Die schöne neue Welt der Telekommunikation

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“Zum Börsenrenner hat sich die (Deutsche) Telekom schon entwickelt, ein konkurrenzfähiges Unternehmen muss die ehemalige Behörde erst noch werden.” So war es im Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner Ausgabe 47/1996 zu lesen. Im Zuge der Postreform war die Deutsche Telekom (DT) entstanden und sollte sich nun auf einem neuen, deregulierten TK-Markt (Telekommunikation) bewähren. Aber wie steht es nun um den “Testfall Telekom” (Spiegel) über fünfzehn Jahre nach dem ersten Börsengang? Eine Zwischenbilanz. Von Axel Witzki

In Deutschland schuf die Kohl-Regierung Anfang der 1990er Jahre die gesetzlichen Voraussetzungen für die Liberalisierung des TK-Marktes. Mit Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes (TKG) 1996 verlor das zum 1. Januar 1995 aus der Bundespost abgespaltene Unternehmen Deutsche Telekom seine Monopolstellung. Dies war eine historische Zäsur, denn lange Zeit war in westlichen Gesellschaften die Vorstellung, dass die Telefonie und andere TK-Dienste besser von einem Monopolisten erbracht werden, verbreitet. Dies zeigt ein Blick in die Geschichte der Telefonie.

Telefonie vom Monopolisten

Mit der Verfügbarkeit der entsprechenden Technik wurden seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in den westlichen Gesellschaften Telefonnetze aufgebaut. Die entsprechenden Leistungen für den Kunden wurden dabei fast von Beginn an von einer staatliche Behörde erbracht, oder zumindest doch von einem Privatunternehmen mit Monopol-Stellung – wie etwa AT&T in den USA. AT&T kann dabei durchaus als Paradebeispiel für die verschiedenen Phasen der Telekommunikation gelten.

AT&T-Präsident Theodore Vail hatte im Jahr 1907 argumentiert, dass die Telefonie wegen der Natur dieser Technologie am effizientesten über ein Monopol, welches ihre Erbringung als Universaldienst gewährleistet, zu erbringen sei. Vail schrieb in diesem Jahr im AT&T-Geschäftsbericht, dass eine staatliche Regulierung, “vorausgesetzt, sie ist unabhängig, intelligent, aufmerksam, gründlich und einfach”, eine angemessene und akzeptable Alternative für einen hart umkämpften Markt sei. Diese Argumentation wird seit dem Jahr 1913 offiziell von der US-Regierung akzeptiert. Damit sollten insbesondere auch die chaotischen Zustände beendet werden, in der eine Vielzahl von Unternehmen um die Gunst der Kunden warben. Problematisch war etwa, dass sich Kunden verschiedener Anbieter sich nicht gegenseitig anrufen konnten, weil ihre Dienste jeweils auf unterschiedlichen technischen Standards basierten.

Kritik an der (und auch Klagen gegen die) Monopol-Stellung von AT&T war in den USA in den folgenden Jahrzehnten gang und gäbe. Schließlich und endlich wird AT&T im Jahr 1984 aufgespalten. Die lokalen Telefonie-Geschäfte werden in sieben regional tätige Unternehmen abgetrennt (die sogenannten „Regional Bells“). Die dahinter stehende Idee war, dass diese lokalen Telefonie weiter als Universaldienst angeboten wird, der einen Monopol-Schutz verdient, während dieses Argument bei den bei AT&T verbliebenen geschäftlichen Aktivitäten (Ferngespräche, Forschung und Entwicklung – die berühmten Bell Labs -, Herstellung (!) et cetera) nicht mehr für triftig gehalten wurde.

