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Titel: Hinweise des Tages 2

Datum: 18. Februar 2011 um 16:30 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Guttenbergs Dissertation; Banken schreiben Griechen ab; Bruttoinlandsprodukt im 4. Quartal 2010 moderat gestiegen; Ungerechtigkeit mit System: Warum weder Kassen- noch Privatpatenten optimal behandelt werden; Im Würgegriff der Heuschrecken: Warum ganzen Wohnvierteln in Deutschland der Verfall droht; Vollbremsung auf der Datenautobahn; Strategiewechsel im Auswärtigen Amt gerät unter Druck; Dubiose Parteispenden aus Glücksspielkonzern; Unruhen in der arabischen Welt; Auf welcher Seite saßen hier die Pöbler?; Verfassungswidrigkeit der Mischfinanzierung der Neubaustrecke Ulm-Wendlingen und Stuttgart 21; Weltbank warnt vor Hungerkrise; Italiens moderner Tyrann; Johannes Kahrs: Der Herr hat’s gegeben …; Das Trauma von Hamburg; Noch ein Gebührenmodell; Bertelsmann verzehnfacht Gewinn; Die Verantwortung von Unternehmen bei Ressourcen-Konflikten; Mitternachsspitzen; zu gut(t)er Letzt: Demnächst bei zu Guttenberg. (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Guttenbergs Dissertation
  2. Banken schreiben Griechen ab
  3. Bruttoinlandsprodukt im 4. Quartal 2010 moderat gestiegen
  4. Ungerechtigkeit mit System: Warum weder Kassen- noch Privatpatenten optimal behandelt werden
  5. Im Würgegriff der Heuschrecken: Warum ganzen Wohnvierteln in Deutschland der Verfall droht
  6. Vollbremsung auf der Datenautobahn
  7. Strategiewechsel im Auswärtigen Amt gerät unter Druck
  8. Dubiose Parteispenden aus Glücksspielkonzern
  9. Unruhen in der arabischen Welt
  10. Auf welcher Seite saßen hier die Pöbler?
  11. Verfassungswidrigkeit der Mischfinanzierung der Neubaustrecke Ulm-Wendlingen und Stuttgart 21
  12. Weltbank warnt vor Hungerkrise
  13. Italiens moderner Tyrann
  14. Johannes Kahrs: Der Herr hat’s gegeben…
  15. Das Trauma von Hamburg
  16. Noch ein Gebührenmodell
  17. Bertelsmann verzehnfacht Gewinn
  18. Die Verantwortung von Unternehmen bei Ressourcen-Konflikten
  19. Mitternachsspitzen
  20. zu gut(t)er Letzt: Demnächst bei zu Guttenbergs

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Guttenbergs Dissertation
    1. Guttenberg hat fremde Initialen entfernt
      Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg kommt nicht zur Ruhe: Offensichtlich hat der Minister nicht nur abgeschrieben, sondern auch seine Spuren verwischt. […]
      Ein nicht gekennzeichnetes Zitat, die unserer Redaktion zugespielt wurde, ist dabei besonders interessant: Zu Guttenberg übernimmt – wie an vielen anderen Stellen auch – großzügig weite Passagen des Arbeitspapiers “Europa zwischen rechtlich-konstitutioneller Konkordanz und politisch-kultureller Vielfalt”. Der Text von Stefan Schieren, Professor an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, erschien 2002 in dem Buch “Verfassungspolitik in der Europäischen Union” und ist im Internet veröffentlicht. Nähere Angaben wollten der Autor auf Anfrage unserer Redaktion nicht machen.
      Arbeitspapier und Autor werden an keiner Stelle in der Dissertation erwähnt. Zu Guttenberg hat den Text an einer entscheidenden Stelle geändert. Bei einem in eckigen Klammern gesetzten Hinweis wurden die Initialen des Originalautors entfernt. Aus “(i. e. Art. 100a EGV, St.S.)” ist in der Guttenberg-Version “[i. e. Art. 100a EGV]” geworden. Das weist auf Vorsatz hin.
      Quelle: Rheinische Post

      Anmerkung Jens Berger: Wenn man das Streichen der Urheberinitialen als Vorsatz wertet, hat zu Guttenberg auch bei seiner heutigen Presserklärung gelogen, in der erklärte, er habe „zu keinem Moment bewusst getäuscht“.

      Anmerkung Orlando Pascheit: Die NDS hatten bereits auf die abgeschriebene Einleitung von Karl-Theodor zu Guttenbergs Dissertation hingewiesen. Dazu eine kleine Nachreichung:
      Guttenberg hat in seiner heutigen Erklärung versichert, “zu keinem Zeitpunkt bewusst getäuscht” zu haben. Nur ist dieser Text eben nicht einfach so in die Arbeit hineingerutscht, wie eine Veränderung an entscheidender Stelle zeigt. Der Originaltext von Barbara Zehnpfennig beginnt wie folgt:
      “„E pluribus unum“, „Aus vielem eines“ – so lautete das Motto, unter dem vor rund 200 Jahren die amerikanischen Staaten zur Union zusammenfanden. …”
      Die Einleitung von Guttenberg:
      „E pluribus unum“, „Aus vielem eines“ – so lautete das Motto, unter dem vor über 215 Jahren die amerikanischen Staaten zur Union zusammenfanden. … ”

      Guttenberg hat also realisiert, dass die Datierung “vor rund 200 Jahren” für den Zeitpunkt des Zeitungsartikels 1997 galt, aber nicht mehr für den Zeitpunkt der Veröffentlichung seiner Schrift. Er hat bewusst korrigiert: “vor über 215 Jahren” und ansonsten alles weitere ohne Hinweis oder Zitatkennzeichnung übernommen. Hätte er den Text so belassen, wie er ursprünglich war, könnte man vielleicht sagen, er habe keine Übersicht mehr über seine Exzerpte gehabt, aber so liegt eine bewusste Täuschung nahe.

