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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Schuldenstreit USA; Lohneinbußen, Stress, Unzufriedenheit; Helios bleibt auf Wachstumskurs; Versorgungs­strukturgesetz: DGB wirft Regierung Klientelpolitik vor; Arbeitszufriedenheit in Deutschland sinkt langfristig; Die Leiharbeitsentscheidung des Bundesarbeitsgerichts – Kritik mit der Kneifzange?; DIW: “Nötig sind kräftige Lohnerhöhungen”; Weiter Castortransporte nach Gorleben; Prof. Kodama zur Kontamination nach Fukushima: “Ich bebe vor Wut!”; Gelegenheit macht Diebe; Skandal im Innenhafen; Israel: 150.000 gehen auf die Straße; Anders Breivik: Wahn und Sinn; Er hat überlebt, um zu berichten; Deutsche Studenten drängen nach Österreich; Der Copy-and-Paste-”Journalismus” bei* “Spiegel Online”; zu guter Letzt: Einladung zur Ergo-Party mit Bademantel (KR/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Schuldenstreit USA
  2. Lohneinbußen, Stress, Unzufriedenheit
  3. Helios bleibt auf Wachstumskurs
  4. Versorgungs­strukturgesetz: DGB wirft Regierung Klientelpolitik vor
  5. Arbeitszufriedenheit in Deutschland sinkt langfristig
  6. Die Leiharbeitsentscheidung des Bundesarbeitsgerichts – Kritik mit der Kneifzange?
  7. DIW: “Nötig sind kräftige Lohnerhöhungen”
  8. Weiter Castortransporte nach Gorleben
  9. Prof. Kodama zur Kontamination nach Fukushima: “Ich bebe vor Wut!”
  10. Gelegenheit macht Diebe
  11. Skandal im Innenhafen
  12. Israel: 150.000 gehen auf die Straße
  13. Anders Breivik: Wahn und Sinn
  14. Er hat überlebt, um zu berichten
  15. Deutsche Studenten drängen nach Österreich
  16. Der Copy-and-Paste-”Journalismus” bei* “Spiegel Online”
  17. zu guter Letzt: Einladung zur Ergo-Party mit Bademantel

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. US-Schuldenstreit
    1. Obamas Haushalts-Waterloo
      Der Deal steht, aber er ist faul. Auch wenn die drohende US-Pleite abgewendet werden konnte, stehen die Verlierer des Polit-Geschachers bereits fest und es sind wieder einmal die Ärmsten der Armen. Schuld an der Misere sind aber nicht nur die Republikaner.
      Quelle: The European
    2. Demokraten lassen Obama hängen
      Die Parteifreunde des Präsidenten warfen den Republikanern im Schuldenstreit vor, seine Politik zu blockieren. Im Repräsentantenhaus stimmten aber drei Viertel der Konservativen dem Kompromiss zu – von den Demokraten weniger als die Hälfte.
      Quelle: FTD
    3. Nobelpreisträger Paul Krugman„Das Schuldenabkommen ist ein Desaster“
      Der Schuldenkompromiss in den USA steht. Doch internationale Top-Ökonomen schlagen die Hände über dem Kopf zusammen und warnen im Handelsblatt-Gespräch vor dramatischen Folgen. Das Angstwort Rezession macht die Runde.
      Quelle: Handelsblatt
  2. Lohneinbußen, Stress, Unzufriedenheit
    Deutschland geht es so gut wie lange nicht, sagt die Kanzlerin. Neue Studien zeigen: Der Graben zwischen Statistik und Alltagserfahrungen wächst
    Quelle: Der Freitag
  3. Helios bleibt auf Wachstumskurs
    Der zum Fresenius-Konzern gehörende private Krankenhausbetreiber Helios hat im ersten Halbjahr 2011 seinen Umsatz im Vorjahresvergleich um sechs Prozent 1,293 Milliarden Euro gesteigert. Das operative Ergebnis (EBIT) stieg um zwölf Prozent auf 123 Millionen Euro. […]
    Auch die operative Marge des Klinikbetreibers hat sich den Angaben zufolge erhöht: von 9 auf 9,5 Prozent. Fresenius Helios erhöht den EBIT-Ausblick auf nunmehr circa 260 Millionen Euro.
    Quelle: Ärztezeitung

