Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Heute unter anderem zu folgenden Themen: Arbeitsmarkt im Juli; Rechtspopulismus; Paul Krugman: Sie sind nicht gleichermaßen schuld; Zypern droht der Ramsch-Status; US-Justiz nimmt weitere Credit-Suisse-Manager ins Visier; Stille Enteignung der Bankaktionäre; Rekordgewinne – Unternehmen wissen nicht, wohin mit ihrem Geld; Familienpolitik – Warum Deutschland keine Lust auf Kinder hat; Müll zu Geld – Wenn der Flaschensammler zweimal klingelt; Sonderfall Berlin: Arbeitslosigkeit trifft insbesondere Hartz-IV-Empfänger; Ohne Ende Billiglöhner; EU-Grünbuch zur Unternehmensführung blendet deutsches Modell aus; Geißler verlangt deutliche Nachbesserungen von der Bahn; Elektroflitzer für Arme; Systemwechsel; Privatisierung im Hochschulbereich; Eine Falle namens Thilo Sarrazin; Parteipräsenz in den TV-News im 1. Halbjahr 2011; zu guter Letzt: Wo die Sonne nicht scheint. (WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Arbeitsmarkt im Juli
  2. Rechtspopulismus
  3. Paul Krugman: Sie sind nicht gleichermaßen schuld
  4. Zypern droht der Ramsch-Status
  5. US-Justiz nimmt weitere Credit-Suisse-Manager ins Visier
  6. Stille Enteignung der Bankaktionäre
  7. Rekordgewinne – Unternehmen wissen nicht, wohin mit ihrem Geld
  8. Familienpolitik – Warum Deutschland keine Lust auf Kinder hat
  9. Müll zu Geld – Wenn der Flaschensammler zweimal klingelt
  10. Sonderfall Berlin: Arbeitslosigkeit trifft insbesondere Hartz-IV-Empfänger
  11. Ohne Ende Billiglöhner
  12. EU-Grünbuch zur Unternehmensführung blendet deutsches Modell aus
  13. Geißler verlangt deutliche Nachbesserungen von der Bahn
  14. Elektroflitzer für Arme
  15. Systemwechsel
  16. Privatisierung im Hochschulbereich
  17. Eine Falle namens Thilo Sarrazin
  18. Parteipräsenz in den TV-News im 1. Halbjahr 2011
  19. zu guter Letzt: Wo die Sonne nicht scheint

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Arbeitsmarkt im Juli
    Im Juli 2011 wurden von der Statistik der BA insgesamt 2,939 Millionen Arbeitslose registriert, 247.000 bzw. 7,8% weniger als im Juli 2010. Von diesen 2,939 Millionen Arbeitslosen waren 859.000 (29,2%) im Rechtskreis SGB III und 2,080 Millionen (70,8%) im Rechtskreis SGB II (Hartz IV) registriert.
    Als Arbeitsuchende waren im Juli 2011 insgesamt 5,176 Millionen Frauen und Männer registriert, 531.000 (9,3%) weniger als im Juli 2010. Die von der Statistik der BA ermittelte „Unterbeschäftigung ohne Kurzarbeit“ betrug im Juli 2011 4,091 Millionen, 524.000 (11,4%) weniger als im Juli 2010.
    Nach vorläufigen, hochgerechneten Daten hatten 779.000 (arbeitslose und nicht arbeitslose) Frauen und Männer Anspruch auf das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld (SGB III) und 4,644 Millionen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Bereinigt um die Zahl der etwa 67.000 sog. Aufstocker (gleichzeitiger Bezug von Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II) hatten im Juli 2011 etwa 5,355 Millionen erwerbsfähige Frauen und Männer Anspruch auf Arbeitslosengeld (SGB III) bzw. Arbeitslosengeld II, 423.000 (7,3%) weniger als vor einem Jahr (BA-Monatsbericht, S. 19).
    Quelle 1: Bremer Institut für Arbeitsmarkt und Jugendberufshilfe [PDF – 452 KB]
    Quelle 2: DIE LINKE: 3,9 Millionen Arbeitslose [PDF – 15.3 KB]

    Anmerkung WL: Der Anteil der Langzeitarbeitslosen hat um ein Prozent auf 34 Prozent erhöht, auch die Arbeitslosigkeit der über 55-Jährigen liegt über dem Vorjahreswert.

