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Titel: Kommt die Linke in den NDS zu Unrecht gut weg?

Datum: 28. Juli 2010 um 10:55 Uhr
Rubrik: Agenda 2010, DIE LINKE, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
Verantwortlich:

Gelegentlich erhalten wir E-Mails von Nutzern der NachDenkSeiten, die uns ermahnen, mit der Linkspartei im Vergleich zu den anderen Parteien weniger freundlich umzugehen. – Wir versuchen, bei aller grundsätzlichen Neigung für soziale und fortschrittliche Lösungen der Probleme unseres Landes fair und gerecht mit den einzelnen Parteien umzugehen. Es liegt nicht in unserer Verantwortung, dass sich CDU, CSU, FDP und leider auch SPD und Grüne sowohl innen- als außenpolitisch der allgemein herrschenden rechtskonservativen Linie angepasst haben. Wir haben den so genannten Reformkurs Schröders nicht erfunden und auch nicht die These, Deutschlands Sicherheit werde am Hindukusch verteidigt. – Die Richtigkeit von Positionen der Linkspartei wird aktuell dadurch bestätigt, dass die anderen und auch einige Medien ihren Kurs in Richtung der Positionen der Linkspartei korrigieren. Drei Beispiele dafür: Albrecht Müller

Erstens: Auch die Linke in der SPD fordert jetzt deutlich die Korrektur der Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre und das Überdenken von anderen Elementen der Agenda 2010. Müntefering mauert bei jeglicher Korrektur der Agenda 2010, und Steinmeier sowieso. Die SPD wird das sachliche Problem durch politische Entsorgung dieser Personen lösen müssen.

Zweitens: Wenn auch halbherzig haben sich immerhin auch Angela Merkel und ihr Finanzminister Schäuble und die etablierten politischen Kräften insgesamt in den letzten zwei Jahren auf konjunkturfördernde Maßnahmen zubewegt. Das ist zumindest ein erster Schritt zur Rückkehr der gesamtökonomischen Vernunft. Leider nur ein erster Schritt, und immer wieder verbunden mit zerstörerischen Rückfällen..

Drittens: Der Linken wurde bisher einhellig von den etablierten Parteien und von vielen Medien die Regierungsfähigkeit abgesprochen, weil sie außenpolitisch nicht verlässlich sei und insbesondere die Verpflichtungen in Afghanistan nicht einhalten wolle, sondern für einen Rückzug sei. An diesem Beispiel wird besonders gut sichtbar, wie absurd die Aggressionen gegen die Linke waren. Jetzt hat sich sogar bis in die Stuben der Militärs, der US-Regierung und der NATO herumgesprochen, dass der Afghanistan Einsatz nicht zu „gewinnen“ ist. Typisch für eine deutsche Reaktion ist ein Essay in Spiegel-Online mit dem Titel “Warum die NATO aus Afghanistan abziehen muss?“ (siehe Anlage).

Der Vorsitzende der Grünen Özdemir macht trotz einer ersten Einsicht in die Chancenlosigkeit des Militäreinsatzes in Afghanistan die Position der Linkspartei in dieser Frage verantwortlich für den Mangel „inhaltlicher Schnittmengen“ mit den Grünen. In einem Interview mit dem österreichischen Standard meint er lt. Standard:

Auch in den Bereichen Budget- und Außenpolitik habe die Linkspartei kaum inhaltliche Schnittmengen mit den Grünen. In der Frage des deutschen Afghanistaneinsatzes fordern die Grünen einen verantwortungsvollen Abzug, sobald die Bevölkerung Afghanistans in der Lage ist, das Land selbst zu verwalten.

Von Özdemir wird die Differenz jetzt auf die Qualität des Abzugs, „verantwortungsvoll“ soll es sein, reduziert.

Das sind absurde Rückzugsgefechte, die jedenfalls kein Argument dafür sind, eine Alternative zur herrschenden politischen Gruppierung auszuschließen. Die Art und Schnelligkeit des Abzugs aus Afghanistan kann doch ernsthaft nicht die entscheidende Scheidelinie sein?!

Solange das dümmliche Verhalten von SPD und Grünen die Alternative zu Schwarz-Gelb unmöglich macht, kann man nicht umhin, jede Partei besser zu finden und übrigens auch verfassungsgemäßer, die für eine politische Alternative eintritt. Das ist nämlich eine Grundbedingung für das Funktionieren einer Demokratie. Wer diese Grundbedingung nicht schafft oder sie verweigert, steht nicht auf dem Boden der „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ (FdGO), wie es so schön heißt.

Übrigens, als Nachtrag zur Bundespräsidentenwahl: Indem Joachim Gauck maßgeblich mitgeholfen hat, diese demokratische Alternative links von Schwarz und Gelb nachhaltig zu diskreditieren, hat er sich als Undemokrat erwiesen.

Anlage:

27. Juli 2010
Einsatz am Hindukusch
Warum die Nato aus Afghanistan abziehen muss

Ein Kommentar von Christoph Schwennicke

Der Einsatz der westlichen Allianz am Hindukusch ist ein Fiasko, das belegen die Afghanistan-Protokolle ein weiteres Mal. Die ausländischen Truppen sind nicht die Lösung, sondern Teil des Problems. Die Chance auf militärischen Erfolg ist verstrichen – es ist höchste Zeit zu gehen.
Das schwerste politische Manöver ist die Kehrtwende, das Eingeständnis, dass von heute an nicht mehr richtig ist, was bis gestern unerschütterlich richtig war. Und wiederum am schwersten fällt dieses Manöver, wenn es sich dabei um Fragen von Krieg und Frieden handelt.
(…)
Seit beinahe zehn Jahren versucht die Allianz vergeblich, das Land in den Griff zu bekommen. In diesen zehn Jahren wurden die Ziele immer wieder verändert, aber keines erreicht.
(…)
Und nichts von dem, was an westlichem Kulturverständnis implantiert wurde, hat so tiefe Wurzeln geschlagen, dass es einen Abzug zu einem realistischen Datum überdauern würde. Außerdem: Mädchenschulen, Brunnen und Straßen sind erfreuliche Begleiterscheinungen eines Einsatzes. Sie begründen ihn aber nicht.
Afghanistan ist ein Alptraum
“Nichts ist gut in Afghanistan”, hat Margot Käßmann vor einigen Monaten formuliert, und die Entrüstung war so außerordentlich, dass sie nurmehr erwies, welchen Nerv die damalige Bischöfin getroffen hatte. Ihre Einlassung wurde zu Recht als in den Details ahnungslos abgetan. Aber manchmal sieht man die Dinge auch klarer, wenn man einen Schritt weiter davon entfernt ist und sie mit Abstand betrachtet.

Afghanistan ist ein Alptraum.

(…)
Die westliche Staatengemeinschaft ist an einem Punkt angekommen, an dem sie zunehmend trotzig, verzweifelt und mit immer hohler klingenden Phrasen zum Durchhalten aufruft. Auch Kanzlerin Angela Merkel ist jüngst in ihrer Regierungserklärung nichts Besseres eingefallen als Peter Strucks Wort von der Verteidigung am Hindukusch.
Bevor es nur noch darum geht, das Gesicht zu wahren, sollte man dringend aufhören.
(…)

Quelle: SPIEGEL Online


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