Hinweise des Tages II

Jens Berger
Ein Artikel von:

Heute unter anderem zu folgenden Themen: Euro-Gipfel; Whistleblower-Urteil; Deutschland braucht eine Inflation; Wirtschaft wächst langsamer; Immer mehr Menschen arbeiten in Mini-Jobs; Auftragsvergabe im öffentlichen Dienst: Mindestlohn auf dem Vormarsch; Kurzfilm “Nahrungsmittelspekulation”; Immer neuer Stress in Stuttgart; Bundesgerichtshof verurteilt Hypovereinsbank; Mappus will bei Pharmakonzern Merck anheuern; Hier vereint sich Rassismus mit Dummheit; Tunesien: Geschichten in goldenen Lettern; Frankreich: Zunehmend ausgehebelte Menschenrechte; Miliz in Somalia lässt Hilfslieferungen nicht durch; Bericht aus einem Goldenen Käfig; Griechische Schändungsschande; WissensWerte: Menschenrechte (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Euro-Gipfel
  2. Whistleblower-Urteil
  3. Deutschland braucht eine Inflation
  4. Wirtschaft wächst langsamer
  5. Immer mehr Menschen arbeiten in Mini-Jobs
  6. Auftragsvergabe im öffentlichen Dienst: Mindestlohn auf dem Vormarsch
  7. Kurzfilm “Nahrungsmittelspekulation”
  8. Immer neuer Stress in Stuttgart
  9. Bundesgerichtshof verurteilt Hypovereinsbank
  10. Mappus will bei Pharmakonzern Merck anheuern
  11. Hier vereint sich Rassismus mit Dummheit
  12. Tunesien: Geschichten in goldenen Lettern
  13. Frankreich: Zunehmend ausgehebelte Menschenrechte
  14. Miliz in Somalia lässt Hilfslieferungen nicht durch
  15. Bericht aus einem Goldenen Käfig
  16. Griechische Schändungsschande
  17. WissensWerte: Menschenrechte