  2. Rechtspopulismus
    1. Islamhasser und Israelfreunde
      Die Attentate von Norwegen geben den Blick frei auf einen rechtsextremen und islamophoben Sumpf, der auch in Deutschland Blüten treibt. Viele Vertreter dieser Szene pflegen enge Beziehungen zu Israel. […]
      Den israelischen Friedensaktivisten Uri Avnery schaudert es, wenn er daran denkt, dass dies die neuen Freunde seines Landes sind und dass sich auch der Attentäter von Norwegen selbst als Freund Israels bezeichnete. Seine Forderung, die Deutschen und die Europäer sollten sich von diesem Islamhass deutlich und klar distanzieren. “Ich würde Deutschland und Europa ermahnen, nicht diesen Weg zu beschreiten”, sagte er im Interview mit der Deutschen Welle.
      Quelle: Deutsche Welle
    2. Deutsche Blamage – wir und Norwegens Tragödie
      Intellektuelle versuchen nach der Schreckenstat in Norwegen, die Islamdebatte an Stellen zu retabuisieren, wo es für linke Migrationsfantasien schmerzhafte Niederlagen gab. […]
      Bei all den Attacken wurde nicht nur diese Zeitung, „Die Welt“, angegriffen, sondern insbesondere unser Autor Henryk M. Broder, der als Polemiker und Freigeist mit seinen Büchern, Texten und Fernsehshows wie kaum ein anderer Publizist in Deutschland der aufgeklärten Gesellschaft ihre blinden Flecken spiegelt. Als Provokateur macht er vor wenigen Tabus halt und zwingt sich auch dort zur Drastik, wo es leichter wäre, in den Schoß des veröffentlichten Mainstreams zurückzukehren. Er karikiert und überzeichnet im Dienste der Aufklärung: Das ist für jeden Leser und Rezipienten eigentlich deutlich wahrnehmbar. Wer das mit Hetze verwechselt, tut dies aus Gründen der Selbstberuhigung. Wer in bewusster Verkennung Broders dessen anarchischen Humor und seinen kämpferischen Humanismus in den Zusammenhang mit einem Massenmord eines wohl persönlichkeitsgestörten Attentäters bringt, sortiert die Welt allzu simpel nach Gut und Böse und errichtet einen moralischen Hochsitz, von dem aus die Debatte herrschaftlich verwaltet werden soll.
      Quelle: WELT

      Anmerkung Jens Berger: Wäre man zynisch, könnte man sagen, dass selbst ein Henryk M. Broder es nicht verdient hat, ausgerechnet von Ulf Poschard, der Paris Hilton des deutschen Journalismus, verteidigt zu werden.