    2. Guttenberg verzichtet vorerst auf Doktortitel
      Der deutsche Verteidigungsminister gibt vor den Medien Fehler zu, streitet den Plagiatsvorwurf aber ab.
      Quelle: Tagesanzeiger mit Video der Erklärung zu Guttenbergs

      Anmerkung WL: Einen solchen ziemlich alten kommunikativen Trick, wendet man an, wenn man in die Defensive gerät und sich wieder herauswinden möchte: Man weist mit allem Nachdruck einen Vorwurf zurück, den gar niemand erhoben hat. Der Vorhalt lautet nicht, dass die von zu Guttenberg verfasste Dissertation ein „Plagiat“ sei, sondern dass er nicht unwesentliche Passagen (z.B. in der Einleitung) plagiiert, also ohne Quellenangabe in längeren Passagen einfach abgeschrieben hat oder, dass diese Passagen – von wem auch immer – abgeschrieben worden sind.
      Auch die Frage, ob die Dissertation Fehler enthält, ist nach meiner Kenntnis von niemand gestellt worden. Insofern liegt die Beteuerung, dass er über Fehler „am unglücklichsten“ sei gleichfalls neben der Sache und betrifft nicht den eigentlichen Vorhalt. Ein Fehler ist ja eine Frage des Inhalts und die Plagiate müssen ja nicht inhaltlich falsch sein.
      Wenn zu Guttenberg erklärt „es“ wurde „zu keinem Zeitpunkt“ (?) „bewusst“ getäuscht, dann wirft diese Passivkonstruktion die Frage auf, wer oder was sich hinter diesem „es“ verbirgt. Hat zu Guttenberg also nur schlampig gearbeitet oder hat er nur schlampig arbeiten lassen und deshalb gar nichts von den Plagiaten gewusst.
      Bei der Vielzahl und teilweise vor allem der Länge der wörtlich von anderen übernommenen und nicht mit Quelle kenntlich gemachten Passagen ist es – gelinde gesagt – ungewöhnlich, dass man sich daran nicht erinnern kann und einem das überhaupt nicht „bewusst“ ist. Der Verdacht rückt damit immer näher, dass zu Guttenberg jemand damit beauftragt hat, zumindest einige Teile seiner Dissertation mit „Stoff“ aufzufüllen und dass der oder die Betreffende sich mit den Standards wissenschaftlicher Arbeiten eben nicht so gut auskannte.
      Ich gehe einmal davon aus, dass ein Doktorand auch in Bayreuth die übliche Erklärung abgeben muss, dass die vorliegende Arbeit sein eigenes Werk ist und dafür keine fremde Hilfe in Anspruch genommen wurde. Zumindest diese Erklärung wäre dann falsch.
      Und noch etwas ist merkwürdig in der Aussage von zu Guttenberg zu diesem Vorgang:
      „Sollte sich jemand hierdurch oder durch unkorrektes Setzen und Zitieren oder versäumtes Setzen von Fussnoten bei insgesamt 1300 Fussnoten und 475 Seiten verletzt fühlen, so tut mir das aufrichtig leid.“
      Dieser Satz, der sicherlich gut bedacht wurde, ist ziemlich mehrdeutig. Er lässt in mehrfacher Hinsicht eine Ablenkungsabsicht erkennen: Bisher jedenfalls hat sich niemand gemeldet, der sich durch die Plagiate „verletzt“ fühlt. Eine Entschuldigung gegenüber den geistigen Urhebern wäre also – in erster Linie – gar nicht gefordert, es geht doch darum, dass zu Guttenberg gegen die Standards wissenschaftlichen Arbeitens verstoßen hat. Nur darum geht es auch bei der Bewertung einer Dissertation.
      Hinzukommt, dass zu Guttenberg erkennbar die Angelegenheit sozusagen zu einer „Fußnote“ herunterspielen möchte. Er hebt vor allem auf die unkorrekten Fußnoten ab und eben nicht auf die Plagiate in seinem Text. Er tut darüber hinaus so, als könnten halt bei 1300 Fußnoten schon mal ein paar Fehler passieren. Dazu ist zu sagen, dass diese Anzahl von Verweisen auf verwendete Quellen bei einer Dissertation nun wirklich nichts Besonderes ist. Sicher kann da immer wieder mal ein Fehler passieren. Die Überprüfung von Fußnoten ist lästig und zeitraubend. Aber dass so viele Fehler gemacht wurden, ist schon ungewöhnlich.

      Anmerkung unseres Lesers G.K.: Man fragt sich unwillkürlich, für welche “fraglosen Fehler” sich Guttenberg nun entschuldigt hat. Denn er versucht den Eindruck zu erwecken, seine Doktorarbeit sei in weiten Teilen kein Plagiat. Und dies, obwohl von Wiki-Community bis 13.50 Uhr des heutigen Tages bereits 87 auffällige Textbausteine in Guttenbergs Doktorarbeit identifiziert wurden. Zudem möchte Guttenberg der Öffentlichkeit Sand in die Augen streuen: Die “Tätigkeit als Politiker” und die “Verpflichtungen als junger Familienvater” werden als Vorwand für die Guttenbergschen “Fehler” ins Feld geführt. Mit beruflichen und familiären Verpflichtungen müssen andere Doktoranden jedoch ebenfalls zur Rande kommen. Sollte Guttenberg sich arbeitsmäßig überlastet gefühlt haben, dann hätte er auf die Doktorarbeit verzichten oder diese auf einen späteren Zeitpunkt verschieben sollen. Guttenberg, der sich ansonsten von jeder Kamera und jedem Mikrofon geradezu magisch anziehen lässt, vollzieht in Sachen Informationspolitik plötzlich einen Schwenk um 180 Grad. Nur die treuesten der treuen Journalisten scheinen im Verteidigungsministerium Einlass gefunden zu haben.

      Anmerkung Jens Berger: Wie sieht so ein „vorübergehendes Verzichten“ auf den Doktortitel eigentlich konkret aus? Müssen die Sekretärinnen aus dem Verteidigungsministerium nun jeden Brief des Dienstherren mit Tipp-Ex depromovieren? Oder nennt er sich jetzt Dr. jur. a. D. Freiherr zu Guttenberg? Man weiß so wenig.

