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Titel: Zufall, Rudeljournalismus oder gesteuerte Sprachregelung?

Datum: 16. März 2004 um 12:11 Uhr
Rubrik: Medien und Medienanalyse, Militäreinsätze/Kriege, Strategien der Meinungsmache, Terrorismus
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Am 15. März um 15.23, wenige Stunden nach der überraschend gewählte Chef der Sozialisten Zapatero, das „regreseran“ der spanischen Truppen aus dem Irak angekündigt hat, gibt Claus Christian Malzahn in SPIEGEL ONLINE die Losung aus, diese Entscheidung führe zu einem Strategiewechsel der Islamisten. Der Irak als Kriegsschauplatz würde „ein bisschen uninteressanter“ und der Terror würde mit dieser Rückzugs-Entscheidung „mit aller Macht“ in Europas Metropolen getragen. (Siehe den Eintrag im Kritischen Tagebuch vom 15.3.04) Wieder nur wenige Stunden später in der ZDF-Nachrichtensendung „heute“, trägt der „Terrorismus-Experte“ Elmar Theveßen die gleiche verquere Logik vor. Zufall? Hat Theveßen sein Expertenwissen nur von SPIEGEL ONLINE? Oder haben beide nur die gleiche Hintergrund-Informationsquelle?

Seit Heiner Geißler klassischem demagogischen Umkehrschluss, dass nämlich die Pazifisten an Ausschwitz schuld seien, kennen wir die Methodik der Hard-Liner, diejenigen, die gegen Gewalt eintreten, als die Verursacher von Gewalt zu denunzieren.
Dieses Ursache und Wirkung auf den Kopf stellende Argumentationsmuster muss jetzt auch herhalten, um vor einem Abzug der spanischen Truppen von ihrem Kriegseinsatz im Irak zu warnen. Würde man dieser Logik folgen, müssten nicht nur die Spanier mehr Soldaten in den Irak schicken, sondern die deutschen Truppen müssten schnellst möglich dort einmarschieren, um den Terror der Islamisten von „Europas Metropolen“ abzuhalten.

Wie kommt man auf eine so verquere Logik? Klar: Wenn man auf Seiten der Amerikaner steht, muss man mit der Entscheidung der neu gewählten spanischen Regierung einen Dammbruch der „Willigen“ befürchten. Tony Blair käme in eine noch schwierigere Lage und in Polen könnte sich auch noch die Meinung der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung gegen einen Irak-Einsatz durchsetzen. Präsident Bush gingen international immer mehr „vorzeigbare“ Verbündete verloren und national gar die Mehrheit bei den Wahlen.

Wenn ein einzelner Journalist diese Interessenssicht vertritt, ist das sein gutes Recht und man kann sich damit auseinandersetzen. Wenn es denn Journalisten gäbe, die sich damit auseinander setzten. Wenn aber in wichtigen Medien der öffentlichen Meinungsbildung diese Argumentation – und dann noch als Experten-Meinung – als gäbe es eine Absprache weiterverbreitet und geradezu zu einer Sprachregelung gemacht wird, dann möchte man nicht mehr an Zufall glauben. Auch nicht mehr daran, dass der „Experte“ keine andere Informationsquelle als SPIEGEL ONLINE mehr hatte und schlicht nachplappert, was sein Kollege vorgesagt hat.

Nein. Man kennt das ja vom ganz normalen journalistischen Geschäft. Redakteure bekommen Briefings, sei es mündlich, sei es dass (angeblich ganz vertrauliche) Papiere zugänglich gemacht werden, sei es dass eine Expertise eines (angeblich wissenschaftlichen) Think-Tanks zugespielt wird.

Wer hat wohl ein Interesse daran, dass mit einer derart verqueren Logik amerikanische Militärinteressen in des Volkes Meinung eingeimpft werden soll? Es sind jedenfalls solche Informanten, die den Irak-Krieg auch heute noch verteidigen, die vom im Irak angerichteten Chaos ablenken wollen und die uns immer noch einreden wollen, man könne den Terror mit Krieg nach innen und außen bekämpfen. Achten Sie mal darauf!


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