    3. Der Wahnsinn aus der Mitte der Gesellschaft
      Die Islamfeindlichkeit ist also gesellschaftsfähig und massentauglich geworden. In einem Klima der Angst vor der erstarkenden Rechten greifen die Mitte-Parteien meist zu zwei Methoden: geübtes Schweigen oder professionelles Adaptieren. Konsequent klaren Protest erlauben sich nur Minderheitsparteien. Gleichzeitig werden Rechtsextreme und rechtspopulistische Akteure immer radikaler in ihrer Ausdrucksweise und verrückter in ihren Weltverschwörungstheorien. Die bei Anders B. vorgefundene Kampfesinbrunst gegen “Kulturmarxismus” und “Islamisierung” – ersteres ermöglicht nach rechter Ideologie letzteres – findet sich etwa auch in einem Positionspapier des österreichischen Rings Freiheitlicher Jugend zum Islam in Europa aus dem Jahr 2006. Der damalige Vorsitzende sitzt heute im Gemeinderat. Erst vor dem Hintergrund dieser Radikalisierung wird die Tat eines einzelnen Verrückten nachvollziehbar.
      Quelle: Der Standard
  3. Paul Krugman: Sie sind nicht gleichermaßen schuld
    Bedenken Sie, was gerade eben vor unseren Augen geschieht: Wir durchleben eine Krise, in der die Rechte immerfort völlig irrwitzige Forderungen aufstellt, während der Präsident und die demokratischen Abgeordneten im Kongress sich bis aufs Äußerste verbiegen, um Entgegenkommen und Kompromissbereitschaft zu zeigen. Sie legen Pläne vor, die nichts als Kürzungen vorsehen und keinerlei Steuererhöhungen. Diese Pläne sind weit rechts von der öffentlichen Meinung angesiedelt. Aber was sagen die Medien? Sie beschreiben die Lage als eine Situation, in der beide Seiten gleichermaßen parteiisch sind, gleichermaßen unnachgiebig. Das bedeutet, dass Extremismus nicht bestraft wird; die Wähler haben keine Chance zu verstehen, was tatsächlich vor sich geht, nehmen sie doch ihre Informationen eher nebenbei auf statt die Angelegenheiten sorgfältig zu studieren. Ja, ich glaube, es handelt sich um eine moralische Angelegenheit. Die Beide-Seiten-sind-schuld-Verfechter sollten es besser wissen. Wenn sie es ablehnen, die Wahrheit auszusprechen, dann liegt es an einer Mischung aus Angst und Egoismus oder am Unwillen, die liebgewordene, vom Schlachtengetümmel abgehobene Position aufzugeben. Es ist schrecklich, das anzusehen zu müssen. Unsere Nation wird den Preis dafür zahlen.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung Orlando Pascheit: Geht es wirklich um eine moralische Angelegenheit? Liegt das Problem nicht vielmehr darin, dass Wähler “ihre Informationen eher nebenbei” aufnehmen statt “die Angelegenheiten sorgfältig zu studieren”. Wo bleibt das Bedürfnis, einen Zusammenhang erklärt zu bekommen? Wieso begnügt sich der amerikanische Wähler mit plakativen Slogans, die dann bei der Tea-Party-Bewegung in nicht mehr hinterfragbare Mantras münden wie: ein staatliches Gesundheitssystem oder der Klimaschutz sind Sozialismus? Liegt das Problem nicht eher darin, dass das US-Kapital bei seinen Bürgern endlich einen Grad von Unaufgeklärtheit durchgesetzt hat, dass schon der Wunsch nach Aufklärung als sozialistisch bzw. als antiamerikanisch empfunden wird? Welch paradiesische Zustände für die oberen Stände!

  4. Zypern droht der Ramsch-Status
    Gerade erst scheint Griechenland vor dem drohenden Staatsbankrott gerettet, da gerät das benachbarte Zypern in Not. Nachdem eine Ratingagentur diese Woche die Kreditwürdigkeit der Inselrepublik drastisch herabstufte, kämpft der kommunistische Staatspräsident Dimitris Christofias mit einer Regierungskrise. Die Finanzlage verschlechtert sich dramatisch. Zyperns Zentralbankchef Athanasios Orfanides warnt bereits, das Land brauche wahrscheinlich Finanzhilfen der Euro-Zone.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es läppert sich …

