Pjöngjang nach einem Treffen mit Staatschef Kim Jong-Il. Die nordkoreanische Seite reagierte prompt: „Wir sollten nicht untätig herumsitzen und auf Frieden warten, wir sollten lieber unserer Nation voll vertrauen und mit vereinter Kraft den Frieden sichern“, erwiderte der nordkoreanische Sprecher Ahn Kyong-Ho.

Schrille Kriegstrommler

Südkoreas damaliger Außenminister (und späterer UN-Generalsekretär) Ban Ki-Moon und andere hochrangige Diplomaten in Seoul zeigten sich maßlos enttäuscht, als bereits wenige Tage nach diesen Feierlichkeiten Paula Dobriansky, Unterstaatssekretärin im US-State Department, Nordkorea öffentlich als einen von vier „Außenposten der Tyrannei” brandmarkte – gemeinsam mit Myanmar (das frühere Birma), Simbabwe und Kuba. Ban verwahrte sich gegen solch provokative Äußerungen aus Washington und erklärte: „Nordkorea stets mit negativen, respektlosen Etiketten zu belegen, ist kontraproduktiv“. Wodurch de facto die schizophrene Situation ein Ende fand, dass Südkorea damals engere Kontakte zum Norden wünschte, diesen aber gleichzeitig in seinem seit der Staatsgründung 1948 bestehenden Nationalen Sicherheitsgesetz als „staatsfeindliche Organisation“ bezeichnet.

Eigentlich war man gegen Ende der in Seoul verfolgten „Sonnenscheinpolitik“ im Jahre 2008 wieder dort angelangt, wo man bereits 14 Jahre zuvor im Rahmen des Agreed Framework gestanden hatte. Eine groteske Situation, die wesentlich durch die aggressive Falken-Diplomatie der US-amerikanischen Verhandlungsführer James A. Kelly (von 2001 bis 2005 verantwortlich im US-Außenministerium für Ostasiatische und Pazifische Angelegenheiten) und John R. Bolton heraufbeschworen und vom Zickzack-Kurs Pjöngjangs vertrackt wurde. Vor allem war es Bolton, der antagonisierte. Bevor er von 2005 bis 2006 als US-Botschafter bei den Vereinten Nationen diente, war er als Staatssekretär für Rüstungskontrolle und Internationale Sicherheit auch Delegationsmitglied der Sechsparteiengespräche zur Beilegung des Atomstreits mit Nordkorea in Beijing. (Der unter Ägide der VR China von 2003 bis 2009 durchgeführten, letztlich erfolglos verlaufenenen Gesprächsrunde gehörten außerdem die USA, Russland, Japan sowie Nord- und Südkorea an.) Diesen Job musste er jedoch quittieren, nachdem er Kim Jong-Il öffentlich einen „tyrannischen Diktator” eines Landes gescholten hatte, in dem für viele Menschen „das Leben ein höllischer Albtraum” sei. Unverzüglich ließ das nordkoreanische Außenministerium über die amtliche Nachrichtenagentur KCNA vermelden, Bolton sei ein „menschlicher Abschaum (scum) und Blutsauger, der für die Teilnahme an diesen Gesprächen ungeeignet ist.” (The Washington Times, 4. August 2003)

Bolton hätte es am Liebsten gesehen, wäre Washington gegen Nordkorea militärisch vorgegangen, was er u.a. anlässlich seiner Teilnahme am Parteitag der britischen Tories in Blackpool im Oktober 2007 ungeniert so formulierte: „Die USA hatten einst die Fähigkeit, in verdeckter Weise einen Sturz von Regierungen einzufädeln. Ich wünschte, wir könnten dies wieder haben.” (Bolton wirbt bei Tories für Angriff auf Iran, in: Der Standard [Wien], 6. Oktober 2007) Bis heute ist sich dieser Mann, der mittlerweile wieder für das stockkonservative American Enterprise Institute tätig ist, treu geblieben. Zusammen mit US-Senator Lindsey Graham (South Carolina), Trumps Nationalen Sicherheitsberater H. R. McMaster und Verteidigungsminister James Mattis zählt Bolton zu den eingefleischten „Falken“, die lautstark die Kriegstrommel gegen Nordkorea schlagen. Man darf gespannt sein, welche Geschütze Washington gegen den neuerlich reaktivierten innerkoreanischen Dialog auffährt. Im Augenblick jedenfalls sitzt Genosse Kim – bildlich gesprochen – am größeren Knopf.

Dr. Rainer Werning, Politikwissenschaftler und Publizist mit den Schwerpunkten Ost- und Südostasien, ist u.a. Koautor des im Februar in der Edition Berolina (Berlin) erscheinenden Buches Brennpunkt Nordkorea.

Quellen

  • Albright, Madeleine (2003): Madam Secretary: A Memoir. New York. (Die dtsch. Ausg. erschien 2005 unter dem Titel „Madam Secretary: Die Autobiographie“ im Goldmann Verlag, München.)
  • Cumings, Bruce (2001): Kehrtwende in den USA: Washingtons Spannungspolitik in Ostasien, in: Le Monde diplomatique (dtsch. Ausg.). Berlin/Zürich, Mai, S. 5.
  • ————- (2003): Nordkorea und USA im atomaren Gleichgewicht. Pjöngjang liegt nicht am Tigris, in: Le Monde diplomatique (dtsch. Ausg.). Berlin/Zürich: Februar
  • Europäische Union (EU) (2002): Bulletin EU 10-2002, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (13/32), Nordkorea (Erklärung des Vorsitzes im Namen der Europäischen Union am 18. Oktober zum Atomwaffenprogramm Nordkoreas). Brüssel/Kopenhagen
  • International Crisis Group (ICG/ed.) (2006): China and North Korea: Comrades Forever?, Asia Report No 112. Seoul/Brussels, February 1.
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  • Song, Du-Yul/Werning, Rainer (2012): Korea: Von der Kolonie zum geteilten Land. Wien.
  • Zellweger, Kathi (2004): Caritas in Nordkorea – für menschliche Würde und Gerechtigkeit: Erfahrungen humanitärer Hilfsorganisationen mit den Menschen in Nordkorea, in: Choe, Hyondok/Song, Du-Yul/Werning, Rainer (Hg.): Wohin steuert Nordkorea? Soziale Verhältnisse – Entwicklungstendenzen – Perspektiven. Köln.


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