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Titel: Hinweise des Tages II

Datum: 29. April 2011 um 17:25 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich:

Heute unter anderem zu folgenden Themen: Maschmeyer-Affäre beschäftigt den Bundestag; Aufruf zum Tag der Arbeit; Kartellverdacht: EU ermittelt gegen Deutsche Bank und Commerzbank; 2 Zimmer, 18 Millionen Dollar; Vermögensbesteuerung – Chancen, Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten; Lasst die Banken ruhig wegziehen; Globale Ungleichheit 50 : 1 für die Reichen – Die Vermessung der Weltungleichheit; Versuchslabor Pingxiang; Peter Ehrlich – Höhere Steuern sind besser als Sparkurs; Arbeitslosigkeit in Spanien steigt drastisch; Nachtrag Albrecht Müller zu Hinweis Nr. 8. von heute; Hartz-IV-Regelsatz: Was der Mensch braucht; FDP fordert Sanktionen gegen Bildungspaket Verweigerer; Lukrative Nebenjobs; Wir alle haben verrückte Anteile in uns; Die schreckliche Willkür der syrischen Geheimpolize; »Furchtbar durchregierte Apparate«; Zornige Studenten, verhaltene Professoren – Folgen der Universitätsreform in Großbritannien; Gebrochenes Versprechen (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Maschmeyer-Affäre beschäftigt den Bundestag
  2. Aufruf zum Tag der Arbeit
  3. Kartellverdacht: EU ermittelt gegen Deutsche Bank und Commerzbank
  4. 2 Zimmer, 18 Millionen Dollar
  5. Vermögensbesteuerung – Chancen, Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten
  6. Lasst die Banken ruhig wegziehen
  7. Globale Ungleichheit 50 : 1 für die Reichen – Die Vermessung der Weltungleichheit
  8. Versuchslabor Pingxiang
  9. Peter Ehrlich – Höhere Steuern sind besser als Sparkurs
  10. Arbeitslosigkeit in Spanien steigt drastisch
  11. Hartz-IV-Regelsatz: Was der Mensch braucht
  12. FDP fordert Sanktionen gegen Bildungspaket Verweigerer
  13. Lukrative Nebenjobs
  14. Wir alle haben verrückte Anteile in uns
  15. Die schreckliche Willkür der syrischen Geheimpolize
  16. »Furchtbar durchregierte Apparate«
  17. Zornige Studenten, verhaltene Professoren – Folgen der Universitätsreform in Großbritannien
  18. Gebrochenes Versprechen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Maschmeyer-Affäre
    1. Maschmeyer-Affäre beschäftigt den Bundestag
      Die Bundestagsverwaltung geht Medienberichten nach, wonach der Finanzdienstleister Carsten Maschmeyer 1998 den Wahlkampf des SPD-Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder stärker als bekannt finanziell unterstützt hat.
      „Die Bundestagsverwaltung führt dazu derzeit eine Klärung durch“, sagte ein Sprecher am Freitag. Die Bundestagsverwaltung ist für die Kontrolle der Parteienfinanzierung zuständig.
      Quelle: Frankfurter Rundschau
    2. Staatskanzlei in Hannover prüft Vorgänge um Steinmeier
      Die Staatskanzlei in Hannover nimmt Vorwürfe der illegalen Wahlkampffinanzierung im Jahr 1998 „sehr ernst“. Christine Hawighorst, Chefin der Staatskanzlei, erklärte am Donnerstag, es würden Akten gesichtet und Gespräche geführt, um die Vorkommnisse rückhaltlos aufzuklären. […]
      CDU, Grüne und FDP haben die niedersächsische SPD daher aufgefordert, die Vorwürfe zur illegalen Wahlkampffinanzierung schnell aufzuklären. „Wenn sich die Hinweise bewahrheiten, hat SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier die Verfassung gebrochen und die Staatskanzlei für Parteizwecke umfunktioniert“, sagte der Generalsekretär der Niedersachsen-CDU, Ulf Thiele. Niedersachsens Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel forderte, die SPD solle Steinmeiers Rolle „lückenlos aufhellen“. FPD-Generalsekretär Christian Lindner rief SPD-Chef Sigmar Gabriel und Steinmeier auf, ihr Wissen über die Vorgänge von vor 13 Jahren zu offenbaren. Die SPD äußerte sich bisher nicht zu den Vorwürfen.