  5. US-Justiz nimmt weitere Credit-Suisse-Manager ins Visier
    Die amerikanische Justiz nimmt bei ihrer Jagd nach Steuersündern die Credit Suisse scharf ins Visier. Die Bank soll Tausende von Geheimkonten mit Einlagen von bis zu 3 Milliarden Dollar verwaltet haben. Die Justiz will vier Manager der Bank vor Gericht bringen. Noch im Herbst 2008 habe die Bank Tausende von Geheimkonten für amerikanische Kunden mit Einlagen von bis zu drei Milliarden Dollar verwaltet. Der Betrug reiche bis ins Jahr 1953 zurück und umspanne teilweise zwei Generationen von Beteiligten. Die Geheimkonten sind somit auch vererbt worden. Die Credit Suisse will aus rechtlichen Gründen nicht näher auf die Anschuldigungen eingehen. Die Bank unternehme seit vielen Jahren grösste Anstrengungen, um sicherzustellen, dass sie ihr gesamtes grenzüberschreitendes Geschäft in vollständigem Einklang mit allen Regeln und Gesetzen führe, heisst es in einer Stellungnahme.
    Quelle: NZZ
  6. Stille Enteignung der Bankaktionäre
    Der Kapitalismus kann sich ad absurdum führen. Dann etwa, wenn Banker – sie sind für viele Normalbürger die Personifizierung des kapitalistischen Systems – ihre Geldgeber schleichend enteignen. Niemand macht das konsequenter als Credit Suisse und UBS. Die Mitarbeiter der Schweizer Grossbanken erhielten im ersten Quartal einen gleich grossen Anteil am Kuchen wie die Aktionäre. Bei der CS wurden mehr als 49% und bei der UBS fast 53% aller Erträge (Nettoumsätze) in Form von Personalaufwand an die Mitarbeiter verteilt. Und das in einer Zeit, in der die Aktionäre mit heftigen Kursschwankungen und mit unabschätzbaren Risiken leben müssen. Zum Beispiel, wenn ausser Rand und Band geratene Banker ihren Kunden helfen, Geld am US-Fiskus vorbeizuschleusen.
    Was das Ausmass dieser Umverteilung von den Eigentümern zu den Mitarbeitern angeht, sind die Schweizer Grossbanken internationale Spitze. Zum Vergleich: Goldman Sachs – bekannt dafür, viele ihrer Mitarbeiter zu Millionären gemacht zu haben – schüttete im ersten Quartal 44% der Erträge als Saläre und Boni aus. Diese Zahl sieht die US-Bank offenbar als Obergrenze an. Weil ihre Erträge vom ersten auf das zweite Quartal massiv zurückgegangen sind, hat sie auch beim Personalaufwand radikale Einschnitte vorgenommen: Die Entschädigungen sind von 5,2 auf 3,2 Mrd. $ gesunken – proportional zum eingebrochenen Umsatz.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Die armen Bankaktionäre haben eben noch nicht realisiert, das der Abschied vom “Geschäftsmodell Steuerhinterziehung” und die Risikobereitschaft ihrer angestellten Manager nicht nur Volkswirtschaften schädigen, sondern auch die Gewinnmarge der Eigentümer senkt. Selber schuld, wenn sie ihre Zockermanager immer noch auf diesem Niveau vergüten. Oder hoffen sie, Anreize für neue Zockerideen zu schaffen.

  7. Rekordgewinne – Unternehmen wissen nicht, wohin mit ihrem Geld
    Deutsche Konzerne sonnen sich in ihren rekordverdächtigen Quartalszahlen. Doch wie die Gewinne sinnvoll genutzt werden, bleibt unklar.
    Quelle: WELT

    Anmerkung J.A.: Völlig verrückt. Wie wär’s denn mal, wenn die Unternehmen mit ihrem Geld ihre Mitarbeiter ordentlich, d. h. deutlich besser, bezahlen würden? Steuern zahlen? Junge Menschen ausbilden? Keine gute Idee dabei?

