Bedeutung der Quote auch für öffentlich-rechtliche Sender

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Damit sich die NachDenkSeiten nicht den Vorwurf einhandeln, wir würden nur die eine Seite hören – nämlich Kritiker der Quote – wollen wir auch Thomas Nell, den bisherigen Leiter der Programmgruppe Wirtschaft und Recht beim WDR in Köln zu Wort kommen lassen, der den diagnostischen und den (Programm-)Relevanzaspekt der Quotenmessung hervorhebt.
Damit kein Missverständnis aufkommt, wir huldigen keineswegs einem ethischen Relativismus. In seinem Referat auf einem Symposion des IÖR sieht Thomas Nell die Einschaltquote als unterstützendes Instrument der Programmplanung an, hört man allerdings z.B. den ARD-Programmdirektor Volker Herres („Quote sind nichts anderes als Menschen“), dann wir man eher den Kritikern wie Gert Monheim oder Manfred Kops Recht geben müssen. Wie richtig sie mit ihrer Kritik an der Quote liegen, kann schließlich jeder Rundfunkteilnehmer selbst beobachten, etwa wenn er pro Woche inzwischen fünf Talk-„Shows“ ertragen muss und dies noch als ein „Mehr an Information“ angepriesen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Organisatoren dieser Veranstaltung habe das Thema
Die Quote als Voraussetzung für die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags?*
gesetzt und schließlich mich gebeten, es zu vertreten. Auch wenn das Thema mit einem Fragezeichen versehen ist, habe ich es so verstanden, dass jemand gesucht wird, der dies als These vertritt – und zwar möglichst ohne Fragezeichen. Nun, wenn ich es völlig anders sehen würde, hätte ich nicht zugesagt. Ich nehme gerne die Gelegenheit wahr, meine Variation des Themas zu erläutern.

Damit wir von gleichen Voraussetzungen ausgehen, darf ich mit ein paar Worten die Grundlagen der Quote erläutern. Ich gehe davon aus, dass sich einige der hier Versammelten gut in dieser Materie auskennen – aber wohl nicht alle. Seit dem 01.01.2001 besteht das AGF Forschungspanel aus 5.100 täglich berichtenden Haushalten, in denen fast 11.500 Personen leben. Damit wird die Fernsehnutzung von 71,94 Mio. Personen ab 3 Jahren bzw. 36,04 Mio. Haushalten abgebildet (Zahlen Stand 01.01.12). Die Auftraggeber sind in der Arbeitsgemeinschaft Fernsehnutzung organisiert: ARD, ZDF, ProSiebenSat.1 und RTL. Beauftragt ist das Marktforschungsinstitut GfK in Nürnberg, die Gesellschaft für Konsumforschung.

Die erste und zentrale Frage lautet: Wie solide ist die Basis?

  • Niemand kann sich selbst zur Teilnahme am Panel bewerben.
  • Entscheidend bei der Auswahl ist das Zufallsprinzip.
  • Den Mitarbeitern der GfK werden in zufällig ausgewählten Gebieten Straßen zur Begehung genannt. Der Mitarbeiter notiert – beginnend bei einer vorgegebenen Startadresse – die Namen an den Klingelschildern, wobei er die Straßen nach bestimmten Begehungsvorschriften abläuft.
  • Die GfK Fernsehforschung gibt ihm anschließend vor, welche Adressen von ihm für Interviews zu kontaktieren sind – auch diese Auswahl erfolgt nach dem Zufallsprinzip.
  • Nach dieser Auswahl führt der GfK-Mitarbeiter ein erstes Interview durch und erfragt die Teilnahmebereitschaft am Fernsehpanel.

Die zweite Frage: Wie repräsentativ sind die Haushalte? Wie vertraulich ist die Teilnahme?

  • Die Panelteilnehmer sind zur Vertraulichkeit verpflichtet und dürfen ihre Teilnahme am Fernsehpanel nicht preisgeben.
  • Auf Basis eines Fragebogens, der einmal im Jahr an alle Panelhaushalte verschickt wird, stellt die GfK Änderungen der soziodemografischen Strukturen bei den Panelteilnehmern fest.
  • Teilnehmer, die das Fernsehpanel verlassen (z.B. Umzug, Sterbefall), werden nach den gleichen Kriterien ersetzt.

Dieser Exkurs soll aus meiner Sicht deutlich machen, dass es sich bei der Quotenermittlung um ein gut abgesichertes Verfahren handelt, dass – soweit es technisch und konzeptionell möglich ist – vor Manipulationen gefeit ist und zuverlässige Informationen liefert.