    Anmerkung Jens Berger: Die Interpretation dieser Pressemeldung bleibt dem Leser selbst vorbehalten. Eine mögliche Deutung ist, dass für jedem Euro, der im Namen der Beitragszahler an den Helios-Konzern überwiesen wurde, 10 Cent als Rendite bei den Klinikbetreibern hängen bleiben. Eine weitere Deutung wäre, dass die Personalkosten so weit gedrückt wurden, dass der Klinikbetreiber auf Kosten der Mitarbeiter Traumrenditen erzielt. Wie auch immer man die Zahlen deutet, sie sind ein Fanal gegen die Privatisierung des Gesundheitssystems.

  4. Versorgungsstrukturgesetz: DGB wirft Regierung Klientelpolitik vor
    Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat das geplante Versorgungs­struktur­gesetz (VStG) der Bundesregierung scharf kritisiert. Der Kabinettsentwurf sei „ein Zeugnis beispielloser Klientelpolitik“, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach am Dienstag in Berlin.
    Statt die Gesundheitsversorgung für die Patienten zu verbessern, wolle die Koalition die Ärzte und Zahnärzte mit höheren Honoraren versorgen, so die Kritik. „Der Gipfel der Unverschämtheit ist dabei, dass der Steuer­zuschuss für den ohnehin unzu­reichenden Sozialausgleich auch noch gekappt werden soll, wenn die Arzthonorare steigen“, sagte das DGB-Vorstandsmitglied.
    Quelle: Ärzteblatt

    siehe dazu: Honorarsteigerungen für Ärzte aus dem Sozialausgleich der Kassen

  5. Arbeitszufriedenheit in Deutschland sinkt langfristig
    • Seit Mitte der 1980er Jahre nimmt die Arbeitszufriedenheit von Beschäftigten in Deutschland in einem langfristigen Trend ab.
    • Besonders stark ist der Rückgang bei älteren Arbeitnehmern jenseits des 50. Lebensjahres. Ansonsten zeigt sich ein Rückgang der Arbeitszufriedenheit in allen Qualifikationsstufen und in Betrieben unterschiedlicher Größe in ähnlicher Form.
    • Im internationalen Vergleich weisen Arbeitnehmer in Deutschland eine besonders geringe Arbeitszufriedenheit auf.
    • Die Ursachen dafür sind in Entwicklungen wie der Intensivierung der Arbeit in den Betrieben, Problemen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, geringen Lohnsteigerungen und wachsender Unsicherheit bezüglich der beruflichen Zukunft zu suchen.

    Quelle: Institut Arbeit und Qualifikation [PDF – 277 KB]

  6. Die Leiharbeitsentscheidung des Bundesarbeitsgerichts – Kritik mit der Kneifzange?
    Am 22.07.2011 polemisierten die Autoren Richard Giesen und Volker Rieble unter dem Titel „Zeitarbeit im Zangengriff“ in der FAZ gegen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das den „Christlichen“ Gewerkschaften die Tariffähigkeit entzog.
    Dazu stellte uns der Justitiar der IG Metall, Thomas Klebe, seinen Kommentar zur Verfügung:
    Den beiden Autoren fehlt es nicht an starken Worten:

    • „Die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit werden überstrapaziert“;
    • „Kollektivmacht geht schon lange vor Recht“;
    • das Vorgehen der Sozialversicherungsträger wird mit „staatlich organisierter Schutzgelderpressung“ verglichen;
    • von einer „Perversion der Tarifautonomie“ ist die Rede.