  8. Familienpolitik – Warum Deutschland keine Lust auf Kinder hat
    Berlin zahlt Elterngeld und erfindet Vätermonate – trotzdem ist der Effekt nahe null: Deutsche Paare sind kaum zu überzeugen, mehr Kinder zu bekommen. Denn Arbeit und Familie sind in diesem Land nur schwer vereinbar. Wie schaffen andere Länder das?
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Jens Berger: Wenn SPIEGEL-Online-Redakteurin Lisa Erdmann sich fragt, warum die Deutschen keine „Lust“ auf Kinder haben, kann man sich eigentlich getrost sparen, den Artikel zu lesen. Schon vorher steht fest, dass Frau Erdmann nicht auf die nahe liegenden Gründe kommt. Erwartungsgemäß spart der Artikel prekäre Arbeitsverhältnisse, unsichere Zeitverträge und Mini-Löhne als Gründe aus. Wer meint, dass Familienplanung eine Frage der „Lust“ sei, hat wohl ohnehin keinen Zugang zum Thema. Vielleicht sollt die Redakteurin einmal eine ihrer schlecht bezahlten Praktikantinnen fragen, warum sie keine „Lust“ auf Kinder hat.

  9. Müll zu Geld – Wenn der Flaschensammler zweimal klingelt
    Zynisch oder einfach ein kluger Einfall? Arme Menschen, die auf der Straße Pfandflaschen auflesen, können den geldwerten Abfall nun gleich bei jenen Leuten zu Hause abholen, die das bisschen Geld nicht brauchen. Erfinder Jonas Kakoschke sagt, er bringe Arm und Reich zusammen.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung J.A.: Die Hartz-IV-Gesellschaft als Triebkraft des Armuts-Unternehmertums – das ist zynisch, aber der SPIEGEL meint das ernst.

  10. Sonderfall Berlin: Arbeitslosigkeit trifft insbesondere Hartz-IV-Empfänger
    Die Arbeitslosigkeit in Berlin sinkt auch im aktuellen Aufschwung nur geringfügig. Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge liegt das vor allem an der besonderen Situation in der Hauptstadt. „Mehr als 80 Prozent der Berliner Arbeitslosen beziehen Hartz IV“, schreibt das Institut. Und die Hälfte der derzeit 230 000 Arbeitslosen hat keine Berufsausbildung. „All dies deutet darauf hin, dass sich die Arbeitslosigkeit in Berlin in einigen Bereichen deutlich verhärtet hat.“ Und zwar gilt das nach Beobachtung des Instituts für Einsatzfelder unqualifizierter Arbeitskräfte „aber auch für einige Akademiker, insbesondere Sozialwissenschaftler und Künstler“. Seit zwei Jahren gibt es sogar überhaupt keinen Rückgang mehr. Das erklärt das DIW unter anderem mit „Wanderungsgewinnen“ – die Zahl der Einwohner im erbwerbsfähigen Alter wächst. Für die „alten“ Berliner Arbeitslosen ist das schlecht, denn neue Arbeitsplätze „werden mit Personen besetzt, die nach Berlin zuwandern“. Schließlich widmet er sich der „hohen Jugendarbeitslosigkeit. „Stimmen seitens der Unternehmen, die auf eine mangelhafte Ausbildungsfähigkeit der Jugendlichen verweisen, sind so lange wenig überzeugend, wie nicht genügend Lehrstellen bereitgestellt werden.“
    Quelle 1: Tagesspiegel
    Quelle 2: DIW [PDF – 353 KB]
    Quelle 3: DIW [Audio – mp3]

    Anmerkung Orlando Pascheit: Zu einfach macht es sich Karl Brenke, wenn er meint, die Politik könne wenig gegen die Verfestigung der Arbeitslosigkeit in Berlin tun, und sehr allgemein auf wachstumsfördernde Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung setzt. Die Sparprogramme bei der Jugendhilfe in den sozialen Brennpunkten gehören gewiss nicht zu den wachstumsfördernden Maßnahmen der Stadt, sondern verschärfen langfristig die Situation.

