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Titel: Fortsetzung: SPD-Arbeitsmarktkonzept: Eiertanz in der Sackgasse

Datum: 17. März 2010 um 9:04 Uhr
Rubrik: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Das kritische Tagebuch, Gleichstellung, SPD
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Olaf Scholz nannte das Arbeitsmarktkonzept [PDF – 106KB] „eine konsequente Weiterentwicklung unserer Politik“. Die einzelnen Vorschläge des SPD-Arbeitsmarktkonzepts stellen also keinen Neuanfang dar, mit dem die Enttäuschung vieler früheren Anhänger und Sympathisanten der SPD wieder aufgefangen werden könnte. Solange der „Consigliere“ von Schröder, Frank-Walter Steinmeier, in der SPD etwas zu sagen hat, wäre eine Abkehr vom Agenda-Kurs ein Schlag gegen das eigene Führungspersonal.
Weil keine Abrechnung mit dem bisherigen Kurs erfolgt und kein neues Leitbild zugrunde gelegt wird, stehen alle Vorschläge des Arbeitsmarktkonzepts unter dem Verdacht der politischen Kosmetik – um sich etwa gegenüber den Gewerkschaften aufzuhübschen, um die innerparteilichen Narben zu verdecken, um sich gegenüber der Linkspartei etwas Rouge aufzulegen oder gegenüber den Vorstößen von CDU und FDP (etwa im Hinblick auf das Schonvermögen) nicht all zu blass auszusehen.
Wenn man überhaupt ein Umdenken erkennen will, so vielleicht an der Erkenntnis, dass der Sozialstaat nicht mehr durch weiteres zurückschneiden erhalten werden kann. Doch was durch die Hartz-Gesetze schon völlig kahl geschnitten wurde, kann nicht durch das Aufpfropfen einiger neuen Triebe wieder zum Blühen gebracht werden. Wolfgang Lieb

Zu den einzelnen Vorschlägen des Arbeitsmarktkonzepts:

Arbeit für Frauen
Verbindliche gesetzliche Regelungen, auf die sich Frauen berufen können, wenn sie von Lohndiskriminierungen betroffen sind, sind sicher ein begrüßenswertes Unterfangen. Die Frage bleibt, wie solche Regelungen in der Praxis umgesetzt und wirksam werden können.

Auch der Ausbau der Betreuungsinfrastruktur, gezielte Maßnahmen der Arbeitsförderung sowie die Verbesserung des Zugangs zu Qualifizierungsangeboten für Alleinerziehende zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind sinnvolle Vorhaben, die jedoch teilweise außerhalb der Arbeitsförderung liegen oder aber – angesichts der bisherigen Erfolge von Arbeitsförderungsmaßnahmen – äußerst ungewiss sind.

Leiharbeit
Bei der Leiharbeit soll nach kurzer Einarbeitungszeit der Grundsatz, „gleiches Geld für gleiche Arbeit“ gelten. Die konzerninterne Verleihung durch Leiharbeitsgesellschaften müsse begrenzt werden. Mitbestimmungsrechte zur Kontrolle des ordnungsgemäßen Einsatzes der Leiharbeitskräfte sollen gestärkt werden. Es soll wieder der Grundsatz durchgesetzt werden, dass Leiharbeitnehmer bei wechselnden Unternehmen eingesetzt werden; aber unbefristet bei den Leiharbeitsunternehmen beschäftigt werden.
Deshalb sollen die Befristung eines Leiharbeitsverhältnisses und die Koppelung der Befristung an einen Arbeitseinsatz (Synchronisation) außerhalb der Probezeit unzulässig sein. Die sachgrundlose Befristung soll wieder abgeschafft werden.

Mit der Umsetzung dieser Vorschläge könnten sicherlich Auswüchse bei der Leiharbeit eingedämmt werden, aber nicht die tatsächliche Entwicklung, dass die Leiharbeit zu einem konstitutiven Bestandteil des Arbeitsmarktes geworden ist und zu Verdrängungsprozessen bei normalen Arbeitverhältnissen und zum Unterlaufen des Kündigungsschutzes geführt haben. Leiharbeit wird inzwischen darüber hinaus strategisch als Disziplinierungsinstrument der Stammbelegschaften benutzt wird. Leiharbeiter führen den Stammbeschäftigten täglich vor Augen, wie schnell sie selber zu Leiharbeitern werden können.