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Euro-Gipfel
    1. Robert von Heusinger – Euro-Rettung: Die Richtung stimmt
      Griechenland bekommt Milliarden-Hilfen: Mit den Beschlüssen von Brüssel ist eine Art Europäischer Währungsfonds aus der Taufe gehoben worden. Er kann im Notfall Euro zur Verfügung stellen und Spekulationsattacken abwehren.
      Es geht doch. Wider Erwarten klar und europäisch ist die Botschaft des Krisengipfels zur Rettung des Euro ausgefallen. Der Rettungsfonds EFSF erhält deutlich mehr Aufgaben und Flexibilität. Damit haben Angela Merkel und Nicolas Sarkozy den Europäischen Währungsfonds aus der Taufe gehoben. Eine Einrichtung, die den Konstruktionsfehler der Währungsunion, eine gemeinsame Währung ohne politische Union, ein gutes Stück weit korrigiert. Das ist die Sensation des Treffens, das ansonsten die Verschuldung Griechenlands erträglicher gestaltete. […]
      Das eigentlich Dramatische an der Eurokrise ist die Weltfremdheit der deutschen Ökonomen, die die Kanzlerin beraten. Und eine Kanzlerin, die ohne Begeisterung für Europa auf diese Berater hört. So stellen Chronisten schon heute fest, dass erstens jede Position der Kanzlerin zur Eurokrise ein guter Kontra-Indikator war für das, was später beschlossen worden ist. Und zweitens, dass die deutsche Regierung mit ihren Forderungen die Krise jeweils verschärft hat, statt sie zu lösen. Durch die Aufwertung des EFSF indes stehen die Chancen gut, die Krise einzudämmen.
      Worin unterscheiden sich die etwa gleich hoch verschuldeten Länder Italien, USA, Großbritannien? Amerika und England sind in eigener Währung verschuldet. Und die können sie herstellen. Solange ein Land so mächtig ist, dass es sich in seiner eigenen Währung verschulden kann, solange kann es nicht pleitegehen. Zur Not kauft die Zentralbank die Staatsanleihen, druckt also das Geld, um die Gläubiger auszuzahlen. Solchen Ländern kann vom Kapitalmarkt kein Unheil drohen.
      In Euroland ist die Situation anders. Die Euroländer haben sich ein Fremdwährungsrisiko eingehandelt. Streng genommen macht es keinen Unterschied, ob sich Italien oder Deutschland im Euro oder im Dollar verschulden. Durch die von Deutschland durchgesetzte No-bail-out-Klausel, die Chiffre, die es verbietet, dass ein Land für ein anderes haftet, ist der Euro für alle eine Fremdwährung. Und macht deshalb in der kapitalistischen Hierarchie ganz weit oben stehende Länder wie Italien zu Entwicklungsländern, die keine heimische Währung von Rang haben und sich deshalb in einer fremden Devise verschulden müssen – mit all den Risiken wie Spekulationsattacken und Staatsbankrott.
      Quelle: Frankfurter Rundschau
    2. Sahra Wagenknecht – Banken auf Kosten der Steuerzahler gerettet
      „Das Griechenland-Rettungspaket ist in der Tat ein großer Wurf – allerdings nur für die Banken. Die Banken machen einmal mehr den besten Deal in der Krise. Die Abschreibungen in Höhe von 21 Prozent sind weit geringer als die Verluste, die ihnen sonst drohten. Auch bei niedrigeren Zinssätzen werden die Banken zukünftig ihren Profit machen, da sich der Rettungsfonds bei ihnen das Geld zu attraktiven Zinsen leiht. Und alles auf freiwilliger Basis. Die tatsächlichen Risiken werden weiter auf die Steuerzahler und damit auf die Allgemeinheit abgewälzt. Die akute Krise wird auf dem Papier bewältigt, doch von einer tragfähigen Lösung ist man meilenweit entfernt. Griechenlands Wirtschaft liegt am Boden und hat keine Chance, mit dem auferlegten Programm auf die Beine zu kommen. Den anderen Eurostaaten wurde lediglich eine Atempause verschafft. Die eigentlichen Ursachen der Krise wurden nicht angegangen. Nicht einmal eine Bankenabgabe wurde vereinbart. So werden die Verursacher und Profiteure der Krise weiterhin nicht zur Kasse gebeten.