Aus meiner Sicht gibt es zwei Argumente, die die Bedeutung der Quote auch für öffentlich rechtliche Sender stützen. Das erste nenne ich das diagnostische Argument, das zweite das Relevanzargument. Beide haben miteinander zu tun, sind aber nicht deckungsgleich. Ich will nicht verhehlen, dass es auch in meiner Welt gute Argumente gegen bestimmte Argumentationsstränge unter Zuhilfenahme der Quote gibt, aber ich bin sicher, dass mein Kollege Gerd Monheim noch weit massivere Geschütze gegen die Argumentation mit der Quote – oder gegen die Quote überhaupt – in Stellung bringen wird. Deshalb werde ich mich auf die Pro-Argumente beschränken.

Wenden wir uns dem diagnostischen Argument zu. Wenn ich morgens in den Sender komme, kann ich mir detailliert ansehen, wie viele Menschen ein bestimmtes Programm gesehen haben, welche Altersgruppen wie stark beteiligt waren, wie viele Frauen oder Männer da waren und wer von welchem Programm zu welchen gewandert ist. Und das für jede Minute. Wenn ich mehr wissen will, zum Beispiel welche Milieus bei der ARD gewesen sind, beim WDR oder bei RTL, dann muss ich zwar unsere Medienforschung fragen, aber binnen kurzem erhalte ich ein recht komplettes Bild. Dann weiß ich, wer bei uns war, und kann mehr oder minder brauchbare Hypothesen testen, weshalb ein Beitrag oder eine Sequenz gut oder weniger gut angekommen ist. Diese Hypothesen sind und bleiben Hypothesen, es handelt sich nicht um Erkenntnisse.

Jetzt kommen wir zu den Konsequenzen dieser oft wackeligen Hypothesen. Denn diese Ergebnisse der Medienforschung unter Zuhilfenahme der Quote haben Konsequenzen, da darf man sich nichts vormachen. Und aus meiner Sicht sollte es in der Regel auch Konsequenzen geben. Wenn wir feststellen, dass wir kaum jüngeres Publikum haben, dann denkt z.B. meine Redaktion darüber nach, wie man jüngeres Publikum gewinnen kann. Lag es an der Erzählhaltung oder an den Protagonisten? Hatten wir Themen ausgewählt, die unserem Publikum, dass wir uns – um im Jargon zu bleiben – manchmal backen, gefallen haben? Belehren wir das Publikum oder begleiten wir es auf dem Weg zu eigenen Erkenntnissen? All diese Nachdenkprozesse führen zu Veränderungen – jedenfalls dann, wenn wir unseren Aufgabe ernst nehmen. Ich darf auf unsere Markenchecks verweisen, die ziemlich konsequent aus diesen Nachdenkprozessen entstanden sind. Und ob man nun zu den Fans oder den Kritikern gehört: Wir scheinen im Alltag unserer Zuschauer angekommen zu sein. Und es scheint uns recht gut gelungen zu sein, wenn Sie mir ein Urteil gestatten. Wir haben ein für ARD-Verhältnisse sehr junges Publikum für dies Formate gefunden. Ohne Quotenstudium und Analysen der Medienforschung wäre uns das nicht gelungen.

Nun zu den heikleren Punkten der Diskussion. Sollte es Quotenvorgaben von oben geben? In meiner Welt kommt es darauf an, wie verbindlich sie sind, wie sie für bestimmte Formate gestaltet und mit welchen Sanktionen sie – bei Nicht-Erreichen – verknüpft werden. Da plädiere ich für Gelassenheit und Differenzierung. Es gibt für mich Formate, die sehr wohl mit Quotenvorgaben versehen werden können und sollen. Und wenige, bei denen ich darauf verzichten würde. Zum Beispiel sollte das bei vielen Sportsendungen durchaus der Fall sein – und auch gerne im Unterhaltungsbereich. Wenn wir die Fußball-Bundesliga so schlecht abbilden würden, dass wir von den theoretisch erreichbaren 5 – 6 Mio Zuschauern bzw. 20 bis 30 % Marktanteil nur einen Bruchteil erreichen, dann haben wir etwas falsch gemacht und müssen umsteuern. Aber auch in der Unterhaltung würden mich Quotenvorgaben in keiner Weise stören. Ich muss gestehen, dass ich es geradezu abenteuerlich fände, wenn man bei der Unterhaltung nicht den Ehrgeiz hätte, sein Publikum zu maximieren. Eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt wie der WDR muss nur, und da liegt der Hund begraben, einschätzen können, wie wichtig ist uns dieses Programm, wie hoch ist sein Zuschauerpotenzial und wo liegen andere wichtige Ziele, wie z.B. Imagegewinn und Pflege des Senderprofils.

