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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 3. Februar 2010 um 9:08 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante aktuelle Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. Heute unter anderem zu folgenden Themen: Die Steuerhinterzieher-CD, Zockerbanken, Flexible Arbeitszeiten und Kurzarbeit, Hatz IV, Kopfpauschale, Privatsender wollen Anteil an Zwangsabgaben, Geburtenrate in Deutschland: Religiosität hilft nicht, Mit Gesangbuch und Parteibuch: Christen formieren sich in den Parteien (KR/AM)

  1. Hans Leyendecker: Den Steuerfahndern läuft die Zeit davon
  2. “Vielen Deutschen steht der kalte Schweiß auf der Stirn”
  3. Banker: BGH-Richter hält mehr Ermittlungen für vorstellbar
  4. Flexible Arbeitszeiten und Kurzarbeit sicherten im Jahr 2009 mehr als eine Million Jobs
  5. Einzelhandelsumsatz 2009 real um 1,8% gegenüber 2008 gesunken
  6. Asoziale Hartz-Hetze
  7. Datenspende an die USA
  8. Türöffner für die Kopfpauschale
  9. Rösler will Kopfpauschale durchboxen
  10. Honorarstreit: Ärzte verdienen deutlich mehr als zugesagt
  11. Peinlicher Abschluss: Gewerkschafter kritisieren neuen Tarifvertrag für Leiharbeitnehmer
  12. Privatsender wollen Anteil an Zwangsabgaben
  13. Geburtenrate in Deutschland: Religiosität hilft nicht
  14. Mit Gesangbuch und Parteibuch: Christen formieren sich in den Parteien
  15. Rücktritt bei France Télécom wegen Selbstmordserie
  16. Städte rufen um Hilfe
  17. Volker Pispers ist wieder da

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Hans Leyendecker: Den Steuerfahndern läuft die Zeit davon
    Nachdem sich abzeichnet, dass der Informant die Millionen erhalten wird, beginnen für die Fahnder erst die eigentlichen Probleme.
    Quelle: Süddeutsche
  2. Steuerhinterzieher-CD: “Vielen Deutschen steht der kalte Schweiß auf der Stirn”
    Bei den Schweizer Banken laufen die Telefone heiß. Vermögende Deutsche gerieten wegen des drohenden Kaufs der Steuersünder-CD in Panik, berichten Vermögensverwalter. Diesen Kunden stehe “der kalte Schweiß auf der Stirn”.
    Zürich – Der mögliche Kauf von Steuerdaten durch die deutschen Finanzbehörden macht die Kunden von Schweizer Vermögensverwaltern nervös. “Bei uns laufen die Telefone heiß”, berichtete ein Berater bei einer ausländischen Privatbank, der vor allem vermögende Deutsche betreut. “Die Kunden sind besorgt, ob auch sie von der Datenaffäre betroffen sein könnten.” Ein Vermögensverwalter berichtete von einem Kunden, der erwäge, sich selber anzuzeigen. “Vielen Deutschen steht der kalte Schweiß auf der Stirn”, sagte er.
    Quelle: Spiegel online
  3. Banker: BGH-Richter hält mehr Ermittlungen für vorstellbar
    Für die Verantwortlichen der Finanzkrise wird es eng, Gerichte wollen die Vorgänge juristisch aufarbeiten. “Es gibt Indizien, dass den Handelnden das Risiko gleichgültig war”, sagt BGH-Richter Thomas Fischer im SPIEGEL-ONLINE-Interview.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung KR: Das glaube ich erst, wenn die erste Verurteilung rechtskräftig wird.