  11. Ohne Ende Billiglöhner
    München sieht sein Heer aus Ein-Euro-Jobbern durch geplante Arbeitsmarktreform gefährdet. Wohlfahrtsverbände wollen Förderkriterien ganz kippen.
    Quelle: Junge Welt
  12. EU-Grünbuch zur Unternehmensführung blendet deutsches Modell aus
    Die EU-Kommission diskutiert über gute Unternehmensführung. Allerdings einseitig. Referenzmodell ist das angelsächsische System der Unternehmensorganisation. Das deutsche Modell – klare Trennung von operativem Geschäft und Unternehmenskontrolle, Arbeitnehmermitbestimmung in den Aufsichtsräten großer Unternehmen – kommt kaum vor. Zu diesem Ergebnis gelangen die Corporate-Governance-Experten der Hans-Böckler-Stiftung in ihrer aktuellen Stellungnahme zum geplanten Grünbuch der EU-Kommission. Diese Einseitigkeit mache deutlich, wie fragwürdig mögliche Regulierungsinitiativen der Kommission sind, warnen die Fachleute.
    Quelle: Stellungnahme der Hans-Böckler-Stiftung zum Grünbuch der Europäischen Kommission vom 5. April 2011: “Europäischer Corporate Governance-Rahmen” [PDF – 281 KB]
  13. Geißler verlangt deutliche Nachbesserungen von der Bahn
    “Wenn sich herausstellt, dass die sogenannte Premiumqualität bei S21 nicht gegeben ist, muss die Bahn sich am Freitag verpflichten, das herzustellen. Ebenso, dass der neue Bahnhof behinderten- und familienfreundlich ist und die Brandschutzmaßnahmen der Stuttgarter Feuerwehr realisiert werden. Das alles wurde ja schon in der alten Schlichtung bestimmt – am Freitag muss es noch einmal verbindlich gemacht werden. … Das [die Kostenfrage] ist nicht Gegenstand der Schlichtung. Darüber hat dann die Politik zu entscheiden. … Es war ausgemacht, dass die Bahn die Projektgegner bei der Prämissenformulierung für den Stresstest beteiligt. Das war eine ausdrückliche Absprache mit der Bahn und die Projektgegner waren darüber informiert. Ich habe dann vier Monate nichts mehr dazu gehört und dachte mir auch nichts dabei, ich muss die Leute ja nicht jede Woche auf den Topf setzen. Irgendwann stellte sich heraus, dass es nicht passiert war. Aber da hätten die Gegner natürlich auch mehr auf Zack sein müssen.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Orlando Pascheit: Mit anderen Worten, Geißler räumt indirekt ein, dass Stuttgart 21 über die Finanzierung stolpern kann. Wahrscheinlich würden eventuelle Nachbesserungen die vereinbarte Obergrenze von 4,5 Milliarden Euro sprengen und damit den Projektgegnern in die Hände spielen.

  14. Elektroflitzer für Arme
    Die Grünen interessieren sich eher für den Atomausstieg als für soziale Fragen. Das kann Linie werden, wenn sie an die Macht kommen. Am interessanten ist, wozu Winfried Kretschmann nichts sagt. Der neue starke Mann der Grünen wird in der Partei gefeiert wie ein schwäbischer Messias, und er spricht gerne und ausführlich über ökologisch orientiertes Wirtschaften, über Elektromobilität und Klimaschutz, über Bildung als die “große soziale Frage” unserer Zeit. Ein Sinnzusammenhang fehlt jedoch mit schöner Regelmäßigkeit: Vermögenskonzentration in Deutschland, Armut, und, daraus abgeleitet, eine Idee von Verteilungsgerechtigkeit.
    Kretschmanns Schweigen ist mehr als die taktische Fokussierung des Regierungschefs eines reichen Bundeslandes. Es ist ein Symptom für eine Machtverschiebung bei den Grünen und die programmatische Schwäche, die aus ihr folgt. Angesichts des historischen Erfolgs in Baden-Württemberg und der Hoffnung aufs Regieren im Bund sind die Kräfte in der Offensive, die die Partei als Kraft der Mitte positionieren wollen, die offensiv um WählerInnen aus dem konservativen Lager werben, und die dabei die Verteilungsfrage ignorieren. In ihrem Kalkül ist diese kontraproduktiv beim Kampf ums Bürgertum der Mitte.
    Quelle: taz
  15. Systemwechsel
    Die Partei, die sich Die Linke nennt, möchte endlich den Status einer nachgeordneten Partei verlieren und sich ein Programm geben. In der DDR durfte nur die SED ein Programm haben, die anderen Parteien begnügten sich mit Satzungen, in denen sie sich dem Führungsanspruch der SED unterwarfen.
    Quelle: Deutschlandradio Kultur