      Showman Josef Ackermann, der den Deal mit ausgehandelt hat, weint zwar publikumswirksam Krokodiltränen und fabuliert davon, wie hart die Banken getroffen seien. Wie sehr man sich jedoch in den Vorstandsetagen der Banken tatsächlich die Hände reibt, zeigt die milde Reaktion des Bankenverbands, der davon spricht, dass das neue Rettungspaket “verkraftbar” sei. Dies heißt nichts anderes als dass man der eigentliche Gewinner der Krise ist.“
      Quelle: Die Linke
    3. Thomas Fricke – Und am Ende rettet uns die Notenbank
      Trotz aller Gipfelbeschlüsse droht die nächste Eskalation der Merkel-Krise – bis Europas Währungshüter als letzte Instanz die absurde Marktpanik (endlich) stoppen.
      In Deutschland gilt die Sache als verpönt. Eine Notenbank soll Zinsen setzen, keine Staatsanleihen kaufen. Weil sonst alles durcheinandergerät. Und Inflation droht. Das zieht. Gut möglich allerdings, dass Europas Notenbanker genau das bald in akuter Not tun müssen. Und dass die Krise dann erst vorbei ist. Spätestens wenn sich herausstellt, dass auch die Krisengipfelbeschlüsse vom Donnerstag nicht reichen, um den Vertrauensschwund der Märkte zu stoppen.
      Vielleicht sollten die Notenbanker sogar so schnell wie möglich in Aussicht stellen, dass sie im Notfall massig Staatsanleihen kaufen. Wenn das glaubwürdig ist, würde es jeder neuen Panik den Boden entziehen. Das wäre dann Krisenbekämpfung via positive Abschreckung – ohne Nebeneffekte. […]
      Den besten Ausschalter hat dann die Notenbank, die im Grunde unbegrenzt Staatsanleihen kaufen kann, weil sie das Geld dafür selbst macht, wodurch sie auch extrem glaubwürdig ist. Nicht um wirklich alle Staatsanleihen zu kaufen. Sondern um zu vermitteln, dass es zu Panik keinen Grund gibt – weil die Währungshüter dies verhindern werden. Bei glaubhafter Ankündigung gibt es dann auch keinen Grund mehr, panisch Anleihen zu verkaufen.
      Quelle: FTD
    4. Fitch wertet Hellas-Umschuldung als Zahlungsausfall
      Die Ratingagentur Fitch wertet die geplante Beteiligung privater Gläubiger an der Griechenland-Rettung als Verstoß gegen die Zahlungsverpflichtungen Athens. Da dem Land mit dem geplanten Anleihetausch ein Teil seiner Zins- und Tilgungszahlungen erlassen würden, wollen die Bonitätswächter es mit der Note “Restricted Default”, also teilweise zahlungsunfähig, einstufen. Diese Note werde aber nur für den Zeitraum des Umtauschs gelten, teilte Fitch am Freitag mit. Nach dessen Abschluss werde die Kreditwüridgkeit Griechenlands neu bewertet werden. Seine Schuldtitel würden dann voraussichtlich als hochspekulative Anlage (low speculative grade) eingestuft – also wie jetzt schon als Ramsch.
      Fitch bewertet die Gläubigerbeteiligung damit kritischer als die International Swaps and Derivatives Association (ISDA). Der einflussreiche Zusammenschluss aus Finanzinstituten, Wertpapierhandelsfirmen, und Wirtschaftsjuristen betrachtet den vom Bankenverband IIF vorgeschlagenen Anleihetausch als freiwillig. Er löse deshalb keine Entschädigungsansprüche aus, teilte die ISDA mit.
      Ein gegenteiliges Urteil der ISDA hätte milliardenschwere Versicherungsansprüche ausgelöst und deshalb zu schweren Verwerfungen an den Märkten führen können. Denn der Zusammenschluss aus Banken, Wertpapierhändlern, Versicherungen und Wirtschaftsjuristen entscheidet darüber, wann Kreditausfallderivate (CDS) auf Anleihen ausgezahlt werden müssen. Mit CDS können sich Anleihegläubiger gegen einen Zahlungsausfall des Schuldners absichern. Hätte die ISDA die Lösung für Griechenland als Kreditereignis gewertet, hätten laut Daten der Depository Clearing & Trust Corporation (DTCC) CDS im Wert von 5 Mrd. Euro ausgezahlt werden müssen.
      Quelle: FTD

