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Titel: »Hochschule und Demokratie – eine kritische Bestandsaufnahme«

Datum: 25. Mai 2010 um 7:34 Uhr
Rubrik: Hochschulen und Wissenschaft
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Vortrag von Torsten Bultmann auf der Tagung »Hochschule wohin?«, veranstaltet vom Netzwerk der niedersächsischen Kooperationsstellen Hochschule und Gewerkschaft am 15. April 2010 in Hannover.

Liebe Kolleginnen und Kollegen

Ich sehe es nicht so sehr als meine Aufgabe an, die demokratietheoretischen und demokratiepolitischen Postulate im hochschulpolitischen gewerkschaftlichen Leitbild [PDF – 788 KB] der Böckler Stiftung – enthalten in ähnlicher Stoßrichtung auch im neuen wissenschaftspolitischen Programm der GEW- noch einmal zu benennen und zu begründen. Vielmehr möchte ich die aktuellen Konflikte um unterschiedliche Hochschulsteuerungsmodelle vom Standpunkt der Demokratisierung der Hochschulen – mein eigener – historisch einordnen und noch einmal politisch in einer Weise zuspitzen, dass dieser Streit besser und politisch bewusster geführt werden kann: kurz: ich möchte die Auseinandersetzung radikalisieren.

Zunächst eine unsystematische, aber aktuelle Vorbemerkung: Man könnte die aktuelle Bildungsstreikbewegung auch als praktische Lektion im Hinblick auf fehlende Hochschuldemokratie politisch interpretieren. Dem Streik liegen sicher vielfältige Motive zugrunde. Eine zentrale Klammer des Streiks an den Hochschulen war aber nach meiner teilnehmenden Beobachtung das Gespür dafür, dass studentische Interessen in der aktuellen Variante von Studienreform in Gestalt des Bologna Prozesses vollständig unterrepräsentiert sind bzw. komplett ignoriert werden.

Für mich ist dies ein zentraler Aspekt des überwiegenden Scheiterns von Bologna. Wenn beispielsweise die Studienkommissionen, die ja in vielen Grundordnungen von Hochschulen etwa als Ausschüsse der akademischen Senate vorgesehen und häufig paritätisch aus Lehrenden und Studierenden zusammengesetzt sind, auch nur ein (aufschiebendes) Vetorecht gegenüber so manchen Konstrukten von neuen Studiengängen gehabt hätten, wäre uns viel Blödsinn erspart geblieben. Das ergibt sich schon daraus, dass Studierende ihre Alttagssituation und damit ihre Interessen am besten kennen – und daher auch beurteilen können, dass so manche überfrachtete und verdichtete Studien- und Prüfungsordnung völlig an der durchschnittlichen studentischen Lebensrealität vorbei konstruiert wurde. Erspart geblieben wäre uns zusätzlich ein gigantischer bürokratischer und finanzieller Aufwand für die anstehenden Nachreparaturen der jetzt notwendigen ›Reform der Reform‹. Man sieht: der Aspekt demokratischer Partizipation lässt sich sogar – in intelligenter, d.h. nicht neoliberaler Weise – mit Wirtschaftlichkeitsgewinnen in Verbindung bringen.

Dass es offenbar ein Defizit an Partizipation gibt, sieht man schon daran, dass aktuell keine Stellungnahme von HRK oder BMBF zur ›Nachbesserung‹ von Bologna erscheint, in der nicht geradezu emphatisch eine stärkeres Einbeziehung von Studierenden gelobt und gefordert wird. Man wird künftig kritisch beobachten müssen, ob es sich dabei um eine bloße Legitimations- und Motivationsstrategie für die Umsetzung von Beschlüssen, die ohnehin feststehen, handelt – oder um eine wirkliche Neueröffnung der Debatte mit offenem Ergebnis. Nur Letzteres verdiente die Bezeichnung demokratische Partizipation.

Mein Verband führt die ›Demokratie‹ im Namen. Deswegen werden wir häufig gefragt, was Demokratie eigentlich mit Wissenschaft zu tun hat? Die Antwort lautet: in einem unmittelbaren Sinnen nichts!