Deregulierung in Deutschland

Aber die Entwicklung blieb nicht auf den Vorreiter USA beschränkt. Auch in Europa verlieren seit den 1980ern die “Incumbents” ihre Monopol-Stellung auf dem heimischen Markt und neue Anbieter treten auf. Oft sind das freilich nur Incumbents aus anderen Ländern (etwa British Telecom in Deutschland). Aber besonders im Zusammenhang mit dem Boom im Mobilfunk treten auch neue Akteure wie etwa Vodafone auf. In Deutschland sind diese Wettbewerber hauptsächlich im VATM (www.vatm.de) organisiert.

Die besonderen Entwicklungen im Mikrokosmos Telekommunikation spiegeln dabei lediglich die allgemeine Entwicklung im Makrokosmos der gesamten Gesellschaft wider. Spätestens seit dem 1970ern wurde offenbar die Vorstellung populärer, möglichst jede Wirtschaftsleistung der “trägen” staatlichen Sphäre zu entreißen und sie in die “dynamische” Sphäre des freien Marktes zu überführen. Der Verbraucher würde, so die Theorie, in allen Bereichen von qualitativ höherwertigen (und neuen) Leistungen bei niedrigen Preisen profitieren. Auf der anderen Seite war auch klar, dass die Mitarbeiter ehemaliger Monopol-Unternehmen insgesamt von neoliberalen Reformen kaum profitieren dürften. Man stand jedoch auf dem Standpunkt, diese Mitarbeiter würden letztlich nur unverdiente Privilegien verlieren, wenn sie, wie ihre Pendants in der Privatwirtschaft ja auch, dem rauen Wind des Wettbewerbs ausgesetzt würden.

Dementsprechend muss sich die DT zum 1. Januar 1998 mit Wettbewerbern auseinandersetzen, der Markt wird nun reguliert von einer dem Bundeswirtschaftsminister zugeordneten Behörde, die heute unter dem Namen Bundesnetzagentur (BNetz) firmiert. Diese soll unter anderem dafür sorgen, dass die DT ihre in vielen Bereichen immer noch marktbeherrschende Stellung nicht zu Lasten von Wettbewerb und Kunden ausnutzt, denn sie bleibt im Besitz der in Monopol-Zeiten aufgebauten Telekommunikations-Netzinfrastruktur in Deutschland. Ohne diese Infrastruktur fehlt dem Wettbewerb der weitaus wichtigste Zugang zum Kunden, ohne den er nur schwerlich operieren kann.

Die DT muss aber auch einige Hypotheken übernehmen. Vor allem auch wegen dem teuren Ausbau der maladen Infrastruktur im deutschen Osten durch den Vorgänger Bundespost im Zuge der Wiedervereinigung, geht sie mit einem hohen Schuldenstand im Bereich von 56 Milliarden Euro an den Start.

Die Deutsche Telekom am Start

Dem gegenüber steht, wie erwähnt, die bundesweite und qualitativ hochwertige TK-Netzinfrastruktur in Deutschland. So ist Deutschland bei der Digitalisierung des Netzes (Stichwort ISDN) international führend. Mitte der 1990er Jahre standen den Kunden flächendeckend ISDN-Anschlüsse zur Verfügung und finden auch großen Anklang. Insbesondere die Kupferinfrastruktur auf der so genannten „letzten Meile“ zum Kunden ist ein unschätzbarer Vorteil gegenüber dem Wettbewerb, denn der Aufbau einer eigenen Infrastruktur ist sehr teuer. Über sie kann die DT nicht nur Telefonie, sondern auch Internet anbieten. Sie ist allerdings verpflichtet diese an Wettbewerber vermieten, zu einem von der BNetz für einen bestimmten Zeitraum festgelegten Entgelt.

Da die BNetz dem immer noch teilweise dem Staat gehörigen Unternehmen DT sehr freundlich gesonnen ist (die Entgelte sind also immer recht hoch), summieren sich die Mietentgelte der Wettbewerber jährlich auf inzwischen im Milliarden-Euro-Bereich. Dies heißt: Auch wenn diese hohe Marktanteile gewonnen haben (was von der Politik gerne als Deregulierungserfolg gefeiert wird), verdient die DT am Erfolg der Konkurrenz meistens noch mit (siehe Jahresbericht BNetz 2010).

