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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Nachbetrachtungen zur Landtagswahl im Saarland
  2. OB-Wahlen in Frankfurt und Mainz
  3. Reallöhne im 4. Quartal 2011 unverändert zum Vorjahresquartal
  4. Leiharbeiter verdienen bis zur Hälfte weniger
  5. Der Leitbegriff “Gute Arbeit”
  6. Neue Arbeitswelt und neue Selbstständigkeit
  7. Schäuble lässt Börsensteuer fallen
  8. Regierung legalisiert Steuerflucht
  9. Swift-Abkommen – USA kommen zu leicht an europäische Bankdaten
  10. The Rich Get Even Richer
  11. Bildungspaket: Von der Leyens desaströse Bilanz
  12. Gorleben: Bundesregierung greift tief in die Trickkiste
  13. Falsche Rechnungen sollen bestraft werden
  14. Streit bei Entwicklungsorganisation – GIZ-Frauen müssen warten
  15. Fragwürdiger Rückzug: Kurt Beck und die “Erbschleicher” im Regierungsamt
  16. Neuer britischer Spendenskandal
  17. Colin Crouch – „Cameron geht es um die Zerstörung des Euro“
  18. Portugal: Alptraum Auswanderung
  19. Neocons und Theocons
  20. Zehn Gründe, warum die USA nicht länger »The Land of the Free« sind
  21. Aufruf für mehr Demokratie in Europa

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Nachbetrachtungen zur Landtagswahl im Saarland
    1. Die Ergebnisse der Landtagswahl im Saarland – Wahlnachtbericht und erste Analyse
      Laut Forschungsgruppe Wahlen (FGW) profitierten sie (Die Piraten) am stärksten vom bereits faktisch feststehenden Wahlergebnis. Nach FGW-Angaben erklärten „35 Prozent aller Befragten, aber 85 Prozent ihrer Wähler (…), man könne jetzt »da die Regierung praktisch schon feststeht, auch mal eine andere Partei wählen, die sonst nicht in Frage kommt«.“ Hinzu kommt nach Aussagen der FGW eine starke Protestdimension: „In einem Bundesland, in dem »Politikverdruss« weit oben auf der Agenda steht, werden die Piraten für 85 Prozent wegen der Unzufriedenheit mit den anderen Parteien gewählt und nur für sieben Prozent wegen der Inhalte.“…
      Dem ist entgegenzuhalten, dass die Landtagswahl durch die Absprache der beiden großen
      Volksparteien ihrer Funktion entkleidet wurde,

      • zur Repräsentation von Meinungen und Interessen der Wahlbevölkerung,
      • der Mobilisierung der Wähler/-innenschaft für gesellschaftliche Werte, politische Ziele und Programme oder parteipolitischen Interessen oder
      • zur Herbeiführung einer Entscheidung über die Übertragung politischer Macht auf der Grundlage alternativer Sachprogramme zu dienen. Unter der Überschrift „für stabile politische Verhältnisse“ stellten sowohl SPD als auch CDU klar, dass die beiderseitige Beteiligung an der Landesregierung für sie im Vordergrund steht, obwohl die eigene Programmatik mit dem Koalitionspartner nur in kleinen Teilen durchzusetzen sein wird.

      Während für die CDU aus Mangel an Koalitionspartnern faktisch keine Alternative zu diesem Vorgehen bestand, da eine Alleinregierung nicht in greifbare Nähe rücken würde, ist diese Haltung auf Seiten der SPD eine inhaltliche Kapitulation.

      Nicht nur, dass die SPD allein mit der LINKEN bereits über eine knappe Regierungsmehrheit im Landtag verfügen würde, müsste Heiko Maas (SPD) bei den zwei im weiteren Sinne zum linken Lager gehörenden Oppositionsparteien Grüne und Piraten noch nicht einmal den Mut seiner Genossin aus Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, aufbringen, um eine SPD-geführte Landesregierung zu bilden und die CDU in die Opposition zu entsenden…

      Betrachtet man die Entscheidungen der SPD in Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und in gewisser Hinsicht auch in Nordrhein-Westfalen gegen ein Bündnis unter Einschluss der LINKEN, so ist darin – unter Auslassung landesspezifischer Beweggründe – das Bemühen abzulesen, DIE LINKE durch Fernhalten von politischer Einflussnahme in Form von Regierungsbeteiligungen politisch zu entwerten. Dabei soll DIE LINKE aus den westdeutschen Parlamenten heraus gedrängt werden.

      Langfristig, so könnte diese Strategie interpretiert werden, soll sich der sozialdemokratische Handlungsspielraum dergestalt vergrößern, dass in der Mehrheit der Länder, also im Westen Deutschlands, durch Ausgrenzung und Marginalisierung der LINKEN ein Drei- bis Vierparteiensystem – ohne DIE LINKE – reproduziert wird, dass für die SPD wieder klarere Koalitionsoptionen beinhaltet.
      Quelle: Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff/Horst Kahrs [PDF – 615 KB]

      Siehe auch:
      Bei der Landtagswahl im Saarland wählten…

      • … 38,4 Prozent aller Wahlberechtigten niemanden.
      • … 21,3 Prozent aller Wahlberechtigten die CDU.
      • … 18,5 Prozent aller Wahlberechtigten die SPD.
      • … 9,7 Prozent aller Wahlberechtigten die Linken.
      • … 4,4 Prozent aller Wahlberechtigten die Piraten.
      • … 3,0 Prozent aller Wahlberechtigten die Grünen.
      • … 0,7 Prozent aller Wahlberechtigten die FDP.