      Quelle: Hannoversche Allgemeine Zeitung
  2. Aufruf zum Tag der Arbeit
    Wir leben in unruhigen Zeiten: Erdbeben, Tsunami und Atomkatastrophe in Japan, Aufstände gegen Unterdrücker-Regime in arabischen Staaten. Die anhaltende Spekulation auf den Rohstoff- und Kreditmärkten, Angriffe auf soziale Errungenschaften und gewerkschaftliche Rechte im Windschatten der Eurokrise bedrohen die Existenzgrundlagen der Arbeitnehmerschaft und der sozial Schwachen.
    In Teilen der Wirtschaft konnte die Krise dank des Einsatzes der Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer gemildert werden – der Respekt dafür ist bis heute ausgeblieben. Im Gegenteil! Bundesregierung und Arbeitgeber weiten Niedriglöhne, befristete Jobs und unsichere Arbeit immer weiter aus. Equal pay in der Leiharbeit und einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn lehnen sie ab – gegen die Forderung der großen Mehrheit der Bevölkerung. Aus der solidarischen Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme haben sich die Arbeitgeber verabschiedet, nachdem ihnen der Gesetzgeber die Türen ge­öffnet hat.
    Deutschland ist in Schieflage. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Nicht wir haben über unsere Verhältnisse gelebt, sondern Spekulanten, Manager und Banker. Die Finanzmärkte müssen wirksam reguliert werden und die Reichen und Vermögenden müssen endlich ihren Beitrag zur Bekämpfung der Krisenfolgen und für unseren Sozialstaat leisten. Für eine sichere Zukunft brauchen wir starke soziale Sicherungssysteme und paritätische Beiträge der Arbeitgeber.
    Der Atomausstieg ist ohne Alternative. Wir Gewerkschaften wollen ihn, denn wir stehen für einen Fortschritt, der die Natur und die Umwelt achtet. Und wir stehen zum Industriestandort Deutschland. Seine Zukunft hängt von einer sicheren und sauberen Energieversorgung ab. Auch von neuen Netzen. Wir stehen zum Energiesparen, zu Energieeffizienz und zu einem raschen Umstieg auf erneuerbare Energien.
    Wir begrüßen die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa. Mobilität muss aber unter fairen Bedingungen gestaltet werden. Für entsandte Beschäftigte sowie Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter gilt: gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Sie dürfen nicht als Lohndrücker missbraucht werden. Der ungerechte Euro-Plus-Pakt von Kanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy ist der falsche Weg: Eingriffe in die Tarifautonomie, Schuldenbremse, Ausweitung des Niedriglohnsektors, Erhöhung des Renteneintrittsalters. All das steht für ein Europa, das wir so nicht wollen.
    Quelle 1: DGB
    Quelle 2: Aufruf des DGB [PDF – 420 KB]
    Quelle 3: klartext Nr. 16/2011 vom 29. April 2011: Das ist das Mindeste! Faire Löhne – Gute Arbeit – Soziale Sicherheit [PDF – 155 KB]
  3. Kartellverdacht: EU ermittelt gegen Deutsche Bank und Commerzbank
    Die EU-Kommission knöpft sich internationale Banken vor: 16 Institute sollen sich bei den berüchtigten Kreditausfallversicherungen abgesprochen haben. Auch die Deutsche Bank und die Commerzbank gehören zu den Zielen der Wettbewerbshüter.