Um Leiharbeit tatsächlich nur zum Auffangen von Auftragsspitzen zuzulassen, müsst neben dem Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ mindestens auch noch die Höchstverleihdauer begrenzt bzw. eine Anstellungspflicht nach einer bestimmten Zeitdauer eingeführt werden.

Leider zeigte die Erfahrung, dass auch die Betriebsräte vor allem die Interessen der fest angestellten Kollegen im Auge hatten, so dass eine Ausweitung der Mitbestimmungsrechte nicht zwingend zu einer Gleichbehandlung der Leiharbeitskräfte führt.

Der Anreiz für die Betriebe Leiharbeitnehmer/innen strategisch zur Senkung der Personalkosten einzusetzen, kann letztlich nur dadurch genommen werden, wenn diese in Engpässen eingesetzten Arbeitskräfte teuerer werden, als Normalarbeitsverhältnisse und wenn die explosionsartig gestiegene Zahl von Leiharbeitsagenturen ihre Gebühren für die Überlassung unmittelbar mit den Entleihern abrechnen müssen und gleichzeitig das Synchronisationsverbot schleunigst wieder eingeführt wird. (Vgl. Leiharbeit: kompakt )

Es hat sich außerdem gezeigt, dass ohne gesetzliche Mindestlöhne in vielen Wirtschaftsbereichen kaum angemessene Löhne zu erreichen sind, solange Spaltergewerkschaften Pseudotarifverträge abschließen können.

Ausbau der Mitbestimmung
Die Vorschläge die paritätische Mitbestimmung auf Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten auszudehnen und den Katalog der zustimmungsbedürftigen Geschäfte zu erweitern sind durchweg als eine Erweiterung der bisherigen Positionen der SPD – jedenfalls soweit sie in der Regierungspraxis vertreten wurden – anzuerkennen. Man fragt sich allerdings, mit welchen parlamentarischen Mehrheiten die SPD solche Forderungen in Zukunft politisch umsetzen könnte.

Vereinfachte Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen
Positiv zu vermerken ist, dass in dem Beschluss Löhne nicht mehr länger als exporthemmender Kostenfaktor betrachtet, sondern in ihrer „volkswirtschaftlichen Funktion“ anerkannt werden. Löhne müssen der Produktivität folgen, heißt es dort. Vergessen wurde allerdings dem Produktivitätszuwachs den Inflationsausgleich als Lohnsteigerungsmaß hinzuzufügen. Immerhin wird gefordert, dass „der Zusammenhang zwischen sinkender Lohnquote, steigenden Spitzeneinkommen und Vermögen einerseits und schwacher Inlandsnachfrage andererseits…aufgebrochen werden“ müsse.

Allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn
Als eine Ursache für die „zurückhaltende Lohnentwicklung“ wird die abnehmende Bedeutung der Tarifverträge genannt. Das ist nicht falsch, aber man müsste ehrlicherweise hinzufügen, dass auch die Politik von Sozialdemokraten die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften in den letzten Jahren weiter geschwächt hat. Das fängt vom sog. Beschäftigungsförderungsgesetz mit der Förderung des Niedriglohnsektors an und hört bei den Hartz-Gesetzen nicht auf. Die SPD legt auf ihre bisherige Forderung einen Euro drauf und schlägt – wohl mit Rücksicht auf die Gewerkschaften – nunmehr einen Mindestlohn von 8,50 Euro vor. Das kann man als Oppositionspartei locker fordern. Glaubwürdiger wäre diese Forderung, wenn die SPD damit unter Rot-Grün ernst gemacht hätte oder auch in der Großen Koalition aus Disziplin nicht gegen einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn gestimmt hätte.

Ziel Vollbeschäftigung
In Zeiten, in denen man in fast jeder Talkshow zu hören bekommt, dass „uns“ die Arbeit ausgehe, ist es schon ein Gewinn, wenn sich eine politische Partei noch die Vollbeschäftigung zum Ziel setzt. Bedenklich ist allerdings, wenn dieses Ziel nicht durch eine aktive Beschäftigungspolitik angestrebt werden soll, sondern der demografischen Entwicklung bzw. dem Rückgang der Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter überlassen bleiben soll.