Rasante technologische Entwicklung

Die Phase der Deregulierung fällt aber zudem in eine Zeit atemberaubender technologischer Entwicklungen in der Telekommunikation, die auch das Portfolio der DT revolutioniert. Vor nicht einmal dreißig Jahren stand die Festnetztelefonie im Fokus der Telekommunikation. Sie wird dabei aufgeteilt in lokale Telefonie und Ferngespräche, wobei vor allem Letztere der Umsatzbringer darstellten. Das Ferngespräch hat inzwischen in Zeiten von Skype keine so große Bedeutung mehr. Seit den 1990ern werden als Umsatzbringer Internetzugang (in den letzten Jahren besonders leistungsfähiges, Breitband-Internet) und parallel Mobilfunk (inzwischen auch Breitband-Mobilfunk) immer wichtiger.

Ein starker Wachstumstreiber der letzten zwei Jahrzehnten war der Mobilfunk, der mit der GSM-Technik und der zweiten Mobilfunk-Generation Anfang der 1990er durchstartete. Den Höhepunkt erreicht der Mobilfunk-Boom in Deutschland als im Jahr 2000 als die Kundenzahl in nur einem Jahr 23 auf 48 Millionen Teilnehmer anwuchs. Als die Lizenzen für die Nutzung der Frequenzen für die dritten Mobilfunk-Generation in diesem Jahr im Rahmen einer Auktion vergeben wurden, mussten die sechs erfolgreichen Lizenznehmer noch insgesamt 50,8 Milliarden Euro hinblättern (DT-Anteil etwa 8,5 Milliarden Euro).

Der Boom ist schon lange vorbei. Für die vierte Generation waren im Jahr 2010 nur noch vergleichsweise läppische 4,4 Milliarden Euro fällig (DT-Anteil etwa 1,3 Milliarden). Das ist sicherlich ein Indikator dafür, dass der Mobilfunk an seine Grenzen gestoßen ist. Die Verbraucher werden zunehmend preisbewusster. Die EU macht wenigstens etwas mehr Druck in Bezug auf die überhöhten Preise für das „International Roaming“, das Nutzen fremder Mobilfunk-Netze. Das neue Mobilfunk-Breitband-Geschäft wirft nicht so viel ab wie erhofft, denn es steht in Konkurrenz zum leistungsfähigeren Festnetz.

Strategie 1: Wachstum im Ausland

Die DT hat von Beginn auch versucht, sich international aufzustellen, vor allem auf dem Feld des seit den 1990ern boomenden Mobilfunks. Der Ansatz ist nachvollziehbar, denn im Heimatmarkt ist davon auszugehen, dass ihr die neu an den Start gehenden Wettbewerber Marktanteile wegnehmen würden. Hinzu kommt, dass der Markt insgesamt schrumpft. Die Umsatzerlöse im deutschen Markt für Telekommunikationsdienste sanken zwischen 2005 und 2010 von 67,3 auf 59,1 Milliarden Euro (Jahresbericht BNetz 2010, S. 68). Im Jahr 1995 machte die DT noch 97 Prozent seines Umsatzes auf dem Heimatmarkt, der Anteil schrumpfte bis 2010 auf 40 Prozent.

Die größte und auch umstrittenste Akquisition war der teure Einstieg in den US-Mobilfunk-Markt. Noch unter Ron Sommer als Chef vollendete die DT im Jahr 1. Juni 2001 die Übernahme der Wireless-Netzbetreiber Voicestream und Powertel zu einem Gesamtvolumen von insgesamt 59 Milliarden (!) US-Dollar.
Auch wenn in den USA inzwischen ein beachtlicher Teil des Umsatzes der DT generiert wird (16,1 Milliarden Euro, 2010), kann das Engagement schon jetzt als ein Reinfall gelten. Ähnlich wie der Automobilhersteller Daimler hat sich ein deutsches Vorzeigeunternehmen bei den mit einem Einstieg in den riesigen US-Markt verbundenen Synergie-Effekten und Wachstumschancen offenbar verschätzt.