    3. Plagiatsvorwürfe gegen Guttenberg: Überflieger in schweren Turbulenzen
      Die Debatte über Schummeleien in seiner Doktorarbeit wird für Karl-Theodor zu Guttenberg zu einem gravierenden Problem. Immer mehr Fundstellen tauchen auf, die Kritik schwillt an. Die Uni Bayreuth will die Arbeit nun schnell prüfen – entscheidet sie über die politische Zukunft des Ministers? Die Dissertation, sie sollte Guttenbergs akademischer Coup sein. Stattdessen ist sie, knapp fünf Jahre nach Vollendung, zu einem ernsten Problem geworden. Die Kommentare sind garstig, selbst jene Medien, auf die sich der Minister bislang verlassen konnte, finden kritische Worte. Die “FAZ” etwa, das Hausblatt der Akademiker, ist sich sicher: “Es wird etwas hängen bleiben.” Die Schummeleien, so viel ist klar, kratzen an jenem Markenkern, für den Guttenberg in den Augen der Wählerschaft so beispielhaft steht: Seiner Glaubwürdigkeit, seiner Authentizität. Auch Meinungsforscher, die für den Minister bis zuletzt regelmäßig schier überirdische Popularitätswerte ermittelten, sehen in der Debatte über die Doktorarbeit eine Gefahr für ihn. “Die wichtigste Politikereigenschaft ist das Vertrauen. Wer das verspielt, hat ein Problem”, sagt Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung Orlando Pascheit: Irgendwie wäre es ärgerlich, wenn Karl-Theodor zu Guttenberg über seine Promotionsarbeit stolpern würde. Klar, dass die Opposition süffisant über ihn herzieht, so Jürgen Trittin: “Egal ob vorsätzliches Plagiat oder einfache Schlamperei: Guttenberg hat zum ersten Mal das Problem, dass er die Verantwortung auf keinen anderen abschieben kann.” Natürlich wäre es nicht schlecht, wenn das Wahlvolk bei seinem Liebling einmal realisieren würde, dass da viel Blendwerk an dem Mann ist bzw. an dem Bild, das er aber auch manche Medien zu vermitteln versuchten. Natürlich sollte Guttenberg für sein Fehlverhalten einstehen, allein schon um denen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, die sich über Jahre an ihrer Dissertation die Finger wund geschrieben haben bzw. das gerade tun. Aber das Ganze sagt doch relativ wenig über den Politiker Guttenberg aus, höchstens dass ein Spitzenpolitiker eigentlich mit mehr Cleverness gesegnet werden sollte. Es ist ziemlich dämlich, die ersten Absätze der Einleitung seiner Arbeit glatt abzukupfern.

      Wenn nicht die ganze Arbeit, den Anfang einer Einleitung liest doch jeder. – Nur, es sollten sich alle einmal an die eigene Nase fassen, die in ihrem Leben geschummelt, abgeschrieben oder sich mit fremden Federn geschmückt haben und dann urteilen. Und was unsere Politkaste betrifft, den Drang sich mit Titeln zu schmücken, ist wahrlich weit verbreitet. Wahrscheinlich ist bei vielen Politikern, die neben ihren politischen Ämtern eine Promotion betreiben, ein Fragezeichen hinter ihre Eigenleistung zu setzen. Letztes prominentes Beispiel: Auch unsere Familienministerin ist unter recht fragwürdigen Umständen zu ihren Titel gekommen.

      Der Politiker Guttenberg muss auch anders zu packen sein. Das wäre sonst irgendwie so, wie wenn Berlusconi letztlich über eine Sexaffäre stolpern würde oder Al Capone wegen Steuerhinterziehung im Kittchen landet. Ein Politiker sollte an seinen politische Leistungen bzw. seinem politischen Versagen bewertet werden. Seine generelle Haltung zum Afghanistaneinsatz, sein Umgang mit der Kunduz- oder der Gorch Fock-Affäre, seine durch nichts Substanzielles begründete Schrumpfung der Bundeswehr – selbst die Einsparung ist inzwischen in Frage gestellt – oder seine Neigung, persönliche PR an die Stelle politischer Inhalte zu setzten, bieten genügend Raum für Kritik. Oder gehen wir noch weiter zurück: Viel gravierender als solches Plagiieren ist die glatte Übernahme von extern erstellten Gesetzesentwürfen, für die der damaligen Wirtschaftsminister Guttenberg ein besonders dreistes Beispiel lieferte.

      Der Aufgabe von Gesetzgebungskompetenz durch Parlament, Regierung und Ministerialbürokratie durch die Übernahme von externen, oft nicht lobbyfreien Gutachten ist eine wirkliche Gefährdung unserer Demokratie – Regen wir uns doch bitte über die wirklich wichtigen Dinge auf – warum zu Guttenberg, aber nicht nur er, unsere jungen Soldaten in den Tod schickt, in einem vergeblichen Krieg.
      Afghanistan- Bundeswehrsoldat getötet
      Bei einer Schießerei in der afghanischen Provinz Baghlan ist am Freitagmorgen ein deutscher Soldat getötet worden. Zugleich wurde ein weiterer Fall geöffneter Feldpostbriefe bekannt sowie das Scheitern eines Strafprozesses gegen Oberst Klein.
      Quelle: FR

      Anmerkung unseres Lesers V.H.: Erinnert sich noch jemand an die Falschmeldung zu Beginn von Guttenbergs Amtsantritt als Bundeswirtschaftsminister, er sei Chef eines mittelständischen Unternehmens (Fachgroßhandel für Isolierstoffe), obwohl er doch nur das Familienvermögen verwaltet hatte? Bemerkenswert insbesonders Guttenbergs eigene Beschreibung der Tätigkeit:

      „Ein teilwirtschaftliches Fundament durfte ich mir in der Zeit vor der Politik bereits aneignen durch die Verantwortung, die ich im Familienunternehmen getragen habe.”

      Hier die Links:

      1. Das Erste [PDF – 38.7 KB]
      2. Vorwärts
      3. Von Guttenberg

      Der Mann hatte wohl immer schon eine Tendenz zur Hochstapelei und einen Charakter wie seine Schädelkappe: schmierig. Schön zu sehen, dass das jetzt auch die Mainstreamjournaille so sieht.

  2. Banken schreiben Griechen ab
    Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) geht davon aus, dass Griechenland seine Finanzprobleme nicht ohne Umschuldung in den Griff bekommt. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund plädiert er dafür, bei den anstehenden europäischen Stresstests auch die Staatsanleihen im sogenannten Bankbuch zu testen. Das würde bedeuten, dass anders als beim Test 2010 eine Pleite oder Umschuldung eines EU-Landes unterstellt würde. Ein Schuldenschnitt scheine unvermeidlich, sagte BdB-Präsident Andreas Schmitz am Donnerstag in Brüssel mit Blick auf Griechenland. Allerdings rechnet er damit nicht vor 2013, wenn der Europäische Stabilitätsmechanismus steht. “Der Blick auf die Euro-Staatsanleihen ist ein anderer als noch vor drei Jahren”, so Schmitz. Man könne nicht ignorieren, dass griechische Papiere nur noch zu etwa 70 Prozent ihres Nennwerts gehandelt würden. Er dämpfte aber Sorgen um die Folgen einer Umschuldung: “Ein Schnitt in Griechenland würde den deutschen Bankensektor nicht umwerfen – und auch keine einzelne Bank.” Stärker betroffen seien Versicherer oder Pensionsfonds.
    Andere Bankenverbände reagierten denn auch überrascht. “Es wäre erstaunlich, wenn man so eine Annahme machen würde. Denn damit würde man die Wirksamkeit des Euro-Rettungsschirms infrage stellen”, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands öffentlicher Banken, Karl-Heinz Boos.
    Der globale Bankenverband Institute of International Finance (IIF) lehnte solche Debatten ab. “Gegenwärtig ist es zu früh, zu der Schlussfolgerung zu kommen, dass irgendein Land einer Restrukturierung bedarf”, so IIF-Geschäftsführer Charles Dallara in Paris. Man müsse Griechenland Zeit geben, Vertrauen zurückzugewinnen.
    Quelle: FTD