    Und schließlich wird eine kühne Behauptung aufgestellt. Zeitarbeit belege, „dass niedrigere Löhne Arbeitsplätze schaffen“.
    Doch damit noch nicht genug:
    „Nachdem der DGB vergeblich versucht hat, Zeitarbeit zu behindern, kamen ihm die Bundesarbeitsrichter zu Hilfe“. Bundesrichter also im Zusammenwirken mit Gewerkschaften
    gegen die Zeitarbeit, welch absurde Unterstellung.
    Immerhin: Die beiden Autoren treten, wie ihr Text zeigt, ganz offensichtlich nicht als Rechtswissenschaftler auf, sondern in ihrem „Nebenberuf“ als freiberufliche Journalisten.
    Von journalistischer Sorgfalt allerdings fehlt jede Spur. Dafür findet man umso mehr unsinnige Behauptungen, Unterstellungen und Anschuldigungen.
    Mehr: Siehe hier [PDF – 82.2 KB]

  7. DIW: “Nötig sind kräftige Lohnerhöhungen”
    Selbst dann, wenn die Prognosen der Forschungsinstitute eintreffen und die Reallöhne steigen, werden sie längst nicht so stark wachsen wie die Vermögenseinkünfte. Der nunmehr zehn Jahre andauernde, und durch die jüngste Krise nur kurz unterbrochene Trend der Einkommensumverteilung zulasten der Arbeitnehmer setzt sich fort. Das verletzt nicht nur die Gerechtigkeitsvorstellungen in breiten Teilen der Bevölkerung, sondern bremst auch das nationale Wirtschaftswachstum. Wie sich an den dauerhaft hohen Leistungsbilanzüberschüssen ablesen lässt, fließt ein großer Teil der in Deutschland erwirtschafteten Einkommen nicht in die Inlandsnachfrage, sondern ins Ausland ab. Wenn permanent viel Kapital im Ausland angelegt wird, bleiben hierzulande Konsum und Investitionen zurück. Die stark auf Exportüberschüsse ausgerichtete deutsche Wirtschaft kann daher nicht die Konjunkturlokomotive in Europa sein. Vielmehr ist sie ein Trittbrettfahrer, der darauf hofft, dass andere Länder kräftig konsumieren und investieren – auch wenn sie dabei über ihre Verhältnisse leben, teils so sehr, dass nun einige Staaten mit massiven Hilfen gestützt werden.
    Um die ökonomischen Ungleichgewichte in Europa nicht noch weiter wachsen zu lassen, und um die deutsche Wirtschaft auf einen höheren Wachstumspfad zu bringen, muss in Deutschland stärker auf die Binnennachfrage gesetzt werden. Das geht nur durch die Abkehr von der häufig beschönigend als “moderat” bezeichneten Lohnpolitik, die tatsächlich aber makroökonomisch wie verteilungspolitisch fragwürdig ist
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung von Volker Bahl.: …und zu den skandinavischen Ländern vgl. noch einmal hier, sowie hier – und neuerdings auch hier.