    Die EU-Kommission verdächtigt die Commerzbank , die Deutsche Bank und 14 weitere führende Geldinstitute, beim Handel mit Kreditausfallversicherungen (CDS) gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen zu haben. […] Die Behörde hat eine Untersuchung eingeleitet, ob die Banken illegale Absprachen mit dem führenden Datenlieferanten Markit getroffen und eine marktbeherrschende Stellung ausgenutzt haben. Das teilte die Kommission am Freitag mit. Es bestehe der Verdacht, dass die Finanzinformationen im CDS-Markt kontrolliert würden. […]
    Eine zweite Untersuchung gegen neun Institute, darunter ebenfalls die Deutsche Bank, wurde eingeleitet. Dabei geht es um den Verdacht, die Banken würden von der europäischen Clearingstelle ICE bevorzugt behandelt und Wettbewerber dadurch verdrängt. […]
    Falls die Kartelljäger ihre Vorwürfe beweisen können und eine förmliche Entscheidung treffen, drohen den beteiligten Unternehmen Bußgelder von bis zu zehn Prozent eines Jahresumsatzes. Dieser Rahmen wird aber üblicherweise nicht ausgeschöpft. Möglich sind auch EU-Auflagen für die Geschäfte. Absprachen zum Schaden von Kunden, Konkurrenten und Verbrauchern sind in der EU streng verboten.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Jens Berger: Sollte die EU-Kommission ihre Drohung ernst meinen, wäre das ein Paukenschlag. Das Geschäft mit CDS hat sich schon lange von seiner eigentlichen Funktion der Risikoabsicherung entfremdet. Heute wird mit CDS gezockt, was das Zeug hält. Die Profiteure sind Banken und Hedge-Fonds, die Geschädigten sind die Staaten bzw. die Steuerzahler. Es ist an der Zeit, CDS entweder ganz zu verbieten oder – so das denn überhaupt möglich ist – den Handel so transparent zu gestalten, dass ein Missbrauch ausgeschlossen werden kann. Ob die EU-Kommission sich gegen die übermächtige Bankenlobby wird durchsetzen können, ist jedoch mehr als fraglich.

  4. 2 Zimmer, 18 Millionen Dollar
    Krise? Welche Krise? Wer reich werden will, muss nur ins Investmentgeschäft. Am besten in die USA, wo das Geld für Banker auch 2010 in Strömen floss. VON az | Es war ein profitables Jahr für John Paulson. Der New Yorker Hedgefonds-Manager kassierte 2010 fast fünf Milliarden Dollar. Anders gerechnet: Paulson musste nur knapp zehn Minuten arbeiten, da hatte er schon das Jahresgehalt von US-Präsident Barack Obama verdient. […] Hedgefonds sind ein eigenartiges Phänomen, was sich auch daran zeigt, dass selbst Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann mit seinem Gehalt nicht konkurrieren kann. 2010 verdiente er “nur” 9,55 Millionen Euro. Dafür braucht Paulson keine sechs Stunden. […]
    Die Gigantogagen für einige Hedgefonds-Manager illustrieren, wie immens die Gesamtgewinne der Branche sind. Mühelos lassen sich ein paar Milliarden extra für besonders schlaue Spekulanten verkraften. Für den Rest der Branche bleibt reichlich übrig. […]
    Selbst wenn dies nur gehässige Kolportage sein sollte: Es ist überdeutlich, dass sogar eine der reichsten Gemeinden Deutschlands, nämlich Königstein am Taunus, der Wohnsitz vieler Banker, nicht mit Manhattan zu vergleichen ist. Dort gehen Luxusapartments mit nur zwei Schlafzimmern für 18,9 Million Dollar weg. Für dieses Geld bekommt man in Königstein vier Villen, mindestens. […]
    Letztlich ist es simpel: Hedge-Fonds und Investmentbanken kassieren eine Sondersteuer. Sie leben davon, all die Milliarden zu verwalten, die die Amerikaner ansparen, weil sie so vehement an die Segnungen des freien Marktes glauben. Ob Universitäten, Renten oder Gesundheitsversorgung — überall wird privat vorgesorgt. Um nur zwei beliebige Beispiele zu nennen: Harvard allein hat ein Vermögen von 27,6 Milliarden Dollar. Der Pensionsfonds von IBM kommt auf 40 Milliarden, die angelegt werden müssen. Und immer profitieren die Investmentbanken. […]
    Dieses ruinöse US-Modell eines entsolidarisierten Kapitalismus hat bei den Bundesbürgern bisher keine Chance. Hoffentlich bleibt das so: Es wäre bedenklich, wenn die Deutsche Bank plötzlich Deutschland als Investmentparadies entdecken würde.