Wissenschaft reguliert sich über Erkenntnis und Wahrheit, Politik – und nur Politik ist demokratisierbar – über Interessen und Mehrheiten. Über die Gültigkeit einer wissenschaftlichen Schlussfolgerung kann nicht politisch abgestimmt, sie kann nur durch neue Erkenntnisse und bessere Argumente widerlegt werden. Mehrheiten können sich auch irren, was historisch häufig genug vorkam Dieses Spannungsverhältnis zwischen Politik und Wissenschaft besteht also immer. Das heißt aber nicht in einem falschen Umkehrschluss, dass Wissenschaft und partizipatorische Strukturen in einem Verhältnis prinzipieller Unvereinbarkeit zueinander stehen. In Hochschulgremien etwa soll nicht über physikalische Theorien abgestimmt werden, die Forderung nach demokratische Verfasstheit solcher Gremien rechtfertigt sich aus dem Vorhandensein unterschiedlicher, aber grundsätzlich gleichberechtigter legitimer Interessen im Hinblick auf die alle Beteiligten – also etwa die unterscheidbaren akademischen Statusgruppen – betreffende Vorgänge: beispielsweise die Organisation eines Studiums.

Man muss also einerseits wissen, dass man Wissenschaft nicht durch Politik oder Ideologie ersetzen kann, dass also dieses Spannungsverhältnis nicht aufhebbar und dieses auch nicht anzustreben, weil es eine Bedingung neuer Erkenntnisse ist. Man muss gleichzeitig wissen, dass diese Unterscheidung von Erkenntnis auf der einen und Interesse – ergo: Politik- auf der anderen Seite letztlich nur analytisch möglich ist. Wissenschaft ist auch von vornherein ein hochgradig arbeitsteilig vergesellschafteter, ein sozialer Prozess, in dessen Struktur ständig politische Annahmen und Entscheidungen einfließen: die Problematik ist sehr gut in dem Arbeitspapier von Klaus Kock zur Leitbilddebatte dargestellt, welches ich einmal stellvertretend für alle andere – ausnahmslos anregenden – Diskussionspapiere hervor heben möchte.

Welche Probleme zum Forschungsgegenstand gemacht werden oder welche Inhalte in einem Bachelor-Studiengang aufgenommen werden und welche nicht, ist im Kern eine politische Entscheidung, ein sozialer Aushandlungsprozess, kurz: ein politischer Vorgang, welcher sich den Anforderung von Transparenz und Demokratie stellen muss bzw. der Demokratisierung zugänglich ist.

›Autonomie‹ ist heute ein Schlüsselbegriff der offiziellen Hochschulreform. ›Autonomie‹ war signifikanterweise auch ein Schlüsselbegriff der berühmten Denkschrift des Sozialistischen Deutschen Studentischen (SDS) mit dem Titel Hochschule in der Demokratie.
Diese Denkschrift wurde noch vom SPD Parteivorstand in Auftrag gegeben, als sie 1961 erstmalig erschien, war der SDS schon aus der Partei geflogen. Im Kapitel III »Akademische Freiheit und soziale Demokratie« heißt es etwa: »Die Unabhängigkeit der Hochschule in Staat und Gesellschaft aber ist die Voraussetzung ihrer inneren Demokratisierung – und umgekehrt.
Beides zusammen ermöglicht erst ihre kritische Funktion gegenüber der Gesellschaft. « (Sozialistischer Deutscher Studentenbund: Hochschule in der Demokratie. Durchgesehene Neuauflage. Verlag »neue kritik«. Frankfurt/Main 1965. S. 93)

Das Neue daran war, dass das Humboldtsche Konzept der Autonomie der Wissenschaft hier systematisch – und in dieser Form erstmalig – mit dem Gedanken der demokratischen Selbstverwaltung verkoppelt wird. Dieser Ansatz wird zugleich definiert als »Unabhängigkeit vom Staatsapparat und den herrschenden gesellschaftliche Kräften im Interesse der gesamten Gesellschaft. « (a.a.O.) In der Abgrenzung von den herrschenden
gesellschaftlichen Kräften“ soll offenbar zum Ausdruck gebracht werden, dass Mitglieder der Hochschule auch eine Art Verantwortung oder Treuhandfunktion gegenüber unterprivilegierten gesellschaftlichen Interessen haben. (Deswegen war etwa der Gründungsauftrag der Universität Bremen »Wissenschaft im Arbeitnehmerinteresse«.)