      Die geplante Große Koalition hat einen Rückhalt von 39,8 Prozent in der wahlberechtigten Bevölkerung – sie ist damit unwesentlich größer als das Lager der Nichtwähler. Die Opposition setzt sich aus 17,1 Prozent zusammen. Die FDP ist zu einer marginalisierten Randgruppe geworden, die eine Handvoll mehr Wähler als die NPD, aber weitaus weniger Wähler als die Familien-Partei (1,1 Prozent aller Wahlberechtigten) aufweist.
      Quelle: Ad sinistram

    2. Die Piraten – viel mehr als nur Protest
      Die Piraten sind nämlich längst nicht mehr das Überraschungsei der deutschen Parteienlandschaft. Sie sind sechs Jahre alt, und sie haben inzwischen mehr zu bieten als Protest und Katzenschutz. Man muss sich nur das saarländische Wahlprogramm anschauen. Innere Sicherheit, Studiengebühren, Kinderbetreuung, Länderfinanzausgleich, Infrastruktur, Praxisgebühr, Finanztransaktionssteuer – zu all diesen Themenkomplexen geben die Piraten klare Antworten. Übrigens Antworten, die zugleich zeigen, ob die Piraten nun eher rechts oder links sind: Sie sind links, und zwar eindeutig.
      Quelle: tagesschau.de

      Anmerkung WL: Immerhin meinen 62%, dass die Piraten Partei eine gute Alternative für Nichtwähler sind und 55% meinen, dass diese Partei dafür sorgt, dass auch mal die Jüngeren etwas zu sagen haben. 26% meinen zu wissen, wofür die Piraten stehen. Wissen das mehr Menschen, die andere Parteien wählen?
      Aber dennoch sollte man sich einmal genauer ansehen was in dieser Partei diskutiert wird.
      So schlagen etwas die #Sozialpiraten folgendes Modell eines Grundeinkommens vor:
      „Unser Konzept sieht ein Grundeinkommen von 70% des steuerlichen Existenzminimums pro Person und Monat vor, das an alle Einwohner auszuzahlen ist, auch an Kinder, und nicht zu versteuern ist (2009 wären das 438,70 Euro bei 12,5 Auszahlungsmonaten). Das Grundeinkommen soll nicht an die deutsche Staatsbürgerschaft gekoppelt sein, der Kreis der Berechtigten ist aber so abzugrenzen, dass kein „Grundeinkommenstourismus“ in signifikantem Umfang entsteht.
      Dieses Grundeinkommen soll die folgenden Sozialleistungen ersetzen, die dann ersatzlos wegfallen:

      • Kindergeld
      • Grundsicherung für Arbeitssuchende (ALG2 und Sozialgeld)
      • Ausbildungsförderung
      • Erziehungs- und Elterngeld
      • Bei anderen Sozialleistungen wie z.B. Sozialhilfe sind zumindest Einsparungen möglich…

      Wir wollen zur Finanzierung dieses Systems einen einheitlichen Steuersatz („Flat Tax“) auf alle Einkommen von nominell 45%. Diese Steuer ersetzt die bisherige Einkommenssteuer, die Körperschaftssteuer und die Gewerbesteuer.
      Für ein solches Modell könnte (mit Ausnahme des Steuersatzes natürlich) auch Frau von der Leyen erwärmen: Sozialhilfe bei 70% des Existenzminimums!

    3. Jakob Augstein: Verdient gescheitert – die SPD
      Die Saar-Wahl hat gezeigt: Wer die Mitte predigt, schadet der Demokratie – vor allem der Sozialdemokratie. Wenn die SPD an die Macht will, muss sie über ihren linken Schatten springen.
      Was war das für eine Idee, vor den Wahlen eine Große Koalition zu verkünden! SPD und CDU haben im Saarland ein Kartell der Anti-Politik gegründet. Als wollten sie der Demokratie mit Absicht das letzte bisschen Leben austreiben. Obwohl sich die beiden großen Parteien zusammentun, vertreten sie jetzt nur etwas mehr als 40 Prozent der Wahlberechtigten. Das ist ein Ergebnis der erschreckend niedrigen Wahlbeteiligung. Was die Wahlforscher “asymmetrische Demobilisierung” nennen, wird zum Normalfall der Wahlkampfstrategie: Die Politik setzt absichtsvoll darauf, dass möglichst wenig Leute zur Wahl gehen – aber von der Gegenseite noch weniger. Die CDU fährt damit regelmäßig besser. Sie hat die Voraussetzung dieses besonderen Politikstils zur Vollkommenheit getrieben: politische Unkenntlichkeit.
      Das ist das Kennzeichen der Ideologie der Mitte. Jede Bestimmtheit wäre eine Verneinung, jede Eigenschaft würde die Abwesenheit einer anderen Eigenschaft bedeuten. Der Politiker der Mitte muss alles vertreten und steht darum für nichts. Für das System liegt in der Mitte keine Beruhigung, sondern eine Gefahr, keine Stabilität, sondern eine Bedrohung.
      Wir sollten endlich begreifen: Wer die Mitte preist, ist nicht ein Freund der Demokratie, sondern ihr Gegner.
      Quelle: Spiegel Online
    4. Dörings Tyrannei-Vergleich empört die Piraten
      1,2 Prozent für die einen, 7,4 für die anderen – der Erfolg der Piraten ärgert die zur Splitterpartei verkommene FDP so sehr, dass Generalsekretär Döring zum Rundumschlag gegen die Polit-Aufsteiger ausholt. Deren Politikbild sei durch die “Tyrannei der Masse” geprägt. Die Gescholtenen schlagen zurück.

      Anmerkung J.K.: Köstlich, ein höchst interessantes Demokratieverständnis offenbart die FDP hier. Nach Lesart des Herren Döring gilt Demokratie nur solange, als die Menschen schön brav FDP wählen und dieser über die 5-Prozent-Hürde verhelfen. Nehmen die Menschen aber ihre demokratischen Grundrechte in Form des Wahlrechts wahr, und befördern die FDP dorthin wohin sie schon lange gehört, ins politische Aus, herrscht die Tyrannei der Massen.
      Wie hätte es Herr Döring denn gerne? Eine feste Quote für die FDP, damit diese auch schön immer die 5-Prozent-Hürde schafft? Man muss manche Leute nur reden lassen, dann disqualifizieren sie sich selbst. Allerdings darf man mit gutem Recht unterstellen, dass diese Einstellung nicht nur bei Politikern der FDP zu finden ist.