    Quelle: taz
  5. Vermögensbesteuerung – Chancen, Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten
    Vor dem Hintergrund der Konsolidierungserfordernisse, die in den meisten von der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise betroffenen Ländern bestehen und vielfach so umfangreich sind, dass sie allein durch Ausgabensenkungen zumindest kurzfristig nicht bewältigt werden können, sind in jüngster Zeit auch die vermögensbezogenen Steuern wieder verstärkt in die Diskussion geraten: insbesondere in jenen Ländern wie Deutschland oder Österreich, in denen sie einen relativ geringen und abnehmenden Beitrag zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte leisten. Die Debatte um die (künftige) Bedeutung von vermögensbezogenen Steuern speist sich darüber hinaus aus dem auch durch die Finanz- und Wirtschaftskrise nicht grundsätzlich gebrochenen längerfristigen Trend einer steigenden Ungleichverteilung von Vermögen (Aiginger / Schratzenstaller 2010, Dauderstädt 2010).
    Dieser Artikel will einen grundsätzlichen Beitrag zu dieser Diskussion leisten. Hierzu werden zunächst in Abschnitt 1 einige grundsätzliche Überlegungen zur Besteuerung von Vermögen und Vermögenserträgen angestellt. Dabei wird einerseits auf die Begründung und Vorzüge, andererseits auf mögliche Probleme einer Besteuerung von Vermögen eingegangen. Auch wird das Verhältnis zwischen einer Vermögensteuer und einer Einkommensteuer auf Vermögenserträge erläutert, um zu verdeutlichen, dass die Frage nach der Besteuerung von Vermögen nicht unabhängig von jener nach der Besteuerung von Vermögenserträgen diskutiert werden kann. Abschnitt 2 illustriert aktuelle Trends der Besteuerung von Vermögen und Vermögenserträgen mit einem Fokus auf die Entwicklungen in der Europäischen Union.
    In Abschnitt 3 werden abschließend die Konturen eines zeitgemäßen Systems der Besteuerung von Vermögen und Vermögenserträgen skizziert, das sich im Wesentlichen auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer, die Grundsteuer sowie eine allgemeine Finanztransaktionsteuer stützt
    Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung [PDF – 260 KB]
  6. Lasst die Banken ruhig wegziehen
    Große Finanzinstitute drohen mit dem Wegzug, wenn ihnen die Finanzwächter zu enge Fesseln anlegen. Für die betroffenen Länder wäre das kein großer Verlust.
    Du sollst deine Banken lieben!” Dieses Gebot haben unsere Finanz- und Wirtschaftspolitiker seit Jahrzehnten verinnerlicht – und Finanzkonglomerate systematisch gehätschelt und getätschelt. Eine große, global erfolgreiche Volkswirtschaft, so der Konsens, braucht große, global erfolgreiche Banken.
    Kaum jemand hat das so offen ausgesprochen wie der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD): “Wir wollen einen weiteren starken Player neben der Deutschen Bank.” Daher sorgte die Bundesregierung mit 18 Milliarden Euro Staatshilfe dafür, dass die Fusion von Commerzbank und Dresdner Bank zustande kam. […]
    Doch Banken vergeben Darlehen nicht aus Patriotismus, sondern weil sie Gewinn machen wollen. Und dafür spielt es keine Rolle, wo sich ihr Stammsitz befindet. Selbst wenn die Deutsche Bank ihre Zentrale nach Hongkong verlegen würde – solange sich mit Krediten an Maschinenbauer in Baden-Württemberg Geld verdienen lässt, wird es sie auch geben. Klar ist, dass Banken nicht zu klein sein dürfen. Das ist eine wichtige Lehre aus der Weltwirtschaftskrise der 30er-Jahre. Das massenhafte Sterben regionaler Kleinstbanken machte in den USA aus der Rezession erst die Große Depression. Der Umkehrschluss jedoch – je größer, desto besser – ist ebenso falsch.
    Quelle: Handelsblatt
  7. Globale Ungleichheit 50 : 1 für die Reichen – Die Vermessung der Weltungleichheit
    Eine neue Schätzung der globalen Einkommensverteilung zeigt, dass trotz des erfreulichen Wachstums in vielen ärmeren Ländern der Welt die Ungleichheit innerhalb der Menschheit noch riesig ist. Jede Zahl zu ihrer Beschreibung ist zwar mit enormen konzeptionellen und statistischen Problemen und Schiefheiten belastet. Aber die Größenordnung, dass die reichsten 1,4 Milliarden etwa 50-mal so reich sind wie die ärmsten dürfte unbestreitbar sein.
    Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung [PDF – 110 KB]
  8. Versuchslabor Pingxiang
    Mit einem Pilotprojekt soll die chinesische Währung, der Renminbi, auf eine große Zukunft vorbereitet werden. […]
    Die Rolle des US-Dollar in Asien ist übergroß. Er ist nicht nur Zahlungsmittel. Zahlreiche Länder haben ihre Währung an ihn gekoppelt, die längste Zeit auch China. Ein Experte nannte es einst den »ostasiatischen Dollar-Standard«. Spätestens seit der Finanzkrise aber ist den Chinesen diese Abhängigkeit nicht mehr geheuer.
    Die Finanzkrise zeigte, wie gefährlich es sein kann, dass die Volkswirtschaften beider Länder so eng miteinander verwachsen sind. Der größte Schuldner und der größte Gläubiger der Welt, sie können längst nicht mehr ohneeinander. Die USA können sich immer weiter verschulden, weil China Dollar-Anleihen kauft, um seine eigene Währung billig zu halten. Das hilft der chinesischen Exportindustrie, weil ihre Produkte dann, in ausländischen Währungen gerechnet, besonders günstig sind. Wirft die US-Notenbank umgekehrt die Druckmaschinen an, um die eigene Währung abzuwerten und das Handelsdefizit auszugleichen, schrumpfen wiederum die gewaltigen Devisenreserven, die die chinesische Regierung angehäuft hat. China hat die eigene Geldpolitik zu einem großen Teil in die Hände der US-Notenbank gelegt.
    Quelle: ZEIT

    Anmerkung Jens Berger: Und täglich grüßt das Murmeltier. Seit Jahren verkündet China, dass es sich vom „Dollar-Diktat“ lösen wolle und den Renminbi als dritte Leitwährung positionieren will. So lange China den Renminbi allerdings immer noch de facto an den Dollar koppelt, ist dies kaum mehr als heiße Luft. Wenn China das hohe Handelsbilanzdefizit der USA beklagt, ist dies sowohl zynisch als auch unehrlich, verfügt China doch selbst über ein gigantisches Handelsbilanzdefizit in die andere Richtung. Will man hier einen beidseitigen Ausgleich schaffen, führt an einer massiven Aufwertung des Renminbi aber kein Schritt vorbei. Diesen Schritt wagt China jedoch nicht, da dies den Export schwächen würde.
    Leider streut der ZEIT-Artikel wieder einmal die altbekannten Denkfehler der Debatte. Niemand zwingt die wirtschaftliche Weltmacht China dazu, ihre Währung an den Dollar (und den Yen und den Euro) zu koppeln. Die Aussage, Chinas Geldpolitik läge in den Händen der FED ist demzufolge auch falsch. Es ist die chinesische Zentralbank, die regelmäßig interveniert, um den Renminbi nicht zu „hart“ werden zu lassen. Es ist müßig zu erwähnen, dass die FED lieber heute als morgen die seltsame Koppelung des Renminbi an den Dollar beenden würde.

    dazu: HR2 Der Tag – Weichwährung Dollar: Obamas Pleitestaat und die nächste Weltkrise [MP3]

  9. Peter Ehrlich – Höhere Steuern sind besser als Sparkurs
    Europas Regierungen sollten aus dem Fall Griechenland lernen: Radikale Kürzungen helfen kaum gegen horrende Staatsschulden. Sie müssen daher ihre Bürger stärker zur Kasse bitten. […]
    Sind Deutschland und Europa pleite? Offenbar nicht, sonst wäre der Wert des Euro gegenüber dem Dollar in den letzten Tagen nicht weiter gestiegen. Müssen dann die Kinder und Enkel der heutigen Steuerzahler den Schuldenberg abtragen? Nicht unbedingt, wir könnten das auch selbst. Dazu braucht es aber zwei Dinge: Wachstum und strukturell höhere Staatseinnahmen. Denn noch so radikales Sparen allein führt nicht weiter.
    Das Problem des Sparens um jeden Preis zeigt das Extrembeispiel Griechenland. Unter der strengen Aufsicht von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) hat Europas Sorgenkind 2010 sein Haushaltsdefizit um fast fünf Prozentpunkte des BIPs verringert. Auf Deutschlands BIP umgerechnet wären das Einsparungen in Höhe von 125 Mrd. Euro.