Nehmen Sie Dittsche als Beispiel. Dieser schräge Humor wird niemals mehrheitsfähig sein; aber als Imagefaktor ist Dittsche für den WDR von großem Wert. Natürlich ärgert es uns sehr, dass manche Zuschauer Dittsche für ein NDR-Sendung halten, bloß weil dieses Format aus Hamburg-Eppendorf kommt.

Als weiteres Beispiel möchte ich WestArt nennen. Dem Kulturmagazin des WDR wird von den Zuschauern eine gute Qualität bescheinigt – während die Quote mit 2,6 % MA in NRW niedrig ausfällt. Die Zuschauer bewerten die Sendung als „informativ“, „glaubwürdig“, „abwechslungsreich“ und „unterhaltsam“. Die Sendung insgesamt, die Themen und die Moderation erreichen in der qualitativen Überprüfung gute Werte. Die niedrige Quote hat in diesem Fall offenbar wenig mit der Qualität der Sendung zu tun. Vielmehr scheint es so zu sein, dass Kultursendungen generell ein geringes Zuschauerpotenzial haben.

Daraus folgt in meinen Augen, dass „Quote“ im Sinne von Akzeptanz und „Qualität“ nicht gleichzusetzen sind. Darauf kann man auch auf verkürztem Wege kommen, wenn man sich die quotenträchtigen RTL-Programme wie „Bauer sucht Frau“, „Dschungelcamp“ oder den „Bachelor“ ansieht.

Also: Mit Quotenvorgaben habe ich keine Schwierigkeiten, vorausgesetzt, sie sind realistisch, erreichbar und dienen nicht dazu, auf quasi-objektiviertem Weg Sendungen abzuschaffen oder Qualitätsstandards zu senken. Es ist ein beliebter Generalverdacht, das Senderhierarchien die „Quoten“ benutzen, um unliebsamen Redakteuren das Leben schwer zu machen. Ich kann auch nicht ausschließen, dass so etwas vorkommt. Hier liegt aber meines Erachtens kein primäres Problem mit der Quote vor, sondern ein Problem der Betriebskultur. Und erlauben Sie mir den Zusatz: Eine schlechte Betriebskultur ist nicht darauf angewiesen, auf dem Weg der Quote etwas durchzusetzen.

Neben der Diskussion um die Quote gibt es andere wichtige Faktoren, die zu beachten sind und ihrerseits wieder Auswirkungen auf die Quote haben bzw. haben können. Ich will mich dabei auf die Frage der Programmierung bzw. des Sendeplatzes beschränken. Der Sendeplatz Montag 20.15 gilt als besonders schwierig, weil das ZDF dort seinen Fernsehfilm der Woche abspielt – alles vom Aufwand her sehr hochwertige Produktionen. Und RTL hat seinen Millionär, und dann kommen der „Restauranttester“, „Bauer sucht Frau“ und ähnliche Formate. Die ARD hat es einmal gewagt, auf diesen Platz „Mord mit Aussicht“ zu hieven. Das war nicht sehr erfolgreich. Dann wurde „Mord mit Aussicht“ auf den Dienstag um 20.15 verschoben. Die Quote hat sich fast verdoppelt, von 9,8 % MA auf 17,6% MA. Die Sendungen waren nicht besser oder schlechter – aber die Quote hat erfolgreich als Diagnoseinstrument gedient. Und mich hat das gefreut, denn ich bekenne immer gerne, dass ich ein großes Publikum erreichen will.

Jetzt möchte ich mich gerne mit dem oben angekündigten Relevanzargument auseinandersetzen. Vielleicht sollte ich kurz definieren, was ich damit meine. Bei dem Relevanzargument geht es mir darum, wie es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelingen kann, seine Bedeutung zu behalten und als gesellschaftliche Kommunikationsplattform weiterhin zu dienen. Ich weiß, dass nicht alle dieses Argument für so wichtig halten wie ich. Ich hoffe aber, dass dies in diesem Kreis durchaus so oder so ähnlich gesehen wird.