  2. OB-Wahlen in Frankfurt und Mainz
    Die Überraschung ist perfekt: Peter Feldmann hat die Oberbürgermeister-Wahl in Frankfurt gewonnen. Der SPD-Politiker erhielt am Sonntag in der Stichwahl 57,4 Prozent der Stimmen und setzte sich damit gegen den favorisierten Innenminister Boris Rhein (CDU) durch, der 42,6 Prozent erreichte. Feldmann tritt damit die Nachfolge von Petra Roth (CDU) an, deren Amtszeit am 30. Juni endet.
    Niedrig war die Wahlbeteiligung: Bei bestem Frühlingswetter gingen nur 35,1 Prozent der insgesamt 464.172 Wahlberechtigten an die Urnen. Beim ersten Wahlgang vor zwei Wochen waren es noch 37,5 Prozent.
    Auch in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz war die SPD bei einer OB-Stichwahl am Sonntag erfolgreich. Hier siegte Michael Ebling. Der rheinland-pfälzische Bildungsstaatssekretär setzte sich deutlich gegen den Grünen-Politiker Günter Beck durch.
    Ebling erhielt nach Angaben der Stadt 58,2 Prozent der Stimmen, Beck kam auf 41,8 Prozent. Damit bleibt der Chefsessel im Mainzer Rathaus auch nach 63 Jahren weiterhin in SPD-Hand. Die Wahlbeteiligung in Mainz lag allerdings bei nur 34,3 Prozent.
    Quelle: HR Online

    Anmerkung WL: Da rafft sich gerade mal ein gutes Drittel der Wahlberechtigten auf um ihr Stadtoberhaupt zu wählen. Liegt das daran, dass die Bürgerinnen und Bürger ohnehin den Eindruck haben, dass in den finanziell ausgebluteten Städten ohnehin keine politischen Entscheidungen getroffen werden, außer dass noch mehr gespart werden muss. Liegt es daran, dass die Menschen einfach nur demokratiemüde sind? Über solche katastrophalen Wahlbeteiligungen müsste eine Debatte geführt werden und nach den Ursachen gefragt werden.

  3. Reallöhne im 4. Quartal 2011 unverändert zum Vorjahresquartal
    Zum ersten Mal seit dem vierten Quartal 2009 gab es damit kein Wachstum der Reallöhne gegenüber dem Vorjahresquartal. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, konnten die um 2,3 % höheren Nominallöhne den Anstieg der Verbraucherpreise genau ausgleichen.
    Die Nominallöhne stiegen im Jahr 2011 um 3,4 %, die Verbraucherpreise um 2,3 %. Der deutliche Anstieg der Bruttomonatsverdienste über das gesamte Jahr 2011 hinweg lag vor allem an zwei Sondereffekten: an den deutlich höheren Sonderzahlungen und an einer höheren Anzahl bezahlter Stunden aufgrund des Abbaus der Kurzarbeit. Die Steigerung des Bruttostundenverdienstes ohne Sonderzahlungen (+ 2,0 %) hätte allein nicht ausgereicht, um die Inflationsrate auszugleichen…
    Vollzeitbeschäftigte im Verarbeitenden Gewerbe verdienten im Jahresdurchschnitt 2011 5,1 % mehr als ein Jahr zuvor. Vor allem die Automobilindustrie (+ 8,3 %), der Maschinenbau (+ 6,1 %) und die Bereiche Chemie und Metall (+ 5,2 %) trugen zu diesem hohen Anstieg im Verarbeitenden Gewerbe bei.
    Reallohnverluste mussten unter anderem die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes hinnehmen. In der Öffentlichen Verwaltung (+ 2,0 %) und im Bereich Erziehung und Unterricht (+ 0,6 %) lag die durchschnittliche Verdienstentwicklung unterhalb der Preisentwicklung.
    Ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer verdiente in Deutschland im Jahresdurchschnitt 2011 inklusive Sonderzahlungen durchschnittlich 43 929 Euro brutto. Bei diesem arithmetischen Mittelwert ist zu beachten, dass rund zwei Drittel der Beschäftigten einen Verdienst unterhalb dieses Mittelwertes haben und nur rund ein Drittel darüber liegt. Die höchsten Durchschnittsverdienste erhielten die Beschäftigten bei Banken und Versicherungen (62 823 Euro). Der niedrigste durchschnittliche Bruttojahresverdienst wurde im Gastgewerbe (24 544 Euro) gezahlt.
    Quelle: Statistisches Bundesamt

    Anmerkung WL: Siehe dort auch die Zeitreihe der Real-, Nominallöhne und Verbraucherpreise seit 2008 und die Bruttoverdienste von Vollzeitbeschäftigten in verschiedenen Wirtschaftszweigen.

    Dazu:

    Lohnerhöhungen: Es gibt wieder was zu verteilen
    Die Arbeitnehmer in Deutschland haben eine realistische Chance, in diesem Jahr deutliche Lohn- und Gehaltssteigerungen durchzusetzen. Die Dekabank ermittelt über alle Branchen hinweg einen durchschnittlichen Verteilungsspielraum von 3,3 Prozent.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

  4. Leiharbeiter verdienen bis zur Hälfte weniger
    Einer neuen Studie zufolge, die der F.A.Z. vorliegt, verdrängen Zeitarbeiter keine Stammbelegschaften. Mit ihrem Lohn, der bis zu 50 Prozent unter dem Niveau der festangestellten Mitarbeiter liegt, tragen sie allerdings die Kosten und Nachteile der Flexibilisierung…
    Zeitarbeiter kommen häufig aus der Arbeitslosigkeit…
    Dagegen stützt die Studie die Behauptung, dass Zeitarbeiter auch bei gleicher Qualifikation deutlich weniger verdienen. Demnach verdient eine Leihkraft mit Berufsausbildung in Westdeutschland 47 Prozent und im Osten 36 Prozent weniger als ein Stammarbeiter mit gleichem Bildungsniveau. Generell sind die Unterschiede in den alten Bundesländern größer als in den neuen. Bei Montierern in den Metallberufen zum Beispiel verdiene der Leiharbeiter 1.540 Euro brutto im Monat und der Festangestellte 2.990 Euro, was einen Unterschied von 48 Prozent bedeute.
    Quelle: FAZ

    Siehe dazu:

    Zeitarbeitnehmer tragen die Last der Flexibilität
    Keine Verdrängung der Stammbelegschaften, aber deutlich schlechtere Entlohnung – Bis zu 50 Prozent weniger Einkommen für vergleichbare Tätigkeiten. Erklärungen für das Lohngefälle liegen neben einer generell geringeren Bezahlung in der Zeitarbeit vor allem in unterschiedlichen individuellen Merkmalen wie etwa vorangehende Phasen von Arbeitslosigkeit und wechselhafte Erwerbsbiographien. Unterschiedliche Qualifikationsstrukturen kommen als Ursache dagegen weniger in Frage. Große Verdienstunterschiede bestehen nämlich auch, wenn man Beschäftigte auf gleichen Qualifikationsniveaus miteinander vergleicht.
    Damit Unternehmen weiterhin die Flexibilität von Zeitarbeit nutzen können, die Beschäftigten in dieser Branche aber nicht dauerhaft die Kosten dafür tragen müssen, schlägt die Bertelsmann Stiftung vor, „Equal Pay“ für alle Zeitarbeitnehmer zu verwirklichen, die länger als drei Monate im Entleihbetrieb tätig sind. Dies würde auf der Zahlenbasis aktueller Verweildauern beim Entleihbetrieb etwa 491.000 Zeitarbeitnehmern zu Gute kommen. Die daraus resultierenden Kosten beliefen sich auf etwa 410 Millionen Euro.  
    Quelle 1: Bertelsmann-Stiftung Pressemeldung
    Quelle 2: Langfassung der RWI Studie [PDF – 2.8 MB]

    Anmerkung Orlando Pascheit: Das Ergebnis der Studie ist traurig genug, aber selbst da, wo das RWI der Leiharbeit den Horror nehmen möchte, sind einige Fragen zu stellen. Das RWI schreibt: “Eine Analyse der Entwicklung von Zeitarbeits- und Stammbeschäftigung innerhalb eines Betriebs zeigt, dass nur ein geringer Anteil der Kundenbetriebe Zeitarbeit aufbaut und gleichzeitig Stammbeschäftigung abbaut. Das Gegenteil ist häufiger zu beobachten. Dies spricht gegen die These, dass Zeitarbeit vor allem genutzt wird, um die Stammbeschäftigten zu ersetzen. Allerdings lässt sich diese Möglichkeit aufgrund der rein deskriptiven Untersuchungen auch nicht völlig ausschließen.” Diese vorsichtige Einschränkung wird wohl vom Medien und interessierten Kreisen in Wirtschaft und Politik ignoriert werden. Festzuhalten ist, dass laut Bundesagentur für Arbeit im Juni 2011 ca. 910.000 Zeitarbeiter beschäftigt waren. Das waren 103.000 oder fast 13 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, d.h. die Zahl der Leiharbeiter nahm stärker zu als die der Beschäftigten insgesamt. Wenn dies nicht ein Indiz dafür ist, dass Zeitarbeit nicht allein dafür genutzt wird, um Auftragsspitzen abzufedern. Ein Aspekt wird von RWI bzw. Bertelsmann  unterschlagen: Der Einsatz billiger Leihkräfte unterhöhlt auch Verhandlungsmacht der Stammbelegschaft  in Tarifverhandlungen. – Generell lässt sich gegen die Studie einwenden, dass sie mit der Krisenperiode 2008/2009 und der Zeit davor 2007/2008 den neuesten Trend nicht erfasst.

  5. Der Leitbegriff “Gute Arbeit”
    Im Sommer 2010 verabschiedete die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft eine Grundsatzerklärung, die ein gewerkschaftspolitisches Pionierstück enthält: die Proklamation des Rechts auf Gute Arbeit. Dieses programmatische Bekenntnis korrespondiert mit einer gewerkschaftlichen Praxis, in der Arbeitsgestaltung als Thema und Gute Arbeit als Konzept stetig an Bedeutung gewinnen ­– auf betrieblicher Ebene, in der Tarifarbeit, in der Kommunikation mit den Beschäftigten und im Bemühen um die Verankerung von Sozialrechten. Innerhalb weniger Jahre ist Gute Arbeit bei ver.di dorthin gerückt, wohin Arbeitsgestaltungs-Politik gehört: ins Zentrum des gewerkschaftlichen Handelns.
    Quelle: DGB Gegenblende
  6. Neue Arbeitswelt und neue Selbstständigkeit
    Europaweit ist in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Zunahme an selbstständiger Erwerbsarbeit zu beobachten. Auch in Deutschland ist die Zahl der Selbstständigen von 1991 bis 2010 kontinuierlich angestiegen und lag im Jahr 2010 mit insgesamt 4,3 Mio. über 1,2 Mio. höher als 1991, was einer Zunahme von 40% entspricht. Die Selbstständigenzahl erreichte damit den bisher höchsten Wert seit 1991. Mit einer Selbstständigenquote von 11% an allen Erwerbstätigen liegt Deutschland im europäischen Vergleich im Mittelfeld (IMF 2011). Europaweit ist der Anstieg der Selbstständigkeit vor allem auf die wachsende Bedeutung der Solo-Selbstständigkeit zurückzuführen. In Deutschland ist über die Hälfte aller Selbstständigen solo-selbstständig.
    Nicht nur in der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern auch in den anderen Sozialversicherungszweigen bestehen akute Probleme, die einer Neuregelung bedürfen. So werden z.B. in der gesetzlichen Krankenversicherung die Beiträge der Selbstständigen nicht am Realeinkommen bemessen, sondern mit einem ‘angenommen Mindesteinkommen’ festgelegt, das oftmals faktisch nicht erreicht wird. Weiterhin ist die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Existenzgründer, die vorerst bis 2010 befristet war, zwar positiv evaluiert worden und wird seit 2011 unbefristet weitergeführt, dies jedoch zu erheblich schlechteren Konditionen. Die monatlichen Versicherungsbeiträge steigen nach und nach auf das Vierfache, von unter 20 Euro auf über 75 Euro. Weiterhin haben langjährig Selbstständige keine Möglichkeit zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung, also die sogenannten Altfälle, die in den letzten beiden Jahren keine zwölf Monate Pflichtversicherung nachweisen können. Es ist jedoch schwer nachvollziehbar, warum ausgerechnet den Selbstständigen, die über Jahre hinweg ihre Existenzfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt bewiesen haben, ein Beitritt zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung verwehrt wird.
    Quelle: DGB Gegenblende
  7. Schäuble lässt Börsensteuer fallen‎
    Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat Pläne für eine europäische Steuer auf Finanzgeschäfte endgültig aufgegeben. Auch eine geänderte Börsenumsatzsteuer nach britischem Vorbild als Alternative zur umstrittenen Finanztransaktionssteuer sei auf europäischer Ebene nicht machbar, sagte Schäuble. Er strebe daher eine Regelung innerhalb der europäischen Verträge an über den Weg der verstärkten Zusammenarbeit – etwa zur Eindämmung des sekundenschnellen Hochfrequenzhandels an den Börsen.
    Quelle: Der Standard