Auf dem US-Mobilfunk-Markt liegt die DT (gemeinsam mit Sprint) nämlich laut Marktforscher Comscore im April 2010 mit 12 Prozent der Kundschaft lediglich abgeschlagen auf dem dritten Platz. Vorne liegen Verizon mit 31,1 und AT&T mit 25,2 Prozent. Man muss in diesem Kontext bedenken, dass die DT was die benötigten Mobilfunk-Frequenz-Lizenzen oder die gesamte Mobilfunk-Netzinfrastruktur anbetrifft wohl vergleichbar hohe Kosten wie Verizon und AT&T zu tragen hat, aber wegen der weit geringeren Kundenzahl sicherlich mit weitaus weniger Einnahmen kalkulieren muss. So hat T-Mobile USA noch im Jahr 2006 bei der Versteigerung von 3G-Mobilfunk-Lizenzen in den USA mit 4,2 Milliarden Dollar unter allen Mobilfunk-Unternehmen am meisten auf den Tisch gelegt, das Gesamtvolumen der Auktion lag bei 13,9 Milliarden Dollar.

Die DT arbeitet demzufolge in den USA sicherlich weitaus weniger profitabel als etwa der Marktführer Verizon. An die beiden Spitzenreiter des Mobilfunk-Marktes darf die DT zudem aus kartellrechtlichen Gründen ihre US-Tochter nicht verkaufen, ein bereits beschlossener Verkauf an AT&T wurde im letzten Jahr von der amerikanischen Telekommunikations-Regulierungsbehörde untersagt.

Problematisch war die internationale Expansion sicherlich auch vor dem Hintergrund der Schuldensituation des Ex-Monopolisten. Die Verbindlichkeiten stiegen bis Ende 2001 in den Bereich von 67 Milliarden (dem Jahr des US-Engagements) und liegen auch noch heute, trotz des danach eingeschlagenen Sparkurses, immer noch im Bereich von 40 Milliarden Euro (Umsatz 62,4 Milliarden, 2010).

Nicht nur in den USA, sondern auch andernorts hat die DT das Ziel, mit hohen Anfangsinvestitionen zu nachhaltig profitablem Wachstum zu gelangen, nicht erreicht. In Großbritannien hat die DT bereits im Jahr 1999 den Mobilfunk-Anbieter OnetoOne für 8,4 Milliarden Pfund übernommen. Im Jahr 2010 wurden die Mobilfunk-Aktivitäten der DT in Großbritannien in ein Jointventure mit dem Rivalen Orange überführt, um die Kosten senken. Auch hier haben sich Erwartungen an ein nachhaltiges und profitables Wachstum offenbar nicht erfüllt.

Das noch im Jahr 2008 unter dem gegenwärtigen DT-Chef Obermann ausgerechnet in Griechenland beim dortigen Netzbetreiber Ote einstieg, ist bezeichnend, und wirkt heutzutage schon beinahe komisch: Die DT hatte im März 2008 für 3,2 Milliarden Euro einen Anteil von 25 Prozent an OTE übernommen und ihn inzwischen auf 40 Prozent erhöht. Insgesamt ist die DTAG in 50 Ländern aktiv, nicht nur im Mobilfunk, sondern auch im Geschäftskundenbereich unter der Marke T-Systems.

Zweifelsohne konnte die DT mit der Ausweitung seiner Auslandsaktivitäten den Konzernumsatz steigern. Ob sich die gewaltigen Investitionen in internationale Märkte für die Aktionäre (zu denen direkt und indirekt zu 31,7 Prozent immer noch der deutsche Staat gehört) jemals gerechnet haben oder rechnen werden, bleibt aber in Anbetracht der zumindest im Mobilfunk überhöhten anmutenden Akquisitionskosten äußerst zweifelhaft.