      Anmerkung Orland Pascheit: Die US-Banken spielen als Kreditgeber Griechenlands zwar keine große Rolle, die BIZ-Statistik wies Ende 2010 nur 1,5 Milliarden Dollar an griechischen Staatsanleihen aus. Ganz anders sieht es allerdings bei Credit Default Swaps (CDS) aus. Akteure am CDS-Markt sind die amerikanischen Banken wichtige Akteure (Goldman Sachs , Morgan Stanley , JP Morgan Chase und Citigroup). Die BIZ listet 34 Milliarden Dollar “andere potentielle Engagements” für amerikanische Banken in Griechenland auf. Dahinter dürften sich zum großen Teil die von Warren Buffet einst als “finanzielle Massenvernichtungswaffen” bezeichneten CDS verstecken. Dadurch hat Griechenland durchaus Potenzial für eine Wall-Street-Krise, und was das heißt, wissen wir seit 2008.

    5. EZB beugt sich erneut dem Druck der Politik
      Die Europäische Zentralbank hat sich bereit erklärt, einen teilweisen Zahlungsausfall Griechenlands zu akzeptieren und damit den Weg für einen Kompromiss frei gemacht. Auch die Banken wollen sich freiwillig am Rettungspaket beteiligen. Trichet wolle sich seine Zustimmung jedoch damit abkaufen lassen, dass die EZB nur dann weiter griechische Staatsanleihen als notenbankfähige Sicherheiten von den Banken akzeptieren will, wenn diese mit zusätzlichen Garantien der Euro-Länder versehen werden. Dies sagten am Donnerstag mehrere mit den Gesprächen vertraute Personen zu Reuters. Bis zuletzt hatten EZB-Vertreter und andere hochrangige Notenbanker in Europa immer erklärt, dass bei einem Zahlungsausfall keine griechischen Staatspapiere mehr bei Refinanzierungsgeschäften mit den Banken akzeptiert würden. Dies würde de facto zu einem Zusammenbruch des griechischen Banken- und Finanzsystems führen.
      Quelle: NZZ
  2. Whistleblower-Urteil
    1. Urteil des EGMR: Whistleblowing von Meinungsfreiheit geschützt
      Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat heute entschieden: Die fristlose Kündigung von Brigitte Heinisch, Berliner Altenpflegerin und Whistleblower-Preisträgerin 2007, und die Weigerung der deutschen Gerichte diese Kündigung aufzuheben, verstößt gegen das Recht auf Meinungsfreiheit, das in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechts-Konvention garantiert wird.
      Quelle: Whistleblower Netzwerk
    2. Zivilcourage ist nicht illoyal
      Das Urteil von Straßburg macht Arbeitnehmern Mut, die Missstände im eigenen Betrieb kritisieren. Deutsche Arbeitsrichter müssen jetzt umdenken.
      Was hat Vorrang: die Information über extreme Missstände in einem Altenpflegeheim oder das Interesse der Heimleitung an der Unterdrückung dieser Information? Wer verdient größeren Schutz: die Mitarbeiterin des Heims, die immer und immer wieder vergeblich gegen die menschenunwürdige Behandlung der Patienten protestiert und sich schließlich verzweifelt an die Staatsanwaltschaft wendet, oder der Betreiber des Heims, der auf die Loyalität und damit auf die Verschwiegenheit seiner Mitarbeiter vertraut?
      Quelle: Frankfurter Rundschau
    3. Ein Fall von couragierter Kümmerei
      Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat die Rechte der Whistleblower gestärkt: Er sprang einer Pflegerin bei, die ihren Arbeitgeber angezeigt hatte und deswegen entlassen wurde. Warum ein Arbeitnehmer sein Gewissen nicht an der Stechuhr abgeben muss.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung
    4. Urteil zu Whistleblowern: Deutschland hinkt hinterher
      Whistleblower brauchen Schutz vor Kündigung und Diffamierung, sagt der Journalist Hans Leyendecker. Denn sie könnten das Risiko ihrer Taten oft nicht richtig einschätzen.
      Quelle: taz
  3. Deutschland braucht eine Inflation
    Noch fünf Jahre bleiben dem Euro, wenn es so weitergeht – mit verherrenden Folgen. Es fehlt eine europäisch koordinierte Lohnpolitik, meint die Volkswirtin Friederike Spiecker.
    Quelle: taz
  4. Wirtschaft wächst langsamer
    Am Konjunkturhimmel ziehen Wolken auf: Laut Finanzministerium hat sich der Aufschwung deutlich verlangsamt. Und das ifo-Institut verkündet, dass sich das Geschäftsklima eingetrübt hat. Die Euphorie vieler Unternehmer ist gedämpft. (…) Das geht aus dem ifo-Index hervor, der auf 112,9 Punkte sank. Er beruht auf der Einschätzung von 7.000 Unternehmern, die das Münchener Institut jeden Monat zu ihrer derzeitigen Lage und ihren Erwartungen für die nächsten Monate befragt. Ökonomen hatten mit einem geringeren Rückgang gerechnet. Im Juni betrug der Wert des Stimmungsbarometers noch 114,5 Punkte . (…)
    Finanzexperten schätzten kürzlich die Konjunkturaussichten allerdings so schlecht ein wie seit Anfang 2009 nicht mehr: Das ZEW-Konjunkturbarometer des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, das auf einer Befragung von Analysten und Anlegern beruht, fiel im Juli von minus 9,0 auf minus 15,1 Punkte, wie das ZEW am Dienstag mitteilte.
    Quelle: ZDF Heute

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Dow Jones Deutschland berichtete vor wenigen Tagen, daß auch der deutsche Einkaufsmanagerindex für den Monat Juli stark rückläufig ist:

    “Die Geschäftsaktivität in der deutschen Privatwirtschaft hat im Juli unerwartet deutlich an Fahrt verloren. Der Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes fiel auf 52,1 Zähler von 54,6 im Juni und erreichte damit den niedrigsten Stand seit 21 Monaten, wie der Datendienstleister Markit Economics am Donnerstag im Rahmen der ersten Veröffentlichung mitteilte. Volkswirte hatten im Mittel lediglich einen Indexrückgang von 54,1 prognostiziert. Der Index für den Servicesektor sank auf 52,9 Punkte von 56,7 im Vormonat und erreichte damit das tiefste Niveau seit 17 Monaten. Ökonomen hatten einen Rückgang des Index auf 56,3 erwartet. Der aggregierte Sammelindex, der auf dem Produktionsindex für das verarbeitende Gewerbe und dem Index des Dienstleistungsbereichs basiert, verzeichnete mit 52,2 Zählern nach 56,3 im Vormonat den niedrigsten Stand seit zwei Jahren.”

    Die durchweg negative Enwicklung der Ifo-, ZEW- und Einkaufsmanagerindizes deutet auf eine Wachstumsabschwächung in Deutschland hin. Der Rückgang dieser Indizes im Juli 2011 war nach Aussage der Experten “überraschend” und “unerwartet deutlich”.

    Auch vor diesem Hintergrund sind die von Hans Werner Sinn und zahlreichen seiner Kollegen aus der Zunft der Wirtschaftsforscher immer wieder hinausposaunten Aussagen, die deutsche Wirtschaft stehe vor einem jahrelangen Wirtschaftsaufschwung, als pure Kaffeesatzleserei zu werten. Die gleichen Sprüche wurden noch im ersten Halbjahr 2008 geklopft, obwohl die Finanzkrise bereits zum damaligen Zeitpunkt erste Bremsspuren in der Wirtschaftsentwicklung zeigte. Nachdem sich im Herbst 2008 die Finanzkrise dramatisch zugespitzt hatte, offenbarte sich die Substanzlosigkeit dieser Aussagen. Auch zur Jahrtausendwende gab es dieses substanzlose Gerede vom angeblich langwährenden Aufschwung. Im Jahre 2001 wurden auch diese Parolen Lügen gestraft.

    Statt unsolide Konjunkturprognosen über einen Mehrjahreszeitraum in die Welt zu setzen, sollten sich die Wirtschaftsforschungsinstitute auf einen seriös überschaubaren Zeitraum konzentrieren. Selbst bei Konjunkturprognosen über den Zeitraum von nur einem Jahr scheinen vor dem Hintergrund hoher Fehlermargen viele Institute intellektuell überfordert zu sein.