    Dazu:

    Schäuble zur Finanztransaktionssteuer: SPD soll sich nicht lächerlich mache
    In den Parteienstreit über die deutsche Zustimmung zum europäischen Fiskalpakt kommt Bewegung. Der frühere SPD-Finanzminister Peer Steinbrück bekräftigte in einem Interview der „Rheinischen Post“ zwar die Forderung seiner Partei nach einer „Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte“, nahm aber dabei das Reizwort „Finanztransaktionssteuer“ nicht mehr in den Mund. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bekräftigte seinerseits, dass eine Transaktionssteuer angesichts der Widerstände in Europa nicht durchsetzbar sei. Er plädierte seinerseits für eine „erweiterte Börsensteuer“, die einer Transaktionssteuer im Effekt möglichst gleichwertig sein sollte. Die SPD hatte die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer per Vorstandsbeschluss formal zur Bedingung für ihre Zustimmung zum Fiskalpakt gemacht. Der Vertrag zwischen 25 der 27 Euro-Länder soll Schuldenbremsen einführen und sicherstellen, dass sich Schuldenkrisen wie in den südeuropäischen Euro-Staaten in Zukunft nicht wiederholen. Der FDP-Finanzexperte Volker Wissing wertete Steinbrücks Aussage als verdecktes Umschwenken auf die Linie der Freidemokraten. Statt zuzugeben, dass die SPD sich verrannt habe, tue Steinbrück so, als müsse die SPD der Koalition eine Börsensteuer abringen. „Tatsächlich hat sie mit ihrer Transaktionssteuer ein totes Pferd geritten“, sagte Wissing. In der FDP wurde Steinbrücks neue Wortwahl aber grundsätzlich als gutes Signal gewertet. Wenn alle ab jetzt von einer Börsensteuer redeten, könnten auch die Liberalen gesichtswahrend aus dem Streit herauskommen, hieß es.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ein vorhersehbares Trauerspiel, spätestens seit der Landtagswahl im Saarland dürfte allen klar sein, dass die SPD auch im Bund den Juniorpartner anstrebt. Die Altpolitiker Steinmeier und Steinbrück sowie der allzu flexible Gabriel bringen nicht den Mumm auf, dem Merkelschen Austeritätspakt, die sich Fiskalpakt nennt, klar entgegenzutreten. Ärgerliche genug, dass die staatstragenden Parteien Deutschlands meinen, mit einem nur auf das Sparen ausgerichteten Sanktionsregime europäische Wirtschaftspolitik betreiben zu können. Aber vollkommen unnötig ist es darüber hinaus, in der Frage der Transaktionssteuer einzuknicken. Selbst seitens der Europäischen Kommission liegen Vorschläge auf dem Tisch, wie es vermieden werden kann, dass Finanzinstitute dem Nichtgeltungsbereich der Finanztransaktionssteuer ausweichen. Es wäre weitgehend eine technische Diskussion, wie die Transaktionssteuerpflicht von vornherein an das Sitzland der Muttergesellschaft gebunden werden kann, ja wenn man nicht  schon längst wüsste, dass die gesamte Politik sich wieder nur am Finanzkapital ausrichtet, die ja gerade im Hochfrequenzhandel ihr Geschäft sieht.

  8. Regierung legalisiert Steuerflucht
    Deutschland und die Schweiz wollen das Verstecken von Vermögen auf Schweizer Bankkonten nun nachträglich legalisieren. Schätzungen zufolge sollen deutsche Anleger 130 bis 180 Milliarden Euro illegal ins Nachbarland geschleust haben. Am 10. August 2011 haben Unterhändler nach fast zweijährigen Verhandlungen ein Abkommen unterzeichnet, dass im nächsten Jahr in Kraft treten soll. Der 44-seitige Text liegt den Parlamenten in Deutschland und in der Schweiz vor. Mit diesem Vertrag wird festgelegt, dass deutsche Steuerflüchtlinge ihr in der Schweiz angelegtes Schwarzgeld durch eine einmalige Nachzahlung legalisieren können. Für die Zukunft fällt dann eine Quellensteuer an. Die Besitzer des Geldes bleiben aber anonym und müssen nicht mehr mit Entdeckung rechnen, weil Deutschland sich verpflichtet, keine CDs mit Daten von Steuerflüchtlingen mehr anzukaufen.
    Quelle: Welt der Arbeit

    Anders die USA:

  9. Swift-Abkommen – USA kommen zu leicht an europäische Bankdaten
    Der Datenschutz übt heftige Kritik an der Weitergabe von Bankdaten an US-Behörden. Die politische Kontrolle des Swift-Abkommens sei völlig unzreichend. Ein Prüfbericht offenbart, dass ein Schutz vor Missbrauch kaum möglich ist.
    Quelle: FTD
  10. The Rich Get Even Richer
    New statistics show an ever-more-startling divergence between the fortunes of the wealthy and everybody else — and the desperate need to address this wrenching problem. Even in a country that sometimes seems inured to income inequality, these takeaways are truly stunning.
    In 2010, as the nation continued to recover from the recession, a dizzying 93 percent of the additional income created in the country that year, compared to 2009 — $288 billion — went to the top 1 percent of taxpayers, those with at least $352,000 in income. That delivered an average single-year pay increase of 11.6 percent to each of these households.
    Still more astonishing was the extent to which the super rich got rich faster than the merely rich. In 2010, 37 percent of these additional earnings went to just the top 0.01 percent, a teaspoon-size collection of about 15,000 households with average incomes of $23.8 million. These fortunate few saw their incomes rise by 21.5 percent.
    The bottom 99 percent received a microscopic $80 increase in pay per person in 2010, after adjusting for inflation. The top 1 percent, whose average income is $1,019,089, had an 11.6 percent increase in income.
    Quelle: New York Times
  11. Bildungspaket: Von der Leyens desaströse Bilanz
    Heftige Kritik an Hartz-IV-Bildungspaket. Paritätischer Wohlfahrtsverband: »Totalreinfall«
    Das Bildungspaket für Kinder in »Hartz IV«-Bedarfsgemeinschaften hat nach Ansicht des DGB im ersten Jahr seines Bestehens seinen Zweck nicht erfüllt. 2011 sei nur etwa ein Fünftel der vorgesehenen Mittel tatsächlich ausgegeben worden, kritisierte der Gewerkschaftsbund in einer am Montag bekanntgewordenen Bilanz. […]
    Der Paritätische Wohlfahrtsverband nannte das Paket einen »Totalreinfall«. »Die Bilanz nach einem Jahr ist desaströs«, erklärte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider in Berlin. Nicht einmal die Hälfte der Antragsberechtigten sei erreicht worden. »Insbesondere die Sport- und Musikgutscheine entpuppen sich als Luftnummer« und würden kaum abgefragt, kritisierte Schneider.
    Quelle: Junge Welt

    Anmerkung WL: Dieser Befund beweist, wie scheinheilig das Angebot war. Da trat damals die Sozialministerin vor die Mikrofone und zirpte mit herzerweichenden Tönen, dass die Hilfe unmittelbar bei den betroffenen Kindern ankommen solle. Dann baut man unüberwindbare bürokratische Hürden für den Abruf der Mittel auf. So kann man Sozialpolitik vortäuschen und Geld sparen. Schuld sind dann immer die Betroffenen selbst, sie hätten die Mittel ja abrufen können.

  12. Gorleben: Bundesregierung greift tief in die Trickkiste
    Typisch Norbert Röttgen: Hört sich gut an, ist aber am Ende doch alles ganz anders. Mit einem vorläufigen Erkundungsstopp erkauft sich die Bundesregierung nur Zeit, um den Standort Gorleben in einigen Jahren umso besser durchsetzen zu können. Denn Teil des Vorschlages ist auch, keinen weiteren Salzstock auf seine Eignung als Endlager zu untersuchen. Damit steigt sogar die Wahrscheinlichkeit, dass zum Schluss trotz aller geologischen Fakten Gorleben doch zum Endlager wird.
    Dafür spricht auch, dass der jetzt angebotene Erkundungsstopp erst im Herbst beginnen soll. Damit kann eine großangelegte, neun Millionen Euro teure Studie abgeschlossen werden, mit denen das Bundesumweltministerium einseitig Wissenschaftler beauftragt hat, die für ihre unkritische Haltung für Gorleben bekannt sind und die in der Vergangenheit auch dem Endlager im Salzstock Asse Sicherheit attestiert haben. Eine Schlüsselrolle bei der Erstellung dieser so genannten ‚Vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorleben‘ spielt der ehemalige Nuklearchef von Vattenfall, Bruno Thomauske, der extra für diesen Zweck eine
    Consulting-Firma gegründet hat.
    Quelle: ausgestrahlt
  13. Falsche Rechnungen sollen bestraft werden
    Falsche Abrechnungen in den Krankenhäusern verursachen Milliardenschäden bei den Krankenkassen. Bundesgesundheitsminister Bahr will nun per Gesetz Strafzahlungen einführen. Pikant: Die Unionsfraktion ist dafür, aber ausgerechnet Bahrs FDP blockiert. Es droht neuer Koalitionskrach.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung JB: Diese Reform ist mehr als überfällig. Es kann nicht sein, dass private Krankenhausbetreiber vorsätzlich bei der Abrechnung betrügen und den Krankenkassen die Hände gebunden sind.