    dazu: Moody’s stuft massenhaft deutsche Banken-Anleihen herunter
    Die Ratingagentur Moody’s rechnet nicht mehr mit weiteren großen staatlichen Rettungsaktionen für deutsche Banken. Das neue Restrukturierungsgesetz der Bundesregierung ziehe die Inhaber von Banken-Schuldpapieren im Krisenfall weitaus stärker zur Verantwortung als bisher. “Die Ratingagentur glaubt, dass die staatliche Unterstützung (…) für nachrangige Verbindlichkeiten weit weniger sicher ist als in der Vergangenheit”, sagte Moody’s-Analyst Mathias Külpmann in Frankfurt. Bisher hätten sie nur bei einer Bankenpleite um ihre Nachranganleihen bangen müssen, weil sie darauf vertrauen durften, dass im Notfall der Staat einspringen würde. Das habe sich geändert. Als Konsequenz stufte Moody’s in einer großangelegten Aktion die Bonitätsnoten für die nachrangigen Verbindlichkeiten von 23 Banken um bis zu sieben Stufen herab. Insgesamt gehe es um ein Volumen von rund 24 Mrd. Euro, hieß es in der Mitteilung. Die Agentur hatte bereits angekündigt, ihre Ratings für solche Papiere künftig fast ausschließlich an der eigenen Finanzstärke der Bank auszurichten und nicht an der Wahrscheinlichkeit einer Rettung durch den Steuerzahler. – Die Nachrangratings für die Deutsche Bank und die DZ Bank fallen um zwei Stufen auf “A3” von “A1”. Die Commerzbank rutscht um vier Stufen auf “Baa2”.
    Quelle: FTD

  3. Bruttoinlandsprodukt im 4. Quartal 2010 moderat gestiegen
    Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft hat sich zum Jahresende 2010 fortgesetzt, jedoch etwas verlangsamt: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im vierten Quartal 2010 – preis-, saison- und kalenderbereinigt – im Vergleich zum Vorquartal um 0,4%. Im Vorjahresvergleich lag die Wirtschaftsleistung in allen Quartalen des Jahres 2010 deutlich über dem Niveau des Krisenjahres 2009. Im letzten Vierteljahr 2010 stieg das preisbereinigte BIP gegenüber dem vierten Quartal 2009 um 4,0%.
    Quelle: Statistisches Bundesamt

    Anmerkung Orlando Pascheit: Wenn man bedenkt, was das zweite Quartal mit 2,2 Prozent für Jubelmeldungen und Erwartungen bei Politik, Medien und Wirtschaftsexperten auslöste, so sorgte die weitere Entwicklung für reichlich Ernüchterung, wozu die Formulierungen des Statistisches Bundesamt allerdings wenig beitrugen. Auch dieses Mal wird von der Fortsetzung des Aufschwungs gefaselt und gar ein Vorjahresvergleich bemüht, um positiven Eindruck zu schinden: “Im letzten Vierteljahr 2010 stieg das preisbereinigte BIP gegenüber dem vierten Quartal 2009 um 4,0%.” Toll, wirklich aussagefähig, dieser Vergleich mit dem absoluten Krisenjahr 2009. Halten wir doch fest, wir haben gerade einmal das Niveau der Wirtschaftsleistung von 2007 erreicht.
    Dass die Erwartungen im letzten Quartal nicht erfüllt wurden, schiebt das StaBu auf “den witterungsbedingten Rückgang der Bauinvestitionen”. Woraus die FAZ dann machte: “Winterwetter bremst Wachstum zum Jahresende“. Kein Sommerwetter im Winter, welche Überraschung.

    Wie die in der FAZ zitierten Finanzfachleute dazu kommen, die Zukunft immer noch rosig zu sehen, bleibt ein Rätsel. Das Wachstum des letzten Quartals blieb im gesamten Euroraum mit 3 Prozent hinter den Erwartungen zurück. Frankreich, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone, ist im vierten Quartal 0,3 Prozent statt 0,6 Prozent gewachsen. Italien stagniert praktisch mit 0,1 Prozent (erwartet 0,2 Prozent). Und außerhalb der Eurozone: England fährt im letzten Quartal ein Minus von 0,5 Prozent ein, auch Japan schrumpfte, die USA kam immerhin auf 0,8 Prozent – wenn man den US-Zahlen trauen darf. Goldige Zeiten für den deutschen Export, immer noch wichtigster Wachstumsfaktor? Man halte sich nur die Sparprogramme in Europa, aber auch in den USA vor Augen.