    Anmerkung unseres Lesers S.B.: Über den Programmentwurf der “Partei, die sich Die Linke nennt” erfährt man in diesem Kommentar nicht viel Konkretes, umso deutlicher von der Gedankenwelt des Verfassers.
    Besonders ärgere ich mich über die Abqualifizierung von direkter Demokratie: “Wie die im Programmentwurf der LINKEN gewünschte Gesinnungsdemokratie in der Praxis aussehen wird, zeigt sich beispielhaft am Umbau des Bahnhofs in Stuttgart und dem abgebrochenen Gang Sarrazins durch Berlin-Kreuzberg.”
    Die gleichen Leute, die die parlamentarische Demokratie so vor dem Angriff des Pöbels bewahren wollen, werden nicht müde, die Demonstrationen im Herbst ’89 bei jeder Gelegenheit als Heldenoper formuliert vorzutragen. Parallelen? Natürlich keine.
    Bemerkenswert für mich auch die Einleitung. Was hat die Programm- bzw. Satzungsgestaltung von DDR-Parteien mit dem zwei Jahrzehnte später vorgelegten Programmentwurf der LINKE zu tun? Und wer sind die “anderen linken Parteien”, mit denen die LINKE “auf Augenhöhe konkurrieren” will? Rätsel über Rätsel.

  16. Privatisierung im Hochschulbereich
    Damit ist die Hochschulfinanzierung “in den letzten Jahren wesentlich verändert worden. […] Durch diese Entwicklungen ist der Anteil der Grundfinanzierung durch den Träger an der Gesamtfinanzierung der Hochschulen rückläufig” (Statistisches Bundesamt 2010d, S.48). Auch den Zahlen der OECD zufolge wird innerhalb der deutschen Hochschulfinanzierung eine Verlagerung der Ausgaben für Institutionen von öffentlich nach privat konstatiert (2000: öffentlich 88,2 Prozent, privat 11,8 Prozent; 2007: öffentlich 84,7 Prozent, privat 15,3 Prozent; OECD 2010). “Betrug das Verhältnis Grundmittel/Drittmittel 1993 noch 100:14, im Jahre 2000 dann 100:20, war die Relation 2008 bereits 100:25(+) (alle Angaben jeweils ohne medizinische Bereiche).”
    Quelle: studis online
  17. Eine Falle namens Thilo Sarrazin
    Die Journalistin Güner Balci sollte einen Film drehen. Unter Vorwänden wird ihr der Auftrag entzogen. Nebenbei wird ein Einbruch erfunden, der Diebstahl von Tonbändern. Erklärung: „Notlüge“. In diese Not hat sich eine Öffentlichkeit begeben, die es nicht schafft, die Wahrheit über ein Buch auszusprechen.
    Quelle: FAZ
  18. Parteipräsenz in den TV-News im 1. Halbjahr 2011
    Quelle: IFEM Köln
  19. zu guter Letzt: Wo die Sonne nicht scheint
    Quelle: taz

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