    Man kann sich leicht ausrechnen, was mit unserer Wirtschaft passiert wäre, hätte der Staat alle Subventionen halbiert und die Renten und Gehälter im öffentlichen Dienst um zehn Prozent gekürzt. Wachstum hätte es dann trotz Exportbooms kaum gegeben. In Griechenland ist genau das passiert. Die Wirtschaft und damit das Bruttoinlandsprodukt ist geschrumpft. Das führt rein mathematisch dazu, dass der Gesamtschuldenstand ansteigt.
    Quelle: FTD
  10. Arbeitslosigkeit in Spanien steigt drastisch
    Die Zahl der Arbeitslosen in Spanien hat den höchsten Stand seit Beginn vergleichbarer Erhebungen im Jahr 1976 erreicht. Im ersten Quartal 2011 waren rund 4,9 Mio. Menschen ohne Job, etwa 210.000 mehr als im Quartal davor, berichtete das Nationale Statistik-Institut (INE). Die Arbeitslosenquote kletterte um fast einen Punkt auf knapp 21,3 Prozent. Es ist die höchste in Westeuropa.
    Quelle: Der Standard
  11. Hartz-IV-Regelsatz: Was der Mensch braucht
    Nachdem der Regelsatz beim ALG II zum 1.1.2011 um ganze fünf Euro angehoben wurde und er damit nach Ansicht vieler Kritiker weiterhin deutlich zu niedrig liegt, legt Lutz Hausstein nun, wie bereits im letzten Jahr, eine neue, ausführliche Bedarfsermittlung vor. Wie auch andere Berechnungen, beispielsweise die des Bündnisses für einen 500-Euro-Eckregelsatz, kommt Hausstein zu dem Ergebnis, daß der aktuelle Regelsatz nicht den tatsächlichen Bedarf deckt und somit den verfassungsmäßigen Vorgaben nicht entspricht
    Quelle 1: Der Spiegelfechter
    Quelle 2: Was der Mensch braucht – 2011 [PDF – 215 KB]

    dazu: BA-Vizepräsident Alt – “Nur Lebenskünstler können von 364 Euro leben
    BA-Vizepräsident Heinrich Alt spricht mit dem Tagesspiegel über nötige Reformen an Hartz IV, die Frage, warum der Mindestlohn vor allem Singles hilft – und warum die Regierung die Mittel nicht kürzen sollte.
    Quelle: Tagesspiegel

  12. FDP fordert Sanktionen gegen Bildungspaket Verweigerer
    Bisher gingen Experten von mangelnden Informationen und zu komplizierten Anträgen aus. Die FDP scheint nun die wahren Verursacher der Pleite gefunden zu haben: die Eltern.
    Und die sollen dafür bestraft werden: der Berliner FDP-Landes- und Fraktionsvorsitzende Christoph Meyer fordert harte Sanktionen für Verweigerer.
    “Wenn sich nachweislich Eltern nicht darum kümmern, dass ihre Kinder z. B. dringend notwendige Nachhilfe erhalten, müssen sie da sanktioniert werden, wo es ihnen am meisten wehtut. Dann müssen ihnen die Regelsätze gekürzt werden.” So Meyer in einem Interview.
    Quelle: BAföG Aktuell
  13. Lukrative Nebenjobs
    Regierungschef Bouffier und seine Minister üben viele Funktionen aus. Für manche davon erhalten sie Geld. Wie viel, hat die Regierung auf eine Anfrage der Grünen mitgeteilt. Eine Zusammenstellung.
    Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) übertrumpft sogar Ministerpräsident Volker Bouffier – jedenfalls, was seine Einkünfte neben seiner politischen Arbeit angeht. Allein als Aufsichtsratsmitglied und Ausschutzvorsitzender der Fraport AG erhielt er im vergangenen Jahr 31.450 Euro. Bouffier kommt mit mehreren Aufsichts- und sonstigen Posten auf knapp über 10.000 Euro.