  8. Weiter Castortransporte nach Gorleben
    Enttäuschung im Wendland: Der im November erwartete Castortransport nach Gorleben ist wohl doch nicht der letzte aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague. Für 2014 sei ein weiterer Transport aus Frankreich geplant, sagte der Sprecher der Gesellschaft für Nuklearservive (GNS), Jürgen Auer, am Dienstag. Von 2014 an würden in Gorleben zudem mehrere Castortransporte mit hochradioaktivem Müll aus Großbritannien erwartet.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  9. Prof. Kodama zur Kontamination nach Fukushima: “Ich bebe vor Wut!”
    Im Ausschuß für Arbeit, Soziales und Gesundheit, Japanisches Unterhaus, 27. Juli 2011, 9:00 morgens.
    Hier die Videoaufzeichnung und das Transskript zur Aussage von Prof. Kodama, Chef des Radioisotopen-Zentrums der Universität von Tokyo. Zum Lesen der Aussage, bitte etwas scrollen.
    Quelle: AntiAtomPiraten
  10. Gelegenheit macht Diebe
    Uwe Dolata legt sich mit den Mächtigen in der Wirtschaft an. Im FR-Interview spricht der Wirtschaftskriminalist über verdächtige Visitenkarten, korrupte Ärzte und unternehmerische Selbstdisziplin.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  11. Skandal im Innenhafen
    Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit, Untreue und Vorteilsgewährung. Dabei hätte das Landesarchiv Nordrhein-Westfalens ein Leuchtturmprojekt werden sollen.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  12. Israel: 150.000 gehen auf die Straße
    150.000 Demonstranten gingen am Samstagabend in gut einem Dutzend Städten auf die Straße. “Soziale Gerechtigkeit” ist der zentrale Slogan der heterogenen Protestgruppe. Ende vergangener Woche schlossen sich in Haifa, Nazareth und in dem Grenzort Baka al-Gharbijeh auch palästinensische Bürger Israels an. Regierungschef Benjamin Netanjahu beauftragte eine Expertenrunde der betroffenen Ministerien, rasch Lösungen zu liefern. Was als spontaner Protest gegen eine Mietpreiserhöhung begann, weitet sich aus. Am Wochenende war zum ersten Mal von staatlicher Mietpreisbindung die Rede. Die Forderungen umfassen aber auch Reformen im Gesundheitssystem und kostenfreie Kinderbetreuung ab der Geburt. Die seit Wochen streikenden unterbezahlten Ärzte gehen Hand in Hand mit den Protestcampern, unter die sich inzwischen auch junge Eltern und erzürnte Autofahrer mischen.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Die israelische Regierung muss lernen, das Sicherheitspolitik dann sinnlos wird, wenn dabei der Lebensstandard der Bürger unter ein gewisses Minimum rutscht. Kurzum: Sie muss sicherheitspolitisch Frieden lernen.

  13. Anders Breivik: Wahn und Sinn
    Von wegen geisteskrank – der Mörder von Oslo wusste, was er tat und wollte: Sozialdemokraten töten, Lieblingsziel aller totalitären Weltretter. Wir sind es, die nichts wussten und vergessen haben. Was soll man dieser monströsen Rationalität entgegensetzen?
    Breiviks direktes Vorbild sind weder die Nazis noch die RAF, sondern die Dschihadisten, deren individuelle und diskrete Radikalisierung mit Hilfe des Netzes er kopiert. Er nennt die Dschihadisten sogar seine „wertvollste Waffe“ und spricht von einer „symbiotischen Verbindung“ zwischen den beiden Bewegungen. Je mehr die Islamisten bomben und töten, desto größer wird seine Sympathisantenszene, desto mehr Druck kommt auf den Kessel. Aber er lernt auch ganz praktisch von ihnen, wie man sich jahrelang still verhält und, basierend auf der Freigiebigkeit einer vom Öl begünstigten Wirtschaftslage, die Ökonomie des Terrors optimiert. Wie die Dschihadisten der neuesten Generation gehört Breivik zur modernsten und gefährlichsten Kategorie von Terroristen, die die Harvardprofessorin Louise Richardson beschrieben hat: Er agiert nicht aus Rache oder für die Befreiung seiner Heimat, sondern radikalisiert sich spontan und individuell. Es geht nicht um die Lösung eines Problems oder ein definiertes Ziel. Sein Kampf kennt keine geografischen oder moralischen Grenzen. Und weil er seine kriminelle Kompetenz selbst ausbildet und verfeinert, hat er auch keine Genossen, die ihn mäßigen könnten, kein Umfeld, in dem er auffallen könnte. Breivik führt, genau wie die Dschihadisten, einen zeit- und ortlosen „kosmischen Krieg“ – so der Begriff des amerikanischen Islamwissenschaftlers Reza Aslan. Und was sagt uns das? Wie gewinnt man den? Aslan schreibt: Indem man nicht mitkämpft.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung AM: Sehr lesenswert, wie meist bei den Texten von Nils Minkmar. Endlich beschreibt ein etabliertes Medium die politische Stoßrichtung der Morde Breiviks.