  4. Ungerechtigkeit mit System: Warum weder Kassen- noch Privatpatenten optimal behandelt werden
    Oft behauptet, von Ärzten gern bestritten: Müssen Kassenpatienten länger auf einen Arzttermin warten als Privatversicherte? MONITOR macht den Praxistest und zeigt: Die Ungleichbehandlung hat System. Aber auch Privatpatienten müssen darunter leiden, dass in Deutschland zwei Krankenversicherungs-Systeme miteinander konkurrieren. Weil Ärzte und Krankenhäuser an den Privatversicherten besonders gut verdienen, bekommen diese immer wieder teure und zum Teil überflüssige Behandlungen. Das wiederum bringt die privaten Versicherungsunternehmen unter Kostendruck. Droht am Ende der Kosten-Kollaps für beide Versicherungssyteme? Experten fordern eine Krankenversicherung für alle Patienten.
    Quelle: Monitor
  5. Im Würgegriff der Heuschrecken: Warum ganzen Wohnvierteln in Deutschland der Verfall droht
    Im Jahr 2004 hatte die rot-grüne Bundesregierung den damals kerngesunden Immobilienkonzern GAGFAH verkauft, um die Rentenkassen zu sanieren. Den Zuschlag über das Immobilien-Imperium bekam der US-Hedge-Fonds Fortress. MONITOR liegen jetzt interne Dokumente vor, die belegen, wie Fortress bei den rund 300.000 betroffenen deutschen Mietern Kasse macht. So wurden die Instandhaltungskosten halbiert. Selbst dringend notwendige Investitionen in die Sicherheit der Wohnungen wurden immer wieder verschoben. Die Bausubstanz ganzer Wohnviertel wurde herunter gewirtschaftet. Die Politik ist alarmiert: Denn am Ende drohen der öffentlichen Hand möglicherweise doppelte Kosten. Erst für den Rückkauf der maroden Häuser und Wohnungen und dann für deren Sanierung.
    Quelle: Monitor
  6. Vollbremsung auf der Datenautobahn
    Stadt und Arvato beenden vorzeitig das elektronische Pilotprojekt „Würzburg integriert“
    Das elektronische Pilotprojekt „Würzburg integriert!“ ist endgültig gescheitert, die Zusammenarbeit mit dem Bertelsmann-Dienstleister Arvato eingestellt. Das hat Oberbürgermeister Georg Rosenthal auf Anfrage dieser Zeitung bestätigt. Die offizielle Auflösung des Vertrages soll „im Laufe des Jahres“ erfolgen, so der OB. Das elektronische Bürgerbüro soll auch ohne die Hilfe aus Gütersloh weiter optimiert und noch kundenfreundlicher werden. Zudem steht ab dieser Woche ein größerer Umbau im Rathaus an.
    Der Abschied von „Würzburg integriert!“ hatte sich schon länger abgezeichnet. Schon öfter hatte der OB das Projekt als zu „ambitioniert“ und „technisch zu komplex“ kritisiert. Schlüssel zum Erfolg sollte eine Datenvernetzung auf einer übergeordneten Plattform sein, mit zentraler Zugriffsmöglichkeit: Jeder Sachbearbeiter sollte verschiedene Anliegen der Bürger in einem einheitlichen System bearbeiten können. Doch diese Zusammenführung klappte ebenso wenig wie die erhoffte Zeitersparnis, die sich in barer Münze auszahlen sollte.
    Quelle: Main Post

    Anmerkung AM: Das war vorhersehbar und ist ein wichtiger Teilerfolg der Kritiker von Arvato und Bertelsmann.

  7. Strategiewechsel im Auswärtigen Amt gerät unter Druck
    Das deutsche Auswärtige Amt will die bereits auf Linux umgestellten Desktops auf Windows zurückmigrieren. Wie jetzt bekannt gewordene interne Dokumente zeigen, ist das das genaue Gegenteil der Empfehlung einer zuvor beauftragten Studie.
    Quelle: Pro-Linux

    Anmerkung unseres Leser M.F.: Vor einigen Jahren (beginnend mit 2002) hat das AA damit begonnen Teile seiner IT Infrastruktur von proprietärer, d.h. „unfreier“ Software (wie z.B. Produkte aus dem Haus Microsoft) auf quelloffene Software umzustellen.
    Letztere hat abgesehen von der Tatsache keine Lizenzkosten nach sich zu ziehen den entscheidenden Vorteil mit offenem Quellcode ausgeliefert zu werden, der für jedermann einsehbar ist, modifiziert und in seiner ursprünglichen oder modifizierten Form weitergegeben werden darf. Außerdem zielt die Verwendung freier Software darauf ab, digitale Barrieren nicht zur zu schließen sondern diese überhaupt nicht erst aufzubauen (z.B. durch die Verwendung eines Formats, das für alle lesbar ist). Freie Software lebt sowohl von einer weltweiten Entwicklergemeinschaft als auch von kleineren und größeren Unternehmen.
    Trotz der Tatsache, daß sich dieser Wechsel auch finanziell lohnte, gibt es jetzt Überlegungen diesen Wechsel rückgängig zu machen, angeblich ohne zusätzliche Kosten (z.B. für Lizenzgebühren). Trotz der Tatsache, daß in diesem Artikel nicht auf das Thema Lobbyarbeit eingegangen wird, ist davon auszugehen, daß im Hintergrund diejenigen, die von einer „Kehrtwende“ profitieren würden eifrig am Werke sind.