  4. Flexible Arbeitszeiten und Kurzarbeit sicherten im Jahr 2009 mehr als eine Million Jobs
    Flexible Arbeitszeiten haben im Jahr 2009 die Wucht der Wirtschaftskrise am deutschen Arbeitsmarkt größtenteils abgefangen, berichtet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Die durchschnittliche Jahresarbeitszeit der Arbeitnehmer ging dabei um 3,2 Prozent zurück, etwa durch Kurzarbeit und den Abbau der Guthaben auf den Arbeitszeitkonten. „Dieser Rückgang entspricht rechnerisch rund 1,2 Millionen Jobs, die gesichert wurden“, so die Arbeitsmarktforscher Eugen Spitznagel und Susanne Wanger.
    Quelle: IAB
  5. Einzelhandelsumsatz 2009 real um 1,8% gegenüber 2008 gesunken
    Im Dezember 2009 erzielte der Einzelhandel in Deutschland nach vorläufigen Ergebnissen aus sieben Bundesländern nominal 1,8% und real 2,5% weniger Umsatz als im Dezember 2008.
    Quelle: Destatis

    Anmerkung Orlando Pascheit: Jetzt ist offiziell: Auch das Weihnachtgeschäft konnte also den Einzelhandel nicht vor herben Umsatzeinbußen bewahren.

  6. Asoziale Hartz-Hetze
    Hartz-IV-Bezieher sind wahlweise faul oder sie arbeiten schwarz und machen sich – auf Kosten der anderen – einen schönen Lenz. Die Vorurteile gegen all diejenigen, die keinen Job haben und mit ein paar hundert Euro im Monat über die Runden kommen müssen, werden gezielt geschürt. Die mediale Dauerkampagne erreicht dieser Tage mit Bild über den »faulsten Arbeitslosen Deutschlands« einen neuen Höhepunkt. Doch nicht nur der Boulevard bedient die Klischees. Die Süddeutsche Zeitung titelte in ihrer Dienstagausgabe »Mißbrauch von Hartz IV nimmt zu. Im vergangenen Jahr 165000 Straf- und Bußgeldverfahren eingeleitet«. Das Münchner Blatt wertete dabei die ihm zugespielte Jahresbilanz der Bundesagentur für Arbeit, kurz BA, über »Leistungsmißbrauch im Hartz-IV-System« aus. Die von der SZ noch in der Nacht über die Nachrichtenagenturen verbreitete Meldung fand gestern bundesweite Resonanz.
    Doch was hatten BA und SZ zu berichten? Die Zahl der eingeleiteten Straf- und Bußgeldverfahren gegen Hartz-IV-Empfänger ist 2009 im Vergleich zum Vorjahr um 1,8 Prozent auf knapp 165000 Fälle gestiegen. »Dabei geht es meist um falsche Angaben von Langzeitarbeitslosen gegenüber den Jobcentern und Arbeitsgemeinschaften (Argen) mit dem Ziel, höhere Leistungen zu kassieren, als ihnen eigentlich zustehen«, so die Süddeutsche. Tatsächlich geht es um ganze 0,1 Prozent oder ein Promille Steigerung: Insgesamt haben 2009 im Jahresdurchschnitt etwa 6,5 Millionen Menschen nach dem Sozialgesetzbuch II Anspruch auf die Grundsicherung (Hartz IV) gehabt. Bezogen auf diese Gesamtzahl hat die »Mißbrauchsquote« nach Angaben der Bundesagentur bei lediglich 1,9 Prozent gelegen – 2008 waren es 1,8 Prozent. Darunter fallen Ordnungswidrigkeiten, also geringfügige Verletzungen von Rechtsregeln, für die das Gesetz eine Geldbuße vorsieht, sowie Verdachtsfälle, die von den Behörden noch nicht abschließend beurteilt sind. Nur wer die Mißbrauchsberichte zu Ende liest, wird des ganzen Medienskandals gewahr: Die Bundesagentur selbst warnte davor, die von ihr präsentierten Zahlen »überzubewerten«. In der Bilanz heißt es, der »Leistungsmißbrauch« sei »in Relation zu der Anzahl der Hilfsbedürftigen und den Gesamtausgaben relativ gering verbreitet«. Die Süddeutsche wußte die Mahnung zur Vorsicht zu relativieren: »Der Bericht listet allerdings nur nachweisbare Fälle auf. Die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher liegen.«
    Quelle 1: Junge Welt
    Quelle 2: SZ

    Siehe dazu auch:

    Missbrauch gestiegen: Mehr Verfahren gegen Hartz-IV-Bezieher
    Der Missbrauch von Hartz-IV ist nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit im vergangenen Jahr leicht gestiegen. Pauschale Missbrauchsvorwürfe seien aber haltlos, erklärt der Paritätische Wohlfahrtsverband und warnt vor Stimmungsmache
    Quelle: FR

    Anmerkung Orlando Pascheit: Irgendwie enttäuscht die FR dadurch, dass auch sie mit dem Anstieg des Missbrauchs titelt. Sie hätte auch schreiben können: “Koch als Hetzer entlarvt: Missbrauch nicht signifikant” und sich mit dem Thema Mißbrauch grundsätzlich beschäftigen können, denn Koch meint ja letztlich nicht diese Art von Missbrauch. Er unterstellt einfach, dass eine “deutlich sichtbare Minderheit” von “arbeitsunwilligen Personen” sich in Hartz IV eingerichtet hat. Dass jenseits der Hetze seine empfohlenen Maßnahmen schwachsinnig sind, hat selbst die ihm nahestehende Presse einräumen müssen.

    Anmerkung KR: Stimmt; aber der Fairness halber sei festgestellt, dass in der FR in jüngster Zeit auch eine Reihe bemerkenswert guter Beiträge erschienen sind. Wir haben darauf hingewiesen.

  7. Datenspende an die USA
    Terroristen bekämpfen, indem man Konten überwacht oder einfriert, ist in den USA eine beliebte Maßnahme. So beliebt, dass die Amerikaner prophylaktisch die Daten auch europäischer Bankkunden speichern wollen. Doch da der Lissabon-Vertrag dem Europäischen Parlament (EP) neuerdings in der EU-Kriminalpolitik ein Vetorecht zuspricht, stehen nun die Chancen gut, dass die EU-Abgeordneten diese gigantische Datenvorratsspeicherung verhindern werden. In anderen Worten: dass sie das Swift-Abkommen scheitern lassen.
    Quelle: TAZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Die NachDenkSeiten haben bereits öfter den skandalösen Datenzugriff der USA auf europäische Swiftdaten wie auch die eilfertige Bereitwilligkeit der EU-Minister thematisiert, den Wünschen der USA auch offiziell zu entsprechen. Der Artikel der taz bietet einen kurzen historischen Abriss und beschreibt die gegenwärtige Problematik mit manchem interessanten Detail. Z.B hätten die USA in der Vergangenheit rund 25 Prozent aller Swift-Daten abgerufen und fünf Jahre auf eigenen Computern gespeichert. Bei täglich 15 Millionen SWIFT-Nachrichten eine beachtliche Zahl. – Damit läßt sich über die “Terrorbekämpfung” hinaus Manches anstellen, da mögen die USA alles Mögliche versprechen. Genau Und – warum sollen wir bei etwas mitmachen, was selbst das BKA für ineffektiv hält?

  8. Türöffner für die Kopfpauschale
    Gesundheitspläne stoßen auf Widerstand von Gewerkschaften, Verbänden und Opposition.
    Hans-Jürgen Müller, IKK-Verwaltungsratsvorsitzender, erklärt dieser Zeitung: »Ich hoffe, dass der Widerstand so groß sein wird, dass der Minister von der Kopfpauschale Abstand nimmt. Sie ist zutiefst ungerecht«. Kathrin Vogler von der LINKEN im Bundestag, die für eine solidarische Bürgerversicherung wirbt, hält es ebenfalls für aussichtsreich, sich zu wehren. Die Regierung sei sich nicht einig, sagt sie. CSU-Vorsitzender Horst Seehofer bezeichnet die Pauschale, für deren Einführung laut SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier 35 Milliarden Euro benötigt werden, als völligen Nonsens und gibt ihr »nicht die Spur einer Chance«. Widerstand gegen die Aufkündigung der Solidarität probt schon mal die Senioren-Union der CDU in Schleswig-Holstein. Sie rät, Zusatzbeiträge nicht zu zahlen, die seien ein Eingriff in den Solidarpakt von Arbeitnehmern und -gebern, heißt es in ihrer Mitteilung.
    Quelle: ND

