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Titel: Die “Behördenbahn” war Gold im Vergleich zur Unternehmer-Mehdorn-Bahn – Die Auflösung des Monopols wäre die falsche Antwort auf die Schwierigkeiten

Datum: 8. Januar 2010 um 15:56 Uhr
Rubrik: Markt und Staat, Privatisierung
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Zurzeit häufen sich die Schwierigkeiten bei der Deutschen Bahn AG. Züge fallen aus oder fahren nur mit der Hälfte der Waggons, Güterwagen springen aus den Gleisen, die Schlangen in der Reisezentren sind unerträglich lang, die von der Bahn betriebene S-Bahn in Berlin funktioniert immer noch nicht. Die Berliner Verkehrssenatorin will das Monopol der Bahn brechen und erwägt, Strecken auch für private Anbieter ausschreiben. Das ist die von den privaten Anbietern gewünschte Antwort und keine Lösung des Problems. Albrecht Müller

Im Anhang finden Sie beispielhaft die Links auf drei gerade erschienene Artikel.

Ich habe die Bundesbahn erlebt und erfahren, als sie noch in Regie des Bundes betrieben wurde. Wenn zum Beispiel Preiserhöhungen anstanden, dann kam der Antrag der Bahn auch in der morgendlichen Lage des Bundeskanzleramtes zur Sprache. Behindert haben diese und andere Arten der Mitsprache des Bundes die Bahn nicht. In dieser Zeit wurden neue Techniken entwickelt, die schnellen Fahrzeuge geplant und in Auftrag gegeben und neue Strecken gebaut. Die Qualifizierung jener Deutschen Bahn als „Behördenbahn“ ist ziemlicher Unsinn. Jedenfalls war man bei dieser Bahn besser auf den Winter vorbereitet als heute, man hat nicht an den falschen Stellen und überall gespart und man hat grobe Fehler vermieden. Sicher gab es in dieser Zeit bürokratische Elemente. Aber diese gibt es heute auch und es gab und gibt zusätzlich eine Fülle von Fehlentscheidungen.
Der frühere Bahn-Chef Mehdorn ist verantwortlich für eine Fülle dieser Fehlentscheidungen. Mitverantwortlich ist auch die Politik, die sich – obwohl der Bund zu 100 % Eigentümer der Aktiengesellschaft ist – auch aus wichtigen Entscheidungen herausgehalten hat. Mehdorn hat das Unternehmen auf globale Tätigkeit ausgerichtet, unzählige neue Unternehmen dazu gekauft und die Bilanz des Unternehmens durch Sparmaßnahmen geschönt, um so das Unternehmen auf den Börsengang vorzubereiten. Er hat wichtige Experten, zum Beispiel für den Gleisbau, viel zu früh in den Ruhestand geschickt. Er hat sich ein absurdes, vom Luftverkehr abgeschautes Preissystem aufschwatzen lassen. Unter Mehdorns Führung wurden wichtige Wartungs- und Reparaturkapazitäten der Bahn abgebaut. Es wurde offensichtlich auch an der Technik der Züge gespart. Andernfalls wären sie nicht so anfällig, dass sie schon bei einem harmlosen Winter wie in den vergangenen Tagen ausfallen. Usw.
Vermutlich waren zu Mehdorns Zeit Managementkapazitäten für Zwecke wie den Börsengang gebunden und standen deshalb nicht für die eigentliche Arbeit, die Planung und Produktion von Verkehrsleistungen, zur Verfügung.

Das Ergebnis, die Unzufriedenheit mit der Deutschen Bahn ist ganz im Sinne jener, die das so genannte Monopol der Bahn brechen wollen und dies heute schon zum Beispiel im Bereich des Nahverkehrs geschafft haben. Die miserable Leistung einer als öffentlich geltenden Einrichtung ist hier wie zum Beispiel auch bei der Altersvorsorge, wo die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente bewusst reduziert und beschädigt worden ist, die Basis für den Einstieg privater Anbieter.

In beiden Fällen, bei der Altersvorsorge wie auch beim Schienenverkehr, halte ich das Monopol für eine wichtige Voraussetzung zum optimalen Betrieb. Die Schwächen, die jedes Monopol mit sich bringt, weil die dort Tätigen meinen, sie könnten sichs im Monopol gemütlich machen, müssen und können durch andere Maßnahmen vermieden, auf jeden Fall so vermindert werden, dass sie kein Grund für eine völlige Neuorientierung sind.

Ich halte deshalb die Schlussfolgerung der Berliner Verkehrssenatorin nicht für richtig. Es muss über die Einschaltung des Eigentümers der Deutschen Bahn, im konkreten Fall des Bundes, möglich sein, Probleme wie die in Berlin entstandenen Probleme zu lösen. So viel Koordination zwischen einem Bundesland beziehungsweise zwei Bundesländern, Berlin und Brandenburg, und dem Bund muss möglich sein. Allerdings setzt das voraus, dass der Bund sich endlich wieder um die verkehrspolitische Aufgabe seines Unternehmens kümmert und dieses im verkehrspolitischen Sinne kontrolliert und steuert. Er darf die Mehrheit im Aufsichtsrat nicht weiter irgendwelchen Unternehmensmanagern überlassen, wie das heute üblich ist.

Anhang:

  1. Wetter, Technik, Unglücke: Notstand bei der Bahn
    Bahnreisende müssen dieser Tage Verspätungen und Umwege in Kauf nehmen. Das Chaos ist nicht nur auf das Wetter zurückzuführen – die Probleme der Bahn häufen sich. Von Till Bartels
    Quelle: STERN
  2. Berliner S-Bahn-Chaos ”Ich glaube der Bahn nichts mehr”
    Von O. Bilger
    Die Berliner Verkehrssenatorin Junge-Reyer hat nach einem Jahr voller Pannen genug: Sie will die Deutsche Bahn in ihrer Macht beschneiden – zumindest schrittweise.
    Quelle: SZ
  3. »S-Bahn raus aus DB-Monopol«
    Verkehrssenatorin Junge-Reyer stellte drei Varianten zur Zukunft des Unternehmens vor
    Von Andreas Heinz
    Nun hat Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) offensichtlich endgültig die Nase voll vom Nichthandeln der S-Bahn-Mutter Deutsche Bahn (DB). »Die Bahn hat ihr Tochterunternehmen total an die Wand gefahren. Nun müssen wir raus aus dem DB-Monopoöl und uns von diesen Zwängen befreien«, forderte sie gestern. Deshalb bereite das Land Berlin gerade eine Ausschreibung für einen Teil des Netzes zur Betreibung nach Ende des S-Bahn-Vertrages am 14. Dezember 2017 vor.
    Hart kritisierte die Senatorin die Unfähigkeit der S-Bahn und ihres Mutterkonzerns, die selbst geschaffene Krise in den Griff zu bekommen: »Zur derzeitigen unerträglichen Situation habe ich dem Bahnvorstand deutlich gesagt: Ich glaube Ihnen nichts mehr – es sei denn, ich sehe positive Ergebnisse.« Bislang habe die Deutsche Bahn aber immer nur durch leere Versprechungen »geglänzt«. ……
    Quelle: Neues Deutschland


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