Strategie 2: Wachstumschance Internet

Ein Blick auf den gesamten Kommunikationsmarkt zeigt. Am besten haben sich im Kommunikationsmarkt in den letzten Jahren nicht Netzbetreiber wie die DT entwickelt, sondern Internet-Diensteanbieter wie Google oder Facebook und (überraschenderweise) Endgeräte-Hersteller wie etwa Apple. Warum? Internet-Diensteanbieter besitzen keine eigene Netzinfrastruktur und können sich auf die Entwicklung von Diensten konzentrieren. An Infrastruktur betreiben sie allenfalls Rechenzentren. Apple profitiert von den extrem niedrigen Lohn- und Herstellungskosten vor allem in China, die es dem Unternehmen erlaubt mit intelligent gemachten Endgeräten fantastische Margen zu erzielen.

Die Kerngeschäfte der Deutschen Telekom (Festnetz/Mobilfunk, Sprache/Internet) werden von den Verbrauchern dagegen eher dem Bereich „commodity“ (deutsch: Massenware) zugeordnet. Diese eignen sich eher nicht für große Umsatzsprünge, denn der Verbraucher ist nicht bereit Unsummen für Basisdienste wie Breitband-Internet zu bezahlen, sondern erwartet für diese einen erschwinglichen Preis – selbst wenn er auf dem Land wohnt. Genauso wie jemand, der von der Stadt aufs Land zieht, nicht höhere Kosten für Telefonie erwartet, will der Kunde nicht deutlich mehr für Internet auf dem Land bezahlen, auch wenn diese aus betriebswirtschaftlicher Perspektive geboten wären.

In Anbetracht des harten Preiskampfs bei Basisdiensten versucht die DT tiefer in die Wertschöpfungskette zu greifen, statt nur simple Zugangsdienste anzubieten. So versucht die DT zunehmend Pay-TV-Angebote zu vermarkten, etwa Bundesliga-Fußball (Liga Total). Da man dafür gleichzeitig stark in die Infrastruktur investieren muss, und alternative Angebote teilweise kostenlos im Internet zu haben sind (nicht immer legal), bleiben die Erfolgsaussichten dafür eher zweifelhaft.

Über Firmen wie Scout24, das verschiedene Internet-Marktplätze betreibt, und Strato (einem Hosting-Unternehmen) bietet der DT-Konzern zudem Internetdienste an. Tatsächlich hat die DT bis zum Jahr 2005 mit T-Online eine eigenständige Internet-Sparte, die zwischen 2000 und 2006 auch ein börsenorientiertes Unternehmen innerhalb des DT-Konzerns war (aus dieser Zeit resultiert auch die Übernahme von Scout24 durch T-Online/DT). Die DT hat auch Ende 2009 den Internet-Hoster Strato für 275 Millionen Euro übernommen. Auch die so genannten Cloud-Dienste bietet die DT ihren Kunden an. Eine wirklich stringente Strategie den wachsenden Markt für Internet-Dienste zu bedienen, ist bei der DT im Augenblick dennoch nur schwer zu erkennen.

Strategie 3: Einsparungen bei den Mitarbeitern

Neben dem Versuch der Erschließung neuer Märkte war die DT auf der Kostenseite vor allem im Inland stets auch bemüht, die Mitarbeiterzahl zu senken und die vermeintlichen Privilegien der Mitarbeiter oder den angeblichen Personalüberhang aus der Monopolisten-Zeit – meist mit Hinweis auf die neue und vermeintlich agilere Konkurrenz – einzuschränken. Eine weitere Maßnahme war die Auslagerung von “Mitarbeitern ohne Beschäftigungsperspektive” in Service-Gesellschaften, das Stichwort hierzu ist Vivento.