    Siehe dazu auch:

    Werden Zusatzbeiträge nicht gezahlt, wollen Kassen kürzen
    Nach der DAK hat auch die BKK angekündigt, Leistungen zu streichen, wenn Versicherte den angekündigten Zusatzbeitrag nicht zahlen. Ob sie dazu befugt sind, weiß aber nicht einmal ihr Dachverband. Kassen und Politiker werfen sich gegenseitig Versäumnisse vor.
    Quelle: Der Westen

  9. Rösler will Kopfpauschale durchboxen
    Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) will das Modell einer Kopfpauschale im Gesundheitssystem gegen alle Widerstände durchsetzen und verknüpft damit seine politische Zukunft. Rösler äußerte sich überzeugt, dass er die Union für sein Modell gewinnen kann. Die CSU bleibt jedoch beim Nein. Rösler sagte in der ARD-Sendung „Beckmann“ am Montagabend: „Wenn es mir nicht gelingt, ein vernünftiges Gesundheitssystem auf den Weg zu bringen, dann will mich keiner mehr als Gesundheitsminister haben. Davon gehe ich fest aus.“
    Quelle: Ärzteblatt

    Anmerkung Martin Betzwieser: Herr Dr. Rösler wollte ja nur bis zum 45. Lebensjahr in der Politik bleiben. Es kann schneller gehen als erwartet, dass ihn keiner mehr als Gesundheitsminister haben will.