  14. Streit bei Entwicklungsorganisation – GIZ-Frauen müssen warten
    Politposse im Aufsichtsrat der Entwicklungsorganisation GIZ: Weil der zuständige Staatssekretär einen FDPler durchdrücken will, scheitert die Berufung des Vorstands.
    Dass es keine Entscheidung gab, lag an den festgefahrenen politischen Interessen. Denn alle Parteien wollen im Aufsichtsrat mitreden, auch die Arbeitnehmerseite will sich repräsentiert sehen. Früh hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel klargemacht, dass der Chefposten wieder an die CDU gehen solle. Für diese Position ist die ehemalige baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner gesetzt. Doch alles andere war bis zum Schluss umstritten.
    Bereits Tage vor dem Montagstermin hatte Beerfeltz einen Brief an einige Aufsichtsratsmitglieder geschickt – mit einem Vorschlag. Neben Gönner wollte er die bisherigen Vorstände Christoph Beier und Sebastian Paust im Gremium haben, dazu seinen FDP-Kollegen Tom Pätz und die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Karin Kortmann. Ein Vorschlag mit Kalkül: So wollte Beerfeltz verhindern, dass die Arbeitnehmer eine eigene Kandidatin durchbringen und mit Kortmann die Frauenquote erfüllen.
    Mit demselben Vorschlag ging Beerfeltz in die Montagssitzung und erntete wieder Protest. Denn Pätz hat im Aufsichtsrat viele Gegner, auch in weiten Teilen der Belegschaft der GIZ ist er wegen seines zu Luxus neigenden Arbeitsstils unten durch.
    Quelle: taz
  15. Fragwürdiger Rückzug: Kurt Beck und die “Erbschleicher” im Regierungsamt
    Kurt Beck räumt seinen Posten als Ministerpräsident noch vor Ende der Legislaturperiode. Der fliegende Wechsel an der Spitze hat Methode. Letztlich geht es in solchen Fällen darum, dem Nachfolger aus der eigenen Partei schon vor dem Risiko der nächsten Landtagswahl einen „Amtsbonus“ zu verschaffen. Und zwar, damit der Nachfolger nicht in einer Parlamentswahl gegen den Spitzenkandidaten der Opposition auf gemeiner „Augenhöhe“ antreten muss, sondern ihm bereits vom erhöhten Podest des bekannten und bewährten Regierungschefs begegnen kann. Diese Praxis ist ein durchaus fragwürdiger Formenmissbrauch, selbst dann, wenn der Regierungschef ja nicht von den Wählern unmittelbar gewählt worden ist, sondern von den Fraktionen der siegreichen Regierungsmehrheit. Dennoch: Letztlich ist es der Spitzenkandidat gewesen, der dieser Mehrheit die Hasen in die Küche locken sollte.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Da ärgert sich aber Robert Leicht ganz gewaltig, dass Kurt Beck so klug ist, seinem Nachfolger die Gelegenheit zu geben sich im Amt zu bewähren. Es wäre nicht uninteressant zu erfahren, ob sich Leicht genauso über den frühen Rücktritt von Roland Koch in Hessen so erregt hat. Hätte Beck dies nicht getan, so würde man wahrscheinlich dahingehend argumentieren, dass er an der Macht klebe. Peinlich wird es vor allem, wenn Leicht aus der Landtagswahl eine Volksabstimmung über die Person des künftigen Ministerpräsidenten machen will. Er räumt zwar ein, dass der Regierungschef nicht von den Wählern unmittelbar gewählt würde, sieht aber im Rücktritt Kurt Becks einen “fragwürdigen Formenmissbrauch”, was auch immer dies bedeuten soll. Leicht ignoriert leichtsinnig die geschichtlichen Erfahrungen Deutschlands, die in eine repräsentative Demokratie mündeten. Wir wählen immer noch im Wesentlichen eine Partei und messen die zur Wahl stehenden Personen daran, inwiefern sie am geeignetsten erscheinen, die programmatische Linie der Partei umzusetzen. Da mögen wir auch manchmal die Führungsfigur als recht unsympathisch empfinden oder umgekehrt den sympathischen Politiker für ungeeignet halten. – Das klappt nicht immer. Bis heute hat die SPD darunter zu leiden, dass sie unter Anleitung von Oskar Lafontaine mit Schröder den Kandidaten aufstellte, von dem sie annahm, dass er bei der Bevölkerung am besten ankommen würde.

  16. Neuer britischer Spendenskandal
    Die britischen Konservativen werden durch einen neuen Parteispendenskandal durchgeschüttelt. Als ausländische Geschäftsleute getarnte Reporter der «Sunday Times» filmten den Schatzmeister der Partei, Peter Cruddas, wie er ihnen die Spielregeln für den Zugang zu Regierungsmitgliedern erklärte. Ein Abendessen mit David und Samantha Cameron in der Wohnung des Premierministers in Downing Street? Ein Lunch für Geschäftskunden inklusive Händeschütteln und Fotografie mit Schatzkanzler Osborne? Kein Problem. Man müsse bloß, erklärte Cruddas, ein als Spekulant in der City zu Reichtum gelangter Gönner der Tories, eine Parteispende von mindestens 100 000, besser 200 000 Pfund, leisten, um «Teil des Systems» zu werden. Mit 250 000 Pfund sei man in der «Premier League» – dann ergäben sich die Dinge von selber.
    Cruddas betonte, Parteispender könnten die Politik nicht bestimmen. Doch er schwärmte von den Vorteilen, welche der Zugang verschaffe. Spender könnten ihre Sorgen bei Ministern deponieren. Diese würden dann unvermittelt in jene Gremien am Regierungssitz eingespeist, welche die Regierungspolitik bestimmten. Und es sei doch sehr nützlich, wenn man aus erster Hand erfahre, was der Premierminister über Themen denke, die einem besonders am Herzen lägen. Grosse Spender seien in der Privatwohnung der Camerons in Downing Street zu Gast gewesen. Allerdings, betonte Cruddas, treffe man dort «nicht mit dem Premierminister, sondern mit David Cameron» zusammen, mit dem man vertraulich über alles sprechen könne. Ihm selber habe Cameron bei einem solchen Gespräch versichert, dass er eine in Brüssel vorgeschlagene Finanztransaktionssteuer um jeden Preis verhindern werde…
    Die Konservativen finanzieren sich überwiegend durch Spenden vermögender Privatleute und Unternehmen, von denen laut einer Analyse der Gewerkschaft GMB rund 60 Prozent aus der Londoner City stammen. Die Tories haben auf diese Art im Wahljahr 2010 mit Spenden von 32 Millionen Pfund Labour um mehr als die Hälfte übertroffen.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Warum nicht gleich Programmpunkte der Partei an den Meistbietenden versteigern.

  17. Colin Crouch – „Cameron geht es um die Zerstörung des Euro“
    Die Globalisierung ändert nicht nur unsere Lebensbedingungen, sondern auch die politische Arena – die Demokratie. Im Gespräch mit Martin Eiermann sucht der britische Soziologe Colin Crouch nach Antworten auf den Wunsch nach mehr Transparenz, erörtert die britische Haltung zum Euro und wundert sich über seine Landsleute.
    Quelle: The European
  18. Portugal: Alptraum Auswanderung
    Die Krise: Erst gebar sie die „Beta-Generation“ junger Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen. Nun treibt sie die Familienväter dazu, irgendwo in Europa nach Arbeit zu suchen. Aber sind sie schlecht vorbereitet. Es fehlt an Fremdsprachenkenntnissen und auch ein Einkommen. Zu den jungen Akademikern, die ihr Glück im Ausland versuchen, gesellen sich immer mehr dieser Auswanderer, die mitten in der Blütezeit ihres Lebens stehen. In [der Schweiz] läutete man bereits die Alarmglocken: Trotz eisiger Temperaturen schliefen Portugiesen hier auf der Straße. Und ganz allgemein betrachtet sieht es nicht so aus, als würde sich die Situation bald verbessern. Die zahlreichen statistischen Erhebungen belegen, dass immer mehr Portugiesen ihr Land verlassen. Allein 2011 sind zwischen 100 000 und 120 000 Portugiesen ausgewandert, gab der Staatssekretär für die portugiesischen Gemeinden im Ausland José Cesário Ende des Jahres zu. Auf EURES, dem europäischen Portal zur beruflichen Mobilität, hat sich die Zahl portugiesischer Bewerber zwischen 2008 und 2011 mehr als verdoppelt. Darüber hinaus zeigen auch die Anmeldungen in Konsulaten, dass immer mehr Portugiesen sich im Ausland niederlassen: Zwischen 2008 und 2010 haben sich zusätzliche 324 000 Personen eingetragen. Niemand kann ganz genau sagen, wie viele Portugiesen im vergangenen Jahr in ein anderes europäisches Land ausgewandert sind, meint Jorge Malheiros. Anhand der Zahlen kann der Wissenschaftler vom Geographischen Forschungsinstitut der Universität von Lissabon allerdings folgende Tendenz ausmachen: Die „portugiesischen Emigranten“ werden in Zukunft „qualifizierter und jünger“ sein.
    Quelle: Presseurop