Berufsausbildung und Qualifizierung
Endlich wird der Lehrstellenbetrug unzähliger Lehrstellengarantien aufgegeben, wonach jeder der ausbildungswillig und ausbildungsfähig ist, einen Anspruch auf eine Berufsausbildung hat. In dem Papier werden aber nicht mehr die Unternehmen in Anspruch genommen, ausreichend Ausbildungsplätze anzubieten (die Ausbildungsplatzabgabe ist in der SPD nach wie vor tabu), gefordert wird nun, „dass junge Leute, die nicht innerhalb der ersten drei Jahre nach der Schule eine Lehrstelle finden, einen Anspruch auf eine Berufsausbildung durch staatliche Förderung bekommen müssen.“

Der Staat soll also wieder einmal Ausfallbürge für die Betriebe werden. Schon heute wechselt weniger als die Hälfte der Schulabgänger eines Jahrgangs direkt in die duale Berufsausbildung. Um einen Anspruch auf eine Berufsausbildung durch staatliche Förderung zu verwirklichen, bedürfte es gewaltiger Anstrengungen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Versprechen der SPD so hohl bleibt, wie die Erklärungen in unzähligen Ausbildungspakten, ist groß.

Sämtliche Forderungen zur besseren Qualifizierung, sowohl zur Förderung von Schulabschlüssen, wie zur beruflichen Weiterqualifizierung oder zur Durchlässigkeit von Bildungsgängen, sind begrüßenswert. Sie finden sich allerdings schon seit Jahren in allen Dokumenten quer durch alle Parteien zu lesen und sind bis heute das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wurden.

Arbeitsvermittlung
Die SPD hält daran fest, dass „die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe …ein richtiger Schritt (war), um die Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland aufzubrechen. Dieser Reformschritt ist unumkehrbar.“
Die Antwort auf die Kernfrage, nämlich ob die Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit tatsächlich aufgebrochen worden ist, bleibt der Beschluss schuldig. Auch das Akzeptanzproblem, dass langjährig Berufstätige nach relativ kurzer Zeit mit bedürftigen Sozialhilfeempfängern gleichbehandelt werden, wird nicht aufgeworfen.
Bei der akuten Fragen, wie sich die SPD zur gesetzlichen Neuregelung der Job Center stellt, also ob sie eine Verfassungsänderung mit trägt und unter welchen Bedingungen, bleibt, das Papier völlig vage. Kein Wort zu den von der CDU zäh verteidigten sog. Optionskommunen.
Dabei geht es bei dieser Frage um mehr als nur um die Organisation bei der Betreuung Langzeitarbeitsloser und ihrer Familien, des geht um die Zukunft von mehr als 7 Millionen Menschen in Deutschland.

„Sozialer Arbeitsmarkt“
Ausgehend von Schätzungen, dass derzeit bis zu 400.000 Langzeitarbeitslose kaum Chancen auf eine Integration in den „ersten Arbeitsmarkt“ haben, will die SPD einen „sozialen Arbeitsmarkt“ mit öffentlich geförderter Beschäftigung ausbauen“ und in den kommenden zwei Jahren zusätzlich 200.000 Beschäftigungsverhältnisse für Arbeitslosengeld II-Empfänger anbieten und ggf. auch Ein-Eur-Jobber dorthin überführen. Dafür sollen 3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden.

Konkret könne damit der existierende „Kommunal-Kombi“ in strukturschwachen Gebieten mit 80 oder gar 100% vom Bund bezuschusst werden. Auch das Programm „Job-Pespektive“ mit einem gesetzlichen Beschäftigungszuschuss könne ausgebaut werden.

Damit keine regulären Arbeitsplätze vernichtet werden, sollen Angebote des „sozialen Arbeitsmarktes“ nur bei Zustimmung von Gewerkschaften und Kammern eingerichtet werden.
Die Lohnhöhe soll über der Hilfsbedürftigkeit eines Arbeitssuchenden liegen.