  5. Immer mehr Menschen arbeiten in Mini-Jobs
    Die deutsche Wirtschaft boomt – und trotzdem sind immer mehr Menschen auf einen Mini-Job angewiesen. Nach neuesten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit waren es Ende 2010 fast 7,4 Millionen. Die Gewerkschaften sind darüber gar nicht erfreut. […]
    Immer mehr regulär Beschäftigte verdienen sich ein Zubrot zu ihrem normalen Gehalt: Die Zahl derer, die den Mini-Job als Nebenbeschäftigung ausübten, stieg innerhalb von fünf Jahren um rund 600.000 auf 2,45 Millionen. Für weitere 4,9 Millionen Menschen war der Mini-Job dagegen die einzige Beschäftigung. In dieser Gruppe war der Anstieg deutlich weniger stark.
    Quelle: SPIEGEL Online
  6. Auftragsvergabe im öffentlichen Dienst: Mindestlohn auf dem Vormarsch
    Thorsten Schulten, Experte für europäische Tarifpolitik am sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung, spricht noch immer vom “Rüffert-Schock”, wenn er den 3. April 2008 beschreibt. An diesem Tag gab der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Klage eines deutschen Bauunternehmens, vertreten durch Dirk Rüffert, gegen das Land Niedersachsen recht. “2008 ging wirklich niemand davon aus, dass der EuGH im Sinne Rüfferts entscheiden würde. Selbst die deutsche Regierung und der Generalanwalt am EuGH hatten in seiner Stellungnahme die niedersächsische Praxis befürwortet”, sagt Schulten. Doch die Richter sagten: Die Vorgabe, örtliche Tariflöhne zu zahlen, verstoße gegen die EU-Dienstleistungsfreiheit und die EU-Entsenderichtlinie für Arbeitnehmer.
    Die Länder haben darauf reagiert: Sie verankern ihre Lohnvorschriften heute rechtlich anders, um nicht erneut in Konflikt mit EU-Normen zu kommen. Die EU-Entsenderichtlinie lässt zwar keinen Verweis auf ortsübliche Tariflöhne zu, wohl aber Mindestlöhne per Rechtsvorschrift. Genau diesen Spielraum nutzen die Bundesländer aus. “Das ist für mich eines der seltenen positiven Beispiele, in denen die Länder eine Dynamik zur sozialen Reregulierung anstoßen”, sagt Schulten. An Rhein und Weser sollen Unternehmen, auch Subunternehmer aus anderen EU-Ländern, künftig ihren Arbeitnehmern ab einem Auftragsvolumen von 20.000 Euro mindestens 8,62 Euro Stundenlohn zahlen. Das soll auch für angeheuerte Leiharbeiter gelten. “Wir preschen vor, was soziale Inhalte angeht”, sagt Rainer Schmeltzer, SPD-Fraktionsvize im Landtag, stolz. Bisher schreiben nur Berlin, Bremen und Rheinland-Pfalz einen solchen vergabespezifischen Mindestlohn vor. Er liegt zwischen 7,50 Euro (Berlin) und 8,50 Euro (Bremen und Rheinland-Pfalz).
    Quelle: taz
  7. Kurzfilm “Nahrungsmittelspekulation”
    Ein neuer Film erklärt, wie mit Nahrungsmitteln spekuliert wird, welche Gefahren es birgt und was deshalb geschehen muss.
    Der Film zeigt, wie mit Nahrungsmitteln spekuliert wird. Dies geschieht vor allem an sogenannten Terminbörsen, die besonders groß in den USA sind und in Europa gerade wachsen. Auch wenn diese Börsen einen gewissen Nutzen für die Landwirtschaft haben können, bergen sie viele Gefahren. Vor allem durch die immer stärkere Beteiligung von Finanzspekulanten wie Banken und Fonds werden die Nahrungsmittelpreise immer mehr zum Spielball von Spekulation und Renditemaximierung.
    Quelle: Weed
  8. Immer neuer Stress in Stuttgart
    Baden-Württemberg wird nach der Überprüfung des Bahnhofprojekts nicht friedlicher. Die Gegner des neuen Bahnhofs toben. Die Regierung ist gespalten.
    Quelle: ZEIT
  9. Bundesgerichtshof verurteilt Hypovereinsbank
    Erstmals hat der Bundesgerichtshof die Hypovereinsbank wegen arglistiger Täuschung verurteilt. Nach einem Medienbericht habe die Bank einem Ehepaar den Kauf einer Wohnung finanziert, die völlig überteuert gewesen sei.
    Quelle: FAZ
  10. Mappus will bei Pharmakonzern Merck anheuern
    Seine politische Karriere hat mit der Wahlniederlage in Baden-Württemberg einen jähen Absturz erfahren, nun hat Stefan Mappus offenbar neue Pläne. Der ehemalige Ministerpräsident steht laut einem Zeitungsbericht kurz vor dem Wechsel in die Wirtschaft – und soll sogar zwei Optionen haben.
    Quelle: SPIEGEL Online
  11. Hier vereint sich Rassismus mit Dummheit
    Heute abend in der ZDF-Sendung »Aspekte«: Sarrazins provokativer Auftritt in Berlin-Kreuzberg. Ein Gespräch mit Evrim Baba-Sommer
    Interview: Gitta Düperthal, Mitglied der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin.
    Quelle: Junge Welt

    dazu: Kein Döner für Sarrazin!
    Sarrazins Besuch in Kreuzberg hatte das Ziel, Türken zu beleidigen. Da muss man nicht nett zu ihm sein, schreibt Deniz Baspinar in einer Erwiderung auf Özlem Topcu.
    Quelle: ZEIT