Wahrscheinlich ist das Gelände hier am heftigsten vermint. Denn die einen argumentieren, dass die Relevanz nur dann erhalten werden kann, wenn das Profil eindeutig öffentlich-rechtlich ist, auch wenn dies zu deutlichen Zuschauerverlusten führt. Ich fürchte, eine solche Haltung führt uns in die Nicht-Wahrnehmbarkeit und damit auch in die gesellschaftliche Irrelevanz. In meiner Welt muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk darum kämpfen, zu den Großen im Mediengeschäft zu gehören. Und dafür müssen wir uns auch mit Formaten auseinandersetzen, die vielleicht in kommerziellen Systemen konzipiert worden sind und dort Erfolge aufweisen können. Denn die Quote sagt uns, dass die Zuschauer dorthin gegangen sind. Was hat der Zuschauer dort gefunden und weshalb haben wir kein Angebot, dass ihm solche Inhalte liefert? Natürlich müssen wir nicht alles nachahmen, was im kommerziellen TV erfolgreich ist. Wir brauchen kein Dschungelcamp, und auch Germany’s next Top-Modell ist bei uns nicht nur verzichtbar, sondern ich halte es für gut, bei Angeboten dieser Art deutlich zu machen, dass sie uns nicht interessieren. Aber mal reinschauen und darüber nachzudenken, weshalb sie so erfolgreich sind, halte ich für ratsam.

Wenn ich fordere, dass wir relevant bleiben müssen, habe ich zwei Gruppen im Visier. Natürlich zum einen den ganz normalen Zuschauer. Er muss bei uns Angebote finden, die ihn interessieren, denn er zahlt seine Gebühren oder seine Haushaltsabgabe dafür, dass wir Programm für ihn machen. Und nicht nur für das Bildungsbürgertum und verwandte Kreise. Da erlaube ich mir übrigens hinzuzufügen, dass die beiden oben genannten Sendungen nicht nur von Prekariat gesehen werden, sondern dass ein beträchtlicher Anteil aus den sogenannten besseren Kreisen kommt. Wenn wir dahin kommen, dass immer mehr Zuschauer sich die Frage stellen: Wofür zahle ich eigentlich meine Gebühren bzw. Haushaltsabgabe, dann stehen wir irgendwann auf der Kippe. Und dieses Land wird sich ohne öffentlich-rechtlichen Rundfunk dramatisch verändern. Das ist zugegebenermaßen ein These, aber ich bin von ihr überzeugt.

Die andere Gruppe, die ich im Auge habe, ist die Politik im weitesten Sinn, inklusive aller Interessenverbände, Kirchen und Gewerkschaften. Wenn wir keinen Rückhalt mehr bei diesen gesellschaftlich relevanten Gruppen haben, ist es um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schlecht bestellt. Denn vielen Akteuren geht es nicht um die Konkurrenz zwischen kommerziellen und öffentlich-rechtlichen Programmen, sondern sie sehen vor allem die Konkurrenz um das Medienbudget, das den Haushalten zur Verfügung steht. Wenn es keine Haushaltsabgabe mehr gäbe, ließen sich bessere Geschäfte machen, denn dann stünde das gesamte angenommene Medienbudget für kommerzielle Angebote zur Verfügung. Die gesellschaftlich relevanten Gruppen und ihre Unterstützung für uns sind das Bollwerk, dass die Haushaltsabgabe sichert – oder irgendwann vielleicht nicht mehr sichert. Unser Überleben als öffentlich-rechtliche Sender hängt davon ab, dass die gesellschaftlich relevanten Gruppen uns für unersetzlich halten – unabhängig davon, wen wir gerade mal wieder heftig geärgert haben.

Wofür ich immer wieder plädiere, ist die dauernde Überprüfung unserer Programme, unseres Handelns und auch der Rahmenbedingungen, von denen wir meinen, dass sie gegeben seien. Sie ändern sich schneller, als wir oft wahrnehmen wollen oder können. Dabei kann die Quote helfen – wenn sie als Diagnoseinstrument eingesetzt wird. Sie ist keine Garantie, dass wir die richtigen Formate und die von uns allen hochgehaltener Qualität produzieren. Aber sie kann uns dabei helfen, dass wir nicht erstarren. Wenn Redakteure von der Qualität ihrer Sendungen überzeugt sind – und dazu neigen sie permanent – und wenn es kein Korrektiv gibt, dann wird das System in Schönheit und Erfolglosigkeit erstarren. Und sich überflüssig machen, weil es sich von den konkreten Lebensbedingungen der Bürger entfernt. Natürlich ist auch das eine Hypothese.

