Angesichts des „Bergs von Aufgaben“ kennt der Bundespräsident keine Parteien mehr, sondern nur noch „Veränderungen“

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Der Bundespräsident freut sich über die Große Koalition. Kein Wunder, er hat sie ja ermöglicht, als er das getürkte Misstrauensvotum als Anlass für Neuwahlen sah und verfassungsrechtliche Bedenken beiseite schob.
„Jetzt haben wir eine handlungsfähige Regierung“! Ja, so fragt man sich verdutzt, war die rot-grüne Bundesregierung eigentlich nicht handlungsfähig? Sicher, sie passte Köhler nicht und sie ging ihm bei den von Köhler für nötig erachteten „Veränderungen“ nicht weit genug.

Köhler liebt es ja, das Land nur noch voller Probleme zu sehen. Kein Wunder, dass er angesichts dieses „Bergs von Aufgaben“ keine Parteien mehr kennt und darüber jubelt, dass „unsere Regierungspolitiker beginnen, parteipolitische Gegensätze zu überbrücken“. Denn „nur gemeinsam sind wir stark“.

Überall sonst ist für Köhler der Wettbewerb die Lösung aller Probleme, nur in der Politik dürfen unterschiedliche politische Überzeugungen “überhaupt nicht stören“.
Angesichts des „Bergs von Aufgaben“ kennt der Bundespräsident wie einstmals „Wilhelm Zwo“ keine Parteien mehr. Wie damals gelte es in einer patriotischen Aufbruchsstimmung nur noch, „parteipolitische Gegensätze zu überbrücken“, „gemeinsam anzupacken“, Veränderungen gemeinsam zu gestalten, denn: „Gemeinsam sind wir stark“. Wir müssen nur „zusammenstehen“, „hart arbeiten“, „einander zuhören und helfen“ und – natürlich – nicht zurückschauen, sondern offen sein für neue Ideen – „und die Dinge fügen sich“. Dann kommen wir wieder dahin, wo Deutschland jahrzehntelang war, an die Spitze Europas. (Papst sind wir ja schon.) Bis dahin müssen zwar einige „am Rande stehen“ und bis dahin fühlen sie sich vielleicht „einsam“ oder „schlecht“ – aber immerhin „unsere Gedanken sind bei Ihnen“.

Ob diese deutsche Großmannsucht unseren europäischen Nachbarn gefallen wird? Haben wir sie nicht als Exportweltmeister schon genug auskonkurriert, zwingen wir ihnen durch unsere niedrigen Lohnstückkosten und den Sozialabbau nicht schon längst gleichfalls Lohnsenkungen und Abbau ihrer sozialen Errungenschaften auf, wenn sie mit uns noch mithalten wollen.

Der Bundespräsident versäumt es natürlich nicht, uns ins Gewissen zu reden: „Ein bisschen mehr Ehrlichkeit, Anständigkeit und Redlichkeit im täglichen Umgang können uns wirklich nicht schaden.“ Fragt sich eigentlich nur, wen oder was er damit ansprechen will, die gebrochenen Wahlversprechen der Politiker, raffgierige Unternehmer, die sich ihre Einkommen schamlos erhöhen und gleichzeitig Tausende Arbeitnehmer auf die Straße setzen Steuerhinterzieher oder diejenigen, die ihr Schwarzgeld ins Ausland verschieben oder gar die von Clement so apostrophierten „Parasiten“ am Arbeitslosengeld?

Der Bundespräsident adelt den Skiweitspringer Jens Weißflog zum politischen Visionär: “Man fliegt immer nur so weit, wie man im Kopf schon ist”, so zitiert er ihn.
Weißflog musste sich bei seinen Sprüngen in den Kopf setzen, möglichst weit abwärts zu fliegen, um zu gewinnen. Wollte der Bundespräsident uns wirklich sagen, dass wir uns im Kopf klar machen müssten, möglichst weit unten zu landen und uns das erst „Ansporn gibt in unseren Anstrengungen für die Menschen, die in Armut und Not leben, hier und überall auf der Welt“.
Sicher meinte er das nicht so, aber das von Köhler gewählte Bild zeigt, wie schlecht, unbedacht, niveaulos und ohne jede Wärme diese Weihnachtsansprache war.

„Frohe und gesegnete Weihnachten, wo immer (!) sie sind!“

Quelle: www.bundespraesident.de

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