    dazu: Scheinheilige Sympathisantenjagd
    Die Suche nach den geistigen Hintermännern des Anschlags von Oslo ist bei den sogenannten Islamkritikern angekommen. Vorgeblich geht es darum, Erklärungen zu finden. Tatsächlich zielen die Verdächtigungen darauf ab, festzulegen, was man schreiben darf und was nicht.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung WL: Ein typischer Fleischhauer. Immer wenn jemand Broder und Sarrazin kritisiert, weil sie die Angst vor dem Islam schüren, dann wird diese Kritik als Angriff auf die Meinungsfreiheit abgewehrt. Merken diese Leute eigentlich nicht, dass sie auf einem Auge blind sind: Wenn Islamisten terrorisieren ist der Islam schuld, wenn Rechtsextremisten terrorisieren, dann hat das natürlich nichts mit dem Schüren von Ängsten zu tun, sondern ist „nur psychologisch zu erklären“.

  14. Er hat überlebt, um zu berichten
    Mietek Pemper war die rechte Hand Oskar Schindlers und Sekretär des KZ-Kommandanten Göth. Nun ist er gestorben. Er war ein Mensch mit einem scharfen Verstand, einem gütigen Herzen, einer verletzlichen Seele und vor allem: einem inneren Kompass, der vielen Zeitgenossen abhanden gekommen ist. Er wusste, was geht und was nicht geht, ohne dies im Einzelfall begründen zu müssen. Seine Haltung entsprang der altmodischen Regel: ‘Das tut man nicht!’ bzw. ‘Das muss gemacht werden!
    Quelle: WELT

    Anmerkung Orlando Pascheit: Leider ist dies die einzige etwas ausführlichere Würdigung von Mietek Pemper. Leider, weil der Artikel auch ein Zeugnis der Instrumentalisierung seines Todes durch Henrik M. Broder ist. Mag sein, dass Broder es für notwendig erachtet, Deutschland möglichst drastisch an seine NS-Vergangenheit zu erinnern, aber was soll die Schilderung des Aufklärers Pemper als Delinquenten, bei dessen Hinrichtung der Strick gerissen ist und der sich dennoch verpflichtet fühlte, “die Kinder und Enkel der Henker aufzuklären.” Wir alle als Kinder und Enkel von Henkern? Was soll die Brandmarkung der Enkel? Darf es angesichts dieses Toten keine Differenzierung in Täter und Mitläufer, in überzeugte und ängstliche Mitläufer, in unschuldige Nachgeborene geben. Der Tote hat Besseres verdient als diese plumpe Vereinnahmung, denn Pemper war diese Haltung fremd. Er hat sich mit der Tochter des KZ-Kommandanten Amon Göth getroffen, die mit dem Wissen um einen solchen Vater nicht fertig werden konnte.
    Und was soll der Hinweis auf die “fortwährende Debatte um das Existenzrecht Israels, hinter der er [Pemper], völlig zu Recht, den Wunsch erahnte, Israel möge von der Landkarte verschwinden.” Meint Broder tatsächlich, dass es hierzulande eine solche Diskussion gäbe? In Europa oder Wo? Etwas konkreter Herr Broder! Peinlich der Hinweis in dieser Totenrede, dass Pemper mit Erfolg versuchte von einem “Tagessatz” zu leben, den Experten als Existenzminimum für Sozialhilfeempfänger errechnet hatten, und meinte, damals im Lager hätten die Menschen mit viel weniger auskommen müssen. Was Pemper als Opfer darf, darf Broder nimmermehr: der Vergleich von Hartz IV mit dem Leben in einem KZ für tagespolitische Zwecke. Welch ungeheuerliche Vermischung? Und gegen Ende läuft Broder zu Höchstform auf: “Mietek Pemper wusste, dass der antisemitische Furor am 8. Mai 1945 nicht kapituliert, sondern nur eine Verschnaufpause eingelegt hatte. Wohl wissend, wie wenig er ausrichten konnte, wollte Pemper doch seinen Beitrag dazu leisten, dass dieser Furor nicht wieder die ganze Gesellschaft kontaminiert. Das war ehrenwert, ob es nützlich oder vergeblich war, können wir heute nicht beurteilen.” Mensch Broder, glaubst Du wirklich, dass uns der antisemitische Furor der NS-Zeit bevorsteht? Warum nur benutzt Du Mietek Pemper für diese maßlosen Übertreibungen? Und wenn schon sein Tod zur Predigt an uns Nachgeborene genutzt werde soll, dann bitte intelligenter und kenntnisreicher? Zentrale Erkenntnis der Antisemitismusforschung ist, dass Rassismus in der feste Zuweisung von Charaktereigenschaften an eine bestimmte Bevölkerungsgruppe besteht. Nicht nur der Jude, der Zigeuner, der Ausländer, der Muslim, der Christ, der Neger ist …. Wesentlich ist die Scheidung in Wir und die anderen. Es geht um die Funktion von Ausgrenzung. Chancen auf eine erfolgreiche Ausgrenzungsstrategie haben in diesem Lande zurzeit eher Migranten, Muslime und Hart-IV- Bezieher. Und natürlich, lieber Broder, grenzen auch fundamentalistische Muslime, geschweige denn die militanten, Andersdenkende, Andersgläubige aus. – Mehr über Mietek Pemper zu erfahren ist unter dieser Website.