Praxisbezug ist in der Denkschrift definiert als kritische Funktion gegenüber der Gesellschaft: also eben auch in der Perspektive der Veränderung einer bestehenden Praxis – und nicht lediglich als Bedienung einer Nachfrage, die von außen an die Hochschulen herangetragen wird. Diese Begründungsmuster sind deswegen wichtig, weil sie das Konzept demokratischer Selbstverwaltung hier nicht rein normativ oder moralisch reklamieren, sondern als Voraussetzung für die umfassende gesellschaftliche Verantwortung der Wissenschaft, für die Mehrung ihres gesellschaftlichen Nutzens begreifen.
Damit wurde ein politisches Spielfeld eröffnet, auf dem bis heute – ohne durchgreifende Entscheidung – gespielt wird. Das ist die Tradition, in welcher auch das Leitbild demokratische und soziale Hochschule oder das neue wissenschaftspolitische Programm der GEW stehen.

Was ist daran so aktuell? Die Auseinandersetzung zwischen dem Konzept ›unternehmerische Hochschule‹ mit ihrer Konzentration aller strategischen Entscheidungskompetenzen an der Spitze der Hochschule auf der einen und dem Konzept unseres Leitbild, welches ich mal verkürzt umschreibe als ›demokratische Autonomie in gesellschaftlicher Verantwort‹ ist ihrem Wesen nach kein Streit um formale Modelle oder technisch-juristische Verfahrensweisen, sondern eine Auseinandersetzung um den gesellschaftlichen Nutzen, den gesellschaftlichen Wirkungsgrad von Wissenschaft: welche gesellschaftliche Interessen in ihr berücksichtigt oder eben vernachlässigt werden.

Die dominierende politische Position, mit der wir es aktuell zu tun haben, hat der frühere bayerische Wissenschaftsminister Thomas Goppel definiert als er nach dem Erfolgsgeheimnis ›seiner‹ Universitäten gefragt wurde, die im bundesweiten »Exzellenzwettbewerb« überdurchschnittlich gut abgeschnitten hatten: »Wir haben unsere Zeit nicht mit Gruppen-Universitäten und Mitbestimmung verschwendet, sondern uns ganz auf Wissenschaft und Forschung konzentriert.« (in: Forschung & Lehre 4/2006, S.194). Solche Aussagen häuften sich seit Mitte der 90e Jahre und wurden für die Hochschulreform zunehmen repräsentativ. Der ehemalige Berliner Wissenschaftssenator George Turner teilte dem Handelsblatt (31.5. 1996) mit: »Als ein wesentliches Hindernis zur Effizienzsteigerung der Hochschulen erweist sich die Entscheidungs- und Gremienstruktur. Die Hochschulen sind nicht aufgabenorientiert, sondern politisch konstruiert.« Der damalige Chef des Bertelsmann-Centrums für Hochschulentwicklung (CHE), Detlef Müller-Böling, erklärte bereits 1998 die Gruppenuniversität deswegen für gescheiter, weil dieser »von vornherein … die falsche Vorstellung zugrunde (lag), Hochschulen seien Institutionen der demokratischen Austragung von Interessengegensätzen…« Stattdessen müssten sich die »Einzelinteressen« an der Hochschule einem »Gesamtinteresse« unterordnen, welches – das ist die Konsequenz dieser Position – in der Hochschulleitung repräsentiert ist. (Süddeutsche Zeitung 23.02.1998)

Die Quintessenz solcher Positionen ist eine Unvereinbarkeitserklärung zwischen Selbstverwaltung/Mitbestimmung/Interessenvertretung auf der einen und wissenschaftlicher ›Effizienz‹ auf der anderen Seite. Das wiederum ist der Quellcode für die zunehmende Entmachtung der Hochschulgremien und die Konstruktion strategischer Entscheidungskompetenzen in einem dirigistischen Top-down-Management an der Spitze der Hochschule. Es geht also nicht um die Frage, wie viel Mitbestimmung wem zugestanden wird? Darüber kann man sich jahrzehntelang streiten – und mehr oder weniger tragfähige Kompromisse schließen. Es geht in einem viel grundsätzlicheren Sinne um die Frage, ob Selbstverwaltung und Interessenvertretung zweckmäßig sind – oder hinderlich bzw. überflüssig. Das ist der fundamentale Dissens in der gegenwärtigen Auseinandersetzung, über den man sich keine Illusionen machen sollte.