Die Annahme solcher Beschäftigungsangebote soll freiwillig sein. Was es allerdings mit dieser „Freiwilligkeit“ noch auf sich hat, wenn hinzugefügt wird, dass „für den Fall der Ablehnung angebotener und zumutbarer Arbeit…weiterhin die bereits bestehenden Sanktionsmöglichkeiten“ gelten, sei zunächst einmal dahin gestellt. Die Gefahr, dass der „soziale Arbeitsmarkt“ als Zwangstest für Arbeitswilligkeit missbraucht wird, ist jedenfalls mit den Formulierungen dieses Beschlusses nicht ausgeschlossen.

Die Grundidee des „sozialen Arbeitsmarktes“ ist nicht neu, sie wurde früher schon als sog. „Dritter Arbeitsmarkt“ in die Diskussion gebracht.

Der Gedanke, dass man beschäftigungswillige Langzeitarbeitslose angesichts derzeit fehlender Arbeitsplätze nicht einfach hängen lassen darf, ist für Viele (auch Betroffene) durchaus sympathisch. Er zeugt auch von der Einsicht, dass Beschäftigung eben nicht gemäß der herrschenden ökonomischen Lehre nur durch Senkung von Lohn- oder sog. Lohnnebenkosten oder durch Entlastung der Unternehmen geschaffen werden kann. Leider verbindet der Beschluss diese Einsicht nicht mit einer klaren Absage an die Ideologie der Angebotsökonomie.

Die Idee des „sozialen Arbeitsmarktes“ greift auch den schreienden Widerspruch auf, dass einerseits Millionen Menschen (selbst qualifizierte) arbeitslos sind und gleichzeitig wichtige gesellschaftliche Bedürfnisse nicht erfüllt werden können.

Aus diesen positiven Gründen und mit Rücksicht auf viele Betroffene, die darin eine (letzte) Chance sehen mögen, fällt eine Kritik nicht leicht.

Dennoch darf nicht außer acht gelassen werden, dass die Aufteilung des Arbeitsmarktes in einen ersten und zweiten und jetzt eben noch in einen „sozialen Arbeitsmarkt“ nur ein gedankliches Konstrukt ist. Es gibt nämlich keine Trennung von Arbeitsmärkten. Die Arbeitsmärkte sind durchlässig, wenn etwa durch eine beschäftigungsorientierte Wirtschaftspolitik überhaupt Nachfrage nach Arbeit besteht. Ein „sozialer Arbeitsmarkt“ ist somit letztlich eine Absage, dass Vollbeschäftigung möglich wäre. Damit wird aber die Wirtschafts- und Finanzpolitik aus ihrer Verantwortung entlassen. Gelänge durch eine makroökonomisch angelegte Politik ein wirtschaftlicher Aufschwung, so würden mehr Menschen billiger und unbürokratischer in den Arbeitsmarkt aufgesogen als durch die drei Milliarden Zuschüsse an Unternehmen und Kommunen mit Job-Angeboten für den „sozialen Arbeitsmarkt“.

Es ist fraglich, warum dringende gesellschaftliche Bedarfe nun gerade über einen „sozialen Arbeitsmarkt“ aufgefangen werden sollen, statt dass öffentliche Mittel eingesetzt werden, um reguläre Stellen anzubieten. Es ist doch paradox, wenn auf der einen Seite durch den Steuersenkungswahn die Kommunen ausgehungert wurden und dringende öffentliche Leistungen nicht mehr erbringen können und wenn nun anderseits mit dem „sozialen Arbeitsmarkt“ ein neuer Apparat aufgebaut werden soll, der schließlich zusätzlich Geld verschlingt. Es erstaunt also nicht, dass die Steuersenkungsfetischisten von FDP und CDU schon jetzt diesen Vorschlag als unbezahlbar attackieren. Klar ist jedenfalls: so lange die Steuersenkungsideologie die Politik beherrscht, dürfte es das nötige Geld für den „sozialen Arbeitsmarkt“ kaum geben.