  12. Tunesien: Geschichten in goldenen Lettern
    In Tunesien herrscht Pressefreiheit. Doch die Medien sind weiterhin recht regierungstreu und die Chefredakteure fast überall die alten. Der schlimmste Giftspritzer war Abdelaziz Jeridi, Chefredakteur der Wochenzeitung Al Hadath. Immer wieder griff er Bensedrine öffentlich an, meistens unter der Gürtellinie. Nach der Wende bat er sie in einer Fernsehsendung heulend um Entschuldigung. Die diffamierenden Artikel habe er nicht selbst verfasst. Sie seien ihm von höherer Stelle zugegangen, er habe sie nur unterzeichnet. Wahrscheinlich stimmt das sogar. Wahrscheinlich war der devote Chefredakteur nur ein Nutznießer des Systems. Aber er ist noch immer Chefredakteur, auch wenn er kürzlich wegen Diffamierung eines Journalisten des Senders Al Dschasira in erster Instanz zu vier Monaten Gefängnis verurteilt wurde.
    Quelle: Berliner Zeitung
  13. Frankreich: Zunehmend ausgehebelte Menschenrechte
    Mit unschöner Regelmässigkeit geisselt die Ligue des droits de l’Homme (LDH) die Menschenrechtslage in der selbsternannten “Heimat der Menschenrechte”. Sie steht mit ihrer Kritik nicht allein da: Private Organisationen wie Amnesty International und öffentliche wie der Europarat kritisieren jahrein, jahraus rekurrente, sozusagen institutionalisierte Verstösse gegen die Menschenrechte in Frankreich. Die heurige Ausgabe, die sich auf das Jahr 2010 bezieht, ist “Die entstellte Republik” überschrieben. Was laut der LDH entstellt wird, ist das durch Autoren wie Montesquieu und Rousseau geprägte Ideal des Zusammenlebens in einer auf Gleichheit und Solidarität gründenden Republik. Die – sozusagen berufsethischen – Verstösse von höchsten Staatsvertretern gegen dieses Ideal sind dabei noch verhältnismässig harmlos. Erleichtert, wo nicht gar gefördert werden derlei Verstösse durch die Schwäche der Gegengewichte zur Exekutive. Das Parlament, wo die von der Regierung verfassten Gesetzestexte oft im Eilverfahren durchgeboxt werden, gleicht allzu oft einer blossen Registrierkammer der Wünsche des Elysées. Die Judikative untersteht zum Teil der Exekutive und ist im verfassungsrechtlichen Sinne keine eigenständige Gewalt, sondern lediglich eine “Autorität”. Und auch ein Gutteil der Mitglieder des Verfassungsrats und alle Leiter der öffentlich-rechtlichen Medien werden von der Exekutive ernannt. Das ganz auf den Präsidenten zugeschnittene System der französischen “Wahl-Monarchie”, schreibt der LDH-Präsident Jean-Pierre Dubois in seiner Einleitung, sei auf dem europäischen Kontinent beispiellos – mit Ausnahme von Weissrussland..
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Der Bericht der französischen Menschenrechtsliga sollte keineswegs zur Behauptung verleiten, in Deutschland sei es besser. Sozialabbau, die Individualisierung von Lebensrisiken wie Krankheit oder Arbeitslosigkeit, die zunehmende soziale Ungleichheit sind durchaus ein deutsches Phänomen. Und was wir von führenden deutschen Politikern im Bezug auf Fremdenfeindlichkeit, die Hauptstrategie um von dieser Entwicklung abzulenken, bereits gehört haben, stimmt auch nicht tröstlich. Man denke nur an die Unfähigkeit unserer sozialdemokratischen Spitzenpolitiker, Thilo Sarazin von der Sozialdemokratie abzugrenzen. – Allmählich kommt man sich angesichts des europaweiten Trends, der durch die Sparmaßnahmen allerorten noch verstärkt wird, recht hilflos vor. Die NDS als Jammerkasten? Revolution? Vielleicht ist diese schon näher als wir denken, und dann wird es hässlich.