Die Begründungen, die wir für die Entmachtung von Hochschulgremien gehört haben, sind aber argumentativ ziemlich schwach. Die Annahme, es gäbe so etwas wie eine ›Aufgabe‹ der Hochschulen an sich oder ein ›Gesamtinteresse‹ einer einzelnen Hochschule, welches in einem politischen Vakuum, d.h. ohne Bezugnahme auf reale Interessen in Gesellschaft und Hochschule bestimmt werden könne, ist eine ideologische Schimäre. Diese erfüllt allerdings den praktischen Zweck, Entscheidungen der neuen starken Hochschulleitungen, denen natürlich auch immer politische Annahmen zugrunde liegen, aus einer öffentlichen und demokratischen Legitimationspflicht herauszunehmen und der Öffentlichkeit bzw. der eigenen Hochschule als pure ›Sachzwanglogik‹ zu präsentieren. Entpolitisierung und Entdemokratisierung sind immer zwei Seiten einer Medaille. In Wirklichkeit werden durch Maßnahmen der neuen ›starken‹ Präsidenten natürlich spezifische gesellschaftliche Partikularinteressen bedient, aber durch die genannten Verfahren zugleich unsichtbar gemacht oder der politischen Verhandelbarkeit entzogen.

Entscheidungen, die nicht mehr in partizipartorischen Strukturen, also etwa in Gremien begründet oder verhandelt werden müssen, sind möglicherweise schneller, aber nicht automatisch besser; eher schlechter oder tendenziell fehlerhafter, insofern sie außerhalb von Begründungspflichten und Kontrolle stehen bzw. sich über die realen Interessen und Qualifikationen an der eigenen Hochschule hinweg setzen können.

Der Streit zwischen dem Konzept ›unternehmerische Hochschule‹ und dem Leitbild demokratische und soziale Hochschule wird schließlich auch um die Frage geführt, wie die Qualität – man könnte auch etwas traditioneller sagen: gesellschaftliche Relevanz – der Prozessabläufe an einer Hochschule eigentlich bestimmbar ist?

Auf der einen Seite ist die Position, ›Qualität‹ und ›gutes Management‹ mehr oder weniger gleichzusetzen. Der Vorstellung eines Wettbewerbes zwischen den Hochschulen liegt schließlich die Auffassung zugrunde, dass die Qualität der Angebote einer einzelnen Hochschule in Forschung und Lehre erst über die Konkurrenz auf einem Quasi-Markt ›ermittelt‹ wird. In diesem Verständnis gibt es über Qualität nichts politisch zu verhandeln und zu entscheiden: sie ist ein indirektes Resultat, welches sich hinter dem Rücken der handelnden und entscheidenden Akteure durchsetzt.

Auf der anderen Seite die Position unseres Leitbildes (und vergleichbar im wissenschaftspolitischem Programm der GEW): Es gibt eine direkte Relation zwischen der Qualität von Prozessabläufen und der Mitbestimmung der diese Prozesse gestaltenden Akteure über diese Abläufe. Mehr Qualität durch mehr Partizipation!

Ich möchte in einem abschließenden Beispiel verdeutlich, wie sich die Perspektive auf identische Vorgänge – etwa die Organisation des Studiums – komplett verändert je nachdem, ob ich einen managementtechnischen oder einer demokratietheoretischen Standpunkt einnehme.