Insgesamt ist laut BNetz (Jahresbericht 2010, Seite 71) die Mitarbeiterzahl der DT zwischen 1998 und dem Jahr 2010 von 179.100 auf 123.200 (also fast um ein Drittel) zurückgegangen. Dieser Abbau konnte nur zu einem kleineren Teil durch den Ausbau der Zahl der Mitarbeiter bei Wettbewerbern wettgemacht werden (Anstieg von 42.700 auf 53.200). Als die DT im Jahr 1995 an den Start ging, hatte sie übrigens 230.000 Mitarbeiter.

Die Zahl der Mitarbeiter bei der DT in Deutschland hat sich seit dem Startschuss im Jahr 1995 bis zum Jahr 2010 insgesamt um mehr als 100.000 Mitarbeiter verringert. Der Umsatz ist dabei hierzulande von etwa 30 auf 25 Milliarden Euro zurückgegangen. Ob bei der DT wirklich nur Personalüberhang beseitigt wurde, oder ob nicht auch viel Knowhow vernichtet wurde, sei dahingestellt. Es scheint jedenfalls naiv zu glauben, dieser Personalabbau sei gänzlich ohne Qualitätsverlust durch – um neoliberale Terminologie zu benutzen – das “Abholzen von dead wood” und den technologischen Fortschritt von statten gegangen.

Im Gegensatz zu den meisten Mitarbeitern hat allerdings zumindest eine kleine Gruppe von Ihnen – nämlich das Management – von der Privatisierung profitiert. So wurde Presseberichten zufolge zum Beispiel der Abgang des umstrittenen Gründungs-Chefs Ron Sommer Ende 2002 – dieser hatte vorrangig das unsägliche US-Abenteuer betrieben – mit 11,6 Millionen Euro Abfindung versüßt.

Bilanz 1: Das Scheitern der Volksaktie

Die Vorstellung Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten durch Aktienbesitz ist unmittelbar mit der T-Aktie und den drei Börsengängen zwischen 1996 und 2000 verbunden. Die DT konnte vor dem Platzen der Dotcom-Blase zwischen 1996 und 2000 in drei verschiedenen Börsengang-Tranchen über 35 Milliarden Euro an der Börse erzielen. Mit der Unterstützung unter anderem einer Werbekampagne mit Schauspieler Manfred Krug wurde die T-Aktie nicht ganz erfolglos als „Volksaktie“ angepriesen. Der Ausgabepreis lag bei der letzten Tranche im Jahr 2000 bei stattlichen 63,50 Euro.

Im Jahr 2011 ist der Kurs unter die 10-Euro-Marke gefallen und liegt inzwischen bei unter 9 Euro (Februar 2012). Eine nachhaltige Besserung ist nicht in Sicht, obwohl die DT jährliche durchaus vorzeigbare Dividendenauszahlungen (seit 2005 jeweils 70 Cent pro Aktie jährlich), die sich auf eine Ausschüttung von zuletzt 3,4 Milliarden im Jahr 2010 summierten, an seine Aktionäre leistet. Die DT will nach eigenem Bekunden auch für 2011 und im laufenden Jahr die Ausschüttung in dieser Höhe beibehalten (oder übertreffen). Sollten diese Dividendenauszahlungen in Zukunft einmal gekürzt werden (müssen), ist wohl mit einem weiteren Einbruch des Aktienkurses zu rechnen.

Bilanz 2: Rückstand beim Ausbau von Glasfasernetzen

Glasfasernetze gelten heute als die Schlüsseltechnologie in der Telekommunikation, denn sie versprechen eine völlig neue Qualität für die Breitband-Dienste, etwa für Videokonferenzen. Besonders in asiatischen Ländern wie Japan und Korea ist ihre Implementierung schon weit fortgeschritten. Wegen der hohen Kosten wird der Ausbau in Deutschland bisher fast nur in den lukrativen Ballungsräumen von denjenigen Stadtwerken gewagt, die seit Beginn der Deregulierung in der Telekommunikation tätig sind (München M-net, Köln Netcologne). Der wissenschaftliche Arbeitskreis für Regulierungsfragen (WAR) bei der Bundesnetzagentur beklagt in einer Stellungnahme zum Thema Universaldienstleistung (UDL) und Breitband vom August 2011 die geringe Bereitschaft der deutschen TK-Unternehmen, in Glasfasernetze zu investieren. Der WAR liegt dabei ganz auf der Linie neoliberalen Orthodoxie, wenn er eine gesetzliche Einführung von Breitband als Universaldienstleistung ablehnt, da er dies als zusätzlich investitionshemmend ansieht.

