Der umstrittene CPE-Einstiegsarbeitsvertrag ist lediglich eine Umsetzung der Lissabon-Strategie der 12 EU-Staats- und Regierungschefs

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Zusammenfassende Übertragung einer am 31.3.2006 erschienen online-Vorausschau auf einen Artikel von F. Lebaron und G. Mauger für die April-Ausgabe der Monatszeitung Le Monde diplomatique (“Révoltes contre l’emploi au rabais; illusionnisme et opportunisme du gouvernement français”).

Die mit dem CPE-Arbeitsvertrag beabsichtigte Flexibilisierung des französischen Arbeitrechts als „Strukturreform“ ist kein plötzlicher Einfall und keine zufällige Laune der Regierung Villepin, sondern eine logische Umsetzung der im März 2000 beschlossenen Lissabon-Strategie der 12 EU-Staats- und Regierungschefs. Unser massenhaftes Aufbegehren gegen die „Reform“ genannte Aushebelung unseres Arbeitsrechts bedroht jetzt allerdings die reibungslose Umsetzung dieses Lissabon-Beschlusses, wie sich das die EU-Staats- und Regierungschefs, die Europäische Zentralbank und die EU-Kommission vorgestellt hatten. Hinter einer sich progressiv gebenden Rhetorik der Modernisierung, die „mutig“ gegen Blockaden und angeblichen Immobilismus der europäischen Gesellschaften angeht und alte, dem Fortschritt im Wege stehende Tabus brechen will, steht eine durch und durch reaktionäre Politik der rigorosen Durchsetzung des orthodoxen Neoliberalismus in der EU.

Die Reformer, die sich gegenseitig immer wieder „Mut“ bescheinigen, geben sich in der Öffentlichkeit als ausgewiesene Repräsentanten des wirtschaftlich-gesellschaftlichen Fortschritts und als Gegner konservativer Verharrung und Verkrustung. Zur „Herstellung gleicher Chancen“ wolle man endlich daran gehen, alte Privilegienstrukturen der Gesellschaft aufzubrechen. Direkt dem Zugriff der Politiker unterworfen, ist dann der Öffentliche Dienst – mit seiner unerhörten Garantie einer stabilen, lebenslangen Beschäftigung – die erste Spielwiese der sich pragmatisch-realitätsorientiert gebenden Reformer. Sie betonen immer wieder, genau diejenige sachlich gebotene Politik betreiben zu wollen, die „wirtschaftliche Vernunft“ in Zeiten der Globalisierung erfordere.

So verkündete schon vor dem Villepinschen Paukenschlag ein anderer Exekutor der Lissabon-Beschlüsse, der Präsident der Europäischen Zentralbank Jean-Claude Trichet, in einem Interview mit dem Fernsehsender LCI, allein eine weitere Flexibilisierung des europäischen Arbeitsmarkts in Verbindung mit einer am Stabilitätspakt orientierten Sparpolitik aller Regierungen der Euro-Zone sei geeignet, erfolgreich die Massenarbeitslosigkeit in der EU zu bekämpfen bzw. massenhaft neue Arbeitsplätze zu schaffen.

In den 12 Ländern der Euro-Zone braucht sich daher niemand über die Zerstörung „unerhörter Garantien“ noch bestehenden Arbeitsrechts und über die Abwesenheit einer beschäftigungspolitisch begründeten Wirtschafts-, Haushalts- und Geldpolitik zu wundern. Die europaweit betriebene „Real-Politik“ ist lediglich eine Umsetzung der Lissabon-Strategie der 12 Staats- und Regierungschefs vom März 2000, die wiederum auf dem europäischen Stabilitätspakt als geltendem europäischem Recht beruht und nur mit ihm modifiziert werden könnte.

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