Neben der Quote gibt es weitere Tools, mit denen wir unsere Erkenntnisse zum Thema Akzeptanz erweitern können. Dazu gehört im WDR das Programmcontrolling. Das läuft vereinfacht so ab: Die Programmverantwortlichen definieren die wesentlichen Qualitätskriterien ihrer Sendung in einem Zielvereinbarungsgespräch. Die Erfüllung dieser Kriterien wird dann beim Publikum überprüft. Dazu werden ca. 100 Zuschauer gebeten, sich mehrere Ausgabe einer Sendung anzusehen und diese zu bewerten. Leider ist das Testpublikum nach meiner Erfahrung nicht immer ganz ehrlich. Oft werden Antworten gegeben, bei denen ich den Eindruck habe, dass die Befragten zeigen wollen, dass sie für das Edle, Gute und Schöne stehen und am liebsten investigative Geschichten mit knallharten Reportern sehen. Ich bleibe da ein wenig skeptisch und habe deshalb davon gesprochen, dass wir so unsere Erkenntnisse erweitern können. Endgültiges wird auch hier nicht geliefert.

Ein weiteres Diagnoseinstrument zur Akzeptanz von Fernsehproduktionen sind die Preise, die von zahlreichen Institutionen, Verbänden oder Firmen vergeben werden. Manche haben ein sehr gutes Image, manche sind ein wenig fragwürdig. Das muss man sich kritisch ansehen. Und zweifellos ist es so, dass ein Grimmepreis, ein Deutscher Fernsehpreis oder ein Ernst-Schneider-Preis deutlich machen, dass eine Produktion eine hohe Akzeptanz bei einem sachverständigen und professionellen Publikum gefunden hat.

Zum Schluss eines Vortrags sollte man sich noch einmal vergewissern, ob man auch wirklich das erbetene Thema behandelt oder sich ein wenig drumrumgemogelt hat. Ja, es fällt leider auf, dass das Thema lautete: „Die Quote als Voraussetzung für die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags“. An der Quote habe ich mich durchaus ein wenig abgearbeitet – aber wie steht es um die Voraussetzung derselben für die Erfüllung? Jetzt kann man das WDR-Gesetz zur Hand nehmen und sich den § 4 a ansehen, der folgende Überschrift trägt: Erfüllung des Programmauftrags. Bei näherem Hinsehen stellen Sie dann aber fest: Hier geht weniger um die inhaltliche Beschreibung, sondern um Berichtspflichten und Regelwerke. Der § 5 trägt die Überschrift: Programmgrundsätze – und bietet einen umfangreichen Katalog von Werten, für die der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht oder stehen soll. Das fängt bei der Verfassung an, die zu respektieren ist, über die Menschenwürde, die Freiheit, die Toleranz gegenüber religiösen Überzeugungen, ich erspare Ihnen und mir eine komplette Aufzählung.

Wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass auf den ersten Blick die Quote nicht unbedingt eine Voraussetzung für die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags darstellt. Aber wenn ich noch einmal auf das Relevanz-Argument zurückkommen darf, dann gibt es einen indirekten Zusammenhang. In dem Abschnitt hatte ich die Überlebensfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit seiner gesellschaftlichen Relevanz verknüpft. Wenn wir irrelevant werden, dann leben wir nicht mehr lange. Und dann gibt es langfristig auch keinen öffentlich-rechtlichen Programmauftrag mehr.

Ich erlaube mir, mit dem Zitat des englischen Philosophen Julian Baggini zu schließen: „Um das zu werden, was wir gerne wären, müssen wir weiter werden, oder wir hören auf, das zu sein, was wir einmal geworden sind.“ Ich bin und bleibe ein überzeugter Anhänger der Evolutionstheorie. Und das heißt Varianz, Replikationsfähigkeit und Selektion. Wir müssen Variationen nicht nur zulassen, sondern fördern. Wir müssen bisher Hochgehaltenes ständig überprüfen. Und wenn wir feststellen, dass Neuerungen auf merkwürdige Weise sehr erfolgreich sind, dann kann man evolutionstheoretisch sagen, dass sie Vorteile in puncto Replikationsfähigkeit haben. Aber das ist ein weites Feld, wie Effi Briests Vater gesagt hätte. Bleiben wir beim Nachdenken und Überprüfen des Bestehenden. Und dabei kann uns die Quote helfen – ohne den Anspruch, dass Quotenüberlegungen stets den richtigen Weg aufzeigen.

* Referat auf dem Symposion des Initiativkreises Öffentlicher Rundfunk (IÖR) zum Thema „Public Value. Was soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk für die Gesellschaft leisten?“. Am 9. März an der Universität zu Köln.

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