Erklärung: Im Gegensatz zur Telefonie ist Breitband-Internet in Deutschland bislang nicht gesetzlich als Angebot (UDL) definiert, das dem Verbraucher zu einem erschwinglichen Preis zur Verfügung gestellt werden muss. Festnetztelefonie hingegen muss dem Kunden bundesweit, also auch dort, wo sich das betriebswirtschaftlich womöglich nicht rechnet, angeboten werden. Einige fortschrittliche Länder, wie die Schweiz, haben bereits Breitband-Internet als UDL definiert, auch die EU diskutiert das Thema.

Für eine flächendeckende Versorgung mit Glasfaser in ganz Deutschland ist von Kosten in Höhe einer mindestens hoch zweistelligen, womöglich dreistelligen Milliardensumme auszugehen. Allein in der Stadt Zürich, in der das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) bis zum Jahr 2019 gemeinsam mit dem Schweizer Ex-Monopolisten Swisscom (mehrheitlich im Staatsbesitz) ein lückenloses Glasfasernetz (Glasfaser bis zum Haus) aufbauen will, geht man von Kosten im Bereich von 700 Millionen Franken aus (der EWZ-Anteil liegt bei 400 Millionen). Das vom Stadtrat im Januar 2012 abgesegnete Projekt muss noch von der Züricher Bevölkerung bestätigt werden. Allein das Projekt in Zürich zeigt deutlich, dass man in der Schweiz eher bereit ist, sich von ideologischen Scheuklappen (siehe WAR) zu befreien als in Deutschland.

Die DT ist nicht ganz tatenlos und hat schon im Jahr 2005 ein deutlich weniger ambitioniertes (und billigeres, dennoch milliardenschweres) Programm in Deutschland aus der Taufe gehoben, bei dem die Glasfaser nur bis zu den Verteilerschränken (statt bis zum Haus) verlegt wird (Stichwort: VDSL), und von dort bis zum Kunden die vorhandene Kupferinfrastruktur genutzt wird (eine technisch unterlegene Lösung). Das ist weitaus billiger als Glasfaser bis zum Kunden zu verlegen. Es ist aber fraglich, ob die DT mit VDSL tatsächlich eine zukunftsfähige Lösung verfolgt, oder ob es sich nicht eher um einen faulen Kompromiss zwischen betriebswirtschaftlichen und technologischen Erwägungen handelt.

Wenn sogar in der Schweiz beim wichtigen Thema Glasfasernetze die öffentliche Hand mit gewaltigen Investitionen massiv in den Kommunikationsmarkt eingreift, kann es als fast ausgeschlossen gelten, dass in Deutschland ein Ausbau allein oder vorwiegend von Marktkräften getragen wird, auch wenn dies beispielsweise der WAR unverdrossen behauptet.

Bilanz 3: Parallel-Infrastrukturen in Ballungsgebieten

Auf der anderen Seite gibt es wiederum das Phänomen von offenkundig überflüssigen Investitionen in Parallel-Netzinfrastrukturen in den Ballungsgebieten. Als problematisch ist etwa anzusehen, dass in Ballungsräumen wie München inzwischen teilweise konkurrierende Festnetz-Infrastrukturen realisiert wurden und werden. So investieren die DT und die Stadtwerke München in der Innenstadt der „heimlichen Hauptstadt“ in parallele und konkurrierende Glasfasernetze. Hinzu kommt, dass auch die TV-Kabelanbieter in den Ausbau ihrer Netze investieren, da sie inzwischen ja vielerorts auch Telefonie und Internet über ihr Kabelnetz anbieten.