Eine Frage könnte etwa lauten: Wie definiere ich Studienerfolg und damit Studienqualität? Eine Möglichkeit besteht darin, das anhand der Zahl der Studienabschlüsse und der durchschnittlichen Studienzeiten zu bestimmen. Ein solcher Blickwinkel wird etwa durch die sog. leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM) nahe gelegt, wenn Hochschulen aus dem Leistungspool zusätzliche Gelder nach dem Indikator ›Studienabschlüsse‹ wettbewerblich zugewiesen bekommen. Im Leistungspool werden allerdings Gelder ›geparkt‹, die den Hochschulen zuvor weggenommen wurden: in NRW etwa erhalten die Hochschulen nur noch knapp 80 Prozent der ihnen vom Landtag zugebilligten finanziellen Grundmittel direkt zugewiesen. Von den verbleibenden 20 Prozent, die über die LOM verteilt werden, wird die Hälfte nach der Zahl der Studienabschlüsse vergeben. So wird folgende Handlungslogik produziert: die strukturell unterfinanzierten Hochschulhaushalte sind auf zusätzliches Geld angewiesen – und sie bekommen umso mehr Geld je mehr Studienabschlüsse in umso kürzerer Zeit sie produzieren.

Das ist der Blick aus der Managementperspektive – man könnteauch sagen: angewandte Betriebswirtschaft, aber eben keine Bildungspolitik. Damit ist das Problem verbunden, dass die inhaltliche und organisatorische Qualität des Studiums gleichgültig wird.

Das ist keine Frage böser Absichten – ich argumentiere hier ausdrücklich nicht moralisch – das ist eine Frage problematischer Strukturen, die solche Fehlsteuerung zur Folge haben können.

Um ein aktuelles Beispiel aufzugreifen: Wenn HRK und BMBF sich auf die Formel verständigt haben, im Bologna Prozess seien »handwerkliche Fehler« gemacht worden, dann dient diese – herrschaftstechnisch wohlüberlegte – Formel dazu, diese Strukturen, kurz: die gesamten bildungsökonomischen Rahmenbedingungen des Bologna Prozesses, politisch auszublenden.
»Handwerkliche Fehler« sind subjektive Fehlleistungen Einzelner und keine Folge falscher politischer Weichenstellungen und Strukturen.

Ein anderer Blickwinkel wäre, Studium zu verstehen als einen kooperativen sozialen Prozess zwischen verschiedenen Akteuren, die ihre jeweiligen Interessen und Fähigkeiten aufeinander abstimmen müssen, um gemeinsam zu einem guten oder besseren Ergebnis zu kommen. In dieser Perspektive sind Studierende keine Abfüllbehälter für ein fertiges Wissen nach den Prinzipien der Zeitökonomie und des Nürnberger Trichters, sondern intellektuelle Ko- Produzenten von Wissenschaft oder gemeinsamen Bildungserlebnissen. Daraus leitet sich zwingend der Anspruch demokratischer Beteiligung und Selbstverwaltung ab. Ohne oder gar gegen Studierende lässt sich daher prinzipiell keine Studienreform gestalten.

Kurzes Fazit zum Schluss: Demokratisierungsprozesse realisieren sich nicht von selbst oder als rein moralisches Anliegen, sondern wenn es gelingt, insgesamt den öffentlich überzeugenden Nachweis anzutreten, dass durch sie insgesamt in einem gesellschaftlich wünschbaren Sinne die Ergebnisse des Handelns besser werden. Demokratische Verfahren sind auch immer riskant und ergebnisoffen, sie schützen überhaupt nicht davor, den größten Blödsinn zu beschließen oder Fehler zu machen – wir werden ja vermutlich gleich in der Diskussion hören, was alles in der Gruppenuniversität, die einen miserablen Ruf genießt, alles nicht geklappt hat. Allerdings gilt auch, dass demokratische Strukturen in einem weitaus höheren Maße transparent, zur Fehleranalyse und –Korrektur, zur Selbstverbesserung in der Lage sind. Autoritäre Strukturen hingegen stellen sich wesentlich weniger selbst in Frage, scheuen die Öffentlichkeit und neigen dazu, strukturelle Fehlentwicklung unter den Teppich zu kehren und zu verstetigen. Deswegen sollten wir uns auf das demokratische Risiko
einlassen.

Torsten Bultmann ist Politischer Geschäftsführer Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Der Beitrag ist veröffentlicht von der niedersächsischen Kooperationsstellen Hochschule und Gewerkschaft.


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