  8. Dubiose Parteispenden aus Glücksspielkonzern
    Aus Deutschlands führendem Spielhallen-Konzern, der Gauselmann AG, sind nach Informationen der Süddeutschen Zeitung seit 1990 verdeckt offenbar mehr als eine Million Euro an Union, SPD, FDP und Grüne geflossen. Konzernchef Paul Gauselmann versuchte auf diese Weise, strenge Auflagen für die umstrittenen Spielhallen zu verhindern. Die CDU untersucht jetzt die Zahlungen und hat den Bundestag informiert. […] Bis zu 20 Führungskräfte seines Unternehmens mit Spendenschecks von jeweils mehreren tausend Euro. Der Konzernchef verschickt die Schecks dann in der Regel an Abgeordnete, die er selbst auswählt. In Jahren mit Bundestagswahlen fließen nach Angaben des Glücksspiel-Industriellen bis zu 70.000 Euro – in anderen Jahren bis zu 50.000 Euro. Außerdem spendet Gauselmann mit seiner Familie und seinen Firmen selbst noch einmal Tausende Euro im Jahr an Politiker und Parteien.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  9. Unruhen in der arabischen Welt
    1. Warum das kleine Bahrain wichtig ist
      Im Golfstaat begehrt die schiitische Bevölkerungsmehrheit gegen die regierenden Sunniten auf. Die USA bringt das abermals in eine Zwickmühle.
      Nun wird also auch im Königreich Bahrain am Persischen Golf demonstriert. In der Nacht zum Donnerstag kam es dort zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Regierungsgegnern und der Polizei. Mindestens vier Oppositionelle starben in der Hauptstadt Manama, rund 95 Menschen wurden verletzt. […] Direkt betroffen wären das Nachbarland Saudi-Arabien sowie die USA, ein lachender Dritter könnte Iran werden. Der wesentliche Grund dafür ist, dass 70 Prozent der Bahrainer Schiiten sind, die Herrscherfamilie aber der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam anhängt. Die Schiiten werden sozial benachteiligt und haben ihren Ärger darüber in den vergangenen Jahren auch kundgetan.
      Quelle: ZEIT
    2. Wenn der Stützpunkt brennt
      Die Protestwelle erreicht Bahrain am Persischen Golf – und stürzt die Amerikaner in ein schweres außenpolitisches Dilemma: Einerseits wollen sie die Demokratiebestrebungen unterstützen, andererseits aber auch strategische Interessen wahren.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung
    3. Revolte gegen den Revolutionsführer
      In Libyen weiten sich die Proteste gegen Staatschef Muammar al-Gaddafi aus. Im Golfstaat Bahrain versucht das Regime, die Widerstandsbewegung niederzuschlagen. Auch in Jemen gab es neue Zusammenstöße.
      Quelle: Neues Deutschland
  10. Auf welcher Seite saßen hier die Pöbler?
    Der Londoner Sarrazin-Eklat in der deutschen Presse: Das Wort „Arschloch“ ist ein Argument – wenn Henryk M. Broder es verwendet. Er hatte noch andere Verbalinjurien parat und hat sie inzwischen auch approbiert. […]
    Die deutsche Presse hat diesem Inhalt der Debatte wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die berichtenden Journalisten schossen sich stattdessen auf die friedlich Protestierenden vor Ort ein. Diese wurden als „pöbelnde Studenten“ („Bild“), „junge Deutsche, die eine dicke Lippe riskieren“ („Tagesspiegel“) oder „maulende Demonstranten“ („Die Welt“) tituliert und in die Nähe antifaschistischer Gruppen gerückt. […] Nicht nur „Spiegel Online“ machte aus einem deutschen Studenten, der den Moderator vor Beginn der Debatte darum bat, eine Stellungnahme verlesen zu dürfen, und sich dafür vom ungefragten Henryk M. Broder beschimpfen lassen musste, einen „Studierenden, der während der Veranstaltung auf die Bühne gestürzt“ sei und „sich ein Wortgefecht mit Sarrazin geliefert“ habe. Andere Blätter wollen einen „bärtigen Studenten“ gesehen haben, der Sarrazin als Faschisten beschimpfte. Tatsächlich rief der Student „Faschisten“ in den Raum – als Teile des Publikums Broders Schimpftirade gegen ihn beklatschten. Die Aggressionen Broders gegenüber diesem jungen Mann wurden in der Online-Ausgabe des „Tagesspiegels“ am Montagabend als die erfrischenden Beiträge eines Journalisten verkauft, der das Wort „Arschloch“ „argumentativ eingesetzt“ habe. In der gedruckten Version des Berichts in der Ausgabe vom 16. Februar heißt es dann nur noch, dass Broder das Wort „eingesetzt“ habe. Immerhin veröffentlichte der Online-„Tagesspiegel“ nach Protesten Londoner Leser gegen die Nobilitierung des Unflats zum Argument einen weiteren Artikel mit einem auf den Angaben von Teilnehmern beruhenden Protokoll des Wortwechsels, das Broder als „einigermaßen richtig, aber unvollständig“ approbiert hat. Demnach bezeichnete Broder den Studenten als „blöden Lümmel“, „linken Penner“, „ungebildetes Riesenarschloch“ sowie auf Nachfrage vier- bis fünfmal als „ungemäßigtes doppeltes Riesenarschloch“. Gegenüber dem „Tagesspiegel“ erklärte Broder, er stehe zu dieser „Einlassung“.
    Quelle: FAZ
  11. Verfassungswidrigkeit der Mischfinanzierung der Neubaustrecke Ulm-Wendlingen und Stuttgart 21
    Dem Bund droht aus dem Projekt Ulm – Wendlingen eine Nachbelastung in Höhe von 950 Mio. € und aus dem Projekt Stuttgart 21 ein Verlust bei der Deutschen Bahn in Höhe von weit über 1,5 Mrd. €, weil die Mitfinanzierung durch das Land Baden-Württemberg verfassungswidrig ist. Da der Bund mit der Entgegennahme verfassungswidriger Zuschüsse selbst gegen die Verfassung verstößt, muss die Frage vorher sorgfältig durch unabhängige Gutachten geklärt werden.
    Quelle: Arbeitskreis „Juristen zu Stuttgart 21“ [PDF – 36.9 KB]
  12. Weltbank warnt vor Hungerkrise
    Die Zahl hungernder Menschen ist seit Juni um 44 Millionen gestiegen. Schuld sind die steigenden Preise für Lebensmittel. Besorgniserregend seien vor allem die Preise für Weizen und Mais. Die Ernährungsorganisation FAO der UNO schätzt, dass weltweit knapp mehr als eine Milliarde Menschen an Hunger leiden, die Weltbank geht von 1,3 Milliarden Menschen aus. Und die Organisation schickt gleich eine weitere Warnung aus: Entwickelt sich die Witterung in Afrika ähnlich ungünstig wie derzeit in China, könnten im kommenden halben Jahr deutlich mehr als 44 Millionen Menschen hinzukommen
    Quelle 1: Die Presse
    Quelle 2: Weltbank

    Anmerkung Orlando Pascheit: Die Weltbank definiert Menschen als ärmste (extreme poverty), die über weniger als 1,25 US-Dollar (rund 90 Euro-Cent) pro Tag verfügen. Dabei geben diese mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus. Die Zahl von 44 Mio. Ärmsten ist ein Saldo, genaugenommen sind 68 Millionen Menschen durch die Preissteigerungen unter diese Armutsgrenze gefallen, während 24 Millionen Menschen diese Schwelle anderweitig wieder überschritten. Weltbank-Präsident Robert Zoellick warnt nicht nur davor, dass generell durch die hohen Lebensmittelpreise vor Ort Unruhen ausbrechen können, sondern verweist auch auf eine Gefährdung der politischen Reformprozess in Ägypten, Tunesien und anderen Ländern.