  10. Honorarstreit: Ärzte verdienen deutlich mehr als zugesagt
    Seit Wochen wird über die Erhebung von Zusatzgebühren durch die Krankenkassen gestritten. Jetzt bestätigt der Chef der kassenärztlichen Bundesvereinigung WELT ONLINE, dass die Honorarreform den Ärzten 3,4 Milliarden Euro mehr bringt und nicht nur 2,5 Milliarden, wie versprochen. Und dieses Jahr steigt der Betrag weiter.
    Quelle: WELT
  11. Peinlicher Abschluss: Gewerkschafter kritisieren neuen Tarifvertrag für Leiharbeitnehmer
    In einem von der IG Metall organisierten Internetforum für Zeitarbeiter überwiegen kritische Kommentare. »Leute, die ich organisiert habe, haben mir geschrieben, es ist peinlich. Die hätten lieber keine solche Erhöhung als so eine Erniedrigung«, schreibt ein Metaller. Ein anderer Gewerkschafter moniert, es habe seines Wissens noch keine Sitzung der Tarifkommission der Gewerkschaft gegeben, obwohl dort auch Betriebsräte aus Verleihbetrieben säßen.
    Nicht nur die Basis äußert Kritik. Ein bayerisches Mitglied der Tarifkommission will den Vertrag ablehnen. »Alles was nach zwei Jahren abgeliefert wurde, ist eine Zustandsbeschreibung, die Aktive vor Ort wahrscheinlich in 30 Minuten selbst hätten schreiben können.« Die IGM-Verwaltungsstellen Regensburg und Augsburg hatten Anfang Januar dem Gewerkschaftsvorstand ihre Bedenken mitgeteilt.
    Quelle: ND
  12. Privatsender wollen Anteil an Zwangsabgaben
    Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger stellt eine entsprechende Urheberrechtsänderung in Aussicht.
    Einnahmen über marktwirtschaftliche Aktivitäten zu erzielen ist bei großen Unternehmen oft bemerkenswert unbeliebt. Aktuell bemühen sich die privaten Fernsehsender darum, ihr Geschäftsmodell vom Verkauf von Werbung auf Zwangsabgaben umzustellen. Nicht nur über das huckepack mit HDTV eingeführte DRM, sondern auch direkter, über Leermedien- und Geräteabgaben.
    Quelle: Telepolis
  13. Geburtenrate in Deutschland: Religiosität hilft nicht
    In den alten Bundesländern gibt es in vielen Regionen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes für nur fünf Prozent der unter Dreijährigen einen Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte (Frankreich: fast 50 Prozent). Während es in Deutschland auch noch für ein Drittel der Kinder im Alter von über drei Jahren keinen Platz gibt, gehen in Frankreich fast 100 Prozent der über Dreijährigen in eine Kindertagesstätte.
    Es ist nicht nachvollziehbar, warum bei dem nunmehr jahrzehntelangen Gejammer über das drohende Aussterben der Deutschen nicht früher etwas an diesem Missstand geändert wurde. Dass erst ab 2013 ein Kitaplatz für Kinder unter drei Jahren garantiert werden kann, ist ein Skandal. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die meisten Familien heute auf zwei Einkommen und damit auf einen Betreuungsplatz für ihre Kinder angewiesen sind.
    Die arbeitsmarktstrukturellen Veränderungen der letzten Jahrzehnte haben entscheidend dazu beigetragen: Wie in kaum einem anderen Land in Westeuropa hat sich in Deutschland ein gigantischer Niedriglohnsektor etablieren können, die Realeinkommen sind weit stärker als im EU-Durchschnitt gesunken.
    Quelle: ZEIT
  14. Mit Gesangbuch und Parteibuch: Christen formieren sich in den Parteien
    Die Unionsparteien führen das C im Namen, doch auch in den übrigen großen Parteien schließen sich christliche Aktivisten zu Arbeitskreisen zusammen oder sprechen gezielt Gläubige als Wähler an.
    Ein Blick auf die CDU/CSU. Hier gibt es seit Wochen eine heftige Konfessionsdebatte. Anlass ist die Entstehung des unionsinternen Arbeitskreises Engagierter Katholiken. Die Initiative zeigt sich unzufrieden mit dem Kurs der C-Parteien – und verweist auf rund vier Millionen Wähler, die der Union verloren gegangen seien in den letzten Jahren. Dem Arbeitskreis zufolge haben sich 2009 etwa viele Katholiken von der CDU abgewendet, weil Parteichefin Angela Merkel den Papst attackiert hatte. Hintergrund war Roms Umgang mit dem Holocaust-Leugner Richard Williamson. Die Bundeskanzlerin – und Protestantin – Merkel hatte den “Heiligen Vater” in aller Öffentlichkeit gerügt. Martin Lohmann, der Sprecher des neuen Katholikenkreises, findet dies unerhört.
    Neue religiöse Aktivitäten auch beim Koalitionspartner FDP. Hier ist im vergangenen Frühjahr die Gruppe “Christen in der FDP-Bundestagsfraktion” entstanden. 41 der insgesamt 93 liberalen Abgeordneten sind mittlerweile Mitglied dieses ökumenischen Arbeitskreises. Die Aktivsten von ihnen findet man etwa beim Morgengebet im Andachtsraum des Reichstaggebäudes.
    Quelle: Deutschlandradio
  15. Rücktritt bei France Télécom wegen Selbstmordserie
    Seit 2008 haben sich mehr als 30 Mitarbeiter des Telekommunikations-Riesen das Leben genommen. Nun tritt CEO Didier Lombard schneller als erwartet zurück. Stéphane Richard, die bisherige Nummer zwei, übernimmt das Ruder. France Télécom war in den vergangenen Monaten wiederholt wegen Selbstmorden von Beschäftigten am Arbeitsplatz in die Schlagzeilen geraten. Seit 2008 nahmen sich nach Gewerkschaftsangaben mehr als 30 Mitarbeiter das Leben. Arbeitnehmervertreter werten das als Ergebnis unmenschlicher Arbeitsbedingungen und des Programms «time to move» zum schnellen Stellenwechsel. In den vergangenen Jahren hatte der Konzern 22’000 Stellen gestrichen. Stéphane Richard war erst kürzlich zur Nummer zwei aufgestiegen, nachdem sein Vorgänger vor dem Hintergrund der Selbstmordserie ausgewechselt worden war. Richard war von 2007 bis 2009 Kabinettsdirektor von Wirtschaftsministerin Christine Lagarde und steht Präsident Nicolas Sarkozy nahe. Er soll gute Drähte zu den Gewerkschaften haben.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Nicht nur die France Télécom ist betroffen, der französische Wirtschafts- und Sozialrat schätzt die Zahl der arbeitsbedingten Selbstmorde auf 300 bis 400 pro Jahr. Einige Arbeitsmediziner sprechen von dem Zehnfachen – das wäre mehr als ein Viertel der rund 11.000 Selbstmordfälle im Jahr, mit denen Frankreich europaweit eine Spitzenstellung einnimmt. Immer wenn diese Meldungen zu den Selbstmorden bei der France Télécom erscheinen, frage ich mich, wie es eigentlich bei uns in Deutschland aussieht. Da habe ich z.B. eine Mail eines NDS-Lesers vor Augen, in dem er schildert, wie bei der Deutschen Telekom Personalabbau betrieben wird. Es geht dabei um Beamte der ehemaligen Bundespost. Dabei wird der Versuch unternommen, den besonderen Schutz, den das Beamtenrecht bietet, auszuhebeln, indem Beamte unterschiedlichster Aufgabenbereiche und Fachrichtungen zum Teil völlig ausbildungs-, laufbahn- und fachfremd in Call-Centern (VCS-Call-Center) eingesetzt werden. Es wird eine ganz spezielle, an die Grenzen gehende Flexibilität und Mobilität abverlangt, die letztlich zum Stellenabbau beitragen soll. Spannend wird es dann, wenn dann diese Call-Center z.B. an Arvato weiterverkauft werde. Der NDS-Leser vermutet, dass “hier schrittweise die rechtliche Möglichkeit geschaffen werden soll, Beamte in privatwirtschaftlichen Organisationsformen einzusetzen, um öffentliche Aufgaben mit dem vorhandenen Personal auf private Träger verlagern zu können.” Nur zur Erinnerung: Arvato sieht sein zukünftiges Hauptgeschäft in der Teilauslagerung Öffentlichen Dienstes. Aber das ist wieder ein anderes Feld. Die bei der France Télécom wohl systematisch eingesetzte Über-und Unterforderung der Beschäftigten mit entsprechendem Verlust des Selbstwertgefühls scheint aber auch bei der Telekom zur Anwendung zu kommen, und wahrscheinlich nicht nur dort. Wie kommen unsere Leute mit diesem Druck zurecht? Mit nicht geringem Entsetzen fragt man sich, was aus dem Frankreich geworden ist, das auf Gewalt, und sei sie noch so versteckt, mit Gegengewalt antwortet, aber nein man übt Gewalt an sich selbst – wie bequem für die Arbeitgeber.