Fast alle Anbieter konzentrieren sich dabei auf die lukrativen Ballungsgebiete, in der sie mit (relativ) geringem Aufwand viele Kunden zu erreichen hoffen. Eine über die Einzelinteressen der Unternehmen hinausgehende Strategie fehlt, da die Politik auf die Selbstheilungskräfte des Marktes verweist. Aber liegt hier nicht eine ungeheure und unsinnige Ressourcenverschwendung vor? Würde man mit dem Argument, dies befördere den Wettbewerb – um ein vergleichbares Beispiel zu nehmen – für die Strecke zwischen München und Stuttgart, mehrere konkurrierende Unternehmen mit dem Bau von parallel laufenden Autobahnen beauftragen?

Fazit

Die Zwischenbilanz der Deregulierung in der Telekommunikation in Deutschland fällt insgesamt negativ aus. Sicherlich kann der Kunde heute leistungsfähige TK-Dienste bei der DT oder einem Wettbewerber zu einem erschwinglichen Preis bekommen – zumindest wenn er in einem Ballungsraum wohnt. Damit hat es sich aber mit dem Positiven. Auf der Negativ-Seite schlägt Einiges zu Buche.

Die DT, nach wie vor Marktführer hierzulande, ist heute ein gewöhnliches, an der Börse notiertes Unternehmen mit einem dahin dümpelnden Aktienkurs. Aussicht auf Besserung ist nicht in Sicht. Die Geschäftsstrategie der letzten anderthalb Jahrzehnte hat sich als nicht nachhaltig erwiesen. Weder der massive Stellenabbau im Inland noch die mit Vehemenz betriebene Internationalisierung haben die geschäftliche Position der DT entscheidend vorangebracht.

Aber nicht nur die DT, sondern die gesamte deutsche TK-Branche steckt in der Krise. Nicht nur im Festnetz, auch im lange boomenden Mobilfunk hat sie mit einem Preisverfall zu kämpfen. Um neue, meist Internet-basierte Dienste anbieten zu können, müssen die TK-Anbieter in eine Verbesserung ihrer Netzinfrastruktur investieren. Dabei steht aber zu befürchten dass „Trittbrettfahrer“ wie die Googles oder die Facebooks dieser Welt den Löwenteil vom Geschäft abschöpfen. Als Aktiengesellschaften organisierte TK-Anbieter wie die DT stehen zudem vor dem Dilemma, den Rendite-Erwartungen der Aktionäre und den Investitions-Erwartungen der Gesellschaft gleichermaßen gerecht werden zu müssen. Das kommt einer Quadratur des Kreises gleich.

Das mit der Deregulierung eingeführte neoliberale Wirtschaftsmodell scheint nicht besonders gut geeignet zu sein, die erforderlichen Infrastrukturinvestitionen voranzutreiben. Insgesamt gilt: Alte Gesetzmäßigkeiten, wie sie AT&T-Präsident Theodore Vail vor hundert Jahren formuliert hat, sind keineswegs durch die Deregulierung außer Kraft gesetzt worden. Die schöne neue Welt der Telekommunikation benötigt Eingriffe des Staates und Investitionen der öffentlichen Hand genauso wie die alte Monopolstruktur (siehe Zürich).

Anmerkung: Kompetente und grundsätzliche Kritik am Geschäftsgebaren der DT in der deutschen Presse findet sich selten. Vielleicht ist es angebracht in diesem Zusammenhang zu bemerken: Bei den Medien-Managern wird die DT mit jährlichen Werbeausgaben im Bereich von 300 Millionen Euro hierzulande in aller Regel mindestens mit Wohlwollen betrachtet. Übermäßige Kritik an einem solch guten Anzeigenkunden mag da vielleicht mancherorts als „geschäftsschädigend“ gelten.

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