  13. Italiens moderner Tyrann
    Wenn es überhaupt so etwas wie eine politische Philosophie Silvio Berlusconis gibt, dann lautet sie wie folgt: Die Regierung wurde vom Volk gewählt und steht deshalb über dem Gesetz. Dank des Mandats der Wähler darf man schalten und walten, wie man will. Das ist die Botschaft seiner endlosen Wutreden gegen die “linken und kommunistischen Richter”, die ihn angeblich verfolgen und seine Menschenrechte verletzen. Da Berlusconi seine eigenen Verfahren bis zur Verjährung verschleppen konnte, ist er unschuldig geblieben. All das stimmt. Aber wenn Berlusconi die Macht der Richter, ihrer Arbeit nachzugehen, beschneidet, wenn er Gesetze verabschiedet, die ihm besondere Immunität verleihen, und wenn er seine Parlamentsmehrheit nutzt, um Richter daran zu hindern, das Büro seines Buchhalters zu durchsuchen, wird seine politische Macht zur Tyrannei.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Und wann erheben sich die Deutschen? Nein, wir haben keinen Pharao, keinen Caesar. In Demokratien wie der unsrigen sind wir nicht mehr auf einen ‘Leader Massimo’ angewiesen, der die Interessen des Kapitals durchsetzt. Fest geknüpft ist das Netzwerk von Politik und Kapital, tief verankert ist in den Medien und der Mainstreamökonomie das Bild vom Besserverdienenden als wahren Leistungsträger, die Überzeugung, dass privater Reichtum einiger Weniger Wohlstand bei allen generieren würde, dass Vollbeschäftigung möglich sei, sofern wir den Preis der Arbeit niedrig genug setzen würden, kurzum wir müssten uns eben anstrengen. Vielleicht brauchen wir doch einen Pharao oder einen Caesar, damit wir all unser Unbehagen konzentrieren können. Doch wenn sein Kopf rollt, muss noch lange nicht das System kippen. Die Revolte kommt bestimmt, aber so spät, dass wir wahrscheinlich über die bitteren Begleitumstände keine Macht mehr haben werden. – Im Übrigen stehe ich fest auf dem Boden der FdGO

    dazu: Berlusconi will vor Sondergericht für Politiker aussagen
    Die Rechtsanwälte des italienischen Premierministers Silvio Berlusconi arbeiten an einer Verteidigungsstrategie, um ihrem Mandanten eine Verurteilung bei dem am 6. April beginnenden Prozess wegen Amtsmissbrauchs und Sex mit einer minderjährigen Prostituierten zu ersparen. Die Rechtsanwälte des Premierministers überlegen, beim Verfassungsgericht in Rom die Zuständigkeit des Mailänder Gerichts über den Fall “Ruby” anzufechten. Ihr Ziel ist, dass der Prozess vor einem Sondergericht für Regierungsmitglieder stattfindet.
    Quelle: derStandard

  14. Johannes Kahrs: Der Herr hat’s gegeben …
    Hat der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs seine Macht als Haushaltspolitiker missbraucht? Drei Wochen vor der Hamburg- Wahl sieht sich der umstrittene Sprecher des im “Seeheimer Kreis” zusammengeschlossenen rechten SPD-Flügels schweren Vorwürfen ausgesetzt: Als Haushälter hat Kahrs offenbar eine Art Strafaktion gegen die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) organisiert, weil das Institut sich weigerte, einen ihm genehmen Wissenschaftler dauerhaft zu beschäftigen.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Das ist kein Ruhmesblatt für die SPD. Da sitzt sie zwar nicht an den Schalthebeln der Macht, aber ihr Abgeordneter Kahrs missbraucht den kläglichen Rest an realer Macht um seine, höchsteigenen Interessen durchzusetzen. Sicherlich ist die Kürzung um 500.000 Euro ein gemeinsamer Beschluss von CDU, FDP und SPD, aber der FDP-Haushaltsexperte Jürgen Koppelin kann genüsslich verkünden: “Treibende Kraft” war “der Kollege Kahrs”. Der Oberstleutnant der Reserve, Johannes Kahrs, steht schon lange der Rüstungsindustrie nahe, erhält er doch großzügige Wahlkampfspenden aus der Rüstungsindustrie, wie Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann. Wie praktisch, wenn man dann als SPD-Berichterstatter zuständig für den Verteidigungsetat sich für den Schützenpanzer Puma der beiden Firmen stark machen kann.
    Ebenso unrühmlich, Menschenleben gefährdend, sein Einsatz für die Verzögerung der Anschaffung des in Afghanistan dringend benötigten “Schweizer” Panzerwagens Eagle IV.
    Nur weil Kahrs seinen Rüstungsexperten nicht durchdrücken konnte, wird die Stiftung, deren Wert sich gerade jetzt in ihrer Nahostkompetenz einmal mehr erweist, dem Prinzip Zuckerbrot und Peitsche des Herrn Kahrs ausgesetzt. Was heißt hier der Direktor der SWP, Volker Perthes, habe eine feste Vereinbarung gebrochen? Seit wann entscheidet ein Lobbyist über die Befähigung eines Wissenschaftlers.
    Die Machenschaften von Kahrs sind der SPD schon lange bekannt. Denn Johannes Kahrs hat sich bereits zu Beginn seiner Karriere für jedes politische Amt, geschweige denn für die verantwortungsvolle Position eines Bundestagsabgeordneten disqualifiziert. Es geht es nicht darum, dass Kahrs sein Mäntelchen in den jeweils neuesten Wind hängt, da steht er nicht alleine, sondern um gravierendes Fehlverhalten. Der damals 30-jährige Kahrs ist 1992 gerichtskundig überführt worden, eine linke Kontrahentin im Juso-Landesvorstand mit anonymen nächtlichen Anrufen monatelang terrorisiert zu haben. Diese hatte eine Fangschaltung legen lassen, in der sich Kahrs verfing. Das Strafverfahren gegen Kahrs, in dem ihn pikanterweise Ole von Beust vertrat, wurde gegen Zahlung eines Bußgeldes von 800 DM eingestellt.
    Und jetzt beginnt der Einzelfall eine Dimension anzunehmen, welche über die Person hinausweist. Warum wurde Kahrs nicht auf die Strafbank gesetzt? Warum hat die darauf folgende Aufforderung von 50 Hamburger Sozialdemokraten, von “sämtlichen Ämtern und Mandaten” zurückzutreten und “zu prüfen, ob er einen weiteren Verbleib in der SPD (…) für sinnvoll hält”, keine Wirkung gezeigt? Warum konnte Kahrs ungehindert an seiner Karriere weiterbasteln? Im Umkehrschluss zum offenen Brief der 50 Hamburger Sozialdemokraten heißt das doch, dass die Mehrheit der Hamburger Sozialdemokraten diesen Vorgang für unerheblich hielt und hält. Es mag vorstellbar sein, dass Kahrs den Kreisverband Hamburg-Mitte so vereinnahmt hat, das er dort mit überwältigender Mehrheit immer wieder zum Kreisvorsitzenden gewählt wird, aber wie kommt der Mann in den Landesvorstand, in den Bundestag? Vielleicht ist das ja naiv, aber eigentlich ist das doch ein Typ von Karrieristen, der in keiner Partei, geschweige in der SPD etwas zu suchen hat. Aber nein, auf Vorschlag der SPD-Bundestagsfraktion wird Kahrs das Bundesverdienstkreuz verliehen. Dabei hat die SPD durch die Umtriebe eines Kahrs-Zöglings den eigentlich sicheren Wahlkreis 021, Hamburg-Eimsbüttel, verloren.
    Oh SPD, wie lange noch …