    Die meisten Staatssekretäre der Bouffier-Regierung haben keine lukrativen Nebeneinkünfte. Vierstellige Beträge machen lediglich Wissenschafts-Staatssekretär Ingmar Jung (CDU) mit 6000 Euro von der Hessischen Kulturstiftung und Umwelt-Staatssekretär Mark Weimeister (CDU) mit 1000 Euro von der Wirtschafts- und Industriebank Hessen geltend. Außerdem nimmt IT-Staatssekretär Horst Westerfeld (CDU) „ca. 2000 bis 3000 Euro“ im Jahr als Gesellschafter seines Landwirtschaftsbetriebs ein.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  14. Wir alle haben verrückte Anteile in uns
    Der Zeitmangel bei der Behandlung von psychisch Kranken führt mit dazu, dass Patienten als “gestört” oder “defekt” eingestuft werden, meint der Kinder- und Jugendpsychiater Christian Eggers.
    Quelle: taz
  15. Die schreckliche Willkür der syrischen Geheimpolize
    Syriens Präsident Baschar al-Assad geht mit brutaler Gewalt gegen Demonstranten vor. Täglich werden Unschuldige verhaftet, festgehalten und misshandelt. Aus den Gefängnissen verschwinden Häftlinge – niemand weiß wohin.
    Mit brutaler Gewalt unterdrückt der syrische Präsident den Volksaufstand. Wahllos lässt er schießen, einsperren und foltern. Eines der Opfer ist die 23-jährige Rana. Ein Bericht über die zwei schrecklichsten Tage ihres Lebens.
    Quelle: FTD
  16. »Furchtbar durchregierte Apparate«
    Über das Fernsehen, wo es nur noch ein Programm gibt, in dem heute die Royals heiraten. Interview mit Walter van Rossum
    Quelle: Junge Welt
  17. Zornige Studenten, verhaltene Professoren – Folgen der Universitätsreform in Großbritannien
    Die durch gravierende Budgetkürzungen getriebenen Veränderungen an den britischen Hochschulen hatten zunächst heftige britannienweite Proteste vor allem bei den Studenten ausgelöst. Mittlerweile scheint sich der Schauplatz der Auseinandersetzungen von der großen politischen Bühne an die einzelnen Hochschulen verlagert zu haben.
    Die englischen Studenten haben heftig gegen die Erhöhung der Studiengebühren auf künftig sechs- bis neuntausend Pfund pro Jahr reagiert. Die Vorgeschichte ihres Protests, ein Lehrstück politischer Fehlkalkulation, reicht mindestens bis zur letzten Unterhauswahl im vergangenen Mai zurück. Kandidaten verschiedener Parteien – vor allem aber der Liberaldemokraten unter Parteichef Nick Clegg – versprachen damals ausdrücklich, gegen jede Erhöhung der Gebühren zu stimmen. Der Studentenverband NUS hatte die Kampagne organisiert. Die Liberaldemokraten gingen sogar noch weiter, indem sie die Abschaffung der schon bestehenden, „ungerechten“ Studiengebühren von damals, etwas über dreitausend Pfund pro Jahr, verlangten. Allerdings war jedem klar, dass die unabhängige Browne-Kommission nicht nur keine Abschaffung, sondern eine weitgehende Liberalisierung vorschlagen würde.
    Quelle: Forschung und Lehre
  18. Gebrochenes Versprechen
    Vorabdruck: »Freiheit statt Kapitalismus« von Sahra Wagenknecht
    In der kommenden Woche erscheint im Frankfurter Eichborn Verlag Sahra Wagenknechts neues Buch »Freiheit statt Kapitalismus«. Darin plädiert sie für einen »kreativen Sozialismus«, eine neue Wirtschaftsordnung, die statt auf abstrakte Renditeziele und Jobvernichtung auf Erhalt und Ausbau von Arbeitsplätzen, Umweltschonung und Unternehmenswachstum orientiert ist. Ihr Buch versteht sie zugleich als »eine Einladung zum Dialog zwischen echten, nämlich auch geistig liberalen Marktwirtschaftlern auf der einen und ebensolchen Sozialisten und Marxisten auf der anderen Seite«, wie es in der Einleitung heißt.
    Wir veröffentlichen vorab eine um einige Passagen und die Fußnoten gekürzte Fassung des ersten Kapitels (»Das gebrochene Versprechen Ludwig Erhards«). Sahra Wagenknecht ist Mitglied der Linksfraktion im Bundestag und seit Juni 2007 Mitglied im Vorstand der Partei Die Linke.
    Quelle: Junge Welt


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