Noch gravierender als diese grundsätzlichen Bedenken ist die Gefahr, dass durch die geförderten Arbeitsplätze reguläre Arbeitsplätze gefährdet werden. Zwar soll für die Angebote auf dem „sozialen Arbeitsmarkt“ die Zustimmung der Gewerkschaften und der Kammern eingeholt werden, aber die Erfahrungen mit den Ein-Euro-Jobs haben doch schon bewiesen, dass damit reguläre Beschäftigung verdrängt wurde. Ein „sozialer Arbeitsmarkt“ könnte sogar einen Dammbruch zur Folge haben, d.h. die Löhne für einfache Tätigkeit werden weiter sinken und ein immer größerer Teil der Beschäftigten wird durch staatliche Zuschüsse finanziert.

Man mag den „sozialen Arbeitsmarkt“ als akute Notmaßnahme akzeptieren, solange aber die finanzpolitischen Zusammenhänge, d.h. die Ursachen für die Finanznot und den Beschäftigungsabbau im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, nicht erkannt werden und darüber hinaus Beschäftigung nicht durch eine makroökonomisch aktive Beschäftigungspolitik geschaffen wird, solange bleibt der „soziale Arbeitsmarkt“ eine Alibi-Veranstaltung.

Arbeitslosengeld
Der Bezug von Arbeitslosengeld I soll bei Teilnahme an berufsqualifizierenden Maßnahmen um bis zu sechs bzw. sogar um bis zu zwölf Monate verlängert werden.
Gleichzeitig soll aber der Anspruch auf das Arbeitslosengeld I statt wie bisher nach 24 Monaten erst nach 36 Monaten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung erwachsen.

Da sogar CDU und FDP das altersabhängige Schonvermögen auf 750 Euro pro Lebensjahr verdreifacht und auch die selbst bewohnte Immobilie bei der Bedürftigkeitsprüfung abrechnungsfrei gestellt haben, setzt jetzt die SPD mit einem grundsätzlichen Verzicht auf eine Vermögensprüfung nur noch einen drauf. Sie will nur noch ein Missbrauchsverbot per Gesetz installieren.

Außerdem sollen sich lange Beschäftigungszeiten im zweijährigen Übergangssystem von Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II mit bis zu 160 Euro im ersten und maximal 80 Euro im zweiten Jahr der Arbeitslosigkeit auszahlen.

Vor allem diese kleinen Korrekturen beim Arbeitslosengeld werden in den Medien als „Abkehr“ von den Hartz-Gesetzen bezeichnet. Das ist bei näherer Betrachtung kompletter Unsinn oder schiere ideologische Verblendung.

Schon die Erhöhung des Schonvermögens, wie sie von CDU und FDP vorgenommen wurde, war eine reine Irreführung war, weil ohnehin nur 0,2 Prozent aller Antragssteller davon profitieren.

Die Kanzlerin bezeichnete den grundsätzlichen Verzicht auf eine Vermögensprüfung, wie ihn nun die SPD vorschlägt, als „absoluten Irrsinn“. Ach hätte sie doch nur ein klein wenig Kenntnis von der Vermögensverteilung in dieser Gesellschaft, dann müsste sie bemerken, dass auch mit dem Vorschlag der SPD Arbeitslose keineswegs großartig von ihrem Vermögen zehren könnten. In aller Regel haben Arbeitslose nämlich gar kein oder nur ein ganz geringes Vermögen.

Nach einer vom DIW publizierte Verteilung des Nettovermögens der Personen über 18 Jahren ergibt sich:
Die unteren 30 Prozent der Bevölkerung verfügen über keinerlei Nettovermögen (die unteren 10 Prozent sind sogar verschuldet).
Auf die unteren 50 Prozent der Bevölkerung entfallen gerade einmal 1,6 Prozent des gesamten deutschen Nettovermögens.

Nettovermoegen
Quelle: FR

Wenn man also schon von einer „Abkehr“ spricht, dann ist das, was die SPD nun vorschlägt nicht etwa eine „Abkehr“ von Hartz sondern eine „Abkehr“ von der Verleugnung der Wirklichkeit. Mit der Wahrnehmung der Wirklichkeit hätte die SPD allerdings schon vor genau sieben Jahren anfangen können, als Schröder seine Agenda 2010 verkündete.
Sie hätte sich selbst und Millionen von Menschen damit viel erspart.


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