  15. Das Trauma von Hamburg
    Bei den Wahlen in Hamburg spielt die Schulpolitik keine Rolle mehr. Seit dem Volksentscheid vom Sommer 2010 zittern die Parteien vor dem Bildungsbürger. […]
    Hinter dem Streit um “frühe Trennung” versus “längeres gemeinsames Lernen” verbirgt sich ein gesellschaftlicher Konflikt. Durch die frühe Trennung der Kinder sichern die bildungsnahen Schichten ihren Kindern einen Platz am Gymnasium und damit in der bildungsgesellschaftlichen Elite. Sie grenzen sich nach “unten” ab – und das mit Erfolg: Von 100 Kindern aus Akademikerfamilien erreichen 79 die gymnasiale Oberstufe. Von 100 Kindern, deren Vater höchstens einen Hauptschulabschluss hat, kommen lediglich 34 so weit.
    Jene, die mehr Gerechtigkeit verhindern wollen, verteidigen ihre Interessen besser und wirkungsvoller als jene, die davon profitieren könnten. Weil sie in der Regel – wie Bordieu formulieren würde – mehr kulturelles Kapital, aber auch schnöde mehr Geld haben. Die Bürgerinitiative, die in Hamburg die Schulreform stoppte, besteht im Kern aus einer gut vernetzten Clique von Anwälten.
    Diejenigen, die im Bildungssystem nach unten abgeschoben wurden und werden, brauchen Parteien und Verbände, die ihre Interessen vertreten. Wenn linke Parteien wie die Linkspartei, die Grünen und auch die SPD diesen Auftrag ernst nehmen, dann müsste ihre Bildungspolitik wieder radikaler werden – und sie müssten die Systemfrage stellen. Sie lautet: Wie muss das Bildungssystem von der Kita bis zur Seniorenuni aussehen, […] Also, feige Politiker: Traut euch und euren Wählern mehr zu! Fordert das längere gemeinsame Lernen – aber denkt daran, die Bürger mit einzubeziehen. Und zwar nicht erst, wenn es bereits beschlossene Sache ist, sondern schon in der Planung. Letzteres zumindest haben die Politiker in Hamburg und Stuttgart immerhin schon verinnerlicht.
    Quelle: taz
  16. Noch ein Gebührenmodell
    Es ist eine befremdliche Diskussion, mit der sich Medien-Deutschland seit Anfang 2009 beschäftigt. Angetrieben von den Grossen der Branche, fordern die Presseverlage ein eigenes Leistungsschutzrecht. Was sie genau darunter verstehen, bleibt bis heute weitgehend im Dunkeln. Nur so viel: Für Texte, die Verlage gratis online veröffentlichen und die dann «gewerblich genutzt» werden, soll künftig eine staatlich sanktionierte Abgabe an die Verlage fliessen.
    Zudem sollen selbst kleinste Textbausteine wie Überschriften oder bestimmte Formulierungen als «Leistung» durch das neue Recht geschützt werden. Kritiker sehen darin einen erheblichen Konflikt mit der Zitatfreiheit und die Gefahr einer Monopolisierung der Sprache.
    Bis zum Mai 2010 haben die Presseverlage ihre konkreten Pläne vor der Öffentlichkeit geheim gehalten. Das Urheberrechtsportal iRights.info hat dann den bereits damals ausformulierten vorläufigen Gesetzesentwurf der Verleger veröffentlicht. In kurzer Zeit formierte sich daraufhin eine breite Oppositionsbewegung…
    Um die Argumente pro und contra Leistungsschutzrecht darzustellen und auch den Gegnern eine Stimme in dieser wichtigen Debatte zu geben, formierte sich vor wenigen Wochen die Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht oder kurz IGEL – unterstützt von einer Koalition von bisher fast 40 Organisationen, Blogs und Unternehmen.
    Quelle: NZZ
  17. Bertelsmann verzehnfacht Gewinn
    Gute Bilanz für Bertelsmann: Europas größter Medienkonzern hat im vergangenen Jahr seinen Gewinn mehr als verzehnfacht. Unterm Strich machte das Unternehmen mehr als eine halbe Milliarde Euro Gewinn.
    Quelle: SPIEGEL Online
  18. Die Verantwortung von Unternehmen bei Ressourcen-Konflikten
    Angesichts knapper werdender Rohstoffe nehmen Konflikte um Zugang und Verteilung von seltenen Erzen zu. Ob im Kongo, im Sudan oder in Nigeria – einige Rohstoffe werden weltweit unter massiver Verletzung der Menschenrechte und durch Umweltzerstörung gewonnen. Welche Verantwortung tragen hierbei Unternehmen? Darüber diskutieren am 1. März in Berlin unter anderen die frühere Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, Amnesty-Generalsekretärin Monika Lücke und Oliver Wiek vom Ausschuss Außenwirtschaft des BDI. […]
    Anlässlich der Buchvorstellung am 1. März im Berliner GIZ-Haus werden Experten aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft im Rahmen eines Podiumsgespräches die Chancen und Risiken erläutern, die sich für Unternehmen aus ihrem Engagement in Konfliktzonen ergeben. Dabei soll auch die Grenzziehung zwischen den Verantwortungsgebieten von Politik und Wirtschaft diskutiert werden, ohne jedoch die gemeinsamen Ziele aus den Augen zu verlieren: Nachhaltige Entwicklung als Bedingung für wirtschaftlichen Erfolg, die Einhaltung der Menschenrechte und den Erhalt der Umwelt.
    Quelle: entwicklungspolitik online
  19. Mitternachsspitzen
    Zu Gast bei Jürgen Becker im Alten Wartesaal: Sebastian Pufpaff, Matthias Tretter und Richard Rogler.
    Samstag, 19. Februar um 21:45 Uhr im WDR-Fernsehen
    Quelle: WDR

    Anmerkung Martin Betzwieser: Danach kommt die Wiederholung des aktuellen Satiregipfels. Also erst Trüffel und dann Schimmelpilze …

  20. zu gut(t)er Letzt: Demnächst bei zu Guttenbergs
    Quelle: extra 3

    dazu: Das Netz lacht über “Dr.” Karl-Theodor zu Guttenberg: Die besten Witze
    Quelle: Frankfurter Magazin


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