Public-Affairs-Beratung – Das Beeinflussen von Politikern als neue Einnahmequelle für Anwaltskanzleien.

Ein Artikel von:

Als „Verschwörungstheoretiker“ kritisieren manche Rezensenten Albrecht Müller wegen seines Buches „Machtwahn“. Dort beschreibt er die Strategien mächtiger Interessengruppen zur Beeinflussung der Politik und die Korrumpierung von politisch Verantwortlichen und Meinungsmachern etwa durch PR-Agenturen. Dass er damit aber nicht mehr und nicht weniger als einen realen Niedergang der politischen Kultur und der demokratischen Tugenden beschreibt und dass der Verschwörungsvorwurf entweder einer geradezu gefährlichen Naivität geschuldet oder aber nur eine denunziatorische Abwehrreaktion gegenüber seinen Enthüllungen ist, belegt an einem Beispiel unter zahllosen anderen ein Bericht im Handelsblatt über die „Public-Affairs-/Beratung“ als neues Geschäftsfeld für Anwälte.

„Unter dem Schlagwort Public-Affairs-Beratung bieten nun Anwaltskanzleien zusammen mit PR-Agenturen Konzepte an, um Gesetzesvorhaben im Sinne ihrer Auftraggeber zu beeinflussen. Das Angebot reicht von der Beobachtung und Analyse von Gesetzgebungsprozessen bis zur Stimmungsmache in den Medien über die möglichen Folgen“ heißt es in dem Beitrag im Handelsblatt unter dem Titel „Anwälte hinter verschlossenen Türen“ von Jörg Lichter und Lars Reppesgaard.

Nicht jede Firma könne sich wie die RAG – die ehemalige Ruhrkohle AG – einen Politiker wie Friedrich Merz als Anwalt vor ihren Karren spannen oder sich eine eigene schlagkräftige „Abteilung für politische Interessenvertretung“ leisten wie etwa die Deutsche Telekom.

Um den Markt zu testen, hätte die Münchener Kanzlei „Nörr Stiefenhofer Lutz“ mit der PR-Agentur „Kommpassion“ aus Berlin – die beiden bieten zusammen diese Beratung an – 200 Unternehmen der Biotechnologiebranche und 200 Politiker befragt. Die Beragungsergebnisse: Unternehmen finden Lobbying zu 98 Prozent unentbehrlich, und die Hälfte traut ihren Verbänden nicht viel zu. Für neue Formen von Lobbying wäre fast jeder dritte Befragte zu haben (29 Prozent). Nur zwölf Prozent sähen es als erfolgreich an, wenn nur eine einzelne Firma Interessenvertretung betriebe.

Dieses Feld der Interessenvertretung durch Juristen habe auch die Kanzlei Freshfields ausgemacht. Sie habe kürzlich ein eigenes Public-Affairs-Büro in Berlin eingerichtet. An der „Nörr“-Beratung sei neu, dass die Medien Durchlauferhitzer sein sollen: Finde klassische Verbandsarbeit meist hinter verschlossenen Türen statt und sollten dabei Politiker direkt gesteuert werden, so solle Public-Affairs-Beratung auf offener Bühne stattfinden: durch Experten-Statements, Lancieren von Zeitungsartikeln sowie Hintergrundgespräche mit wichtigen Journalisten.

Daran ist allerdings – jedenfalls für Leser der NachDenkSeiten – nur neu, dass solche PR-Aktivitäten offen zugegeben werden und dass sie zu einem Geschäftsfeld für große Anwaltspraxen werden sollen. Die „Intitiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ oder andere Unternehmensagenturen und Think Tanks betreiben dieses Geschäft der politischen Beeinflussung schon lange. Bedauerlich ist nur, dass das so selbstverständlich geworden ist, dass kaum noch jemand Notiz davon nimmt.

Wie alle Lobbyisten weisen es natürlich auch die im Handelsblatt genannten Kanzleien weit von sich, Politik für Interessengruppen zu betreiben: „Uns geht es vielmehr darum, eine Informationsgrundlage für komplexe Themen zu schaffen“, wird eine Vertreterin der PR-Agentur Kompassion zitiert.

„Was sie nicht erwähnt: Diese „Informationsgrundlagen“ – etwa für ein neues Gesetz – stehen wohl kaum im Gegensatz zu den Kundeninteressen“ merken dazu die Autoren des Handelsblatt-Beitrages nicht ohne ironischen Unterton an.

Wir von den NachDenkSeiten können das nicht mehr nur ironisch kommentieren, wir halten das für eine Gefahr für die Demokratie und für eine vernunftgeleitete Politik sowie für eine skandalöse Unterwanderung der demokratischen Kultur.