  14. Miliz in Somalia lässt Hilfslieferungen nicht durch
    In der Katastrophenregion am Horn von Afrika fehlt es weiter an Nahrung und Medikamenten. Im Süden von Somalia sperrt die Shabab-Miliz die internationalen Hilfslieferungen. In der Vergangenheit hatten die Rebellen immer wieder Hilfsgüter zerstört, geplündert oder weiter veräussert und unter anderem «Sicherheitsgebühren» von Uno-Organisationen gefordert. Die Uno liess vergangene Woche erste Hilfsgüter einfliegen, die Hilfe soll nun ausgeweitet werden. Ab den kommenden Tagen würden Nahrungsmittel an 175’000 Menschen in der südsomalischen Region Gedo geliefert, erklärte das Welternährungsprogramm (WFP) in Genf. Ausserdem sollten auch 40’000 Menschen in der Region Afgoye versorgt werden. Die Hauptstadt Mogadisco solle in den kommenden Tagen per Flugzeug Hilfe erhalten. Nach Uno-Angaben sind in Somalia bereits Zehntausende von Menschen verhungert. Tausende von Flüchtlingen strömen in der Hoffnung auf Rettung täglich über die Grenzen nach Äthiopien und Kenia.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Nahrungsmittel für ca. 200.000 Menschen sind angesichts der Zahl von 3 bis 4 Millionen Betroffenen ein Tropfen auf den heißen Stein. Wo bleibt hier die humanitäre Intervention der Großmächte? – Wenn man von Somalia einmal absieht, ist neben den Klimafaktoren das Scheitern des Entwicklungsstaates in den Ländern dieser Region zu konstatieren. Es ist keineswegs so, dass es kein entwicklungsökonomisch geschultes Personal vor Ort gebe. Das entscheidende Defizit besteht in der politischen Umsetzung.

  15. Bericht aus einem Goldenen Käfig
    Um überhaupt aus Tripolis berichten zu können, müssen Journalisten sich auf Gaddafis Pressesprecher einlassen. Moussa Ibrahim hat die Allmacht über die Informationen und lässt keinen Reporter ohne Aufpasser aus dem eigens für Journalisten vorgesehenen Hotel. ARD-Korrespondent Jörg Armbruster hat sich auf eine von Gaddafis Leuten organisierte Tour eingelassen – immer begleitet von Aufpassern, die auch aufs richtige Timing achten. Für tagesschau.de schildert er seine Eindrücke.
    Quelle: Tagesschau
  16. Griechische Schändungsschande
    Sie sind mal wieder entsetzt bei “Bild”:
    Griechenland
    (Bild: Bildblog)
    Unter dem riesigen Foto steht:

    Es sind einzelne Demonstranten. Aber wissen sie nicht, dass sie die Gefühle von Millionen Deutschen verletzen?
    Und das ist natürlich ganz witzig angesichts der einzelnen Boulevard-Journalisten, die seit mehr als einem Jahr die Gefühle von Millionen Griechen verletzen.

    Weniger witzig ist, was “Bild” dann schreibt:
    Quelle: Bildblog

  17. WissensWerte: Menschenrechte
    „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ So heißt es im ersten Kapitel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Die Idee der Menschenrechte ist eine der wichtigsten Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens. Gleichzeitig steht die Idee universeller Menschenrechte aber auch immer wieder im Zentrum heftiger Debatten und weltweit kommt es regelmäßig zu Menschenrechtsverletzungen.
    Aber was sind eigentlich Menschenrechte? Wer ist für ihren Schutz verantwortlich? Und gelten sie wirklich für alle Menschen? Diesen Fragen geht der neueste Clip der WissensWerte Reihe nach.
    Quelle: e-politik.de
  18. Nachtrag zum Beitrag über die Lachnummer von Spiegel Online

    Lieber Albrecht Müller,
    nur eine winzige Anmerkung zu deiner amüsanten Abrechnung mit Spiegel-Online. Dieser komische Griechenwirt aus der Lindenstraße hat deine Verteidigung tatsächlich nicht verdient, was du nicht wissen konntest. Neulich habe ich ihn mit Äußerungen in einer Talkshow gesehen, die so idiotisch waren wie das, was der Steuerhinterzieher Theodorakis jetzt ständig von sich gibt: Wir Griechen wollen zurück zur Drachme, da können wir dann machen, was wir wollen! Und das von einem, der im deutschen Fernsehen immer sein Euro-Gehalt auf der hohen Kante haben wird.
    Dies nur ganz nebenbei.
    Herzlich
    Niels Kadritzke

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