  16. Städte rufen um Hilfe
    Die Kommunen in Deutschland steuern auf die schwerste Finanzkrise in der Geschichte der Bundesrepublik zu. In diesem Jahr drohe ein Rekorddefizit von zwölf Milliarden Euro, erklärte der Deutsche Städtetag. Das wären fast 50 Prozent mehr als in der bisher gravierendsten Finanzkrise im Jahr 2003, erklärte Städtetagspräsidentin Petra Roth. “Ein Teil der Städte steht vor dem Kollaps und droht handlungsunfähig zu werden”, meinte die Frankfurter Oberbürgermeisterin. Mit einem Hilferuf wandte sie sich an Bund und Länder. Nur mit deren Unterstützung könnten die Kommunen ihre Dienstleistungen sichern oder ausbauen, also etwa die Kinderbetreuung und die Schulen verbessern oder einen verlässlichen öffentlichen Nahverkehr anbieten. In die Zange genommen fühlen sich die Städte durch sinkende Einnahmen auf der einen und steigende Ausgaben vor allem für Soziales auf der anderen Seite. Entsprechend fordern sie an beiden Stellen mehr Rücksicht auf ihre Nöte. “Entlastung brauchen die Städte besonders bei den Sozialausgaben, die Bund und Länder zu Lasten der Kommunen immer mehr ausgeweitet haben”, betonte die CDU-Politikerin. Zugleich rief Roth die schwarz-gelbe Bundesregierung auf, den Städten mit finanziellen Kompensationen zu helfen, wenn sie die Steuern noch einmal senken sollte.
    Quelle: FR
  17. Volker Pispers ist wieder da
    Quelle: wdr


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