  15. Deutsche Studenten drängen nach Österreich
    Freier Hochschulzugang ohne Studiengebühren: Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl deutscher Studenten in Österreich vervierfacht. Die österreichischen Universitäten werden deshalb nervös – der Platz wird langsam knapp.
    Der Andrang ist Folge des dort weitgehend freien Hochschulzugangs ohne Studiengebühren…
    Der Rektor der Wirtschaftsuniversität Christoph Badelt warnt vor bis zu 200 Prozent mehr deutschen Studienanfängern. Demnach betrug der Anteil deutscher Interessenten Ende Juli bei den Voranmeldungen für die Bachelorstudiengänge 16,1 Prozent, im vergangenen Jahr waren es noch 9,3 Prozent. Bei den Masterstudiengängen sind sogar fast ein Drittel der Angemeldeten aus Deutschland, im Vorjahr war nur jeder zehnte Masterstudienanfänger Deutscher.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung WL: Dennoch wird immer wieder behauptet, dass Studiengebühren kaum einen Einfluss auf die Wahl des Studienortes hätten.

  16. Der Copy-and-Paste-”Journalismus” bei* “Spiegel Online”
    Normalerweise freue ich mich ja, wenn andere Medien Themen und Studien aufgreifen, über die wir in der Ökonomie-Rubrik des Handelsblatts berichtet haben.
    Ende vergangener Woche jedoch fiel mir ziemlich die Kinnlade runter: “Spiegel Online” hat einen Text aus der Handelsblatt-Printausgabe nahezu eins zu eins übernommen. Ein “Spiegel Online”-Journalist mit dem Kürzel “fdi” hat unseren Text über eine Studie zum Gehaltsbonus für verheiratete US-Baseballspieler nur ein bisschen redigiert.
    Die journalistische Eigenleistung des Kollegen beschränkte sich darauf, einen Faktenfehler in seinen Text einzubauen. (Den die Kollegen inzwischen behoben haben.)
    Quelle: Handelsblatt Handelsblog

    Anmerkung Jens Berger: Es ist ja schon peinlich, wenn man beim Klauen erwischt wird. Noch peinlicher ist es allerdings, dass SPON sich dafür ausgerechnet einen derart unsinnigen Artikel ausgesucht hat. Liebe SPON-Kollegen, wollt Ihr nicht mal etwas bei den NachDenkSeiten klauen?

  17. zu guter Letzt: Einladung zur Ergo-Party mit Bademantel
    Er verulkte unzählige Politiker, kaperte Pressekonferenzen und versetzte sogar die Fifa einst in Aufruhr. Nun hat Martin Sonneborn ein neues Ziel für seine Spaß-Attacken gefunden: Die Ergo-Versicherung.
    Quelle: Handelsblatt

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