    Anmerkung Orlando Pascheit: Allmählich fragt man sich, mit welchem Personal, selbst wenn die richtigen wirtschaftspolitischen Weichenstellungen erfolgten, die Gesundung der Volkswirtschaften der Peripherie bewerkstelligt werden kann.

  19. Neocons und Theocons
    Der Theologe und Historiker Gerhard Padderatz über den politischen Einfluss der Evangelikalen in den USA
    In den USA liefern sich derzeit die republikanischen Präsidentschaftskandidaten Romney und Santorum ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Der Mormone und Multi-Millionär Mitt Romney gilt als gemäßigter Neokonservativer, Rick Santorum steht den Evangelikalen nahe, weit abgeschlagen sind der erzkonservative Newt Gingrich und Ron Paul, der Tea-Party-Libertäre. Wie ist die Rolle der Evangelikalen einzuschätzen, die in den Medien und bei den Massen der USA einen für europäische Maßstäbe ungewöhnlich großen Einfluss haben? Schon Bush und Blair rechtfertigten ihre Irak-Kriegspolitik auch mit religiösen Werten. Thomas Barth befragte dazu den Theologen und Historiker Dr. Gerhard Padderatz, einen Amerika-Kenner, der lange in den USA lebte und arbeitete.
    Quelle: Telepolis
  20. Zehn Gründe, warum die USA nicht länger »The Land of the Free« sind
    In dem Jahrzehnt nach dem 11. September 2001 hat dieses Land die Bürgerfreiheiten im Namen eines erweiterten Sicherheitsstaates weitgehend eingeschränkt. Das jüngste Beispiel hierfür liefert der am 31. Dezember 2011 unterzeichnete National Defense Authorization Act, der eine unbefristete Inhaftierung amerikanischer Staatsbürger ohne Gerichtsverfahren ermöglicht. Wann aber ist der Punkt erreicht, an dem die Verminderung der Individualrechte in unserem Lande auf unser Selbstverständnis durchschlägt?
    Seit 9/11 haben wir genau das Regierungssystem geschaffen, das die Gründungsväterfürchteten: Einen Staat, eine Regierung mit ausgedehnten und weitgehend unkontrollierten Machtbefugnissen, die allein auf der Hoffnung beruhen, es würde weise mit ihnen umgegangen.
    Dass das Defense Authorization-Gesetz die Möglichkeit unbefristeter Inhaftierung ohne Gerichtsbeschluss oder -urteil vorsieht, erschien vielen Bürgerrechtlern als ein Verrat des demokratischen Präsidenten. Obama hatte versprochen, sein Veto gegen das Gesetz einzulegen, sollte es eine derartige Vollmacht enthalten. Senator Levin, ein aktiver Befürworter des Gesetzes, enthüllte demgegenüber im Senat etwas ganz anderes: In Wirklichkeit habe das Weiße Haus der Beseitigung jeglicher Regelung zugestimmt, die US-Staatsbürger von der Möglichkeit unbefristeter Inhaftierung ausgenommen hätte.
    Politiker, die lügen, sind für Amerikaner nichts Neues. Die eigentliche Frage ist, ob wir uns heute selbst etwas vormachen, wenn wir Amerika „frei“ nennen – the land of the free.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik
  21. Aufruf für mehr Demokratie in Europa
    Im Alleingang bestimmen wenige Regierungschefs über unsere Zukunft. Die Macht verschiebt sich – von Parlamenten zu Regierungen, von kleinen zu großen Ländern. Was Merkel und Sarkozy aushandeln, wird uns als alternativlos verkauft. Für den dauerhaften Rettungsschirm soll Deutschland bis zu 643 Milliarden Euro Kredite und Bürgschaften gewähren. Es wird ein Gouverneursrat in Luxemburg installiert, besetzt durch Finanzminister oder Beamte. Dieser Rat soll auf die Haushalte der Euro-Länder zugreifen können. Dem Rettungsschirm folgt der Fiskalvertrag, mit dem die Haushaltshoheit der Parlamente ausgehöhlt wird. Werden aber dem Bundestag Kompetenzen genommen, wird unser Wahlrecht entwertet. Wir wählen dann Abgeordnete, deren Einfluss immer geringer wird. Hier geht es um Grundsätze der Demokratie. Darüber müssen wir selbst entscheiden.
    Für die Rettungsschirme werden auch bestehende EU-Verträge umgangen. Selbst die Abgeordneten des EU-Parlaments haben darauf keinen Einfluss. Die Pflicht, für Vertragsänderungen einen Konvent einzuberufen, wird ignoriert.
    Es muss es eine breite öffentliche Diskussion über die Demokratie in Europa geben.
    Wir fordern die Abgeordneten des Bundestags auf, Volksentscheide über den EURO-Rettungsschirm (ESM-Vertrag) und den Fiskalvertrag einzuleiten.
    Wir fordern die Abgeordneten des Europäischen Parlaments auf, sich für einen Konvent einzusetzen, der Vorschläge für eine demokratische Europäische Union ausarbeitet.
    Quelle: Mehr Demokratie

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